Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 05.06.2008 | Europäischer Gerichtshof

    Ausfuhrlieferung – Umsatzsteuerbefreiung auch bei gefälschtem Zollbeleg denkbar

    von Georg Nieskoven, Troisdorf
    Warenexporte in Drittstaaten bleiben als Ausfuhrlieferung grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Dies setzt allerdings voraus, dass der Exporteur die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale buch- und belegmäßig nachweist. Stellt das FA bei späteren Überprüfungen die inhaltliche Unrichtigkeit dieses Nachweises fest, so war dem Exporteur nach bisherigem Verständnis rückwirkend und vor allem verschuldensunabhängig die Steuerfreiheit zu versagen. Der EuGH hat demgegenüber nun entschieden, dass auch ein vom Warenabnehmer gefälschter Zollbeleg die Ausfuhrsteuerfreiheit unberührt lässt, wenn der Exporteur die Fälschung bei Beachtung kaufmännischer Sorgfaltspflichten nicht erkennen konnte (EuGH 21.2.08, Rs. C-271/06, Abruf-Nr. 080801).

     

    Sachverhalt

    In den Streitjahren 1993 bis 1998 erstatteten die in Grenznähe zu Polen gelegenen Märkte der Discountkette „Netto“ (N) den aus Drittstaaten stammenden Kunden die Umsatzsteuer auf erworbene und ins Drittland exportierte Waren. Voraussetzung hierfür war, dass der Drittlandskunde die Ausfuhr mittels eines vom Zoll gestempelten Kassenbons und Zollformulars dokumentierte. Spätere Ermittlungen ergaben, dass es sich bei den Zollbelegen überwiegend um Fälschungen handelte. Entdeckt wurde dies, nachdem sich der Verwaltungsleiter der N am 12.8.98 mit der Bitte um Prüfung an das Hauptzollamt wandte, ob der besonders häufig aufgetretene Zollstempel Nr. 73 sowie die zugehörigen Zollpapiere echt seien. Nachdem das Hauptzollamt die Stempelabdrucke zunächst für echt gehalten hatte, teilte es der N am 29.9.98 mit, die untersuchten Unterlagen seien bei nochmaliger Überprüfung als gefälscht erkannt worden. Das FA setzte daraufhin für die Streitjahre für die als Ausfuhr i.S. von § 6 UStG steuerfrei belassenen Umsätze Umsatzsteuer fest, da – zwischen den Beteiligten unstreitig – keine ordnungsgemäßen Ausfuhrnachweise mehr vorlagen. Den von der N daraufhin beantragten Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit i.S. von § 227 AO lehnten das FA – und im Klageverfahren auch das FG – ab. In der Revision legte der BFH dem EuGH die Frage vor, ob das Gemeinschaftsrecht eine Exportsteuerbefreiung im Billigkeitsweg zumindest in solchen Fällen zulässt, bei denen zwar die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, aber der Unternehmer deren Fehlen auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht habe erkennen können. Der EuGH sah im Gemeinschaftsrecht keinen Hinderungsgrund für eine Umsatzsteuerfreiheit in solchen Fällen. 

     

    Anmerkungen

    Nach Art. 15 der 6. EG-RL – als gemeinschaftsrechtliche Grundlage für § 6 UStG – ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen festzulegen. Das kann auch Maßnahmen zur Vermeidung von Missbräuchen oder Steuerhinterziehungen beinhalten. Gleichwohl sind die Mitgliedsstaaten bei dieser nationalstaatlichen Ausgestaltung an die dem Gemeinschaftsrecht immanenten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gebunden. Das grundsätzlich legitime Ziel des Staates, der Schutz seiner Steuereinnahmen, darf dabei nach Aussage des EuGH nicht zu einer völlig einseitigen Risikoverteilung zulasten des Exporteurs führen. Denn der Unternehmer fungiert bei der Umsatzsteuer letztlich nur als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates. 

     

    In diesem Sinne hält es der EuGH für mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar, wenn ein Exporteur bezüglich Betrugshandlungen Dritter, auf die er weder Einfluss hatte, noch von denen er Kenntnis haben konnte, die alleinige Verantwortung für die Zahlung der Umsatzsteuer tragen soll. Bei solchen Betrugsfällen verlangt das Gemeinschaftsrecht zwar, dass der Exporteur gutgläubig war und alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer eigenen Involvierung in Betrugshandlungen ergriffen hat. Es verstößt nach Ansicht des EuGH aber auch gegen den Rechtssicherheitsgrundsatz, wenn der Nationalstaat die erbrachten Nachweise zur Steuerbefreiung zunächst akzeptiert, jedoch aufgrund späterer Erkenntnisse den Nachweiswert dieser Belege – trotz der Gutgläubigkeit und Sorgfalt des Unternehmers – widerruft (EuGH 27.09.07, C-409/04, Rz. 50, s. auch PIStB 08, 1). Der Exporteur muss in diesen Fällen vielmehr auf die Rechtmäßigkeit seines Umsatzes bzw. der Steuerbefreiung vertrauen können. 

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents