09.03.2009 | Der praktische Fall
Wegzugsbesteuerung bei Wohnsitzverlagerung
von StB Prof. Dr. Dieter Endres und StB Dr. Carla Freiling
Die Wohnsitzverlagerung von natürlichen Personen ins Ausland kann für den bisherigen Ansässigkeitsstaat mit dem Verlust von in seinem Hoheitsgebiet gebildeten stillen Reserven einhergehen. Deshalb werden im Rahmen der Wegzugsbesteuerung beim Umzug einer natürlichen Person ins Ausland die stillen Reserven in Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG aufgedeckt. Im Kern basiert dieser Ersatzrealisationstatbestand auf der Überlegung, dass im Wegzugszeitpunkt die letzte Möglichkeit zur Besteuerung der in Deutschland gebildeten stillen Reserven liegt. Anhand eines Beispielsfalles, in dem ein unbeschränkt Steuerpflichtiger als Reaktion auf die Finanzmarktkrise an eine Wohnsitzverlagerung nach Österreich oder in die Schweiz denkt, wird die Reichweite der Wegzugsbesteuerung dargestellt.
1. Problemstellung
Ausgangssachverhalt | |||||||||
Seit Michael Zock im Jahr 1993 mit seinem Partner eine Wertpapierhandelsgesellschaft mbH mit einem Eigenkapital von umgerechnet 200.000 EUR für seine 50-prozentige Beteiligung gegründet hat, ist der Wert der Gesellschaft dank seines Einsatzes ständig gestiegen. Seine Beteiligung an der Gesellschaft wurde in einem Gutachten zum 31.12.03 mit 7,5 Mio. EUR bewertet.
Aus strategischen Überlegungen hält Zock darüber hinaus noch 2 % der Anteile einer englischen Plc., die als Broker an der Londoner Börse operiert. Die Anschaffungskosten dieser Anteile betrugen im Jahr 2000 70.000 EUR; Ende 2003 ist ihr Wert auf 320.000 EUR gestiegen.
Bereits zum Jahresende 2003 überlegte Zock mit seiner Familie eine Wohnsitzverlagerung in die Schweiz. Zock plante, dass sein Partner die Geschäftsführung der Wertpapierhandelsgesellschaft mbH alleine übernimmt, er aber Gesellschafter bleibt. Sein Steuerberater riet Familie Zock im Jahr 2003 aber von dem Wegzug in die Schweiz mit Hinweis auf die substantiellen Konsequenzen der Wegzugsbesteuerung ab.
Im November 2008 ist der Wert der GmbH-Beteiligung durch die Finanzmarktkrise auf 2,2 Mio. EUR gesunken. Der Wert der Anteile an der englischen Gesellschaft hat sich auf 250.000 EUR reduziert. Erneut denkt Zock nun über die Wohnsitzverlagerung in die Schweiz nach, denn der gesunkene Wert der Gesellschaft führt auch zu geringeren Belastungen aus der Wegzugsbesteuerung. Der Steuerberater schlägt jetzt aber einen Wohnsitz in Österreich vor.
Wie errechnet sich die Wegzugssteuer und welchen steuerlichen Vorteil verspricht eine Wohnsitzverlagerung nach Österreich statt in die Schweiz? |
2. Lösungshinweise
2.1 Voraussetzungen und Konsequenzen der Wegzugsbesteuerung
Die Wegzugsbesteuerung ist in § 6 AStG geregelt. Mit dem Wegzug einer natürlichen Person geht für den bisherigen Ansässigkeitsstaat häufig der Verlust des Besteuerungsrechts von stillen Reserven in Kapitalgesellschaftsanteilen einher. Regelmäßig sehen die Abkommen vor, dass das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen im Wohnsitzstaat des Gesellschafters liegt (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA 2003). Die Wegzugsbesteuerung stellt daher einen Ersatzrealisierungstatbestand dar, durch den die während der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht in den Anteilen gebildeten stillen Reserven steuerlich erfasst werden sollen.
Beim Wegzug einer natürlichen Person, die in Deutschland insgesamt mindestens 10 Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und ins Ausland zieht, werden die stillen Reserven in den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG aufgedeckt und versteuert. Sind die Voraussetzungen des § 6 AStG erfüllt, so ist § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden, d.h., der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert der Anteile und den Anschaffungskosten wird im Zeitpunkt des Wegzugs besteuert.
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