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  • 08.12.2010 | Doppelbesteuerungsabkommen

    Stückzinsen sind keine Zinsen im Sinne des Art. 11 OECD-MA

    von VRiFiG Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, Karlsruhe

    Stückzinsen aus dem Verkauf einer brasilianischen Anleihe gehören nicht zu den Zinseinkünften i.S. des Art. 11 OECD-MA und können daher keine Anrechnung fiktiver Quellensteuer auslösen, so die Kernaussage einer kürzlich vom BFH veröffentlichten Entscheidung. In seinem Urteil hat sich der BFH zwar noch mit der alten Rechtslage und dem zwischenzeitlich gekündigten DBA-Brasilien befassen müssen, aber die Entscheidung ist auf zahlreiche andere DBA übertragbar, in denen Deutschland die fiktive Anrechnung von Quellensteuer zugelassen hat, und hat darüber hinaus Gültigkeit für alle Veranlagungszeiträume (BFH 9.6.10, I R 94/09, Abruf-Nr. 103565).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger erzielte im Streitjahr 2000 Einkünfte aus Kapitalvermögen. In diesem Zusammenhang erklärte er u.a. aus Brasilien stammende Einkünfte von 81.534 DM und eine darauf entfallende anrechenbare ausländische Steuer von 16.307 DM. Das FA berücksichtigte hingegen nur eine anrechenbare brasilianische Steuer von 15.155 DM. Diesen Betrag hatte es in der Weise berechnet, dass es die erklärten Einnahmen (81.534 DM) um darin enthaltene vereinnahmte Stückzinsen von 5.759 DM gekürzt und 20 % des sich ergebenden Differenzbetrags von 75.775 DM als anrechenbar behandelt hatte. Die Klage gegen den auf dieser Basis erlassenen Steuerbescheid hat das FG Köln abgewiesen (FG Köln 24.6.09, 4 K 4802/06, EFG 09, 1752). Der BFH hat die dagegen erhobene Revision als unbegründet zurückgewiesen.  

     

    Anmerkungen

    Gemäß Art. 24 Abs. 3 Buchst. b) DBA-Brasilien gilt für Zinsen i.S. des Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien die Anrechnung einer fiktiven Quellensteuer von 20 %. In der BFH-Entscheidung geht es um die Frage, ob diese Anrechnung fiktiver Quellensteuern auch auf bezogene Stückzinsen Anwendung findet. Nach Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien a.F. bedeutet der im DBA-Brasilien verwendete Ausdruck „Zinsen“ Einkünfte aus öffentlichen Anleihen, aus Schuldverschreibungen und aus Forderungen jeder Art sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Vertragsstaats, aus dem sie stammen, den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind. Diese Definition entspricht vom Regelungsgehalt im Kern der in Art. 11 Abs. 3 OECD-MA.  

     

    Ob Stückzinsen den Einkünften i.S. des Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien a.F. zuzuordnen sind, ist im DBA-Brasilien - wie auch im OECD-MA - selbst nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings vertritt die h.M. in der Literatur (u.a. Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rz. 11) die Auffassung, dass Stückzinsen i.S. des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG a.F. nicht der in Art. 11 Abs. 3 OECD-MA enthaltenen Definition unterliegen, sondern abkommensrechtlich den Veräußerungsgewinnen i.S. des Art. 13 OECD-MA zuzuordnen sind. Dieser Auffassung hat sich der BFH in seinem Urteil angeschlossen. Das entspricht auch der nationalen Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2009. Stückzinsen zählen seit der Einführung der Abgeltungsteuer 2009 beim Wertpapierverkäufer zum Veräußerungserlös des Wertpapiers. Der abgeltungsteuerpflichtige Veräußerungsgewinn des Verkäufers erhöht sich somit um die erhaltenen Stückzinsen. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2008 handelte es sich dagegen um „normale“ Kapitalerträge nach § 20 Abs. 2 S.1 Nr. 3 EStG.