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  • · Fachbeitrag · Reverse-Charge-Verfahren

    § 13b UStG bei Bauleistungen: Aktuelles BMF-Schreiben lässt Fragen offen

    von Prof. Dr. Otto-Gerd Lippross, Rechtsanwalt und Steuerberater in Münster

    | Der BFH (22.8.13, V R 37/10 ) hat kürzlich entschieden, dass Bauträger regelmäßig nicht als Steuerschuldner nach § 13b UStG in Betracht kommen, da sie keine Bauleistung i.S. des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG erbringen, sondern bebaute Grundstücke liefern (vgl. auch MBP 14, 1). Wegen der beträchtlichen Auswirkungen hat das BMF (5.2.14, IV D 3 - S 7279/11/10002, Abruf-Nr. 140678 ) nun zeitnah reagiert und mitgeteilt, dass das Urteil in allen noch offenen Fällen anzuwenden ist. Dennoch bleiben Fragen offen. |

    1. Die neue Verwaltungssichtweise im Überblick

    In der Neufassung des A 13b.3 Abs. 10 UStAE heißt es nunmehr: „Es ist erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Bauleistungen mit von ihm erbrachten Bauleistungen unmittelbar zusammenhängen.“ Es genügt also nicht, dass die bezogene Leistung nur mittelbar für Ausgangsumsätze in Form von Bauleistungen verwendet wird.

     

    • Beispiel

    Ein Bauunternehmer, der ausschließlich Bauleistungen erbringt, lässt durch ein Handwerksunternehmen die Heizungsanlage in seinem Verwaltungsgebäude erneuern.

     

    Der Handwerker erbringt eine Bauleistung in Form einer „bauwerksbezogenen Werklieferung“. Der Bauunternehmer bezieht diese Bauleistung, um seinerseits Bauleistungen zu erbringen. § 13b UStG kommt dennoch nicht zur Anwendung, weil die bezogene Bauleistung nicht unmittelbar zur Ausführung einer konkreten Bauleistung verwendet wird.

     

    Hinweis | Nach bisheriger Verwaltungsmeinung (A 13b.3 Abs. 2 UStAE a.F.) sollte es maßgeblich sein, in welchem Umfang der Leistungsempfänger Bauleistungen erbringt (mindestens 10 % seines Weltumsatzes). Nach der Kritik des BFH an dieser Regelung (keine rechtssichere Beurteilung für den Leistenden), ist die Verwaltung von dieser Auslegung nunmehr abgerückt.

     

    Legt der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vor, gilt diese Bescheinigung lediglich als Indiz dafür, dass der Leistungsempfänger die bezogene bzw. die noch zu beziehende Leistung für eine Bauleistung verwenden will (A 13b.3 Abs. 2 UStAE). Rechtssicherheit wird durch die Vorlage der Bescheinigung nicht hergestellt.

     

    Zur zeitlichen Anwendung der neuen Sichtweise der Finanzverwaltung hat sich das BMF wie folgt geäußert:

     

    • Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die ab dem Tag nach der Veröffentlichung dieses Schreibens im Bundessteuerblatt I ausgeführt werden (BStBl I 14 Nr. 3, veröffentlicht am 14.2.14).

     

    • Haben die Beteiligten die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers einvernehmlich unter Berücksichtigung der bisherigen Verwaltungsanweisung angewendet, wird es nicht beanstandet, wenn sie nach Veröffentlichung des BFH-Urteils ebenso einvernehmlich entscheiden, hieran festzuhalten, auch wenn der leistende Unternehmer nach neuer Rechtslage Steuerschuldner wäre. In diesen Fällen besteht keine Notwendigkeit einer Rechnungsberichtigung.

     

    • Hinweis | Beruft sich der Leistungsempfänger zu einem späteren Zeitpunkt auf das BFH-Urteil, soll sich der leistende Unternehmer insoweit nicht auf den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO berufen können.

     

    • Beispiel

    Handwerker H hat im August 2013 für den Bauunternehmer B die Heizungsanlage in einem Gebäude erneuert, das B für Vermietungszwecke verwendet. H hat seine Leistung ohne Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des B abgerechnet. B hat die Steuer nach § 13b UStG erklärt. Nach dem BFH-Urteil vom 22.8.13 ist § 13b UStG unzutreffend angewendet worden, da B die bezogene Bauleistung nicht selbst für eine Bauleistung verwendet hat. Die Beteiligten sind sich in Kenntnis des BFH-Urteils jedoch einig, dass es bei der Besteuerung des Umsatzes durch B verbleiben soll.

     

    Beruft sich der Bauunternehmer B gegenüber dem FA später dennoch darauf, dass er die Steuer nach § 13b UStG nicht schuldet, muss die Steuerfestsetzung - im Rahmen der Änderungsvorschriften - zu seinen Gunsten geändert werden. Denn nach dem Urteil des BFH können die Beteiligten keine wirksame Vereinbarung über die Steuerschuldnerschaft treffen. Allerdings wird das FA dann H (als Leistungserbringer) für die Steuer in Anspruch nehmen. Nach Verwaltungsauffassung kann sich H in diesem Fall nicht auf den Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 2 AO berufen.

     

    2. Offene Fragen bei Altfällen

    Die Verwaltung hat sich noch nicht dazu geäußert, wie „Altfälle“ zu entscheiden sind, wenn die Beteiligten in Kenntnis der neuen Rechtslage keine Vereinbarung mit dem Inhalt getroffen haben, dass sie an der bisherigen Handhabung festhalten wollen. M.E. gilt hier Folgendes:

     

    • Haben Leistungsempfänger Bauleistungen bezogen und nach § 13b UStG versteuert, sollten sie prüfen, ob sie fehlerhaft Steuer nach § 13b UStG erklärt haben. Die Erklärung einer Steuer nach § 13b UStG ist allerdings nur dann von steuerlicher Auswirkung, wenn die Steuer nicht in gleicher Höhe als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG geltend gemacht worden ist.

     

    • Soweit Leistungsempfänger, die § 13b UStG unzutreffend angewendet haben, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, sollten diese Unternehmer möglichst umgehend einen Antrag auf Berichtigung der fehlerhaften Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO stellen.

     

    • Durften leistende Unternehmer nach den bisherigen Verwaltungsanweisungen im UStAE davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet, können sie sich m.E. (vgl. auch Lippross in MwStR 13, 756 ff.) auf § 176 Abs. 2 AO berufen, wenn das FA sie nunmehr durch Änderungsbescheid als Steuerschuldner in Anspruch nehmen will. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Finanzverwaltung - wegen der erheblichen fiskalischen Auswirkungen - die gegenläufige Auffassung vertreten wird.

     

    • Wurde § 13b UStG im Rahmen der Anzahlungsbesteuerung auf der Grundlage der Verwaltungsanweisungen angewendet, besteht m.E. auch insoweit Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO für den leistenden Unternehmer. Er sollte daher in seiner Schlussrechnung Umsatzsteuer nur auf den Teil des Entgelts ausweisen, der bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens noch nicht nach § 13b UStG vom Leistungsempfänger versteuert wurde. Der Unternehmer sollte sich allerdings in der Rechnung vorbehalten, die Umsatzsteuer nachzufordern, wenn er von dem FA - wie zu erwarten - für diese Steuer in Anspruch genommen wird.

     

    REDAKTIONELLER HINWEIS | Die vom BMF für „Altfälle“ angekündigte Stellungnahme stand bei Redaktionsschluss noch aus. Sobald diese vorliegt, werden wir hierüber zeitnah berichten.

     

    3. Auswirkungen auch auf Gebäudereinigungsleistungen

    Auch bei Gebäudereinigungsleistungen i.S. des § 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG hat die Verwaltung mit BMF-Schreiben vom 5.2.14 ihre Anweisungen an das BFH-Urteil vom 22.8.13 angepasst.

     

    Nach der neuen Sichtweise ist zwar davon auszugehen, dass der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Gebäudereinigungsleistung zur Erbringung einer Gebäudereinigungsleistung verwendet, wenn er dem Leistungserbringer einen im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültigen Nachweis nach dem Vordruckmuster USt 1 TG im Original oder in Kopie vorlegt (A 13b.5 Abs. 4 UStAE). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Leistung nicht zur Ausführung einer Gebäudereinigungsleistung verwendet und der leistende Unternehmer hiervon Kenntnis hatte.

     

    Beachten Sie | Es ist also auch in diesen Fällen erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Gebäudereinigungsleistungen mit von ihm erbrachten Gebäudereinigungsleistungen unmittelbar zusammenhängen (vgl. A 13b.5 Abs. 5 UStAE).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der XI. Senat des BFH hat die Rechtsprechung des V. Senats vom 22.8.13 aktuell bestätigt (vgl. BFH 11.12.13, XI R 21/11).
    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 62 | ID 42567854