· Fachbeitrag · Leserforum
Bauleiter leitet weit entfernte Baustelle: Welche Reisekosten kann das Architekturbüro erstatten?
| Zum 1. Januar 2014 haben sich im steuerlichen Reisekostenrecht wesentliche Änderungen ergeben. Ein Leser will wissen, ob Mitarbeiter, die auf einer bürofernen Baustelle die Bauleitung übernehmen. dort ihre erste Tätigkeitsstätte haben und welche Folgen das für die Erstattung von Reisekosten durch das Büro Architekturbüro hat. |
Frage: Unser Architekturbüro hat einen Bauleiter unbefristet angestellt. Im Arbeitsvertrag ist als Tätigkeitsort eine Großbaustelle in München angegeben. Diese wird voraussichtlich weniger als 48 Monate dauern. Unser Büro hat seinen Sitz aber in Würzburg. Diesen sucht der Bauleiter nur unregelmäßig für Besprechungen auf. Können Sie uns sagen, welche Folgen das für die steuerfreie Erstattung von Reisekosten durch unser Architekturbüro hat?
ANTWORT: Das hängt davon ab, wo Ihr Mitarbeiter seine erste Tätigkeitsstätte hat bzw. ob er überhaupt eine hat. Das untersucht Steuerberaterin Susanne Weber von der WTS Steuerberatungsgesellschaft aus München.
Die erste Tätigkeitsstätte und der Reisekostenersatz
Ist die Baustelle in München die erste Tätigkeitsstätte des Mitarbeiters, hat das folgende Konsequenzen:
- Ihr Büro kann Fahrtkosten des Mitarbeiters von seiner Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte nur steuerpflichtig erstatten.
- Nutzt der Mitarbeiter für diese Fahrt einen Firmenwagen, muss ein geldwerter Vorteil versteuert werden.
- Für die Berechnung der Verpflegungspauschalen ist die Abwesenheit von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte entscheidend.
Aus steuerlicher Sicht (bzw. aus Sicht der Maximierung der steuerfreien Erstattung von Reisekosten an den Mitarbeiter) ist es also ungünstig, wenn der Mitarbeiter eine erste Tätigkeitsstätte hat.
Grundlegendes zum Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte
Deshalb sollte man als Arbeitgeber wissen, wann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt bzw. dass man hier durchaus Gestaltungsmöglichkeiten hat.
PRAXISHINWEIS | Die folgenden Ausführungen zeigen, dass Arbeitgeber die Möglichkeit haben, Mitarbeiter dauerhaft einer Tätigkeitsstätte zuzuordnen und damit eine erste Tätigkeitsstätte zu schaffen. Die Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte gilt aber nicht nur für die Frage, ob Sie dem Mitarbeiter Auslösen steuerfrei erstatten können. Sie hat auch Auswirkung für seinen Werbungskostenabzug und sollte daher mit ihm abgestimmt sein. |
Das Kriterium „Zuordnung“
Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es für die erste Tätigkeitsstätte entscheidend darauf an, ob der Mitarbeiter dauerhaft einer betrieblichen Einrichtung (die durchaus nur vorübergehend bestehen kann) zugeordnet ist, bzw. dort dauerhaft tätig werden soll.
PRAXISHINWEIS | Dauerhaft bedeutet: Unbefristet, für die Dauer des gegebenenfalls auch befristeten Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus. |
Die Zuordnung muss sich auf die Tätigkeit des Mitarbeiters beziehen. Das heißt: Ihr Büro kann den Mitarbeiter nur einer betrieblichen Einrichtung zuordnen, an der er auch tätig werden muss. Auf die Qualität der Tätigkeit kommt es nicht an. Auch wenn der Mitarbeiter an der betrieblichen Einrichtung nur Hilfs- und Nebentätigkeiten ausübt, wie zum Beispiel Abgeben von Auftragsbestätigungen, Stundenzetteln, Krank- und Urlaubsmeldungen, können Sie den Mitarbeiter dieser Tätigkeitsstätte zuordnen (Bundesfinanzministerium [BMF], Schreiben vom 30.9.2013, Abruf-Nr. 133156, Randziffer 6).
Ohne arbeitsrechtliche Zuordnung entscheiden zeitliche Kriterien
Ohne dauerhafte arbeitsrechtliche Zuordnung ist die erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung, an der Ihr Mitarbeiter arbeitstäglich, zwei volle Arbeitstage pro Woche oder mindestens ein Drittel seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit tätig werden soll. Bei der für diese Prüfung anzustellenden Prognose kommt es auf die Qualität der Tätigkeit an. Der Mitarbeiter muss in dem genannten Umfang an der Tätigkeitsstätte seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 26).
Die Lösungsmöglichkeiten im konkreten Fall
Auf den konkreten Fall hat das folgende Auswirkungen bzw. offeriert folgende Gestaltungsmöglichkeiten:
Keine Tätigkeitsstätte trotz Zuordnung zur Baustelle im Arbeitsvertrag
Die Angabe einer bestimmten Baustelle im Arbeitsvertrag kann durchaus als arbeitsrechtliche Zuordnung angesehen werden. Ist diese Zuordnung aber nur vorübergehend (zum Beispiel „bis zur Beendigung der Baustelle ...“) und reicht die Baustelle nicht über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus, ist die Baustelle keine erste Tätigkeitsstätte.
Erste Tätigkeitsstätte bei Zuordnung zur Baustelle im Arbeitsvertrag
Ist die arbeitsrechtliche Zuordnung zur Baustelle aber dauerhaft (zum Beispiel „bis auf weiteres“), ist die Baustelle die erste Tätigkeitsstätte Ihres Bauleiters (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 13).
Erste Tätigkeitsstätte bei Zuordnung zum Sitz des Architekturbüros
In Ihrem Fall wäre aber auch eine dauerhafte Zuordnung zum Bürositz denkbar, weil beide Tätigkeitsstätten ortsfest sind und der Bauleiter an beiden tätig werden soll. Das könnten Sie im Arbeitsvertrag so vereinbaren.
Das gilt bei fehlender arbeitsrechtlicher Zuordnung
Besteht keine arbeitsrechtliche Zuordnung, müssen die zeitlichen Kriterien geprüft werden. Im konkreten Fall hätte der Bauleiter keine erste Tätigkeitsstätte. Denn er soll zwar täglich, aber nicht dauerhaft (mehr als 48 Monate) auf der Baustelle tätig werden. Am Betriebssitz sind die zeitlichen Kriterien nicht erfüllt. Der Bauleiter wäre dann immer auswärts tätig.
Die Folgen für den Reisekostenersatz durch Ihr Büro
Es kommen also drei Möglichkeiten in Frage:
- 1. Die Baustelle ist die erste Tätigkeitsstätte des Bauleiters (entsprechende arbeitsrechtliche Zuordnung erforderlich).
- 2. Ihr Büro ist die erste Tätigkeitsstätte des Bauleiters (entsprechende arbeitsrechtliche Zuordnung erforderlich).
- 3. Der Bauleiter hat überhaupt keine erste Tätigkeitsstätte (bei fehlender arbeitsrechtlichen Zuordnung).
Die Folge für den Reisekostenersatz durch Ihr Büro entnehmen Sie der nachfolgenden Übersicht:
| |
1. Baustelle ist erste Tätigkeitsstätte | |
Fahrtkosten von der Wohnung zur Baustelle | Ersatz ist steuerpflichtig (Pauschalversteuerung mit 25 Prozent möglich) |
Fahrtkosten von der Wohnung zum Betrieb | Reisekostenersatz ist steuerfrei (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer) |
Verpflegungspauschalen | Nicht für Tätigkeiten an der Baustelle |
2. Betriebssitz ist erste Tätigkeitsstätte | |
Fahrtkosten von der Wohnung zur Baustelle | Reisekostenersatz ist steuerfrei (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer) |
Fahrtkosten von der Wohnung zum Betrieb | Ersatz ist steuerpflichtig (Pauschalversteuerung mit 25 Prozent möglich) |
Verpflegungspauschalen | Nur für Tätigkeiten an der Baustelle (innerhalb der Dreimonatsfrist) |
3. Mitarbeiter hat keine erste Tätigkeitsstätte | |
Fahrtkosten von der Wohnung zur Baustelle | Reisekostenersatz ist steuerfrei (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer) |
Fahrtkosten von der Wohnung zum Betrieb | Reisekostenersatz ist steuerfrei (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer) |
Verpflegungspauschalen | Steuerfreie Erstattung innerhalb der Drei-Monats-Frist möglich |
Weiterführender Hinweis
- Sie haben konkrete Fragen zu den Folgen der Reisekostenreform für Ihr Büro und Ihre Mitarbeiter? Dann mailen Sie diese an pbp@iww.de.