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  • · Kostenerstattung

    PKV kürzt Anzahl von Implantaten wegen fehlender medizinischer Notwendigkeit ‒ was tun?

    Bild: ©sujit - stock.adobe.com

    von Sabine Schmidt, Deutsches Zahnärztliches Rechenzentrum (DZR), Stuttgart

    | Die medizinische Notwendigkeit von Implantaten bzw. eine bestimmte Anzahl an Implantaten führt immer wieder zu Diskussionen zwischen Patienten und privaten Kostenträgern. In diese Diskussionen sind zwangsläufig auch Zahnärzte involviert. Dieser Beitrag beleuchtet die Thematik von unterschiedlichen Seiten. |

    Diskussionen starten oft mit Einreichen des Therapieplans

    In den meisten Fällen beginnt die Diskussion bereits bei der Einreichung des privaten Therapieplans bei der privaten Krankenversicherung. Die Anzahl der Implantate für eine bestimmte Situation wird vom Zahnarzt in Abstimmung mit dem Patienten festgelegt. Da Implantatversorgungen häufig höhere Kosten verursachen, versuchen private Krankenversicherungen oft, die Kosten zu reduzieren, indem eine Kostenzusage nur für eine günstigere Alternativversorgung mit weniger Implantaten erfolgt.

     

    Der Patient ist in diesen Fällen mangels Fachkenntnis auf die Mithilfe des Zahnarztes angewiesen. Nur dieser ist in der Lage, die Gründe für die medizinische Notwendigkeit einer bestimmten Anzahl an Implantaten darzulegen. Folgt man dem § 1 Abs. 2 der GOZ, bestätigt der behandelnde Zahnarzt bereits durch den regulären Ansatz der Leistungen ‒ hier Nr. 9010 GOZ ‒ die medizinische Notwendigkeit der Leistung. Ansonsten hätte die Leistung gemäß § 2 Abs. 3 GOZ vereinbart und später auf der Rechnung als Verlangensleistung gekennzeichnet werden müssen.

    VVG: Medizinisch notwendige Behandlungen sind zu erstatten

    Betrachtet man den § 192 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), so ist diesem Folgendes zu entnehmen:

     

    • § 192 Abs. 1 und 2 VVG

    „(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten.

     

    (2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen.“

     

    Nach dem VVG ist der Versicherer also verpflichtet, medizinisch notwendige Leistungen zu erstatten. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, muss ein Nachweis erbracht werden, dass die medizinische Notwendigkeit der geplanten bzw. durchgeführten Therapie nicht besteht. Ein solcher Nachweis kann sicherlich nur durch einen approbierten Zahnmediziner erbracht werden, aber keinesfalls durch einen Sachbearbeiter einer privaten Krankenversicherung.

     

    PRAXISTIPP | Erfahrungsgemäß ist es in solchen Fällen daher ratsam, dass der behandelnde Zahnarzt die medizinische Notwendigkeit der geplanten Therapie bestätigt und die geplante Anzahl an Implantaten kurz begründet.

     

    Aussagen der Konsensuskonferenz Implantologie

    Ergänzend hierzu kann auf die Konsensuskonferenz Implantologie der Verbände BDIZ EDI/DGI/DGZI/DGMKG/BDO und auf die Indikationsbeschreibung für die Regelfallversorgung dentaler Implantate verwiesen werden (online unter iww.de/s5240). Im Vorwort zu den Indikationsklassen wird die medizinische Notwendigkeit für dentale Implantate folgendermaßen definiert:

     

    • Medizinische Indikation dentaler Implantate laut Konsensuskonferenz

    „Die optimale Therapie des Zahnverlustes ist grundsätzlich der Ersatz jedes einzelnen Zahnes durch ein Implantat. Aus anatomischen Gründen ist der Zahn 8 eines Quadranten in der Regel nicht zu ersetzen. Die Notwendigkeit des Ersatzes des 7. Zahnes ist individuell kritisch zu würdigen.

     

    Die optimale Therapie kann aus verschiedensten Gründen (insbesondere anatomischen, aber auch wirtschaftlichen) nicht immer durchgeführt werden. Um dem behandelnden Zahnarzt für den Normalfall eine Planungshilfe zu geben, werden die nachfolgenden Empfehlungen für Regelfallversorgungen für die privatzahnärztliche Behandlung aufgestellt. Ausnahmeindikationen nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V werden hiervon nicht erfasst.

     

    Die Konsensuskonferenz beschreibt die Indikationsklassen i. S. eines Goldstandards. Sie haben sich seit mehr als zwei Jahrzehnten bewährt. Abweichungen von diesem Standard in den Implantatzahlen sind nicht per se falsch. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, aus denen sich ein Patient eine höherwertigere implantatgetragene Versorgung nicht leisten will oder umgekehrt eine Pfeilervermehrung gegenüber der Standardzahl medizinisch notwendig ist.“

     

    Die Kernaussage der Rechtsprechung

    Zu dieser Thematik existiert auch eine Vielzahl an Urteilen ‒ zum Teil auch höchstinstanzliche des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser definiert den Begriff der medizinischen Notwendigkeit im Großen und Ganzen dahin gehend, dass es entscheidend ist, ob die Maßnahmen nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung unter medizinischen Aspekten vertretbar waren.

     

    Vor diesen Hintergründen könnte ein Schreiben, in dem die Korrektheit der Anzahl der Implantate dargelegt wird, wie folgt verfasst sein (iww.de/pa ‒> Abruf-Nr. 47582672).

     

    Musterformulierung / Medizinische Indikation für Anzahl der Implantate

    Die im vorliegenden Fall durchgeführte Kürzung der Anzahl der Implantate ist weder begründet noch nachvollziehbar.

     

    Die Implantate in regio ….......................... (Bitte hier die regio der Implantate ergänzen.) waren im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen indiziert:

     

    ……………………(Hier bitte Indikation für die Anzahl der Implantate ergänzen.)

     

    Da fehlende Zähne eine Krankheit darstellen, besteht in der Regel eine medizinische Notwendigkeit, diese Krankheit zu beheben. Sieht der vorliegende Tarif keine Einschränkungen vor, ist die Versicherung verpflichtet, die medizinisch notwendige Heilbehandlung zu erstatten. Gemäß der höchstinstanzlichen BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25.09.1991, Az. IV ZR 151/90) ist der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig, wenn er seine Leistungspflicht einschränken will.

     

    Ergänzend hierzu verweisen wir auf das Vorwort der „Indikationsklassen“ zur Implantattherapie nach dem „Konsensuspapier“ der Verbände BDIZ EDI, BDO, DGMKG, DGI und DGZ:

     

    • „Die optimale Therapie des Zahnverlustes ist grundsätzlich der Ersatz jedes einzelnen Zahnes durch ein Implantat. Aus anatomischen Gründen ist der Zahn 8 eines Quadranten in der Regel nicht zu ersetzen. Die Notwendigkeit des Ersatzes des 7. Zahnes ist individuell kritisch zu würdigen.
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    • Die optimale Therapie kann aus verschiedensten Gründen (insbesondere anatomischen, aber auch wirtschaftlichen) nicht immer durchgeführt werden. Um dem behandelnden Zahnarzt für den Normalfall eine Planungshilfe zu geben, werden die nachfolgenden Empfehlungen für Regelfallversorgungen für die privatzahnärztliche Behandlung aufgestellt. Ausnahmeindikationen nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V werden hiervon nicht erfasst.
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    • Die Konsensuskonferenz beschreibt die Indikationsklassen i. S. eines Goldstandards. Sie haben sich seit mehr als zwei Jahrzehnten bewährt. Abweichungen von diesem Standard in den Implantatzahlen sind nicht per se falsch. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, aus denen sich ein Patient eine höherwertigere implantatgetragene Versorgung nicht leisten will oder umgekehrt eine Pfeilervermehrung gegenüber der Standardzahl medizinisch notwendig ist.“

     

    Wir bestätigen hiermit nochmals die medizinische Notwendigkeit aller geplanten Implantate und fordern die private Krankenversicherung auf, eine Nacherstattung zu veranlassen.

     

    Kürzungen durch Beihilfestellen

    Handelt es sich um einen beihilfeberechtigten Patienten, existieren andere Regeln, wenn Beihilfestellen die Anzahl der Implantate kürzen. Die Bundesbeihilfeverordnung sieht z. B. vor, dass eine Erstattung lediglich von höchstens vier Implantaten einschließlich der bereits vorhandenen Implantate von der Beihilfe bezuschusst wird. Da das Beihilferecht auf Länderebene geregelt wird, kann es hier zu kleinen Unterschieden kommen.

     

    Entscheidend für die Erstattung ist auch, ob der Beihilfepatient eine Zusatzversicherung hat, die eventuell die Differenzkosten abfängt. Im Zweifelsfall sollte der Patient vor Insertion der Implantate bzw. Durchführung der Leistung bei der Beihilfestelle einen privaten Therapieplan einreichen, um die Kostenübernahme zu klären.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 4 | ID 47562922