· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Rückwirkender Vorsteuerabzug aus Mietverträgen: Berichtigung setzt erstmalige Rechnung voraus
von Georg Nieskoven, Troisdorf
Der Vorsteuerabzug setzt eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Bei Dauerleistungsverhältnissen nutzen die Vertragsparteien dabei häufig den Vertrag als umsatzsteuerliche Rechnung, wobei die vorsteuerrelevanten Formerfordernisse immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten sind. Aktuell hat der BFH zum konkreten zeitlichen Umfang der jeweiligen Teilleistung sowie zum zeitlichen Rückbezug späterer Rechnungskorrekturen bei Mietverträgen Stellung bezogen (BFH 10.1.13, XI B 33/12, Abruf-Nr. 131511). |
Sachverhalt
F betrieb in den Streitjahren 03 bis 06 ein Fotolabor in angemieteten Räumen. Bei einer Ausßenprüfung erkannte das FA den Vorsteuerabzug aus den Mietzahlungen nicht an, da die Miete nur unregelmäßig gezahlt worden war. Auch die von F in 2009 beigebrachte Aufstellung des Vermieters über die in den Streitjahren zu zahlenden Mieten vermochte daran aus Sicht des FA nichts zu ändern. Im Einspruchsverfahren beantragte F die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Während das FA diesen Antrag ablehnte, gab das FG der AdV mit der Begründung statt, die nachträglich beigebrachte Aufstellung führe zur vorsteuerwirksamen Konkretisierung und Ergänzung der ursprünglichen Rechnung (Mietvertrag). Die Rechnungskorrektur wirke nach der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache „Pannon Gép“ (EuGH 15.7.10, C-368/09) auf den ursprünglichen Zeitpunkt zurück. Der BFH hingegen hob diesen Beschluss auf.
Anmerkungen
Umstritten war der Vorsteuerabzug aus den gezahlten bzw. geschuldeten Mieten, da es nach Ansicht des FA insofern an ordnungsgemäßen Rechnungen mangelte. Das FG war dagegen auf Basis der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache „Pannon Gép“ von einer nachträglichen Rechnungsberichtigung mit vorsteuerwirksamer Rückwirkung ausgegangen. Der BFH stellte jedoch klar, dass es einer Entscheidung zur umstrittenen Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen nicht bedarf. Der Mietvertrag hatte nämlich überhaupt nicht die Qualität einer umsatzsteuerlichen Rechnung und konnte somit auch nicht nachträglich vorsteuerwirksam ergänzt werden.
Zwar kann auch ein Vertrag Rechnungsqualität besitzen. Hinsichtlich der Anerkennung von Verträgen als vorsteuerwirksame Rechnung ist jedoch nach BFH-Ansicht Zurückhaltung geboten, denn die Inrechnungstellung von Umsatzsteuer muss - sowohl für Zwecke des Vorsteuerabzugs als auch für die Frage der Steuerschuldnerschaft des Rechnungsausstellers nach § 14c UStG - eindeutig, klar und in jedem Fall unbedingt erfolgt sein. So bedarf es neben der Aufführung der gesetzlichen Rechnungspflichtmerkmale (insbesondere zu den Leistungsbeteiligten sowie zum Netto- und Umsatzsteuerbetrag) entsprechender Angaben tatsächlicher Art, denen sich (ggf. unter Hinzuziehung weiterer Dokumente) entnehmen lässt, welche konkret bestimmte Leistung dem jeweiligen Leistungsaustausch zugrunde liegen soll.
Bei Dauerleistungsverträgen wird der Leistungsgegenstand - hier die Vermietung für einen bestimmten Zeitraum (z.B. Monat) - als sogenannte Teilleistung erst durch die monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Konkretisierung erfolgt ist, kann nach BFH-Ansicht vom erstmaligen Vorliegen einer Rechnung über einen bestimmten Leistungsgegenstand gesprochen werden.
Da diese Konkretisierungsunterlagen im Streitfall fehlten und erst außerhalb der Streitjahre nachgereicht wurden, lag noch keine Rechnung vor. Eine (ggf. rückwirkende) Rechnungsberichtigung in Form der späteren Ergänzungsaufstellung war somit ausgeschlossen. Ob die im Streitfall nachgereichte Mietaufstellung als ein den Anforderungen der Rechtsprechung genügender Zahlungsbeleg i.S. der notwendigen Konkretisierung angesehen werden kann, ließ der BFH ausdrücklich offen.
Praxishinweise
Auch die Finanzverwaltung stellt in A 14.1 Abs. 2 UStAE klar, dass Verträge grundsätzlich als Rechnungsdokument angesehen werden können, wenn der Vertrag alle Rechnungspflichtmerkmale enthält und sich die bei Dauerleistungsverhältnissen notwendige Teilleistungskonkretisierung aus Zahlungsbelegen (z.B. monatliche Zahlungsanforderungen, Überweisungsaufträge, Kontoauszüge) ergibt. Darüber hinaus gewährt das BMF noch eine weitere Vereinfachung: Nach A 14.5 Abs. 17 S. 2 UStAE soll die Leistungsabschnittskonkretisierung - auch ohne ausdrückliche Bestimmung der Zahlung für eine bestimmte Leistungsperiode - bereits durch Zuordnung der jeweiligen Zahlung zur zugehörigen Teilleistungsperiode (in der sie geleistet wurde) möglich sein.
MERKE | Diese Vereinfachung steht jedoch unter der Bedingung, dass es sich um periodisch wiederkehrende Zahlungen handelt, die in der Höhe und zum Zeitpunkt der vertraglichen Fälligkeit erfolgt sind. Diese Bedingung ist bei (wie im Streitfall) lückenhaften oder verspäteten Zahlungen nicht gegeben, sodass es dann stets ergänzender konkretisierender Zahlungsbelege bedarf. Der zahlungssäumige Mieter sollte daher für Zwecke der Leistungsabschnittskonkretisierung die der Zahlung zugehörige Mietperiode im Überweisungstext ausweisen. |
Da der Vorsteuerabzug nicht nach dem Ist-, sondern dem Sollprinzip und damit auch bereits vor erfolgter Zahlung (bei Leistungsbezug) möglich ist, stellt sich die Frage, welche Zusatzvoraussetzungen bei säumigen Mietbeträgen erforderlich sind. Hierzu äußert sich der BFH vorliegend nicht explizit. M.E. dürfte es ausreichen, wenn - wie im Streitfall - eine Aufstellung des Vermieters über erbrachte, aber noch nicht beglichene Mietzeiträume vorliegt. Die gleiche Wirkung dürfte für die jeweilige Teilleistungsperiode auch eine konkretisierende Mahnung des Vermieters haben.
PRAXISHINWEISE | Darüber hinaus sind bei Dauerleistungsverhältnissen im Hinblick auf die Rechnungslegung und den Vorsteuerabzug zwei weitere wichtige Punkte zu beachten:
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Zu der Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen (EuGH 15.7.10, C-368/09) hat der BFH leider auch im vorliegenden Beschluss eine klare Aussage verweigert. Insofern wird man wohl den Ausgang des Revisionsverfahrens (XI R 41/10) abwarten müssen. Entsprechende Einspruchsverfahren ruhen gemäß § 363 Abs. 2 S. 2 AO. Angesichts der jüngeren Rechtsprechungstendenzen müsste auch eine AdV in Betracht kommen. Dies gilt m.E. zumindest für solche Fälle, bei denen die später ergänzte/korrigierte Ursprungsrechnung bereits die wichtigen fünf Pflichtmerkmale enthielt. Denn in diesem Sinne ist der Beschluss des BFH (20.7.12, V B 82/11) zu verstehen, der ausführt, das FG könne von einer Berichtigung jedenfalls dann ausgehen, wenn das zunächst erteilte Dokument „(…) zumindest die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG aufweist und daher Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält“.
Beachten Sie | Der EuGH (8.5.13, C-271/12) hat die vorsteuerwirksame Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen aktuell bestätigt. Er beschränkt diese Möglichkeit in Rz. 34 seiner Entscheidung jedoch in zeitlicher Hinsicht auf solche Korrekturen, die der Finanzbehörde vor dem abschließenden Erlass der Festsetzungsentscheidung über die beanstandete Rechnung zugehen.
Schlussbemerkung: Die gesetzlichen Vorgaben zu den Rechnungspflichtmerkmalen sollten durch das gescheiterte „JStG 2013“ in mehreren wichtigen Punkten ausgedehnt werden. Die Bundesregierung hat jüngst mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz für die aufgrund von EU-Vorgaben zwingend umzusetzenden Rechnungsformalia einen zweiten Anlauf genommen. Im „bunten Strauß der Neuerungen“ hat die verbindliche Formulierungsvorgabe für die Abrechnung mittels Gutschrift dabei die größte umsatzsteuerliche - weil vorsteuerrelevante - Bedeutung.
Hinweis | Bei Redaktionsschluss befand sich das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz noch im Vermittlungsausschuss.