· Fachbeitrag · Dreiecksverhältnisse bei Personengesellschaften
Die Besteuerung von Beteiligungserträgen (Teil 2)
von RA StB Prof. Dr. Adrian Cloer, Wiesbaden/Prag, Tobias Hagemann, B.Sc., Christian Kahlenberg, B.Sc., beide Frankfurt (Oder) und Dipl.-Kffr. Nina Vogel, Wiesbaden/München
| Deutschland unterzeichnete am 17.11.11 mit Liechtenstein ein DBA, das sich an das OECD-MA 2010 anlehnt (s. auch ausführlich Langer/Hosp, PIStB 12, 135 ). Bundestag und Bundesrat stimmten dem Abkommen am 25.10. bzw. 23.11.12 zu. Nach Austausch der Ratifikationsurkunden trat das DBA am 1.1.13 in Kraft (Art. 33 DBA D/FL). Die steuerlichen Auswirkungen werden beispielhaft am sog. Hundekuchenfall (vgl. auch Teil 1, PIStB 12, 331 ) für den abkommensrechtlichen und deutschen Rechtskreis dargestellt. |
1. Sachverhalt
X mit ausschließlichem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Vaduz (Liechtenstein) ist zusammen mit dem in Deutschland wohnhaften Y an einer KG beteiligt. Als Komplementärin fungiert eine im weiteren Verlauf zu vernachlässigende GmbH mit einer 0 %-Beteiligung. Die KG produziert Hundekuchen in Deutschland (gewerbesteuerlicher Hebesatz von 400 %) und hält seit Jahren eine 100 %-Beteiligung an der Polonia S.A. (Aktiengesellschaft polnischen Rechts), die einen Zoofachhandel betreibt. Durch die Beteiligung soll der Absatz sichergestellt werden. Weiterhin legt die KG ihre Liquidität in Aktien der in Deutschland ansässigen Germania AG an. Es bleibt insoweit bei einer Portfoliobeteiligung von weniger als 1 %. In 2012 schütten beide Kapitalgesellschaften eine Dividende aus (150 TEUR entfällt jeweils auf die KG). Aus der eigengewerblichen Tätigkeit erwirtschaftet die KG einen Gewinn von ebenfalls 150 TEUR. X beschränkt sich auf das bloße Halten der Kommanditbeteiligung. Die Geschäftsleitung der KG übernimmt Y in Deutschland. Den Gewinn teilen sich X und Y im Verhältnis 50:50. Zwischen Deutschland und Polen besteht ein DBA, ebenso wie - nunmehr seit dem 1.1.13 - zwischen Deutschland und Liechtenstein, nicht aber zwischen Polen und Liechtenstein.
Frage: Wie erfolgt die Besteuerung für X in Deutschland, nachdem das DBA D/FL in Kraft getreten ist?
2. Lösungshinweise
2.1 Abkommensrechtliche Würdigung
Abkommensrechtlich ist X in Liechtenstein ansässig (Art. 4 Abs. 1 D/FL) und somit abkommensberechtigt (Art. 1 DBA D/FL). Er ist Unternehmer (Art. 7 DBA D/FL) und erzielt Unternehmensgewinne durch eine in Deutschland belegene Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 1 DBA D/FL). Diese wird ihm - wie im innerstaatlichen Recht - durch die Personengesellschaft vermittelt (Art. 7 Abs. 4 S. 1 DBA D/FL). Hierzu zählen zunächst die originär gewerblichen Einkünfte durch die Produktionstätigkeit in Deutschland, für die Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zusteht.
Fraglich ist die abkommensrechtliche Würdigung der Beteiligungserträge. Hierbei ist zwischen den polnischen und deutschen Beteiligungserträgen zu unterscheiden:
- Die polnischen Beteiligungserträge sind zwar Dividenden i.S.d. Art. 10 Abs. 3 DBA D/FL, jedoch hat die ausschüttende Gesellschaft nicht ihren Sitz in einem der Vertragsstaaten. Somit handelt es sich um sonstige Einkünfte i.S.d. Art. 21 Abs. 1 DBA D/FL. Folglich stünde nur Liechtenstein ein Besteuerungsrecht zu. Art 21 Abs. 2 DBA D/FL enthält jedoch einen weiteren Betriebsstättenvorbehalt: Liegt eine tatsächliche Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte vor, d.h., gehört das Stammrecht seiner Substanz und nicht nur seiner Form nach der Betriebsstätte, dann steht dem Betriebsstättenstaat, mithin Deutschland, ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht zu. Aufgrund des engen funktionalen Sachzusammenhangs stärken die Anteile die wirtschaftliche Kraft der Betriebsstätte (s. Teil 1, PIStB 12, 332). Mit anderen Worten: Die Beteiligung an der polnischen Kapitalgesellschaft dient der deutschen Betriebsstätte. Dies rechtfertigt insoweit die Umqualifikation der Dividenden in Unternehmenseinkünfte. Deutschland steht damit ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht hieran zu (Art. 7 Abs. 1 DBA D/FL).
- Anders verhält es sich mit den deutschen Beteiligungserträgen. Auch sie stellen Dividenden i.S.d. Art. 10 Abs. 3 DBA D/FL dar und unterfallen Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c) DBA D/FL. Eine Umqualifikation in Unternehmensgewinne kommt jedoch nicht in Betracht. Sie gehören zwar rechtlich zur Betriebsstätte und mehren das Betriebsstättenvermögen. Dies ist jedoch für eine tatsächliche Zugehörigkeit nicht ausreichend. Somit bleiben die Dividenden solche i.S.d. Art. 10 Abs. 1 bis 3 DBA D/FL. Deutschland steht hierfür nur ein eingeschränktes Besteuerungsrecht von brutto 15 % zu (Art. 10 Abs. 2 Buchst. c) DBA D/FL).
2.2 Innerstaatliche Würdigung
An der innerstaatlichen Würdigung des Sachverhalts ändert sich durch das DBA grundsätzlich nichts, insbesondere bleibt die Zuordnung beider Beteiligungen zur Betriebsstätte bestehen (vgl. Teil 1, PIStB 12, 331).
- Für die polnischen Beteiligungserträge ergeben sich durch das DBA gar keine Änderungen.
- Bei den deutschen Beteiligungserträgen verhält es sich jedoch anders: Zwar bleibt es bei der Veranlagung, jedoch wird abkommensrechtlich der deutsche Steueranspruch auf 15 % - bezogen auf die Bruttodividende - beschränkt. Wie die konkrete Berechnung der Besteuerung in einem solchen Fall zu erfolgen hat, ist bislang - soweit ersichtlich - nicht abschließend geklärt. Aus Praktikabilitätserwägungen wird die Portfoliobeteiligung vorrangig im Rahmen der Gewerbesteuer auf Ebene der Personengesellschaft erfasst und erst dann die noch mögliche Einkommensteuer berücksichtigt.
Achtung | Für den Steuerpflichtigen ist die Erfassung der Portfoliobeteiligungserträge bei der einkommensteuerlichen Veranlagung ungünstig. Denn aufgrund des progressiven Steuertarifs kommt es - selbst bei einer Kappung auf insgesamt 15 % - zu einer erhöhten Besteuerung der übrigen Einkünfte.
Die Höhe der Steuerbelastung sollte wie folgt zu ermitteln sein:
- 1. In einem ersten Schritt ist die Steuerbelastung für die Portfoliodividende zu ermitteln, da diese der Höhe nach gekappt ist. Aufgrund der Belastung mit Gewerbesteuer in Höhe von 14 % verbleibt letztlich nur noch 1 % Steuerbelastung für die Einkommensteuer. Die Anrechnungsbeschränkung des § 35 EStG spielt hier keine Rolle, da die Gewerbesteuer in voller Höhe eine Belastung darstellt. Dies bedeutet rechnerisch folgendes: Die Bruttodividende beträgt anteilig 75.000 EUR. 15 % hiervon sind 11.250 EUR. Für X entsteht eine anteilige Gewerbesteuer von 9.642,50 EUR (s. Berechnung nächste Seite), somit kann die Einkommensteuer nur 1.607,50 EUR betragen. Für den Solidaritätszuschlag bleibt gar kein Raum mehr.
- 2. In einem zweiten Schritt ist die - der Höhe nach nicht eingeschränkte - Steuerbelastung für die übrigen Einkünfte zu ermitteln. Hierfür ist auf die Gesamtsteuerbelastung sämtlicher Einkünfte (d.h. einschließlich der Portfoliodividende) zurückzugreifen und daraus der Durchschnittssteuersatz abzuleiten. Dieser Durchschnittssteuersatz ist sodann auf die Summe der Einkünfte - unter Herausrechnung der Portfoliodividenden - anzuwenden. Aufgrund des synthetischen Einkünftebegriffs ist eine weitere Trennung und Aufgliederung der Teilsteuerbelastungen weder sinnvoll noch möglich. Mithin ergibt sich dieser Durchschnittssteuersatz durch Division der vorläufigen tariflichen Einkommensteuer von 64.489 EUR auf sämtliche Einkünfte durch das für § 32a EStG maßgebliche Einkommen von 173.004 EUR, auf das diese Steuerbelastung entfällt (zu den Zahlen s. PIStB 12, 333). Der Durchschnittssteuersatz beträgt danach 37,28 %. Hieraus folgt die Einkommensteuerbelastung für die nunmehr noch relevanten Einkünfte:
Anteilige Einkünfte aus Hundekuchenproduktion | 75.000 EUR |
Anteilige Dividenden aus Polen (brutto, ohne Abzüge, § 12 Nr. 3 EStG) | 75.000 EUR |
Abzug der anteiligen Beteiligungserträge (§ 3 Nr. 40 Buchst. d) EStG) | 30.000 EUR |
Zu versteuerndes Einkommen | 120.000 EUR |
Zzgl. Grundfreibetrag (2012) für Zwecke der Veranlagung |
8.004 EUR |
Für die Anwendung des § 32a EStG maßgebliches Einkommen | 128.004 EUR |
Durchschnittssteuersatz auf Gesamteinkünfte | 37,28 % |
Einkommensteuer | 47.719 EUR |
Hinweis | Die anteilige Dividende von 75.000 EUR aus der deutschen Beteiligung ist in obiger Rechnung nicht zu berücksichtigen, da eben für diesen Betrag ein Sondersteuersatz (nämlich 15 % brutto) anzuwenden ist.
Die Gewerbesteuer lässt sich gedanklich in den Messbetrag auf die Portfoliobeteiligungserträge (2.410,63 EUR) sowie in den Messbetrag für die originäre gewerbliche Produktion aufteilen (ebenfalls 2.410,63 EUR). Der Messbetrag für die Portfoliodividenden führte zu einer Gewerbesteuer von 9.642,52 EUR (= 2.410,63 x 400 %). Sie wurde bereits berücksichtigt und ist damit nicht mehr relevant. Erheblich ist dagegen weiterhin die Gewerbesteuer auf den originären Gewerbeertrag im Hinblick auf die Anrechnungsmöglichkeit des § 35 EStG. Jedoch können nur (3,8 x 2.410,63 EUR =) 9.160,37 EUR zur Anrechnung gebracht werden. Es ergibt sich somit folgendes Gesamtbild:
Tarifliche Einkommensteuer auf übrige Einkünfte (s.o.) | 47.719 EUR |
Anrechenbare (anteilige) GewSt (s.o.) | - 9.160 EUR |
Anrechenbare (anteilige) polnische Quellensteuer (s. Abschnitt 2.4, Teil 1, PIStB 12, 331) | - 11.250 EUR |
Anrechenbare (anteilige) Kapitalertragsteuer (25 % von 75.000 EUR) | - 18.750 EUR |
Einkommensteuer auf übrige Einkünfte | 8.559 EUR |
Hierauf zu entrichtender SolZ | 471 EUR |
Bereits anteilig gezahlte Quellensteuer in PL | + 11.250 EUR |
Bereits anteilige gezahlte Gewerbesteuer (50 % von 38.570 EUR, s. Abschnitt 2.2, Teil 1, PIStB 12, 331) | + 19.285 EUR |
Verbleibende Einkommensteuer inkl. SolZ (Germania AG) | + 1.608 EUR |
Bereits anteilig gezahlte Kapitalertragsteuer inkl. SolZ | + 19.781 EUR |
Gesamtsteuerbelastung | 60.954 EUR |
Vergleich Gesamtsteuerbelastung ohne DBA (s. Abschnitt 2.6, Teil 1, PIStB 12, 331) | 67.374 EUR |
Steuerminderung | 6.420 EUR |
Aufgrund des nunmehr vorliegenden Abkommensschutzes kann X seine Einkommensteuer (inkl. SolZ) um 6.420 EUR mindern.
Beachten Sie | Der Gesamtsteuereffekt des Abkommensschutzes setzt sich aus zwei gegenläufigen Effekten zusammen: Der Abkommensschutz für die deutschen Beteiligungserträge mindert die Steuerbelastung. Gleichzeitig erhöht sich die Steuerbelastung der übrigen Einkünfte, da der Steuertarif progressiv ist und zusätzlich durch die Berücksichtigung der der Bruttobesteuerung unterliegenden Einkünfte erhöht wird.
Bei der Abwandlung des Sachverhalts, dass X sein gesamtes Welteinkommen aus der Beteiligung an der KG erzielt (s. PIStB 12, 336), ist Folgendes zu beachten: Aufgrund der beschränkten Quellenbesteuerung der deutschen Beteiligungserträge gelten diese für Zwecke der Berechnung der Einkünftegrenzen des § 1 Abs. 3 EStG nicht mehr als der deutschen Besteuerung unterliegend (BFH 20.8.03, I R 72/02, BFH/NV 04, 321). Aufgrund der Größenordnung wäre weder die absolute noch die relative Einkunftsgrenze im Sachverhalt eingehalten und § 1 Abs. 3 EStG käme nicht mehr zur Anwendung.
3. Entstrickung - Abkommensrechtliche Situation und innerstaatliche Konsequenzen
Bei dem Neuabschluss eines DBA stellt sich stets die Frage, ob hiermit eine Einschränkung des Besteuerungsanspruchs der Bundesrepublik einhergeht und somit eine Entstrickung ausgelöst wird.
Nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ist eine Entstrickung anzunehmen, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Auch bei Abschluss eines DBA kann das Besteuerungsrecht eingeschränkt werden. Jedoch setzt typischerweise die Entstrickung eine Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen voraus. Vorliegend besteht jedoch nur eine Handlung des Staates in Form des Vertragsabschlusses. Die Finanzverwaltung hat sich hierzu bislang nicht ausdrücklich geäußert. In den EStR 4.3. wird dieser Fall nicht genannt, andererseits sind die Ausführungen nur beispielhaft. Im Schrifttum sind die Auffassungen zu dieser Frage geteilt (vgl. hierzu jüngst Bron, IStR 12, 904 mwN).
Sieht man den DBA-Abschluss als denkbaren Entstrickungstatbestand an, stellt sich die Frage, ob das deutsche Besteuerungsrecht mit Inkrafttreten des DBA eingeschränkt ist. Im Rahmen des Art. 13 kommen sowohl Abs. 3 als auch Abs. 5 in Betracht:
DBA D/FL | Kurzerläuterung | OECD-MA Entsprechung |
Art. 13 Abs. 1 | Immobilienveräußerung (Besteuerungsrecht für Belegenheitsstaat) | Art. 13 Abs. 1 |
Art. 13 Abs. 2 | Veräußerung von Immobilien-(kapital)gesellschaften (Besteuerungsrecht für Belegenheitsstaat) | Art. 13 Abs. 4 |
Art. 13 Abs. 3 | Bewegliches Betriebsstättenvermögen (Besteuerungsrecht für Betriebsstättenstaat) | Art. 13 Abs. 2 |
Art. 13 Abs. 4 | Veräußerung von See-/Binnenschiffen und Flugzeugen (Besteuerungsrecht für Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung) | Art. 13 Abs. 3 |
Art. 13 Abs. 5 | Besteuerungsrecht für übriges Vermögen nur im Ansässigkeitsstaat | Art. 13 Abs. 5 |
Art. 13 Abs. 6 | Wegzugsbesteuerung | Keine Entsprechung |
Protokollzusatz | Regelung der Entstrickung | Keine Entsprechung |
Zunächst erscheint Art. 13 Abs. 3 DBA D/FL denkbar. Eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (und eine daraus resultierende Entstrickung) läge nicht vor, wenn weiterhin vollumfänglich ein etwaiger Veräußerungsgewinn besteuert werden könnte. Voraussetzung hierfür ist das Bestehen von Betriebsvermögen einer Betriebsstätte, wobei letztere besteht. Fraglich ist somit nur, ob auch eine Zuordnung zu der Betriebsstätte zu erfolgen hat. Der BFH bejahte diese Voraussetzung unter Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 DBA D/CH zumindest für den Fall, in dem keine weitere Betriebsstätte bestand (BFH 13.2.08, I R 63/06, BStBl II 09, 414) . Diese Rechtsprechungsentwicklung wird im Schrifttum (vgl. Gosch in Kroppen/Becker, DBA, OECD-MA, Art. 13 Tz. 82) mit der Begründung begrüßt, der Wortlaut des DBA unterscheide sich bei der Veräußerungsgewinnbesteuerung von der laufenden Besteuerung.
Nach anderer Auffassung bildet die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach Art. 13 Abs. 2 bzw. Abs. 5 den Abschluss der laufenden Gewinnbesteuerung. Dem folgend wäre es widersinnig, unterschiedliche Zuordnungsregeln zur Anwendung zu bringen und den Rechtsgedanken der Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2 (nämlich das Erfordernis der tatsächlichen Zugehörigkeit) zu missachten (vgl. Wassermeyer, in D/W, Art 13 Tz. 77a m.w.N). Schließlich führte die erste Auffassung zur Attraktivitätskraft einer Betriebsstätte. Andererseits ist der zweiten Auffassung entgegenzuhalten, dass in ihrer Folge zumindest auf Abkommensebene „betriebsstättenlose“ gewerbliche Einkünfte entstünden, was die erste Auffassung vermeidet.
- Im Ergebnis ließe die erste Auffassung das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven der Beteiligung unangetastet, denn der Veräußerungsgewinn könnte auch nach Inkrafttreten des DBA auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 3 DBA erfasst werden. Eine Entstrickung entstünde somit nicht.
- Folgte man der zweiten Auffassung, wäre nach Inkrafttreten des DBA ein Veräußerungsvorgang unter Art. 13 Abs. 5 DBA zu subsumieren; dem Ansässigkeitsstaat Liechtenstein stünde das alleinige Besteuerungsrecht zu. Die Entstrickung wäre somit ausgelöst. Fraglich ist aber, ob die Aufdeckung der stillen Reserven in seiner Belastungswirkung zumindest abgemildert werden kann. Nach innerstaatlichem Recht kommt in diesem Fall die Anwendung eines Ausgleichpostens bei wortlautgetreuer Auslegung des § 4g Abs. 1 S. 1 EStG nicht in Betracht, weil die Vorschrift nur EU-Konstellationen, nicht jedoch den EWR berücksichtigt. Abkommensrechtlich besteht jedoch die Besonderheit, dass die Entstrickungsproblematik bei Vertragsabschluss gesehen und im Protokoll Nr. 4 ausdrücklich geregelt wurde.
MERKE | In Tz. 4 zu Art. 13 ist in Abs. 2 die gegenständliche Fallkonstellation geregelt, in der das Vermögen (die Portfoliobeteiligung an der Germania AG), über das eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (X) verfügt, nicht einer im anderen Vertragsstaat (D) belegenen Betriebsstätte zuzuordnen ist und aufgrund des DBA die Entstrickung eintritt. Für diesen Fall gestattet das DBA eine zinslose und sicherheitsfreie Stundung, die erst bei Veräußerung o.Ä. zu widerrufen ist. |
Der EuGH sieht eine solche Ausgestaltung in seiner ständigen Rechtsprechung als verhältnismäßig und demnach europarechts- bzw. gegenständlich EWR-rechtskonform an (EuGH 13.3.03, C-9/02, Rs. de Lasteyrie du Saillant, DB 04, 686; EuGH 7.9.06, C-470/04, Rs. N, oder jüngst EuGH 12.7.12, C-269/09, Rs. KOM/Spanien, PIStB 12, 225 und EuGH 6.9.12, C-38/10, Rs. KOM/Portugal, DStR 12, 10). In seiner jüngsten Rechtsprechung, die sich mit der Entstrickung bei Kapitalgesellschaften befasst, hatte der EuGH sogar angedeutet, dass ggf. auch eine Stundung unter Stellung von Sicherheiten zuzüglich Zinsen ausreichend ist (EuGH 29.11.11, C-371/10, Rs. National Grid Indus, DStR 11, 2334, s. auch Kessler/Philipp/Eicke, PIStB 12, 67)).
ZWISCHENFAZIT | Im Ergebnis kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, welcher Auffassung der Rechtsanwender im Hinblick auf Art. 13 DBA folgt. Spricht er auch nach DBA-Inkrafttreten das weitere Besteuerungsrecht Deutschland zu (Art. 13 Abs. 3), indem die tatsächliche Zugehörigkeit nicht als Voraussetzung in den Abkommenstext hineingelesen wird, dann kann keine Entstrickung eintreten. Verneint er dagegen das Besteuerungsrecht (Art. 13 Abs. 5), tritt zwar eine Entstrickung ein, jedoch wird eine zins- und sicherheitslose Stundung zu gewähren sein. |
4. Zusammenfassung (Teil 1 und 2)
Grundsätzlich ist das Bestehen einer Betriebsstätte in Deutschland Voraussetzung für eine Besteuerung gewerblicher Einkünfte im Inland. Da die KG in Deutschland transparent ist, wird X die Betriebsstätte anteilig zugerechnet. Bei der Beurteilung der Beteiligungserträge ist zunächst der Grundsatz der fehlenden Attraktivitätskraft der Betriebsstätte zu beachten. Demgemäß werden Beteiligungen nur dann der Betriebsstätte zugerechnet, wenn ein enger funktionaler Zusammenhang besteht.
Der zweite Grundsatz im deutschen Recht ist allerdings, dass es keine „betriebsstättenlosen“ gewerblichen Einkünfte („floating income“) gibt. Da X über keine Betriebsstätte in Liechtenstein verfügt, werden die Beteiligungserträge der Germania AG der deutschen Betriebsstätte zugerechnet, obwohl sie keinen funktionalen Zusammenhang aufweisen.
Die Abkommensberechtigung einer transparenten Personengesellschaft ist in der deutschen DBA-Praxis eine vereinzelt anzutreffende Besonderheit. Sie erlaubt es Drittstaatenangehörigen, die selbst nicht abkommensberechtigt sind, über die Personengesellschaft Abkommensschutz zu erlangen.
Mit dem Abschluss des DBA D/FL stellt sich im Hinblick auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften die Zuordnungsfrage. Im vorliegenden Fall kann die Beteiligung an der polnischen Kapitalgesellschaft der deutschen Betriebsstätte zugerechnet werden und der Beteiligungsertrag in Betriebsstätteneinkünfte umqualifiziert werden (Art. 21 Abs. 2 DBA D/FL). Deutschland steht somit ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht zu.
Die Beteiligung an der deutschen Kapitalgesellschaft kann dagegen nicht einer Betriebsstätte für Zwecke der laufenden Besteuerung zugerechnet werden. Es bleibt somit bei einem Besteuerungsrecht von 15 % brutto (Art. 10 Abs. 2 Buchst. c) DBA D/FL). Da der Beteiligungsertrag jedoch weiterhin in die Veranlagung einzubeziehen ist, erhöht dieser folglich den anzuwendenden Durchschnittssteuersatz auf die übrigen Einkünfte. Dieser progressive Steuersatzeffekt mindert daher den endgültigen Erstattungsbetrag entsprechend.
Ob eine Entstrickung der deutschen Beteiligung nach Inkrafttreten des DBA D/FL eintritt, ist nicht abschließend geklärt. Hier sind zwei unterschiedliche Auffassungen denkbar. Doch unabhängig davon, welcher der beiden Auffassungen man folgen mag, führen im Endeffekt beide im Grundsatz zu demselben Ergebnis: Die tatsächliche Besteuerung findet erst im Zeitpunkt der Veräußerung statt.