08.09.2010 | Betriebsstättenverluste
Abzug „finaler“ ausländischer Verluste
von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
In zwei aktuellen Urteilen hat der BFH entschieden, wann ausländische Betriebsstättenverluste „endgültig“ sind und deshalb im Inland abgezogen werden können. Dies schafft Klarheit und Rechtssicherheit bei der Frage, ob und ggf. wann Auslandsverluste im Inland steuerlich geltend gemacht werden können (BFH 9.6.10, I R 100/09, Abruf-Nr. 102546) und BFH 9.6.10, I R 107/09, Abruf-Nr. 102545). |
Sachverhalt
In beiden Ausgangsfällen ging es um Verluste deutscher Kapitalgesellschaften aus Betriebsstätten in Frankreich, dessen nationales Steuerrecht für die Streitjahre einen zeitlich begrenzten Verlustvortrag und -rücktrag sowie einen eingeschränkten Verlusttransfer bei Umstrukturierungen ermöglichte. Im Streitfall I R 100/09 blieb die Revision ohne Erfolg, weil nach den Feststellungen des FG die entstandenen Betriebsstättenverluste nicht wegen Einstellung der Betriebsstättentätigkeit in Frankreich im Jahr 2005 „endgültig“ geworden waren, sondern deswegen, weil das französische Steuerrecht einen auf fünf Jahre begrenzten Verlustvortrag vorsieht und dieser Zeitraum für die Verluste aus 1999 spätestens im Jahr 2004, also vor der Betriebsstättenaufgabe, abgelaufen war. Im zweiten Urteilsfall I R 107/09 hatte die Revision im Grundsatz Erfolg; erfolglos war die klagende GmbH hier nur insoweit, als sie die Berücksichtigung der Auslandsverluste bereits im Jahr der Verlustentstehung begehrte.
Anmerkungen
Die ertragsteuerliche Berücksichtigung von Auslandsverlusten ausländischer Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten ist für das unternehmerische Engagement im Ausland von enormer Bedeutung. Erwirtschaftet ein inländischer Steuerpflichtiger aus einer ausländischen Betriebsstätte Verluste, dann kann er diese negativen Einkünfte im Inland mit steuerpflichtigen positiven Einkünften regelmäßig nicht verrechnen. Hat nämlich Deutschland mit dem Betriebsstättenstaat ein DBA abgeschlossen und die Freistellungsmethode vereinbart, sind die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte von der inländischen Bemessungsgrundlage des Unternehmens ausgenommen. Dies gilt für Betriebsstättengewinne genauso wie für Betriebsstättenverluste, was sich aus der Symmetriethese ergibt (BFH 17.7.08, I R 84/04, BStBl II 09, 630; BFH 3.2.10, I R 23/09, BStBl II 09, 630).
Diese sich aus dem nationalen Recht und DBA ergebende Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden: In derartigen Betriebsstättenkonstellationen liegt in Fällen des Abzugsverbots ausländischer Betriebsstättenverluste weder ein Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG (jetzt: Art. 49 AEUV) noch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG (jetzt: Art. 63 AEUV) vor (EuGH 15.5.08, C-414/06, Lidl Belgium, BStBl II 09, 692; EuGH 23.10.08, C-157/07, BStBl II 09, 566). Es ist also innerhalb der Europäischen Union allein Sache des Betriebsstättenstaats, die freigestellten Auslandsverluste steuerlich zu berücksichtigen. Mit den beiden vorliegenden Urteilen bekräftigt der BFH allerdings die EuGH-Sicht, nach der Verluste aus EU-Betriebsstätten ausnahmsweise dann im Inland zu berücksichtigen sind, wenn die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar, also endgültig („final“) sind.
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