05.12.2008 | Bundesfinanzhof
Umsatzsteuer – Unternehmerische Tätigkeit von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
Der BFH hat in einem Vorlageverfahren an den EuGH die Grundsatzfrage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit ihrer vermögensverwaltenden Grundstücksvermietung Unternehmerin ist. Der BFH hält es für denkbar, die Vermietungstätigkeit als „unternehmerisch“ im Sinne der 6. EG-RL zu beurteilen (BFH 20.12.07, V R 70/05, Abruf-Nr. 080820). |
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Vermietungsgesellschaft, die auf einem Erbpachtgrundstück ein Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage errichtet und an eine IHK verleast hatte. Die IHK nutzte Gebäude und Tiefgarage selbst, vermietete jedoch auch Teilflächen steuerpflichtig an Dritte, wobei ihr die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft vom FA zuerkannt war. Die Klägerin verzichtete nach § 9 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze an die IHK für deren Unternehmen, soweit diese ihrerseits die Flächen steuerpflichtig weitervermietete. Nach einer Betriebsprüfung versagte das beklagte FA der Klägerin den Vorsteuerabzug. Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze an die IHK sei nicht wirksam, soweit die IHK ihrerseits steuerpflichtige Vermietungsumsätze an Dritte tätige. Denn die IHK sei insoweit nicht „unternehmerisch“ tätig geworden, wenn sie langfristig vermiete. Dies sei eine bloße Vermögensverwaltung und kein „Betrieb gewerblicher Art von juristischen Personen öffentlichen Rechts“ im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 4 KStG.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den berichtigten Umsatzsteuerbescheid gab das FG der von der Klägerin erhobenen Klage auf Berücksichtigung der entsprechenden Vorsteuerbeträge statt. Im Revisionsverfahren rügte das FA eine Verletzung der europäischen Mehrwertsteuer-RL 77/388/EWG. In einem Vorabentscheidungsersuchen legte der BFH nunmehr dem EuGH die Streitsache vor. Er will wissen, ob die umsatzsteuerlich begünstigten Tätigkeiten nationalgesetzlich definiert sein müssen und ob „größere Wettbewerbsverzerrungen“ auch dann zu bejahen sind, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtiger infolge des Vorsteuerabzugsausschlusses zu ihren Lasten geht.
Anmerkungen
Die Vorlage des BFH an den EuGH betrifft die Grundsatzfrage, ob die IHK, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 IHKG) mit ihrer langfristigen Vermietung von Büroräumen und Pkw-Stellplätzen an Dritte vermögensverwaltend oder unternehmerisch tätig wird. Von der Vorlage betroffen sind alle Fälle, in denen Körperschaften des öffentlichen Rechts mit der langfristigen Vermietung unbeweglichen Vermögens infolge der Anlehnung an das deutsche Körperschaftsteuerrecht keine unternehmerische Tätigkeit ausüben. Es geht also auch um das Problem, dass der deutsche Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 S. 1 UStG den Begriff „Betrieb gewerblicher Art“ an das nationale Körperschaftsteuerrecht anbindet und sich damit möglicherweise in Konflikt zur europarechtlichen 6. EG-RL 77/388/EWG begibt. Nach Art. 4 Abs. 5 der RL 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten eine steuerfreie Vermietungstätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts nur dann als nichtunternehmerisch behandeln, wenn diese Behandlung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
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