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  • 13.05.2009 | Bundesfinanzhof

    Ermittlung der Einkunftsgrenze bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht im Inland

    von StB RA Dipl.-Jur. Tim Lühn und Dipl.-Kfm. (FH) Sebastian von Kondratowicz, Düsseldorf

    Steuerpflichtige, die im EU/EWR-Ausland wohnen und im Inland nur beschränkt einkommensteuerpflichtig sind, können nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag im Inland als fiktiv unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Als Folge davon findet z.B. bei Ehegatten nach § 1a EStG der Splittingtarif Anwendung. Die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht setzt allerdings voraus, dass die (Ehegatten-) Einkünfte die sog. Wesentlichkeitsgrenze nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG nicht überschreiten. Mit seinem aktuellen Urteil vom 20.8.08 hat der BFH nunmehr entschieden, dass die Ermittlung der Einkünfte für die Wesentlichkeitsgrenze nach deutschem Steuerrecht zu erfolgen hat (BFH 20.8.08, I R 78/07, Abruf-Nr. 083531).

     

    Sachverhalt

    Die in Österreich wohnhaften Eheleute beantragten die Zusammenveranlagung im Inland auf Grundlage der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach den §§ 1 Abs. 3, 1a EStG. Im Streitjahr 2003 erzielte die Ehefrau aus ihrer Tätigkeit in Österreich Einkünfte von EUR 12.697. Davon waren nur 10.775 EUR in Österreich steuerpflichtig, da die Einkünfte nach österreichischem Steuerrecht teilweise als Einmalzahlungen steuerfrei bzw. als Sonderausgaben abzugsfähig waren. Der Ehemann erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Inland (München) in Höhe von 25.371 EUR sowie sonstige Einkünfte von 288 EUR in Österreich. Das FA lehnte den Antrag ab und erließ nur einen Einkommensteuerbescheid für den Ehemann mit Festsetzung der Einkommensteuer nach dem Grundtarif. Dies wurde damit begründet, dass die absolute Wesentlichkeitsgrenze (im Streitjahr: 12.272 EUR bei Zusammenveranlagung) überschritten war. Die Ehefrau hatte nämlich im Streitjahr ausländische Einkünfte von 12.697 EUR erzielt. Maßgeblich sei nicht die Ermittlung der Einkünfte nach österreichischem Steuerrecht, sondern nach deutschem Steuerrecht. Diese Ansicht wurde nun vom BFH bestätigt.  

     

    Anmerkungen

    Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht setzt voraus, dass entweder mindestens 90 % der Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeit) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden ausländischen Einkünfte den Grundfreibetrag von 7.664 EUR (bzw. im Streitjahr 2003: 6.136 EUR) nicht überschreiten (absolute Wesentlichkeit). Dabei ist nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag (bzw. der Betrag von 6.136 EUR) bei Ehegatten zu verdoppeln.  

     

    Nach der Ansicht des BFH sind die Einkünfte für die Wesentlichkeitsgrenzen nach den §§ 1 Abs. 3, 1a EStG allein nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln. Die Einkünfteermittlung erfolgt dabei in zwei Schritten: Im ersten Schritt wird die Summe des Welteinkommens berechnet, im zweiten Schritt die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte. Da die §§ 1 Abs. 3, 1a EStG keine spezielle Regelung zur Einkünfteermittlung enthalten, ist nach Ansicht des BFH das deutsche Einkommensteuerrecht maßgeblich. Unberücksichtigt bleiben dabei die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.