25.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211344
Vergabekammer Nordbayern: Beschluss vom 11.07.2019 – RMF-SG21-3194-4-26
1. Die Aufklärungspflicht hinsichtlich eines als unangemessen niedrig erscheinenden Angebots setzt ein, sobald die Vergabestelle objektive Anhaltspunkte für einen unangemessen niedrigen Angebotspreis hat. Diese können in Marktdaten, in Erfahrungswerten, in einer vor Beginn des Vergabeverfahrens erfolgten Kostenschätzung und auch in den weiteren abgegebenen Angeboten zu finden sein. Die Vergabestelle hat dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum.
2. Grundsätzlich ist der Gesamtpreis des Angebots Prüfungsgegenstand. Die Prüfungstiefe bestimmt die Vergabestelle, zur Prüfung von einzelnen Positionen ist sie berechtigt, aber nicht verpflichtet und Zweifel hat sie konkret zu benennen.
3. Die Vergabestelle kann den Zuschlag auch auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, entscheidend ist, dass sie von ordnungsgemäßer Leistungserbringung ausgehen muss. Sie darf im Gegenteil nicht alleine aufgrund der Unauskömmlichkeit des Angebots den Ausschluss eines Bieters vom Verfahren vornehmen, sondern es müssten auch hierfür weitere Anhaltspunkte hinzukommen.
…..
( Antragstellerin - ASt )
Vergabestelle: …..
Bevollmächtigte:
…..
( Vergabestelle - VSt )
Beigeladene: …..
Bevollmächtigte:
…..
( Beigeladene - BGl )
Bauvorhaben: …..
Gewerk: Baumeisterarbeiten inkl. Abbruch
Vergabeverfahren: Offenes Verfahren nach § 3 EU Nr. 1 VOB/A
Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2019 durch den Vorsitzenden ….., die hauptamtliche Beisitzerin …... und den ehrenamtlichen Beisitzer ….. folgenden
B e s c h l u s s :
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle und der Beigeladenen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle und die Beigeladene war notwendig.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,- €.
Auslagen sind nicht angefallen.
S a c h v e r h a l t :
1.
Die Vergabestelle schrieb für den 2. Bauabschnitt der ….. die Leistung Baumeisterarbeiten inkl. Abbruch im Wege des Offenen Verfahrens europaweit aus. Das Verfahren wurde im Supplement zum Amtsblatt der EU am xx.xx.xxxx veröffentlicht.
Beigefügt war das detaillierte Leistungsverzeichnis.
Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziff. II.2.5 der Bekanntmachung).
Eröffnungstermin war am xx.xx.2019, 11.00 Uhr Ortszeit.
2.
Aus dem Preisspiegel zur Angebotseröffnung ergab sich, dass die Angebotssumme der Beigeladenen sich auf xxx.xxx,xx € inkl. MwSt. belief und damit die niedrigste war. Die Angebotssumme der Antragstellerin belief sich auf x.xxx.xxx,xx € inkl. MwSt. und lag damit hinter der Beigeladenen auf Rang 2.
Weitere Angebotssummen waren x.xxx.xxx,xx €, x.xxx.xxx,xx € und x.xxx.xxx,xx €.
3.
Mit Schreiben vom 13.05.2019 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden solle, da ein niedrigeres Hauptangebot vorliege. Es werde beabsichtigt, den Zuschlag am 24.05.2019 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
4.
Daraufhin rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene mit Schreiben vom 15.05.2019. Die Angebotssumme der Beigeladenen habe einen Abstand von über 40% zum nächsthöheren, sprich ihrem Angebot. Dies lasse einen unangemessen niedrigen Preis vermuten, was einem Zuschlag entgegenstehe. Die Vergabestelle habe sorgfältig zu untersuchen, ob ein derart niedriges Unterkostenangebot berücksichtigt werden könne, und müsse deshalb feststellen, ob ein überprüfungspflichtiges niedriges Angebot vorliege. Im Weiteren habe die Vergabestelle zu prüfen, ob das Angebot wirtschaftlich auskömmlich sei.
5.
Die Vergabestelle ließ die Rüge durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 20.05.2019 zurückweisen. Sie habe das Angebot der Beigeladenen sorgfältig überprüft und die Kalkulation hinterfragt. Die Beigeladene habe die Auskömmlichkeit der niedrigen Einheitspreise nochmals bestätigt und die entsprechenden EFB-Preisblätter 221 bzw. 222 sowie 223 zur Nachvollziehung der kalkulierten Einheitspreise vorgelegt.
Es stehe grundsätzlich jedem Bieter frei, wie er seine Preise kalkuliere. Auch ein niedriges Angebot könne wirtschaftlich auskömmlich sein. Nach Prüfung der Angebote sei davon auszugehen, dass die Beigeladene in der Lage sein werde, die ausgeschriebenen Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen. Der Zuschlag dürfe daher auf dieses Angebot erteilt werden.
6.
Mit Nachprüfungsantrag vom 22.05.2019 beantragt die Antragstellerin
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen und der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
2. hilfsweise geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen der Antragstellerin zu beseitigen;
3. der Antragstellerin unverzüglich Akteneinsicht nach § 165 GWB in die Vergabeakte zu gewähren;
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten einer entsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.
Die Antragstellerin trägt zur Begründung den bereits in der Rüge angeführten Sachverhalt vor.
Die Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen verletze sie in ihren Rechten aus
§ 16 d EU VOB/A, wonach auf ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe. Diese Vorschrift sei auch drittschützend zugunsten der Mitbieter, jedenfalls gewähre sie aber auch nach anderer Rechtsauffassung ein subjektives Recht dahingehend, dass die Vergabestelle ein entsprechend niedriges Angebot zumindest daraufhin überprüft, ob eine ordnungsgemäße Ausführung gewährleistet bleibt.
Sie bestreite, dass die Vergabestelle eine ausreichende Prüfung der Angemessenheit des Angebots der Beigeladenen vorgenommen habe.
Drei der Angebote, darunter ihres, lägen in einer Preisspanne von x.xxx.xxx,xx € bis x.xxx.xxx,xx €. Das Angebot der Beigeladenen sei damit um über 40% niedriger als die drei nächsthöheren, die zudem relativ eng beieinander lägen. Dies lasse auf nicht auskömmliche Marktpreise bei der Beigeladenen schließen.
Im Übrigen lasse sich die fehlerhafte Preisprüfung auch aus der Stellungnahme der Vergabestelle zur ursprünglichen Rüge ersehen, wonach nur die Überprüfung einzelner Einheitspreise erfolgt sei, nicht aber des Gesamtpreises.
Zudem erwecke die Behauptung, jedem Bieter stehe es frei, wie er seine Preise kalkuliere, berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Prüfung, da eine Verteilung der Gesamtkosten auf beliebige Positionen im Leistungsverzeichnis nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Angebot entspräche.
Ferner sei davon auszugehen, dass die Vergabestelle vergaberechtswidrige Zielsetzungen verfolge, da die Beigeladene bereits als Subunternehmerin in einem vorherigen Bauabschnitt bei der Sanierung ….. tätig gewesen sei und deshalb jetzt selbst die Leistungen erbringen solle. Darum sei das Niedrigpreisangebot nicht einer ordnungsgemäßen Prüfung unterzogen worden. Dies sei willkürlich und wettbewerbswidrig.
7.
Die Vergabekammer übermittelte den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 23.05.2019 an die Vergabestelle zur Stellungnahme und bat um Übersendung der Vergabeakten.
8.
Mit Schriftsatz vom 29.05.2019 ließ die Vergabestelle durch ihre Bevollmächtigte beantragen:
1. Der Vergabenachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin notwendigen Kosten trägt die Antragstellerin.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin notwendig war.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.
Ergänzend zu den Ausführungen in der Begründung der Zurückweisung der Rüge trägt sie vor, dass durch das beauftragte Planungsbüro noch vor Bekanntmachung des Auftrags eine Kostenschätzung erstellt worden sei, für die insbesondere Angebotspreise aus vergleichbaren Baumaßnahmen und zudem Preise aus Baupreisportalen herangezogen worden seien. Diese seien auf Plausibilität geprüft und mit den eingereichten und genehmigten Kosten nach DIN 276 abgeglichen worden. Darauf aufbauend sei die Kostenschätzung erstellt worden.
Das Angebot der Beigeladenen liege immer noch knapp über dieser eigenen Kostenschätzung, jedoch bei weitem nicht in dem Maße wie die übrigen Angebote.
Der erstellte Preisspiegel zeige, dass sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene in einigen Positionen Angebote unterhalb des bepreisten Leistungsverzeichnisses abgegeben hätten.
Aufgrund der großen Differenz der Angebote habe man eine Aufklärung vorgenommen und die Auskömmlichkeit geprüft. Da bei den Angeboten der Antragstellerin und der Beigeladenen einige niedrige Einheitspreise festgestellt worden seien, habe man Aufklärung über deren Kalkulation verlangt. Bei der Beigeladenen wurden über 100 Positionen nachgefragt, bei der Antragstellerin 29.
Die Vergabestelle habe daraufhin die von der Beigeladenen nachgereichten Unterlagen (EFB-Formblätter 221 und 223) zur Auskömmlichkeit von dem von ihr beauftragten Architekturbüro prüfen lassen, diese wurden für nachvollziehbar und schlüssig befunden.
Der aus dem Angebot der Beigeladenen ersichtliche Gesamtstundenansatz sei realistisch, weil dieser vergleichbar mit der Besetzung ähnlicher Bauvorhaben sei.
Auch habe die Beigeladene die Auskömmlichkeit mit Schreiben vom 13.04.2019 nochmals bestätigt.
Die Vergabestelle habe immer den Gesamtpreis insgesamt überprüft. Es sei dabei lediglich bei einzelnen, weit unter der eigenen Schätzung befindlichen Preisen eine besonders intensive Nachprüfung erfolgt. Die Prüfung der Auskömmlichkeit habe sich jedoch immer auf den Gesamtpreis bezogen und ergeben, dass die angebotenen Preise in der Tat auskömmlich seien.
Im Ergebnis habe die Prüfung des Gesamtpreises ergeben, dass eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistung zum angebotenen Preis prognostiziert werden könne.
Die Vergabestelle ist der Ansicht, es sei bereits deshalb kein unangemessen niedriges Angebot durch die Beigeladene abgegeben worden, weil die Angebotssumme immer noch über der eigenen Kostenschätzung liege. Ein solches Angebot könne schon nicht unwirtschaftlich sein, die Kostenschätzung sei ein geeigneter Vergleichsmaßstab, da sie ordnungsgemäß erstellt worden sei.
Die anderen Angebote seien hingegen stark überhöht.
Dennoch habe die Vergabestelle wegen der großen Preisdifferenz vorsichtshalber eine Aufklärung bei der Beigeladenen vorgenommen und die Positionen, die unterhalb des bepreisten Leistungsverzeichnisses angeboten wurden, nochmals hinterfragt. Mit der daraufhin vorgelegten ausführlichen Kalkulation habe man die Auskömmlichkeit bejahen können.
Selbst wenn jedoch ein Unterkostenangebot vorläge, könne die Vergabestelle dennoch den Zuschlag darauf erteilen, sofern eine zuverlässige und vertragsgerechte Leistungserbringung zu erwarten ist.
Der große Abstand zwischen dem niedrigsten und zweitniedrigsten Angebot begründe noch keine Anhaltspunkte für die Annahme eines ungewöhnlich niedrigen Preises. Anzeichen für einen nicht wettbewerblich begründeten Preis müssten noch dazukommen, sind hier aber nicht ersichtlich. Grundsätzlich sei ein Bieter in seiner Preisgestaltung frei.
Anhaltspunkte für die Annahme einer Mischkalkulation lägen nicht vor.
Ein öffentlicher Auftraggeber dürfe ferner selbst die Angebote berücksichtigen, die nicht auskömmlich seien, wenn ordnungsgemäße Leistungserbringung zu erwarten sei und der Bieter wettbewerbskonforme Ziele verfolge.
Bei der Prüfung der Auskömmlichkeit dürfe ein öffentlicher Auftraggeber nicht nur den Gesamtpreis berücksichtigen, sondern müsse gerade auf zu gering erscheinende Positionen gezielt eingehen.
Das beauftragte Architekturbüro habe errechnen können, mit wie viel Mann die Beigeladene die Baustelle zu besetzen gedachte. Diesen Personaleinsatz habe man als ausreichend erachtet.
Das vorherige Tätigwerden der Beigeladenen auf der Baustelle und die Tatsache, dass die Vergabestelle die Beigeladene kenne, seien für sich allein keine Gründe, die Beigeladene auszuschließen.
Im Übrigen könne von der Vergabekammer lediglich überprüft werden, ob die Aufklärung über die Angebotspreise durch die Vergabestelle sachgerecht und nachvollziehbar erfolgt sei, nicht jedoch, ob die jeweiligen Angebote an sich wirtschaftlich auskömmlich seien.
9.
Mit Schriftsatz vom 13.06.2019 trug die Antragstellerin vor, dass die Kostenschätzung des Planungsbüros der Vergabestelle nicht offengelegt wurde, wobei ein Geheimhaltungsinteresse nicht bestünde.
Sie beantragt daher, der Vergabestelle aufzugeben, die Kostenschätzung vorzulegen.
Eine Bewertung der Kostenschätzung sei ihr bislang nicht möglich. Die Grundlage der Kostenschätzung sei fehlerhaft, weil die vom Planungsbüro zugrunde gelegten Preise nicht dem tatsächlichen Marktpreis entsprächen. Der Marktpreis ergebe sich aus der aktuellen Nachfrage am Markt und die Preisspanne zwischen x.xxx.xxx,xx € (Angebot der Antragstellerin) und x.xxx.xxx,xx € (vierthöchstes Angebot) spiegele diesen Marktpreis angemessen wider.
Die Antragstellerin selbst habe bereits ein knapp kalkuliertes Angebot abgegeben.
Allein die Tatsache, dass das Angebot der Beigeladenen etwas über der Kostenschätzung der Vergabestelle liege, könne nicht dazu führen, dass das Angebot wirtschaftlich sei, da schon die Kostenschätzung fehlerhaft sei.
Die Vergabestelle verhalte sich zudem widersprüchlich, wenn sie einerseits behaupte, sie gehe nicht von einem Unterangebot aus, andererseits aber Aufklärung über aus ihrer Sicht auffällig niedrige Einheitspreise verlange.
Erst wenn der Gesamtpreise ungewöhnlich niedrig erscheine, dürfe überhaupt eine Prüfung der Einzelpreise erfolgen.
Die Aufschlüsselung der Einheitspreise durch die Beigeladene ändere nichts am nicht auskömmlichen Gesamtpreis. Dass der Gesamtpreis auskömmlich sei, könne wiederum nicht mit der eigenen fehlerhaften Kostenschätzung begründet werden.
Der von der Antragsgegnerin selbst ermittelte durchschnittliche Personalbedarf für die Baustellenbesetzung auf Grundlage des nachträglich eingereichten Gesamtstundenansatzes der Beigeladenen biete keine Gewähr für ein auskömmliches Angebot.
Allein die fehlende Auskömmlichkeit eines Angebots könne zwar nicht zu einem Ausschluss führen, sofern eine ordnungsgemäße Leistung zu erwarten ist, jedoch habe die Vergabestelle solche Gründe hier nicht vorgetragen. Es sei schlicht unmöglich, die Leistungen zum Preis der Beigeladenen vertragsgerecht und wirtschaftlich zu erbringen, selbst wenn diese von einem Gewinn absähe.
10.
Die Vergabekammer hat am 18.06.2019 die Fa. ….. zum Verfahren beigeladen.
11.
Mit Schriftsatz vom 25.06.2019 ließ die Beigeladene durch ihre Bevollmächtigte beantragen:
1. Der Vergabenachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen notwendigen Kosten trägt die Antragstellerin.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Beigeladene notwendig war.
Das Verfahren sei unbegründet.
Unterkostenangebote seien zulässig, eine Vergabestelle könne auch den Zuschlag auf nicht auskömmliche Angebote erteilen, sofern sie eine zuverlässige und vertragsgerechte Leistung prognostizieren kann. Die Beigeladene sei bereits seit 5 Jahren auf der Baustelle der Vergabestelle tätig, was eine positive Prognose indiziere.
Auf ein unangemessen niedriges Angebot dürfe gemäß § 16 d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden. Sobald ein Angebot unangemessen niedrig erscheine und die Angemessenheit nicht anhand der bereits vorliegenden Unterlagen beurteilt werden könne, müsse die Vergabestelle Aufklärung verlangen.
Sobald ein Angebot um mindestens zehn vom hundert vom nächsthöheren Angebot abweiche, habe eine Vergabestelle die Kalkulation zu prüfen. Dabei sei ein Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen.
Eine Vergabestelle müsse eigenständig die erforderlichen Aufklärungen vornehmen und prüfen, ob der Gesamtangebotspreis angemessen sei. Daraus müsse er die weitgehende Sicherheit erlangen, dass die Leistung ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten und daraus eventuell resultierender Unterbrechungen vertragsgemäß erfüllt werden könne. Dabei habe sie einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, der nur bei Nichteinhaltung der Verfahrensvorschriften, bei einem unrichtig ermittelten Sachverhalt, bei sachfremden Erwägungen oder bei nicht zutreffender Anwendung des Beurteilungsspielraums überschritten sei. Erst eine solche Überschreitung rechtfertige das Eingreifen der Vergabekammer.
Für die Prüfung der Frage, ob bei einem Angebot ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung bestehe, sei die Angebotskonstellation maßgeblich, also die rechnerisch geprüften Angebotssummen einschließlich gewerteter Preisnachlässe der Bieter.
Eine Abweichung von mehr als zehn vom hundert rechtfertige nicht automatisch den Ausschluss des Angebots, sondern begründe nur den Verdacht, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig sei. Diesen Verdacht könne der Bieter gegenüber der Vergabestelle ausräumen. Diese habe dazu beim Bieter gezielt nachzufragen und ihm Gelegenheit zur Aufklärung zu geben. Da der Bieter naturgemäß von der Richtigkeit seiner Kalkulation ausgehe und keine Kenntnis von der Kalkulation der anderen Bieter habe, könne er nur dann die Angemessenheit seines Angebots nachvollziehbar begründen, wenn er die Gründe für die Zweifel der Vergabestelle kenne. Durch gezielte Nachfragen müsse die Vergabestelle dem Bieter gezielte Aufklärung ermöglichen. Eine pauschale Aufforderung zur Erklärung der Kalkulation könne nicht ausreichen.
Wenn die Aufklärung durch die Vergabestelle ordnungsgemäß erfolgt sei, könne auch ein ehemals ungewöhnlich scheinendes Angebot nunmehr zuschlagsfähig sein. Könne der Verdacht eines ungewöhnlich niedrigen Angebots hingegen nicht ausgeräumt werden, sei das Angebot auszuscheiden.
Im vorliegenden Fall habe die Vergabestelle ein Aufklärungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Die nächsthöheren Angebote hätten über 40% über dem Angebot der Beigeladenen gelegen, weshalb die Vergabestelle die Aufklärung durchgeführt habe.
Mit Schreiben vom 10.04.2019 habe die Vergabestelle der Beigeladenen eine Frist zur Aufklärung bis 16.04.2019 gesetzt. Die Beigeladene habe fristgerecht die Vergabestelle aufgeklärt und alle Zweifel ausgeräumt, insbesondere habe sie über 100 Einzelpositionen erläutert und sogar ihre Urkalkulation offengelegt. Die Vergabestelle habe dabei keine Auffälligkeiten erkannt.
Die Einheitspreise der Beigeladenen seien angemessen. Als Vergleichsmaßstab diene die Kostenschätzung des von der Vergabestelle beauftragten Planungsbüros.
Die Vergabestelle habe nachvollziehbar und schlüssig aus dem Gesamtstundenansatz die Besetzung der Baumaßnahme mit ca. x bis x Mann für die maßgebliche Zeit schlussfolgern können, was mit ähnlichen Baumaßnahmen vergleichbar sei.
Die Prüfung habe die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen ergeben, einzelne Positionen aus dem Leistungsverzeichnis seien gezielt hinterfragt worden.
Das Angebot liege nur im einstelligen Prozentbereich über der ursprünglichen Kostenschätzung.
Die Vergabestelle habe ihren Beurteilungsspielraum ordnungsgemäß ausgeschöpft.
Die erkennende Vergabekammer habe bereits zuvor entschieden: „Die Unverhältnismäßigkeit des Preises unterliegt der wertenden Betrachtung des Auftraggebers. Kann der Bieter nachvollziehbar erklären, aufgrund sach- und/oder unternehmensbezogener, wettbewerbsorientierter Gründe günstiger als das Bieterumfeld kalkuliert zu haben (zum Beispiel wegen effizienteren Arbeitsmethoden oder Betriebsabläufe, preisgünstige Bezugsquellen, der Absicht der bloßen Erzielung eines Deckungs-beitrages zu den Geschäftskosten oder ein Vorstoß in einen neuen Markt), ist bei wertender Betrachtung kein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung gegeben. Dies hat auch bei Unterkostenangeboten sowie erst recht dann zu gelten, wenn der Angebotspreis aufgrund der vom Bieter glaubhaft geleisteten Auskunft nach den Marktgegebenheiten nicht als ungewöhnlich niedrig bezeichnet zu werden verdient.“ (VK Nordbayern, Beschluss vom 11.07.2018 – RMF-SG-21-3194-03-15)
Die Beigeladene sei bereits seit fünf Jahren an dem Bauvorhaben beteiligt und kenne sowohl die Baustelle als auch die örtlichen Gegebenheiten sehr gut, was ihr bei der Kalkulation zugutekomme.
Allein die Unauskömmlichkeit des Angebots rechtfertige noch nicht den Ausschluss.
Die Antragstellerin lege nicht dar, warum die Beigeladene ihre Leistungen nicht wie angeboten erbringen können sollte. Der Wissensvorsprung der Beigeladenen bringe einen erheblichen Vorteil mit sich, der sich im Angebot niederschlage.
Für die Auskömmlichkeit spreche zudem, dass die Angebotssumme nur im einstelligen Prozentbereich über der Kostenschätzung der Vergabestelle liege. Die anderen abgegebenen Angebote seien dagegen zu hoch.
Der Baupreisindex, den die Vergabestelle als Grundlage für die Kostenschätzung herangezogen habe, spiegele gerade die aktuellen Baupreise wider. Der Kostenschätzung sei immanent, dass sie vor Abgabe der Angebote bereits erstellt sei. Der Marktpreis könne sich demnach gerade nicht durch einen Vergleich aller abgegebenen Angebote ermitteln lassen, sondern nur durch einen Vergleich mit ähnlichen Maßnahmen und dem Baupreisindex.
Im Übrigen wird auf den Schriftsatz der Beigeladenen verwiesen.
12.
Mit Schriftsatz vom 27.06.2019 trägt die Vergabestelle ergänzend vor, dass das bepreiste Leistungsverzeichnis des von ihr beauftragten Architekturbüros gerade doch die aktuellen Marktpreise beinhalte. Die Abgleichung mit der Kostenberechnung nach DIN 276 habe nur zur Prüfung der Plausibilität erfolgt.
Die Erstellung der Kostenschätzung habe wie folgt stattgefunden: Das beauftragte Architekturbüro habe im Februar 2019 das bepreiste Leistungsverzeichnis erstellt. Dieses basierte auf vergleichbaren Leistungen im 1. Bauabschnitt der Sanierung im Jahr 2014, zuzüglich einer prozentualen Erhöhung von etwa 15,6 % auf Grundlage der vom BKI veröffentlichten Baupreisindizes (Wert Januar 2014: 98,1; Wert Januar 2019: 113,4; 113,4 / 98,1 x 100 – 100 = 15,6 [gerundet]).
Im ersten Bauabschnitt seien Angebote für ähnliche Leistungen submissioniert worden. Das Architekturbüro habe sich am damaligen Angebotsspiegel und jeweils im unteren Preisniveau orientiert, was aufgrund der Wettbewerbssituation auch jetzt erreichbar und auskömmlich schien.
Zudem seien weitere Einzelpositionen über das Fachportal www.baupreise.de ermittelt und auf die Submissionsergebnisse insbesondere zweier vergleichbarer …..projekte (…..: März 2017; ….. Submission: Mai 2015) zurückgegriffen worden.
Hinsichtlich der Kostengruppe 396, Materialentsorgung, seien Mitte 2018 vom beauftragten Sachverständigenbüro ….. Einheitspreise zugearbeitet worden, die auf aktuellen Preisen umliegender Deponien basierten. Diese seien zzgl. eines Preisaufschlags von 5 % in das Leistungsverzeichnis mit aufgenommen worden.
Der Kostenansatz bis zur Erstellung der Leistungsverzeichnisse habe bereits folgende Kostenermittlungsarten durchlaufen: die Kostenschätzung, die Kostenberechnung, die Prüfung der Kostenberechnung durch die öffentliche Prüforgane (Regierung) und die Billigung der Kostenberechnung durch die öffentlichen Prüforgane (Ministerium).
Zur Prüfung der Plausibilität habe man zudem einen Abgleich nach DIN 276 vorgenommen.
Das bepreiste Leistungsverzeichnis stelle somit eine ordnungsgemäße Kostenschätzung dar. Diese sei zwar mit Unwägbarkeiten behaftet und bilde nur eine Prognose, sei aber dann nicht zu beanstanden, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten methodisch vertretbar erarbeitet worden sei.
Die Berücksichtigung nur der günstigsten Angebote bisheriger Ausschreibungen zur Ermittlung der Mittelpreise sei vertretbar.
Allein ein beträchtlicher Preisabstand könne noch kein hinreichendes Merkmal für einen ungewöhnlich niedrigen Preis sein, vielmehr müssten Anhaltspunkte hinzukommen, dass der Preis nicht wettbewerbsrechtlich begründet sei (Verweis auf Beschluss des OLG München vom 21.05.2010, Verg 02/10). Der Bieter sei in seiner Preisgestaltung frei.
Einen festen Prozentsatz, ab dem von einem unangemessen niedrigen Angebot auszugehen sei, gebe es nicht. Der Gesamtpreis des Angebots sei in Relation zum Wert der Leistung zu setzen und der Wert der Leistung müsse nach objektiven Gesichtspunkten bemessen werden. Eine nachvollziehbare und vertretbare Kostenschätzung unter Heranziehung aller möglichen Erkenntnisquellen könne als Wert der Leistung zur Beurteilung herangezogen werden. Vorliegend sei deshalb ein unangemessen niedriges Angebot nicht gegeben.
Dass mehrere höhere und nahe beieinander liegende Angebote abgegeben worden seien, sei auf die aktuelle Marktsituation zurückzuführen. Bieter würden oft Spekulationsgewinne mit einkalkulieren.
Vorsorglich habe man aber nach Erkennen der großen Preisdifferenz doch eine Aufklärung betrieben. Diese habe nicht nur bei der Beigeladenen, sondern auch bei der Antragstellerin stattgefunden.
Die durchschnittliche personelle Baustellenbesetzung habe man errechnet, mit dem 1. Bauabschnitt abgeglichen und für ausreichend befunden.
Ebenfalls habe man die Kalkulationsangaben für die abgefragten Positionen geprüft und für auskömmlich angesehen.
Die Behauptung der Antragstellerin, man könne die ausgeschriebene Leistung zum angebotenen Preis nicht erbringen, sei unsubstantiiert. Die Kostenschätzung gebe aktuelle Marktpreise an.
Für die Prognoseentscheidung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Leistungserbringung habe man unter anderem auch berücksichtigt, dass die Beigeladene bereits im 1. Bauabschnitt tätig war und ihre Leistungen ordnungsgemäß erbracht habe.
Der Zuschlag dürfe auch auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilt werden, solange eine zuverlässige und vertragsgerechte Leistungserbringung prognostiziert werden könne. Hierbei habe die Vergabestelle Ermessensspielraum, den sie vorliegend ordnungsgemäß ausgeübt habe.
13.
In einem ergänzenden Schriftsatz, ebenfalls vom 27.06.2019, legt die Vergabestelle detailliert dar, wie die Plausibilitätsprüfung der bepreisten Leistungsverzeichnisse im Vergleich zur Kostenberechnung nach DIN 276 erfolgt sei.
14.
Am 28.06.2019 wurde der Antragstellerin Akteneinsicht unter Beachtung des Geheimschutzes gemäß § 165 GWB gewährt.
15.
Ergänzend ließ die Beigeladene durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 03.07.2019 vortragen, dass der Zuschlag auf ein Unterkostenangebot erteilt werden dürfe.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH seit 2004 sei ein Bieter in der Kalkulation seiner Preise frei. Er dürfe deshalb auch ein Unterkostenangebot abgeben. Maßgeblich sei, dass die Angemessenheitsprüfung durch den Auftraggeber die Auskömmlichkeit des Angebots ergebe.
Die Beigeladene nimmt Bezug auf den Beschluss der Vergabekammer Lüneburg vom 02.05.2017 – VgK-09/2017.
Ferner bestünden Zweifel weder an der Auskömmlichkeit ihres Angebots noch an ihrer Zuverlässigkeit. Die Beigeladene sei seit fünf Jahren auf der Baustelle der Vergabestelle tätig. Sie habe ihre Urkalkulation offengelegt, dabei seien keine Unstimmigkeiten aufgefallen.
Das Vorliegen einer Mischkalkulation sei hier ebenfalls nicht gegeben.
Zusätzlich sei die Antragstellerin schon nicht antragsbefugt, weil § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ohne weitere Anhaltspunkte, wie zum Beispiel eine Marktverdrängungsabsicht oder die Befürchtung nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung, nicht drittschützend sei, wie auch die Vergabekammer Bund im Beschluss vom 19.08.2016 – VK 2-75/16 und die hier erkennende Vergabekammer Nordbayern im Beschluss vom 06.02.2014 – 21-VK-3194-60/13 festgestellt hätten.
Die einschlägigen Vorschriften dienten in erster Linie dem Schutz der Vergabestelle, dem Schutz der Wettbewerber nur ausnahmsweise.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verweisen.
16.
Mit Schriftsatz vom 05.07.2019 führt die Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen weiter aus.
Sie moniert zunächst, dass im Zuge der gewährten Akteneinsicht das bepreiste Leistungsverzeichnis und das Prüfprotokoll des Angebots der Beigeladenen ihr nicht übersandt worden seien, obwohl in beiden Fällen kein Geheimhaltungsinteresse der anderen Verfahrensbeteiligten erkennbar sei.
Sie bestreite daher, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Angebots der Beigeladenen erfolgt sei, die die Prognose ordnungsgemäßer Leistungserbringung rechtfertige.
Hinsichtlich der Kostenschätzung und der abgegebenen Angebote vertieft sie ihren bisherigen Vortrag nochmals.
Das Angebot der Beigeladenen sei zu niedrig, nur das Angebot der Firma ….. (Angebotssumme x.xxx.xxx.00 €) sei überhöht.
Die Kostenschätzung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da die Submissionsergebnisse der von der Vergabestelle als vergleichbar eingestuften …..projekte aus Mai 2015 und März 2017 datierten, sodass diese mittlerweile nicht mehr relevant seien.
Selbiges gelte für die Zugrundelegung der Submissionsergebnisse des ersten Bauabschnitts, die bereits über fünf Jahre alt seien.
Dass die Beigeladene sich als Subunternehmerin auf der Baustelle seit fünf Jahren betätige, rechtfertige nicht die Annahme, sie habe ein auskömmliches Angebot abgegeben. Es verbiete sich, auf die Preise des ersten Bauabschnitts zurückzugreifen. Allein dass die Vergabestelle die Beigeladene zur Erläuterung von über 100 Einzelpositionen aufgefordert habe, lasse auf die Unauskömmlichkeit des Angebots schließen und indiziere ein unzulässiges Verschieben von Preisen in andere Positionen.
17.
Die Fünf-Wochen-Frist des § 167 Abs. 1 GWB wurde zuletzt bis einschließlich 02.08.2019 verlängert.
18.
In der mündlichen Verhandlung am 11.7.2019 hatten die Beteiligten Gelegenheit sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern.
Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
Die Antragstellerin bekräftigt ihre Anträge aus dem Schreiben vom 22.05.2019.
Die Vergabestelle bekräftigt ihre Anträge aus dem Schreiben vom 29.05.2019.
Die Beigeladene bekräftigt ihre Anträge aus dem Schreiben vom 25.06.2019.
B e g r ü n d u n g:
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und
§ 2 Abs. 2 S. 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die Vergabestelle ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB.
c) Bei dem ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert nach Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
e) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB vorgetragen, dass sie ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat, und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Sie beruft sich dabei auf eine Verletzung von § 16 d EU VOB/A, der insoweit drittschützend ist, dass er Mitbietern gegenüber einer Vergabestelle jedenfalls einen Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung der Angebotswertung und ermessenfehlerfreie Entscheidung gewährt (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017 – X ZB 10/16; Steck, in: Ziekow/Völlink § 16 d VOB/A-EU Rn. 15 inkl. Verweis auf § 60 VgV Rn. 25 ff.). Weitere Anforderungen sind an das Vorbringen der Antragstellerin nicht zu stellen, da dies Kenntnisse erfordern würde, über die sie in der Regel nichts verfügen kann (insbesondere interne Vorgänge der konkurrierenden Unternehmen) und für deren Erlangung die kurzen Rügefristen im Vergabeverfahren (z.B. in § 160 Abs. 3 GWB) regelmäßig nicht ausreichen können (vgl. BGH a.a.O.).
Vorliegend hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass die Vergabestelle gerade nicht die erforderliche Aufklärung wegen Vorliegens eines Unterkostenangebots vorgenommen und in Bezug auf die Prognose ordnungsgemäßer Leistungserbringung ermessensfehlerhaft entschieden hätte.
Die Behauptung, dass ein Unterkostenangebot vorliege, stützt sie auf den Preisunterschied zwischen ihrem Angebot und dem Angebot der Beigeladenen. Dies genügt, um eine Antragsbefugnis zu begründen. Es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, neben dem Überschreiten der Aufgreifschwelle von 20 % Preisunterschied noch weiteren Sachvortrag in ihrem Nachprüfungsantrag vorzubringen, schon allein deshalb, weil sie es ohne weitere Akteneinsicht in der Regel nicht kann.
Sie hat ferner geltend gemacht, dass ihr durch die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene ein Schaden zu entstehen droht. Hätte das Angebot der Beigeladenen ausgeschlossen werden müssen, wäre der Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen gewesen, da es dann das günstigste gewesen wäre.
f) Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 13.05.2019 rechtzeitig nach Erhalt des Informationsschreibens gemäß § 134 GWB vom 13.05.2019 die beabsichtigte Vergabeentscheidung gerügt.
g) Zum Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrags am 22.05.2019 war auch die
15-Tages-Frist gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB nicht abgelaufen, die der Antragstellerin nach der Rügezurückweisung vom 20.05.2019 zur Verfügung stand.
h) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Durchführung des Vergabeverfahrens nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Zwar erscheint das Angebot der Beigeladenen als ungewöhnlich niedrig. Jedoch ist die Vergabestelle ihrer daraus folgenden Aufklärungspflicht gemäß § 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A ordnungsgemäß nachgekommen und hat ihren Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Angemessenheit des Preises im Sinne der Prognose einer zuverlässigen und vertragsgerechten Leistungserbringung nicht überschritten.
a)
Das Angebot der Beigeladenen musste der Vergabestelle als unangemessen niedrig erscheinen, was die Aufklärungspflicht gemäß § 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A nach sich zog.
Die Aufklärungspflicht setzt ein, sobald die Vergabestelle objektive Anhaltspunkte für einen unangemessen niedrigen Angebotspreis hat (Beck‘scher Vergaberechtskommentar Band 2, 3. Auflage 2019, § 16d VOB / A-EU Rn. 25 m.w.N.). Diese können in Marktdaten, in Erfahrungswerten, in einer vor Beginn des Vergabeverfahrens erfolgten Kostenschätzung und auch in den weiteren abgegebenen Angeboten zu finden sein.
Die Vergabestelle hat dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, § 16d VOB/A-EU Rn. 8)
Eine Prüfpflicht des Auftraggebers wird in der Rechtsprechung überwiegend dann angenommen, wenn sich ein prozentualer Abstand zum Angebot des nächstplatzierten Bieters von 20% der Gesamtauftragssumme ergibt. (Steck, in: Ziekow/Völlink, a.a.O. Rn. 9; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017 - Verg 17/17 zu § 60 VgV)
Hier vorliegend belief sich die Angebotssumme der Beigeladenen auf xxx.xxx,xx €, die drei nächsthöheren Angebote auf x.xxx.xxx,xx € (Angebot der Antragstellerin), x.xxx.xxx,xxx € und x.xxx.xxx,xx €.
Die Differenz zwischen dem niedrigsten und zweitniedrigsten Angebot war ein objektiver Anhaltspunkt dafür, dass ein unangemessenes Angebot vorliegen könnte.
Es kann zunächst dahinstehen, ob eine Aufgreifschwelle von 20% eine feste Grenze bilden soll oder bereits bei einer geringeren Differenz eine Aufklärungspflicht ausgelöst wird, da hier diese Schwelle ohnehin überschritten ist.
Es ist allerdings fraglich, ob das Indiz für ein Unterkostenangebot in Form der Preisdifferenz innerhalb der submissionierten Angebote durch andere Anhaltpunkte widerlegt werden kann, sodass das niedrigste Angebot der Vergabestelle schon nicht als unangemessen niedrig erscheinen muss.
Einerseits ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder Bieter ein knapp kalkuliertes Angebot abzugeben hat, sondern durchaus auch spekulative Elemente bei der Kalkulation eine Rolle spielen können. Jeder Bieter ist in seiner Preisgestaltung frei (vgl. Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl. 2016, § 16d VOB/A Rn. 27; OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 – Verg 02/10), kann also grundsätzlich auch zu hohe oder zu niedrige Preise verlangen. Wenn nun eine Vergabestelle eine ordnungsgemäß erstellte und aussagekräftige Kostenschätzung noch vor Abgabe der Angebote vorliegen hat und sich nur eines der Angebote in dieser Größenordnung bewegt, besteht die Möglichkeit, dass entweder das beste Angebot und die Kostenschätzung jeweils unangemessen niedrige Preise veranschlagen oder die restlichen Angebote überhöht sind. Welche der beiden Varianten zutrifft, ist letztlich aus der ex-ante-Sicht der Durchführung des Vorhabens nie zweifelsfrei zu ermitteln. Da jedoch die Vergabestelle ihrerseits sich den Bestbieter trotz des niedrigen Preises als potenziellen Vertragspartner aussuchen möchte, spricht einiges dafür, ihr schon hier diesen Beurteilungsspielraum zuzugestehen.
Andererseits ist der submissionierte Preis häufig das alleinige, immer aber zumindest ein maßgebliches Kriterium, nach dem ein öffentlicher Auftrag vergeben wird. Wenn dieser nun also durch eine auffällige Niedrigkeit im Vergleich zu den restlichen Angebotssummen sofort auffällt, so ist dies zumindest als starkes Indiz zu werten, dass das Angebot unangemessen niedrig scheinen muss. § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A ist insofern so formuliert, dass es genügt, dass das Angebot unangemessen niedrig scheint. Das Erscheinen als unangemessen niedrig kann so verstanden werden, dass bereits einzelne Anzeichen ausreichen, um eine Aufklärungspflicht auszulösen. Ein Beurteilungsspielraum der Vergabestelle wäre dann nur bei Uneindeutigkeit innerhalb eines Kriteriums gegeben, nicht aber beim Vergleich mehrerer verschiedener Kriterien untereinander. Das Abwägen verschiedener Anzeichen für und gegen die Unangemessenheit kann durch die Vergabestelle immer auch noch nach der Aufklärung über das niedrigste Angebot stattfinden. Sie ist nicht gezwungen, sich für das niedrigste Angebot zu entscheiden, gleichzeitig aber auch nicht daran gehindert, allerdings erst nach Aufklärung, nicht schon zuvor. Die Aufklärung ist insoweit als Instrument zum weiteren Erkenntnisgewinn zu verstehen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. Es besteht daher kein Grund, die vorliegenden Kriterien schon vor Aufklärung gegeneinander abzuwägen, und es ist unerheblich, dass das Angebot der Beigeladenen preislich nahe an der Kostenschätzung der Vergabestelle liegt.
Wenn ein eindeutiges Anzeichen für Unangemessenheit zweifellos vorliegt, was hier aufgrund des deutlichen Unterschreitens der anderen Angebote der Fall ist, so löst dies die Pflicht der Vergabestelle zur Aufklärung aus.
b)
Die Vergabestelle ist aber jedenfalls ihrer Aufklärungspflicht gemäß § 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A ordnungsgemäß nachgekommen.
Grundsätzlich ist der Gesamtpreis des Angebots Prüfungsgegenstand (vgl. Beck‘scher Vergaberechtskommentar Band 2, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.; VK Bund, Beschluss vom 12.01.2018 - VK 2-148/17). Die Prüfungstiefe bestimmt die Vergabestelle, zur Prüfung von einzelnen Positionen ist sie berechtigt, aber nicht verpflichtet und Zweifel hat sie konkret zu benennen (vgl. Beck‘scher Vergaberechtskommentar Band 2, a.a.O., Rn. 30 f. m.w.N.).
Hier hat die Vergabestelle eindeutig den Gesamtpreis einer Prüfung unterzogen, nicht nur einzelne Einheitspreise.
Dazu hat sie die Auskömmlichkeit sämtlicher Angebote geprüft.
Im Angebot der Beigeladenen hat sie bei über 100 Einzelpositionen festgestellt, dass diese niedriger als in ihren eigenen Berechnungen veranschlagt waren. Deshalb hat sie von der Beigeladenen Aufklärung verlangt. Die Beigeladene hat dazu die EFB-Formblätter 221 und 223 nachgereicht, auf denen die Kalkulation zu Einzelpreisen aufgeschlüsselt dargestellt wird.
Diese hat die Vergabestelle wiederum von dem von ihr beauftragten Architekturbüro prüfen lassen. Dieses bestätigte die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der dargestellten Kalkulationen. Ferner konnte aus dem Gesamtstundenansatz der Beigeladenen die beabsichtigte Besetzung der Baustelle mit x bis x Mann errechnet werden, was für ausreichend erachtet wurde. Die Vergabestelle hat sich diese Prüfung zu eigen gemacht.
Eine Eigenerklärung der Beigeladenen zur Auskömmlichkeit hat sie ebenfalls erhalten.
Auch ein Abgleich mit der in ihrem Auftrag erstellten Kostenschätzung fand statt. Zweifel an der ordnungsgemäßen Erstellung der Kostenschätzung bestehen nicht. Der Schätzung wurden indexierte Preise aus vorherigen Vorhaben der Vergabestelle sowie aus submissionierten Angeboten für vergleichbare Vorhaben zugrunde gelegt. Dies begegnet keinen Bedenken.
Ob es Anzeichen für eine Mischkalkulation gibt, hat die Vergabestelle ebenfalls überprüft und verneint.
Es sind keine Gründe ersichtlich, die am Vorgehen der Vergabestelle begründete Zweifel erwecken könnten. Eine noch tiefergehende Aufklärung kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht erwartet werden, zumal die Vergabestelle selbst bestimmen kann, wie tief sie in die Prüfung der Angebote einsteigen möchte.
c)
Zuletzt hat die Vergabestelle die Angemessenheit des Preises ordnungsgemäß beurteilt. Es sind keine Fehler bei der Bildung der Prognose, dass die Beigeladene vertragsgerecht und zuverlässig leisten können wird, ersichtlich.
Der Vergabestelle steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. Beck‘scher Vergaberechtskommentar Band 2, a.a.O., Rn. 36 m.w.N.).
Die Vergabestelle hat ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Vergabestelle befindet die Preise des Angebots der Beigeladenen nach erfolgter Aufklärung als auskömmlich. Dies ist in der Vergabeakte dokumentiert.
Die Erwägungen der Vergabestelle, dass die Beigeladene die Leistung zum angebotenen Preis erbringen kann, sind nicht zu beanstanden. Die vorgebrachten Tatsachen lassen den Schluss zu, dass ein angemessener Preis zur Überzeugung der Vergabestelle gegeben ist.
Die Tatsache, dass die Beigeladene bereits zuvor als Nachunternehmerin auf der Baustelle der Vergabestelle tätig war, kann ohne weitere gravierende Anhaltspunkte für ermessensfehlerhafte Erwägungen keinen zwingenden Ausschluss der Beigeladenen nach sich ziehen. Die Vorteile, die die Beigeladene durch das vorherige Tätigwerden auf der Baustelle zu haben behauptet und die sich in ihrer Kalkulation niederschlagen, können jedenfalls nicht zu ihren Lasten gewertet werden.
Die Vergabestelle hat auch keine sonstigen sachfremden Erwägungen in ihre Beurteilung miteinfließen lassen.
Die von der Antragstellerin aufgestellten Behauptungen hinsichtlich der Unmöglichkeit der Vertragsdurchführung zum Angebotspreis der Beigeladenen sind nicht ausreichend. Die Antragstellerin liefert keine nähere Begründung, warum die Beigeladene nicht ordnungsgemäß leisten können soll, sie legt lediglich ihre eigene Kalkulation als maßgeblich zugrunde.
Die Vergabestelle kann den Zuschlag auch auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, entscheidend ist, dass sie von ordnungsgemäßer Leistungserbringung ausgehen muss. Sie darf im Gegenteil nicht alleine aufgrund der Unauskömmlichkeit des Angebots den Ausschluss eines Bieters vom Verfahren vornehmen, sondern es müssten auch hierfür weitere Anhaltspunkte hinzukommen (Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, a.a.O., 42 ff.; OLG München, a.a.O.).
Da vorliegend die Vergabestelle eine ordnungsgemäße Leistungserbringung beanstandungsfrei prognostiziert hat, ist der Nachprüfungsantrag abzulehnen.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 S. 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der Vergabestelle ergibt sich aus § 182 Abs. 4 S. 1 GWB, die Kostenerstattungspflicht gegenüber der Beigeladenen ergibt sich aus § 182 Abs. 4 S. 2 GWB.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Vergabestelle und die Beigeladene notwendig (§ 182 Abs. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG entspr.).
Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der Vergabestelle und der Beigeladenen nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Da die Antragstellerin rechtsanwaltlich durch eine auf das Vergaberecht spezialisierte Anwaltskanzlei vertreten war, ist es im Sinne einer Gleichstellung auch sachgerecht, dass sich die Vergabestelle und die Beigeladene von einer auf das Vergaberecht spezialisierten Anwaltskanzlei vertreten ließen. Die Beigeladene hat sich im Nachprüfungsverfahren beteiligt und Anträge gestellt. Aus Gründen der Billigkeit waren die Kosten der Beigeladenen der unterlegenen Partei aufzuerlegen.
c) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Im Hinblick auf die Angebotssumme der Antragstellerin und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer, errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x.xxx,- €.
Der geleistete Kostenvorschuss von 2.500,- € wird mit der zu zahlenden Gebühr verrechnet. Eine Kostenrechnung an die Antragstellerin in Höhe des Differenzbetrages von xxx,- € wird nachgereicht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:
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