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  • 01.01.2006 | Europäischer Gerichtshof

    Verluste ausländischer Tochtergesellschaften sind nur in engen Grenzen verrechenbar

    von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
    Ein generelles Abzugsverbot von Verlusten ausländischer Tochterkapitalgesellschaften kann zwar eine unverhältnismäßige Beschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) beinhalten; allerdings müssen Verluste grundsätzlich zunächst dort geltend gemacht werden, wo sie angefallen sind. Mit diesen Einschränkungen des grenzüberschreitenden Verlustausgleichs ist der EuGH (13.12.05, C-446/03, Abruf-Nr. 053587) in der mit Spannung erwarteten Marks & Spencer-Entscheidung dem Schlussantrag des Generalanwalts vom April 2005 gefolgt.

     

    Sachverhalt

    Im Ausgangsfall streiten die Beteiligten um die Erfassung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften im Rahmen der britischen Gruppenbesteuerung. Der Kläger, Marks & Spencer, ist ein Einzelhandelskonzern für Kleidung, Lebensmittel, Haushaltswaren und Finanzdienstleistungen in Großbritannien. In Folge einer in den 90er Jahren beschlossenen Expansionsstrategie erzielten die Tochtergesellschaften in Deutschland, Frankreich und Belgien anhaltend Verluste. Daraufhin stellte der Konzern 2001 seine Tätigkeit auf dem Kontinent ein und machte die Auslandsverluste beim heimischen Fiskus geltend. Die britischen Steuerbehörden verweigerten den Konzernabzug (Group Relief), weil die Tochtergesellschaften in Großbritannien weder ihren Sitz hätten, noch sich dort wirtschaftlich betätigten. Der EuGH hat nunmehr dem Kläger Recht gegeben und konstatiert, dass die seinerzeit geltenden britischen Bestimmungen der EU-Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) zuwider liefen, da diese unverhältnismäßig gewesen seien. Gleichzeitig setzte er aber der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung ausländischer Tochtergesellschaften enge Grenzen. 

     

    Anmerkungen

    Nach Auffassung des EuGH beinhaltet die Beschränkung der ausländischen Verlustnutzung eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV), die eines Rechtfertigungsgrundes bedarf. Wie schon der Generalanwalt in seinem Schlussantrag verwirft auch der EuGH als Rechtfertigungsgründe das Argument der steuerlichen Territorialität und den möglichen Rückgang von Steuereinnahmen, also ein mögliches Haushaltsrisiko des Mitgliedstaates. Hierin können keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses gesehen werden, die einen Eingriff in die Grundfreiheiten des EGV rechtfertigen können. Allerdings rechtfertigt der Grundsatz der steuerlichen Kohärenz eine Beschränkung der ausländischen Verlustnutzung nach den folgenden Maßgaben:  

     

    • Zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten könne es erforderlich sein, auf die wirtschaftliche Tätigkeit einer Auslandsgesellschaft das ausländische Steuerrecht anzuwenden – und zwar sowohl für Gewinne als auch für Verluste. Ansonsten würde die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsrechte gefährdet, wenn ein Staat generell zur Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften verpflichtet wäre, obwohl er nicht an ihren positiven Ergebnissen partizipieren kann.

     

    • Auch könne eine Beschränkung der ausländischen Verlustnutzung gerechtfertigt sein, weil ansonsten die Gefahr einer doppelten Verlustnutzung bei Mutter und Tochter bestehe.