· Fachbeitrag · Inbound-Fälle
Die Anti-Hybrid-Regel des § 4k EStG im Kontext der US-Check-the-Box-Regeln
von StB Marc Oppermann, Düsseldorf
| Für deutsche Tochtergesellschaften von US-Konzernen haben die Regelungen des § 4k EStG eine hohe Praxisrelevanz. Dies ist dem US-Check-the Box-Konzept geschuldet, wonach bestimmte in- wie ausländische Gesellschaften als steuerlich transparent (disregarded) oder intransparent für Zwecke des US-Steuerrechts behandelt werden können. Nachfolgend sollen typische US-Inbound-Fälle diskutiert und sachgerechte Lösungen gemäß den ATAD-Vorgaben aufgezeigt werden. Schließlich ist nach ATAD (nur) eine Bekämpfung missbräuchlicher hybrider Gestaltungen zur Erzielung „weißer Einkünfte“ angezeigt, wobei das Entstehen von Doppelbesteuerung keine Zielsetzung ist. |
1. Nicht existentes Darlehen aus US-Sicht ‒ Mutter als Darlehensgeber
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Zwei US-Konzerne möchten aus den USA ein normales Darlehen an ihre jeweiligen direkten deutschen Töchter vergeben. Die Tochtergesellschaften sind als reine Holdings (ohne eigenes operatives Ergebnis) Organträgerinnen der operativen Enkel. Das Darlehen stellt sowohl aus US- als auch aus deutscher Sicht Fremdkapital dar. Darlehen und Zinserträge würden in den USA bei den Muttergesellschaften (M-Corps) nicht erfasst, da die jeweilige Tochtergesellschaft (T-Holding-GmbH) nach den Check-the-Box-Regelungen als sog. Disregarded Entity und damit als ein Rechtsträger, der aus US-Sicht nicht existiert, eingestuft wurde. Die Zinsaufwendungen wären in Deutschland vorbehaltlich der Abzugsbeschränkung des § 4k EStG grundsätzlich abzugsfähig und könnten aufgrund der Organschaft mit dem Einkommen aus der Enkel-GmbH verrechnet werden. Einziger Unterschied zwischen Konzern 1 und Konzern 2 ist, dass im Konzern 2 auch die Enkel-GmbH „ge-checkt“ und damit disregarded / nicht existent ist. |
1.1 Konzern 1
Es tritt ein volles Betriebsausgabenabzugsverbot in Deutschland nach § 4k Abs. 2 S. 1 EStG ein. Schließlich kommt es zu einem Deduction-/Non-Inclusion-Ergebnis, da der Zinsertrag aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Behandlung der T-GmbH in keinem Staat einer tatsächlichen Besteuerung unterliegt. Die Rückausnahme der sog. Dual-Inclusion-Income-Regelung des § 4 Abs. 2 S. 3 EStG hilft vorliegend nicht, da hierzu die T1-GmbH selbst und nicht die Enkel1-GmbH Erträge erzielen müsste, welche sodann von der M1-Corp entsprechend steuerlich in den USA zu berücksichtigen wären.
1.2 Konzern 2
Anders als beim Konzern 1 wird der Ertrag aus der Enkel2-GmbH unstreitig auf Ebene der M2-Corp nach US-Regeln berücksichtigt. Somit liegt nach allgemeinem Verständnis gar kein Deduction-/Non-Inclusion-Ergebnis mehr vor, für das ein Betriebsausgabenabzugsverbot eingreifen müsste. Fraglich erscheint aber, ob diese sachgerechte Lösung auch vom engen Wortlaut der Rückausnahme gedeckt ist: „Satz 1 gilt nicht, soweit den Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen gegenüberstehen, die sowohl im Inland als auch nachweislich in dem Staat des Gläubigers […] einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen.“ Problematisch ist, dass die Enkel2-GmbH und damit nicht derselbe Steuerpflichtige die Erträge erzielt. Glücklicherweise hat der Gesetzgeber dieses Problem erkannt und in der Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19.4.21, S. 37 durch eine Fiktion gelöst: „Als Erträge des Steuerpflichtigen i. S. d. Satzes 3 [des § 4k Abs. 2 EStG] gelten auch Erträge einer Organgesellschaft, deren Einkommen dem Steuerpflichtigen als Organträger zugerechnet wird“.
MERKE | Für Konzern 1 würde sich ein volles Betriebsausgabenabzugsverbot ergeben, da die Erträge aus der Enkel1-GmbH nach den US-Regeln nicht bei der M1-Corp erfasst werden. Bei Konzern 2 wären die Darlehenszinsen von 1 Mio. EUR dagegen voll abzugsfähig. |
Beachten Sie | Der Aufbau des § 4k EStG ist kaskadierend, d. h., dass die Prüfung mit Abs. 1 beginnen muss und, wenn der dort beschriebene Tatbestand nicht erfüllt wird, mit dem jeweils darauffolgenden Absatz fortzufahren ist. Im Fall 1 sollten § 4k Abs. 1 und Abs. 3 EStG ausscheiden. Die Nichtexistenz des Darlehens aus US-Sicht bedingt eine Nichtzuordnung. Damit kann es nicht zu einer nach Abs. 1 oder Abs. 3 erforderlichen „abweichenden Zuordnung“ oder Zurechnung des Kapitalvermögens bzw. der Erträge kommen.
2. Nicht existentes Darlehen aus US Sicht ‒ Schwester als Darlehensgeber
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Mit Blick auf die negativen steuerlichen Folgen im Grundfall sowie auf die Rückmeldung vom US-Headquarter des Konzerns 1, dass eine geänderte Check-the-Box-Einstufung der Enkel1-GmbH als Disregarded Entity nicht ohne erhebliche steuerliche Umstellungsnachteile in den USA möglich ist, soll im Konzern 1 die Darlehensvergabe durch ein in einer Steueroase belegenes Treasury Center erfolgen. |
Die HavenCo soll wie die T1-GmbH aus US-Sicht als Disregarded Entity nach den Check-the-Box-Regelungen qualifizieren. Eine Besteuerung der von Deutschland gezahlten Zinserträge erfolgt im Staat der HavenCo nicht (z. B., da keine Steuerpflicht besteht, eine vollständige Steuerbefreiung für Zinseinkünfte eingreift oder der Steuersatz 0 % beträgt). Ebenfalls findet keine Besteuerung der von Deutschland gezahlten Zinserträge in den USA nach den dortigen Hinzurechnungsbesteuerungsregelungen („Subpart-F“) statt, da aus US-Sicht die T1-GmbH und die HavenCo als nicht existente Rechtsträger in die M-Corp „ge-checkt“ sind und folglich das Darlehensverhältnis nicht existiert. Abschließend sei angemerkt, dass die HavenCo unstreitig über ausreichend Substanz verfügen soll, sodass kein Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO droht. |
Wenn sowohl die deutsche T1-GmbH, die HavenCo sowie die Enkel1-GmbH aus US-Sicht als intransparente CFC (Controlled Foreign Company) ‒ d. h. als Regarded Entity ‒ eingestuft wären, sollte § 4k Abs. 1 bis 5 EStG keine Anwendung finden. Für diesen Fall ergäbe sich nämlich trotz effektiver Nichtbesteuerung im Staat der HavenCo keine schädliche Besteuerungsinkongruenz.
MERKE | Ein Steuervorteil im Sinne einer Niedrigerbesteuerung (§ 4k Abs. 1) oder Nichtbesteuerung (§ 4k Abs. 1 bis 3), der nicht durch ein hybrides Element (z. B. aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Behandlung des Steuerpflichtigen) eine Deduction-/Non-Inclusion-Besteuerungsinkongruenz hervorruft, führt mangels Kausalität (… „auf Grund“…) nicht zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 4k Abs. 1 bis 3 EStG. Erforderlich ist, dass ein hybrides Element die Deduction-/Non-Inclusion-Besteuerungsinkongruenz verursacht. |
Fraglich ist, ob für Zwecke des § 4k Abs. 1 bis 3 EStG nur auf den Staat des Gläubigers der Erträge (und damit der HavenCo) oder aber auch auf andere nicht direkt beteiligte Staaten (hier: USA) abzustellen ist. Geht man von einem weiten Anwendungsbereich ‒ insbesondere, weil der Ausdruck „im Staat des Gläubigers der Erträge“ aus dem ursprünglichen Wortlaut des S. 1 des § 4k Abs. 2 EStG-E gestrichen wurde ‒ aus, wäre ein Steuervorteil aus Sicht der USA zu prüfen. Denn § 4k Abs. 2 S. 1 EStG greift „nur“ dann nicht ein, wenn aus Sicht der USA keine höhere Steuerbelastung auf die Zinserträge entstünde, wenn die T-GmbH und HavenCo als intransparente Einheiten (Regarded Entities) eingestuft wären; dies wird regelmäßig nicht der Fall sein.
Trotz der Streichung des Ausdrucks wird in der Literatur der enge Anwendungsbereich befürwortet, sodass vorliegend für diesen HavenCo-Fall kein Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 4k Abs. 2 EStG eintreten würde. Schnitger/Oskamp führen die Streichung nämlich ausschließlich darauf zurück, dass man im Falle einer Personengesellschaft als zivilrechtlicher Zahlungsemfänger nicht auf den Staat der Personengesellschaft, sondern auf den Staat des dahinterstehenden Gesellschafters abstellen muss. Schließlich nimmt der Staat der Personengesellschaft aufgrund des Transparenzprinzips keine Besteuerung vor. Die Streichung sei nicht dahin gehend zu verstehen, dass § 4k Abs. 2 EStG Anwendung findet, weil die USA aufgrund der Check-the-Box-Einstufung die Zinserträge nicht im Rahmen seiner Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung erfasst (vgl. Schnitger/Oskamp: IStR 20, 909, 917). Ähnlich äußert sich auch Ehlermann: „Schließlich kann auch auf das Abstellen auf den „Staat des Gläubigers“ in § 4k Abs. 2 S. 3 EStG indizieren, dass die Norm des § 4k EStG insgesamt diesbezüglich einschränkend auszulegen ist.“ (Ehlermann/Link, ISR 21, 319, 323).
FAZIT | M. E. würde die pauschale Ausblendung des US-Gesellschafters (zumindest in diesem einfachen Beispiel, in dem Deutschland sowie die HavenCo direkt von der Konzernspitze gehalten werden) eine „zu einfache“ Umgehungsmöglichkeit des Falls 1 eröffnen, die durch die Finanzverwaltung sicherlich nicht als sachgerechtes Ergebnis eingestuft wird. Mit einer Klarstellung ist daher im erwarteten BMF-Schreiben zu § 4k EStG zu rechnen. |
3. Herbeiführung der tatsächlichen Besteuerung durch deutsche Abzugsteuer
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Nachfolgend soll an einem Lizenzfall aufgezeigt werden, dass auch in Inbound-Konstellationen (detaillierte) Kenntnisse über die Besteuerungsfolgen im Ausland immer wichtiger werden. Gegeben seien zwei Konzerne, die aus den USA IP an die jeweilige deutsche Gruppe zu einem fremdvergleichskonformen Preis lizenzieren. Der Lizenzvertrag besteht zwischen der US-Mutter (M-Corp bzw. P-Corp) und der jeweiligen Tochterholding ohne eigenes operatives Ergebnis. Die Tochterholding (Holding1-GmbH bzw. Holding2-GmbH) überlässt dem operativen Enkel (OpCo1-GmbH bzw. OpCo2-GmbH) dieses IP unentgeltlich, da aufgrund der ertragsteuerlichen Organschaft letztlich das deutsche Gruppenergebnis auf Ebene der Top-Organträger besteuert wird und diese unentgeltiche IP-Überlassung keine negativen Folgen auslöst; eine verdeckte Einlage liegt mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht vor.
Fraglich ist, welche Struktur aus US- sowie deutschen Gesichtspunkten steuerlich optimal ist. |
3.1 Konzern 1
Der Lizenzertrag von 1 Mio. EUR unterliegt in den USA dem Präferenzregime des Foreign Derived Intangible Income (FDII-Regime) mit i. d. R. 13,125 %.
Derzeit werden grundsätzlich 100 % der Lizenzaufwendungen in Deutschland zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen, allerdings erfolgt die Veranlagung nach § 164 AO vorläufig. Unklar ist nämlich, ob das FDII-Regime nicht als schädliche Präferenzregelung i. S. d. Lizenzschranke des § 4j EStG einzustufen ist, sodass ein Abzugsverbot von knapp 48 % der Aufwendungen in Deutschland eingreifen würde. Quellensteuern nach § 50a EStG i. H. v. 15,825 % sollen aufgrund einer Freistellungsbescheinigung nicht anfallen.
3.2 Konzern 2
Aufgrund der „ge-checkten“ Holding2-GmbH existiert für die USA keine entgeltliche IP-Überlassung und folglich kein Lizenzertrag. Hierdurch ergibt sich ein Vorteil gegenüber Konzern 1 i. H. v. 13,125 %.
Des Weiteren entsteht ein Strukturvereinfachungs-Vorteil dahin gehend, dass die Lizenzschranke in Deutschland auf gar keinen Fall eingreift. Eine (präferenzielle) Besteuerung in den USA findet nämlich gar nicht statt. Fraglich ist nun, ob diese zwei Vorteile ggf. durch die Anti-Hybrid-Regel des § 4k EStG aufgebraucht werden. Im Falle der Freistellungsbescheinigung nach § 50a EStG greift § 4k Abs. 2 S. 1 EStG ein. Die Rückausnahme nach § 4k Abs. 2 S. 3 EStG für sog. Dual Inclusion Income ist vorliegend nicht anwendbar, da die Holding2-GmbH aufgrund der unentgeltlichen IP-Überlassung keine Erträge erwirtschaftet. Die Erträge der OpCo2-GmbH als Organgesellschaft können nicht berücksichtigt werden, da die Gesellschaft nicht „ge-checkt“ ist. Vorliegend bieten sich zwei Gestaltungen an, um ein Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 4k Abs. 2 EStG auszuschließen:
- Option 1: Die IP-Überlassung von der Holding2-GmbH an die OpCo2-GmbH könnte entgeltlich erfolgen. Dies hätte zur Folge, dass bei der Holding2-GmbH Erträge generiert werden und somit der Anwendungsbereich der Rückausnahme der Dual Income Inclusion Rule des § 4k Abs. 2 S. 3 EStG eröffnet wird; allerdings würden diese Erträge dann in den USA mit dem regulären Steuersatz von i. d. R. 21 % besteuert.
- Option 2: Da der deutsche Quellensteuerabzug nach § 50a EStG aber nur 15,825 % (und damit weniger als 21 %) beträgt, bietet sich in diesem Fall an, keine Freistellungsbescheinigung einzuholen. Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass die Erhebung der deutschen Quellensteuer zur Abgeltung der beschränkten Steuerpflicht der P-Corp als tatsächliche Besteuerung der Erträge für Zwecke des § 4k Abs. 2 S. 1 EStG gewertet werden muss (so auch explizit Ehlermann/Link, ISR 21, 319, 321).
4. Double Deduction Besteuerungsinkongruenzen bei „ge-checkten“ operativen Gesellschaften
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Die operative Tochter GmbH stellt aus US-Sicht eine „ge-checkte“ und damit eine Disregarded Entity aufgrund der Check-the-Box-Regelungen dar. Der Aufwand aus dem Wareneinkauf wird in Deutschland steuerlich geltend gemacht. Gleichzeitig erfolgt ein zweiter Abzug des nämlichen Aufwands in den USA, da die deutsche Tochter als Disregarded Entity eine Art Anrechnungsbetriebsstätte der M-Corp darstellt. Allerdings werden auch die Erträge aus dem Verkauf der Waren an die Endkunden sowohl in Deutschland als auch in den USA berücksichtigt. Im Grundfall betragen die Erträge 1,2 Mio. EUR und in der Abwandlung lediglich 800 TEUR. |
Für den Grundfall (bei dem die Erträge aus dem Verkauf die Aufwendungen aus dem Einkauf übersteigen) ergibt sich folgende Lösung: Der Tatbestand des § 4k Abs. 4 S. 1 EStG ist erfüllt, da die Aufwendungen aus dem Einkauf auch in einem anderen Staat (hier: USA) berücksichtigt werden. Ein Betriebsausgabenabzugsverbot tritt trotzdem nicht ein. Denn die Rückausnahme des § 4k Abs. 4 S. 3 EStG greift ein, da den Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen (hier: 1,2 Mio. EUR der Opco Tochter GmbH) gegenüberstehen, die sowohl im Inland als auch nachweislich in dem anderen Staat (hier: USA) einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen.
Beachten Sie | Der Nachweis der tatsächlichen Besteuerung sollte durch Einreichung der US-Steuererklärungen zusammen mit dem Steuerbescheid erfolgen.
Für den leicht abgewandelten Verlustfall (in dem die Erträge nur 0,8 Mio. EUR betragen und somit die Aufwendungen nicht übersteigen) greift für den Betrag von 200 TEUR (… soweit …) nach dem Gesetzeswortlaut des § 4k Abs. 4 S. 3 EStG (… gegenüberstehen …) ein Betriebsausgabenabzugsverbot. Dies erscheint nicht sachgerecht, wenn in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen hoffentlich wieder der Grundfall eintritt und die Erträge größer als die Aufwendungen sind.
Auch dieses Problem hat der Gesetzgeber erkannt und eine Billigkeitsregelung in die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, S. 39 aufgenommen: „Doppelt erfasste Erträge stehen den doppelt erfassten Aufwendungen auch dann ‚gegenüber‘ im Sinne dieser Vorschrift, wenn die Aufwendungen einen Verlustvortrag erhöhen, der in einem anderen Veranlagungszeitraum mit doppelt erfassten Erträgen verrechnet werden kann. In diesem Fall findet § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO Anwendung (rückwirkendes Ereignis).“
Leider wird nur der obige Rücktrag, aber nicht der umgekehrte Fall eines Vortrags doppelt berücksichtigter Erträge (d. h. doppelt berücksichtigte Erträge aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen und von § 4k Abs. 4 S. 1 betroffenen Aufwendungen im aktuellen Veranlagungszeitraum) in der Gesetzesbegründung angesprochen. Sachliche Rechtfertigungsgründe, dass ein „Vortrag“ dieser doppelt erfassten Erträge nicht möglich sein soll, sind nicht ersichtlich (so auch Schnitger/Oskamp, IStR 20, 909, 920). Es bleibt zu hoffen, dass im erwarteten BMF-Schreiben zu § 4k EStG eine Erweiterung auf Vortragsfälle gewährt wird.
5. Nicht existierende konzerninterne Leistungsbeziehungen
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Die US-Co ist Alleingesellschafterin der deutschen Tochter, welche für US-Zwecke als „ge-checkt“ und damit als Disregarded Entity eingestuft wird. Die GmbH kauft Handelswaren am Markt für 100 EUR ein. Im Unterschied zum Fall 3 verkauft die deutsche Tochter die Handelswaren aber nicht selbst an die Endkunden, sondern für 150 EUR an die US-Co, die einen Weiterverkauf an Endkunden für 200 EUR vornimmt. Im Grundfall erfolgt der Warenverkauf an die Endkunden in demselben Veranlagungszeitraum wie die beiden anderen Transaktionen.
In der Abwandlung erfolgt der Warenverkauf ein Jahr später. Aus US-Sicht existiert die Warenlieferung zwischen der „ge-checkten“ GmbH sowie der US-Mutter (i. H. v. 150 EUR) nicht. Weitere Aufwendungen und Erträge auf Ebene der Tochter liegen nicht vor. Erträge i. H. v. 400 EUR erzielt zwar die Organgesellschaft, welche aber nicht in den USA bei der US-Co wegen der fehlenden „Check-the-Box-Wahl“ berücksichtigt werden. |
Fraglich ist, ob die GmbH ein zu versteuerndes Einkommen von 50 EUR oder von 150 EUR nach außerbilanzieller Korrektur gemäß § 4k Abs. 4 S. 1 EStG wegen Nichtanwendbarkeit der Rückausnahme der Dual-Inclusion-Income-Regelung des § 4k Abs. 4 S. 3 EStG erzielt?
Der Tatbestand des § 4k Abs. 4 S. 1 EStG ist unzweifelhaft gegeben. Der Wareneinsatz von 100 EUR wird in Deutschland auf Ebene der GmbH sowie in den USA auf Ebene der US-Co berücksichtigt, sodass eine Double Deduction vorliegt. Somit stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Rückausnahme. Es liegt zwar auch eine doppelte Berücksichtigung von Erträgen ‒ in Deutschland von 150 EUR auf Ebene der GmbH und in den USA von 200 EUR auf Ebene der US-Co ‒ vor, aber es ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob diese doppelte Berücksichtigung den engen Tatbestand des § 4k Abs. 4 S. 3 EStG erfüllt.
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„Satz 1 gilt nicht, soweit den Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen gegenüberstehen, die sowohl im Inland als auch nachweislich in dem anderen Staat einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen“. |
Den Aufwendungen der GmbH von 100 EUR müssen Erträge desselben Steuerpflichtigen, also der GmbH, gegenüberstehen, die sowohl im Inland als auch in dem anderen Staat (hier: USA) einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen. Dies ist im Grundfall direkt und in der Abwandlung ein Jahr später (und damit als rückwirkendes Ereignis wie im Fall 4) gegeben. Der im Inland erzielte Ertrag von 150 EUR ‒ welcher lediglich aus US-Sicht aufgrund der „ge-checkten“ GmbH nicht existiert ‒ ist wirtschaftlich im US-Ertrag von 200 EUR enthalten. Eine Versteuerung des Ertrags im Inland sowie in den USA auf Ebene desselben Steuerpflichtigen verlangt der Wortlaut der Rückausnahme nicht (vgl. auch sehr dezidiert zu dem Grundfall Schnitger/Posch, ISR 21, 187, welche keinerlei Zweifel an der Anwendbarkeit der Rückausnahme haben).
FAZIT | Mit Blick auf den marginalen Unterschied zwischen Fall 3 und Fall 5 (Verkauf an Endkunden durch GmbH bzw. Verkauf an Mutter, welche an Endkunden weiterverkauft) erscheint dieselbe Lösung ‒ nämlich der volle Betriebsausgabenabzug in Deutschland wegen Vorliegens der Dual-Inclusion-Income-Regelung ‒ sachgerecht. In dem erwarteten BMF-Schreiben wäre z. B. folgende Klarstellung mit Anlehnung an die Ertragsfiktion im Organgesellschaftsverhältnis wünschenswert: Als Erträge des Steuerpflichtigen qualifizieren auch insoweit Erträge des Anteilseigners mit Dritten, soweit die konzerninterne Leistungsbeziehung wirtschaftlich in den Erträgen des Anteilseigners enthalten ist. |
6. Double Deduction Besteuerungsinkongruenzen bei „ge-checkten“ Holding-Gesellschaften
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Die M-Corp ist Alleingesellschafterin der „ge-checkten“ T-Holding GmbH, die als reine Holding ohne eigenes operatives Ergebnis Organträgerin der operativen Enkel GmbH ist. Auf Ebene der T-Holding GmbH fallen zwei Arten von Aufwand an. Zum einen Zinsaufwand i. H. v. 500 TEUR aus einem Bankdarlehen. Zum anderen Zinsaufwand i. H. v. 1 Mio. EUR aus einem Darlehen von der Enkel GmbH. Die Zinsaufwendungen von 1,5 Mio. EUR wären in Deutschland vorbehaltlich der Abzugsbeschränkung des § 4k EStG grundsätzlich abzugsfähig und könnten aufgrund der Organschaft mit dem Einkommen aus der Enkel GmbH, welches auch den Zinsertrag von 1 Mio. EUR umfasst, verrechnet werden. Fraglich ist, ob und in welcher Höhe ein Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 4k Abs. 4 EStG droht. |
Zunächst sollte die steuerliche Behandlung des Zinsaufwands von insgesamt 1,5 Mio. EUR in den USA geklärt werden. Regelmäßig wird man nämlich die ‒ aus deutscher Sicht ‒ erfreuliche Rückmeldung erhalten, dass in den USA der vorstehende Aufwand nicht bei der M-Corp berücksichtigt wurde, da die sog. Dual-Consolidated-Loss-Regeln (DCL-Regulations) in den USA eine nochmalige Berücksichtigung der Aufwendungen verbieten. Damit wäre in Deutschland eine außerbilanzielle Korrektur nach § 4k Abs. 4 EStG nicht vonnöten. Schließlich sollte die tatsächliche Nichtberücksichtigung in den USA im Rahmen der Vorfahrtsregelung des § 4k Abs. 4 S. 2 EStG zum Ausschluss des Betriebsausgabenabzugsverbots in Deutschland führen, auch wenn streng genommen die DCL-Regeln sich von § 4k Abs. 4 EStG unterscheiden mögen (so auch Ehlermann/Link, ISR 21, 319, 328).
Wenn man ausnahmsweise eine ‒ aus deutscher Sicht ‒ negative Rückmeldung erhält, wonach die DCL-Regeln nicht einschlägig sind, stellt sich die Anschlussfrage, ob im Beispiel der komplette Zinsaufwand von 1,5 Mio. EUR oder nur der externe Zinsaufwand von 500 TEUR außerbilanziell nach § 4k Abs. 4 S. 1 EStG zu korrigieren ist.
M. E. sollte für den hier vorliegenden Organschaftsfall die Dual-Inclusion-Income-Rückausnahme des § 4k Abs. 4 S. 3 EStG für das interne Darlehen eingreifen, wenn der Zinsertrag auf Ebene der Enkel GmbH in den USA vor dem Hintergrund der US-Hinzurechnungsbesteuerungsregeln berücksichtigt wird.
Zwar schränkt das Erfordernis „desselben Steuerpflichtigen“ die im Rahmen der Rückausnahme einzubeziehenden Erträge aus deutscher Sicht ein, sodass nur solche Erträge berücksichtigt werden können, „die der Steuerpflichtige erzielt, dessen Betriebsausgabenabzug von der Anwendung des § 4k Abs. 4 S. 1 EStG-E bedroht ist“ (Schnitger/Posch, ISR 21, 187). Dieses Erfordernis der Personenidentität sollte vorliegend aufgrund der für Organgesellschaften vorgesehenen Fiktion aber erfüllt sein, sodass die Erträge der Enkel GmbH als Erträge der T-Holding GmbH gelten (vgl. Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, S. 39: „Als Erträge des Steuerpflichtigen i. S. d. Satzes 3 [des § 4k Abs. 4 EStG] gelten auch Erträge einer Organgesellschaft, deren Einkommen dem Steuerpflichtigen als Organträger zugerechnet wird.)
Beachten Sie | M. E. stellt ein Abzugsverbot von 500 TEUR ein sachgerechtes Ergebnis dar, da im Rahmen der Besteuerung des deutschen Organkreises die Zinsaufwendungen mit den Zinserträgen ohnehin verrechnet werden und somit das zu versteuernde Einkommen nicht vermindert wird. Falls dieser Fall nicht in dem erwarteten BMF-Schreiben zu § 4k EStG behandelt wird, sollten solche Darlehensbeziehungen aufgelöst werden, um Diskussionen in einer Betriebsprüfung kategorisch auszuschließen. Auswirkungen auf das zu versteuernde Einkommen ergeben sich (wie erwähnt) nicht. Alternativ könnte der Zinssatz auf 0 % herabgesetzt werden. Steuerliche Nachteile werden sich hieraus zukünftig ‒ auf Antrag sogar für den aktuellen Veranlagungszeitraum 2022 ‒ nicht mehr ergeben, da die gesetzliche Abzinsungsverpflichtung für unverzinsliche Verbindlichkeiten im § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit dem 4. Corona-Steuerhilfegesetz abgeschafft wurde.
FAZIT | Die Regelungen des § 4k EStG sind sehr komplex, da jeder Absatz einen bereits schwer zu verstehenden Grundtatbestand enthält, welcher um noch kompliziertere Erweiterungen bzw. Ausnahmen ergänzt wird. Daher ist das BMF-Schreiben zu 4k EStG mit Spannung zu erwarten. Es bleibt zu hoffen, dass vom BMF sachgerechte Lösungen mit einem gewissen Augenmaß zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit erarbeitet werden, um der Zielsetzung der ATAD, nämlich die Bekämpfung missbräuchlicher hybrider Gestaltungen zur Erzielung „weißer“ Einkünfte, gerecht zu werden. |