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  • 01.02.2007 | Europäischer Gerichtshof

    Doppelbesteuerung an sich ist nicht EU-widrig

    von VRiFiG Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, Karlsruhe
    Der EuGH hat sich in der Rs. Kerckhaert/Morres (14.11.06, C-513/04, Abruf-Nr. 063452) nach dem Fall Manninen und dem Fall Lenz (PIStB 04, 210) auf Vorlage des Gerichts in Gent (Belgien) wiederum mit dem Problem der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Dividenden befassen müssen und ist zu einem für alle Beteiligten erstaunlichen Ergebnis gekommen: Die Kapitalverkehrsteuerfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 EGV verlangt keine Anrechnung der im EU-Ausland erhobenen Quellensteuer, sodass eine Doppelbesteuerung grundsätzlich nicht EU-widrig ist.

     

    Sachverhalt

    Die in Belgien wohnhaften Eheleute Kerkhaert-Morres hatten in den Streitjahren 1995 und 1996 Dividenden von einer in Frankreich ansässigen AG bezogen. Auf die französischen Dividenden wurde in Frankreich eine Quellensteuer von 15 v.H. erhoben. Während in den Regelungen des DBA Frankreich-Belgien noch eine Anrechnung einer im Ausland erhobenen Quellensteuer vorgesehen war, ließ das belgische Steuerrecht eine solche nicht mehr zu. So unterlagen die Dividenden in Belgien einem einheitlichen Steuersatz von 25 v.H. Nach Auffassung der Kläger habe die Nichtanrechnung zur Folge, dass Dividenden französischen Ursprungs einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen würden als Dividenden, die von in Belgien ansässigen Gesellschaften bezogen würden.  

     

    Das angerufene belgische Gericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Art. 56 Abs. 1 EGV dahingehend auszulegen sei, dass eine nationale Einkommensteuervorschrift, die Dividenden aus dem Wohnsitzstaat des Empfängers und aus einem anderen Mitgliedstaat steuerlich einem einheitlichen Einkommensteuersatz unterwirft, ohne dass im letzteren Fall die Anrechnung der im anderen Mitgliedstaat erhobenen Quellensteuer vorgesehen ist, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. 

     

    Anmerkungen

    Das Gericht stellt fest, dass das belgische Steuerrecht bei der Dividendenbesteuerung nicht zwischen Dividenden in Belgien ansässiger Gesellschaften und Dividenden aus einem anderen Mitgliedstaat unterscheide, sondern alle in Belgien steuerpflichtigen Dividenden mit einem identischen Steuersatz von 25 v.H. zur Einkommensteuer heranziehe. Allein aus der Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger Dividenden aus einem anderen Mitgliedstaat beziehe und dieser sein Besteuerungsrecht ausübe, ergebe sich nach der Rechtsprechung des EuGH keine unterschiedliche Behandlung gegenüber demjenigen, der Dividenden von einer in seinem Wohnsitzstaat ansässigen Gesellschaft beziehe. Hier ergebe sich die Situation, dass zwei Mitgliedstaaten ihr originäres Besteuerungsrecht ausüben würden. Es sei Aufgabe von DBA i.S. des Art. 293 EGV – die aber bisher noch nicht abgeschlossen seien –, die negativen Wirkungen nebeneinander bestehender nationaler Besteuerungssysteme zu beseitigen oder zu mildern.