· Fachbeitrag · Kostenerstattung
Wurzelkanalbehandlung privat abgerechnet ‒ Krankenkasse muss Kosten nicht erstatten
von RAin Doris Mücke, Bad Homburg
| Gesetzlich versicherte (GKV-)Patienten, die eine Wurzelkanalbehandlung nach GOZ privat vereinbaren, die nicht den Behandlungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) entspricht, haben gegenüber ihrer Krankenkasse keinen Anspruch auf Kostenerstattung (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.09.2018, Az. L 1 KR 5/17). |
Sachverhalt
Streitig zwischen der Klägerin ‒ einer GKV-Patientin ‒ und ihrer Krankenkasse war die Erstattung der Kosten für Wurzelbehandlungen. Diese umfassten die Revision alter insuffizienter Wurzelfüllungen. Der behandelnde Zahnarzt hatte die Klägerin darüber aufgeklärt, dass die Prognose für die Zähne mit herkömmlichen Therapiemitteln und Zeitaufwand infaust sei und als Alternative nach den Kassenrichtlinien lediglich die Extraktion infrage käme.
Die Krankenkasse lehnte eine Kostenerstattung ab. Sie verwies auf die geltenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) V (§ 13 Abs. 3 und § 28 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 2) und Abschnitt B. III Nr. 9.1 G-BA-Behandlungsrichtlinie. Demnach müssten die (zahn-)ärztlichen Behandlungsmaßnahmen ausreichend und zweckmäßig sein. Die Prognose für eine erfolgreiche und wirtschaftliche Therapie nach Kassenrichtlinien sei vorliegend nicht gegeben. Somit sei auch keine Kostenerstattung möglich.
Die Patientin widersprach erfolglos und erhob anschließend Klage. Sie argumentierte, ihr Zahnarzt habe die betreffenden Zähne als erhaltungswürdig eingestuft. Eine Kostenerstattung sei unter dem Vorbehalt des erfolgreichen Abschlusses der Behandlung für die Krankenkasse ohne Risiko. Das LSG Berlin-Brandenburg wies die Klage ab und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz (Sozialgericht Cottbus, 23.11.2016, Az. S. 18 KR 57/13).
Entscheidungsgründe
Das Gericht sah keinen Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung. Es begründete die Klageabweisung wie folgt:
- Der Anspruch auf Kostenerstattung (Erstattung bereits entstandener Behandlungskosten) nach § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V reiche nicht weiter als der jeweilige Anspruch auf Sachleistung. Der Kostenerstattungsanspruch setze nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass die selbst beschaffte (hier: privat vereinbarte) Behandlung zu den Leistungen gehört, die rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst sind, d. h. sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, S. 1 SGB V).
- Einen wesentlichen Beitrag zur Bestimmung von Inhalt und Umfang der zahnärztlichen Behandlung leisten die G-BA-Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V, hier die Richtlinie B. III. 9.1. Danach sei die Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ‒ insbesondere für den Molarenbereich ‒ eingeschränkt geregelt und i. d. R. nur angezeigt, wenn eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann, eine einseitige Freiendsituation vorliegt oder der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird. Ferner muss die Aufbereitung und Füllung des Wurzelkanals bis bzw. bis nahe an die Wurzelspitze möglich sein.
- Ob eine wurzelspitzennahe Aufbereitung und Füllung des Wurzelkanals möglich ist, obliegt der Entscheidung des Vertragszahnarztes und nicht der Krankenkasse. Auch die Prüfung insgesamt, ob die Vorgaben der Behandlungsrichtlinie erfüllt sind, sei Sache des Zahnarztes. In diesem Fall sah der behandelnde Zahnarzt die G-BA-Vorgaben als nicht erfüllt an.
- Ein (Sach-)Leistungsanspruch besteht zudem nur, soweit die Behandlungsmethode Gegenstand des BEMA-Z ist. Dies war bei der vereinbarten Behandlung nicht der Fall.
- Die Kostenübernahme aufgrund eines privaten Behandlungsvertrags auf privatzahnärztlicher Grundlage ist nicht möglich. Es bestehe auch keine Möglichkeit, eine Teilkostenerstattung zu gewähren, anders als bei der Regelung für die Kosten für Zahnfüllungen (§ 28 Abs. 2 S. 2‒5 SGB V). Bei Zahnfüllungen bestehe als Ausnahmeregelung ein Wahlrecht zwischen dem Sachleistungsanspruch auf die Kassenleistung und einer (Teil-)Kostenerstattung. Wählt ein Versicherter aus ästhetischen oder aus anderen Gründen eine über den Standard hinausgehende Füllung, d. h. aufwendigere oder teure Versorgung (z. B. Inlays aus Keramik oder Gold), so soll dem Versicherten nach der ausdrücklich auf diesen Fall beschränkten Regelung die vergleichbar preisgünstigere Füllung als Sachleistung berechnet werden können. Dies gelte aber nicht für Wurzelbehandlungen.
Möglichkeiten der Erstattung bzw. Zuzahlung
Die vom Gericht angeführte Teilkostenerstattung ist zu unterscheiden von der Möglichkeit, bei endodontischen Behandlungen für Leistungen, die nicht im BEMA enthalten sind (nicht vom Zielleistungskomplex erfasst sind), Zuzahlungen privat zu vereinbaren. Diese sind allerdings nicht erstattungsfähig.
Eine andere Möglichkeit, gesetzlich versicherte Patienten privat zu behandeln, ist das Prinzip der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V. Hier wird der Kassenpatient vor Inanspruchnahme der Leistung aus der vertragszahnärztlichen Versorgung herausgelöst und hat gegenüber der Krankenkasse Anspruch auf Erstattung in Höhe der Sachleistung (PA 05/2019, Seite 13).
Weiterführende Hinweise
- Behandlungsrichtlinie des G-BA online unter www.iww.de/s2526, ebenda auf Seite 4 f.
- „GKV-Patienten privat behandeln ‒ das Kostenerstattungsprinzip macht es möglich“ (PA 05/2019, Seite 13)