· Fachbeitrag · Remote Work
Homeoffice im Ausland: eine Analyse aus österreichischer, polnischer und deutscher Sicht
von Univ.-Prof. Dr. habil. Marcin Jamroży, Warschau, Univ.-Prof. Dr. Stephan Kudert, Berlin und Ass.-Prof. Dr. Elisabeth Steinhauser, Salzburg
| Spätestens seit der Coronapandemie kommt der Arbeit im Homeoffice, auch im grenzüberschreitenden Kontext, eine große Bedeutung zu. In der Praxis problematisch ist die national bislang noch nicht gefestigte steuerliche Behandlung sowie die international nur rudimentär abgestimmte Besteuerung, die zu einer Nicht- oder Doppelbesteuerung des Arbeitnehmers, aber auch zu einer doppelten Besteuerung und/oder Haftung des Arbeitgebers führen kann. Dies soll ein einfacher Fall verdeutlichen. |
1. Der „einfache“ Fall
Die D-GmbH ist die Muttergesellschaft eines international tätigen Konzerns, der Textilien herstellt, mit Sitz und Geschäftsleitung in Berlin (D). Sie unterhält (neben dem Stammhaus in Deutschland) auch mehrere Tochtergesellschaften und operativ tätige Betriebsstätten in EU-Staaten. Eine Betriebsstätte befindet sich in Wien (A) und produziert Trachtenmode.
Für diese österreichische Betriebsstätte arbeitet eine polnische Mitarbeiterin als Designerin. Diese Mitarbeiterin lebt mit ihrer Familie in Warschau (PL). Aus familiären und finanziellen Gründen ist sie begeistert, als die Betriebsstättenleiterin in Wien ihr nachdrücklich ans Herz legt, künftig ganz überwiegend im Homeoffice zu arbeiten, da die Raumkapazitäten in Wien sehr begrenzt und die Mieten sehr hoch sind. Die Mitarbeiterin soll künftig lediglich alle 14 Tage für einen Tag physisch in der Wiener Betriebsstätte tätig sein (10 % der Arbeitszeit). Als Anreiz soll sie eine Gehaltserhöhung erhalten, die auch die laufenden Aufwendungen im Homeoffice abdeckt („Remotepauschale“). Zudem wird ihr das notwendige dienstliche Equipment gestellt.
Weder die Betriebsstättenleiterin noch die Mitarbeiterin sehen steuerliche Probleme, wenn die Vereinbarung umgesetzt wird.
2. Die steuerliche Behandlung
Die OECD hat sich im Musterkommentar 2017 erstmals zur Homeoffice- Betriebsstätte positioniert (vgl. OECD-MK 2017, Art. 5, Rn. 18 und 19). Demnach vermittelt die Heimarbeit eines Mitarbeiters dem Arbeitgeber grundsätzlich keine Betriebsstätte. Verlangt der Arbeitgeber aber, die Tätigkeit (nicht nur vorübergehend) im Homeoffice auszuüben, insbesondere, weil kein Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung steht, ist der Einzelfall zu prüfen. Dabei spricht insbesondere gegen eine Homeoffice-Betriebsstätte, wenn der Arbeitnehmer dort lediglich Tätigkeiten ausübt, die unter Art. 5 Abs. 4 OECD-MA fallen. Diese Rückausnahme innerhalb der Definition ist allerdings obsolet, weil selbst im Falle, dass eine Betriebsstätte vorläge, diese nach Art. 5 Abs. 4 „nicht als Betriebsstätte gelten“ würde.
Insgesamt sind die Ausführungen des OECD-MK nicht wirklich hilfreich. Zudem haben alle drei involvierten Staaten ihre individuelle Sicht auf die steuerliche Behandlung des Sachverhalts. Dabei sind die steuerlichen Fallstricke für die Mitarbeiterin und die Arbeitgeberin zu berücksichtigen.
2.1 … in Österreich
2.1.1 Besteuerung der Mitarbeiterin
Die Mitarbeiterin ist weder aufgrund eines Wohnsitzes gemäß § 26 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) noch ihres gewöhnlichen Aufenthalts gemäß § 26 Abs. 2 BAO in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 2 EStG-A. Daher besteht in Österreich nur eine beschränkte Steuerpflicht in Bezug auf inländische Einkünfte (§ 1 Abs. 3 i. V. m. § 98 EStG-A). Solche Einkünfte liegen bei Arbeitnehmern (mit Einkünften i. S. v. § 25 EStG-A) nach § 98 Abs. 1 Z 4 TS 1 EStG-A im Wesentlichen dann vor, wenn die Tätigkeit in Österreich ausgeübt oder verwertet wird. Für den Sachverhalt bedeutet dies, dass Österreich nach innerstaatlichem Recht jedenfalls einen Besteuerungsanspruch an den Einkünften der Mitarbeiterin erhebt, die auf die Tätigkeitsausübung in Österreich entfallen (Ausübungstatbestand).
Fraglich ist, ob zudem der Verwertungstatbestand erfüllt ist und folglich die gesamten Einkünfte der Mitarbeiterin der österreichischen Steuerpflicht unterliegen. Nach der gesetzlichen Definition (§ 98 Abs. 1 Z 4 TS 1 i. V. m. Z 2 TS 2 EStG-A) wird die Arbeit in Österreich verwertet, wenn sie zwar nicht physisch in Österreich ausgeübt wird, aber ihr wirtschaftlicher Erfolg der österreichischen Volkswirtschaft unmittelbar zu dienen bestimmt ist. Die österreichische Finanzverwaltung legt den Verwertungstatbestand bei Arbeitnehmern weit aus (EStR-A 2000, Rn. 7958 f.), weil ihrer Ansicht nach die unmittelbare Verwertung der Arbeitsleistungen eines Arbeitnehmers primär durch den Arbeitgeber erfolge. Allerdings handelt es sich im Sachverhalt um keinen österreichischen, sondern einen deutschen Arbeitgeber, weshalb diese Argumentation im Sachverhalt ins Leere geht. Dennoch wäre nach dem Gesetzeswortlaut der Legaldefinition ein Erfüllen des Verwertungstatbestands denkbar, wenn der Erfolg der Tätigkeiten der Mitarbeiterin, die sie für die österreichische Betriebsstätte erbringt, unmittelbar der österreichischen Volkswirtschaft zukommen soll (so die Finanzverwaltung in EAS 268, 14.5.93).
Beachten Sie | Die Arbeitgeberin ist die D-GmbH und nicht die Betriebsstätte in Österreich. Nur sie kann schuldrechtliche Vertragspartnerin der Arbeitnehmerin sein. Auch abkommensrechtlich gilt eine inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nicht als Arbeitgeber (BFH 29.1.86, I R 296/82, BStBl II 86, 513; EAS 3389, 20.9.17).
Unabhängig von der Reichweite der innerstaatlichen Steuerpflicht wird aber das Besteuerungsrecht Österreichs nach dem DBA A/PL, das aufgrund der Ansässigkeit der Mitarbeiterin in Polen anzuwenden ist, auf die in Österreich ausgeübte Tätigkeit eingeschränkt. Denn nach Art. 15 Abs. 1 DBA A/PL darf Österreich nur jene Vergütungen besteuern, die die Mitarbeiterin für die in Österreich ausgeübte Tätigkeit bezieht (Kausalitätsprinzip).
Beachten Sie | Werkherstellende oder werkschaffende Künstler wie z. B. Modeschöpfer oder Designer gelten mangels Auftretens in der Öffentlichkeit bzw. vor Publikum nicht als Künstler i. S. d. Art. 17 DBA A/PL, der gegenüber Art. 15 Abs. 1 DBA A/PL vorrangig anzuwenden wäre (Toifl in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2, 2019, Art. 17 Rn. 33).
Im Ergebnis unterliegen im betreffenden Sachverhalt daher 10 % der Einkünfte der Mitarbeiterin dem österreichischen Besteuerungsrecht. Dies ist jener Anteil, den die Mitarbeiterin für die Ausübung der Tätigkeit in Österreich bezieht. Der Ansässigkeitsstaat Polen rechnet die österreichische Steuer auf die dortige Steuerschuld an (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA A/PL i. V. m. Art. 5 Abs. 6 MLI).
Beachten Sie | Art. 24 Abs. 1 DBA A/PL sieht, wenn Polen der Ansässigkeitsstaat ist, immer die Anrechnungsmethode vor.
Auf Basis des Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die D-GmbH als Arbeitgeberin auch eine lohnsteuerrechtliche Betriebsstätte in Österreich unterhält und ihr folglich die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug obliegt (§ 47 Abs. 1 EStG-A; s. zum eigenständigen Betriebsstättenbegriff für Zwecke der Lohnsteuer auch § 81 EStG-A). Dabei kann wahlweise das DBA unmittelbar angewendet und die Lohnsteuer auf Vergütungen beschränkt werden, für die Österreich das Besteuerungsrecht hat (vgl. EStR-A 2000, Rn. 8021a). Diese unmittelbare Entlastung an der Quelle erfordert, dass die formalen Voraussetzungen der DBA-Entlastungsverordnung (BGBl III 92/2005) erfüllt sind (z. B. Vorliegen einer Ansässigkeitsbescheinigung).
Beachten Sie | Im Falle eines erfüllten Verwertungstatbestands nach innerstaatlichem Recht (s. dazu oben) wird allerdings durch die unmittelbare Anwendung des DBA ein Teil des für den Kalendermonat bezogenen Arbeitslohns aus der inländischen Steuerbemessungsgrundlage ausgeschlossen. Hierfür sieht § 77 Abs. 1 EStG-A eine tageweise Lohnsteuerbemessung vor (s. Waser in: Kofler/Mitterlehner/Mitterlehner, Festschrift Stefan Bendlinger, 2024, 342). Der Tageslohn wird zunächst auf einen Jahresbezug (Tageslohn × 360 = fiktiver Jahreslohn) hochgerechnet, dann wird der Tarif angewendet und danach wird wieder auf einen Tag heruntergerechnet (ESt auf fiktiven Jahreslohn ÷ 360 = ESt pro Arbeitstag; § 66 EStG-A). Die ausgeschlossenen Einkünfte, für die Österreich also kein Besteuerungsrecht hat, erhöhen daher die Progression. So macht Österreich de facto einen Progressionsvorbehalt bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern geltend.
Für die Mitarbeiterin besteht zwar die Möglichkeit einer Antragsveranlagung, wobei in diesem Fall aber die Steuerbemessung mit einer Hinzurechnung von 10.486 EUR (Wert 2024) zum Einkommen erfolgt (§ 102 Abs. 1 Z 3 i. V. m. Abs. 3 EStG-A), weil der Grundfreibetrag (in Österreich „tarifliche Nullzone“ oder „Existenzminimum“ genannt) beschränkt Steuerpflichtigen nur teilweise gewährt wird. Dennoch kann bei einem solch hohen Homeoffice-Ausmaß wie im Sachverhalt (90 %) durch eine Antragsveranlagung eine Steuerreduktion erzielt werden (vgl. Höppner/Steinhauser, BFuP 22, 85).
Wird die Lohnsteuer ‒ ohne unmittelbare Anwendung des DBA ‒ von den gesamten Bezügen der Mitarbeiterin bemessen, kommt eine Rückerstattung jener Steuer, die auf die nicht dem österreichischen Besteuerungsrecht unterliegenden Einkünfte entfällt (§ 240 und § 240a BAO), oder eine Antragsveranlagung (§ 102 Abs. 1 Z 3 EStG-A; unter Beachtung der Hinzurechnung) in Betracht.
PRAXISTIPP | Daneben sind etwaige Änderungen in der Sozialversicherung der Mitarbeiterin zu beachten, weil für den geschilderten Sachverhalt davon auszugehen ist, dass die Sozialversicherungszuständigkeit gemäß Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 auf Polen übergeht. Ein Ausnahmeantrag auf Basis der „Multilateralen Rahmenvereinbarung über die Anwendung von Art. 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bei gewöhnlicher grenzüberschreitender Telearbeit“ ist bei einem Homeoffice-Ausmaß ab 50 % nicht möglich. Weil bestimmte österreichische Abgaben wie insbesondere der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichfonds an die Sozialversicherungszuständigkeit anknüpft (§ 53 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz), entfallen diese Lohnnebenkosten für die Arbeitgeberin im Sachverhalt. Im Gegensatz dazu erweist sich die Beurteilung im Bereich der Kommunalsteuer als komplexer, zumal diese die Zuordnung der Mitarbeiterin zur kommunalsteuerrechtlichen Betriebsstätte im Inland bedingt (s. dazu Platzer, Homeoffice im internationalen Kontext: Kommunalsteuer [Teil 4], PV-Info 10/2021, 12). |
Abweichend von obiger abkommensrechtlicher Einordnung würde Österreich hingegen kein Besteuerungsrecht an den Arbeitnehmereinkünften zukommen, wenn die Mitarbeiterin wegen ihrer Homeoffice-Tätigkeit nicht mehr der österreichischen Betriebsstätte zuzuordnen, sondern eine Homeoffice-Betriebsstätte anzunehmen wäre. Dann würde nicht Art. 15 Abs. 1, sondern Art. 15 Abs. 2 DBA A/PL greifen und Polen hätte das alleinige Besteuerungsrecht. In diesem Fall würde sich die Steuerbelastung der Mitarbeiterin mindern, wenn bislang ein Anrechnungshöchstbetrag gegriffen hat.
Art. 15 Abs. 2 DBA A/PL sieht eine vorrangig anzuwendende 183-Tage-Klausel mit einem ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats vor. Voraussetzung für deren Anwendung ist, dass sich die Mitarbeiterin nicht länger als 183 Tage während des (Steuer-)Jahres in Österreich aufhält und die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in Österreich ansässig ist, und nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber in Österreich hat.
Während die 183-Tage-Grenze im Sachverhalt eingehalten wird und die Arbeitgeberin (D-GmbH) in Österreich nicht ansässig ist, bleibt zu prüfen, ob die Vergütungen von der österreichischen Betriebsstätte getragen werden. Die Finanzverwaltung stellt hierfür darauf ab, ob die Mitarbeiterin in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zum Personalstand dieser Betriebsstätte zu zählen ist und die Betriebsstätte die Vergütungen funktional als Lohnaufwand trägt (vgl. EAS 2260, 24.3.03; EAS 3389, 20.9.17: Indiz hierfür wäre die Weiterbelastung an die österreichische Betriebsstätte und ein dortiger Ansatz als Betriebsausgabe; Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1, Stand: 1.5.23, Z 15 Rz. 73). Im Ergebnis hängt die Anwendbarkeit der 183-Tage-Klausel (mit dem vollständigen Entfall des Besteuerungsrechts Österreichs) daher maßgeblich davon ab, ob die Mitarbeiterin im Rahmen der Gewinnabgrenzung auch künftig der österreichischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (s. dazu im Folgenden).
2.1.2 Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte
Gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 Buchst. a) KStG-A unterliegt die D-GmbH in Österreich der beschränkten Steuerpflicht mit ihren Betriebsstätteneinkünften (§ 21 Abs. 1 Z 1 KStG-A i. V. m. § 98 Abs. 1 Z 3 TS 1 EStG-A). Aufgrund der Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 DBA D/A wird Österreich auch abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht an den Gewinnen zugewiesen, die der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) und c) DBA D/A stellt Deutschland diese Einkünfte steuerfrei.
Weil die Mitarbeiterin im Sachverhalt auch künftig für die österreichische Betriebsstätte tätig ist, sollte eigentlich zu erwarten sein, dass die Homeoffice-Tätigkeit keine Auswirkung auf ihre Zuordnung zum Personalstand der österreichischen Betriebsstätte sowie auf die Gewinnabgrenzung und die Höhe des der österreichischen Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinns hat. Dafür spricht auch der Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 DBA D/A, wonach bei „der Ermittlung der Gewinne einer Betriebsstätte … die für diese Betriebsstätte entstandenen Aufwendungen, einschließlich der Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten, zum Abzug zugelassen [werden], gleichgültig, ob sie in dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, oder anderswo entstanden sind.“
Bedenken könnten sich allerdings aus der seitens der österreichischen Finanzverwaltung vertretenen Auffassung zu Homeoffice in grenzüberschreitenden Fällen ergeben. Denn sie legt in Bezug auf Homeoffice-Tätigkeiten von Arbeitnehmern in Österreich (Inbound-Fall) den Betriebsstättenbegriff weit aus (z. B. EAS 3415, 27.6.19; VPR 2021, Rn. 262) und hält eine Homeoffice-Betriebsstätte für möglich, wenn der Arbeitnehmer in Abstimmung mit dem Arbeitgeber nicht bloß gelegentlich im Homeoffice arbeitet und es sich nicht um vorbereitende oder Hilfstätigkeiten (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA) handelt. Aus der in einer jüngsten Einzelauskunft (EAS 3445, 7.7.23) geäußerten Einschränkung, wonach dies nicht zutrifft, „wenn der Arbeitgeber vom Mitarbeiter die Tätigkeit im Homeoffice nicht verlangt, indem er dem Mitarbeiter einen Arbeitsplatz zur ständigen Benutzung zur Verfügung stellt und dieser auch tatsächlich genutzt wird“, könnte für den hier fokussierten Sachverhalt nichts gewonnen werden. Denn im Sachverhalt steht wegen Platzmangel ein Arbeitsplatz in Österreich nicht ständig zur Verfügung.
PRAXISTIPP | Auf Grundlage der EAS-Auskünfte (insbesondere EAS 3415, 27.6.19 und EAS 3445, 7.7.23) ist davon auszugehen, dass die österreichische Finanzverwaltung in einem spiegelbildlichen Sachverhalt (österreichische Mitarbeiterin, die bislang in einer polnischen Betriebsstätte für die deutsche Arbeitgeberin tätig war und nunmehr überwiegend im österreichischen Homeoffice arbeitet) das Vorliegen einer Homeoffice-Betriebsstätte in Österreich bejahen würde, es sei denn, der Arbeitgeber stellt einen ständigen Arbeitsplatz zur Verfügung oder es liegt eine Ausnahme i. S. d. Art. 5 Abs. 4 DBA D/A vor. |
Keine Aussagen der österreichischen Finanzverwaltung sind hinsichtlich der Annahme einer Homeoffice-Betriebsstätte im Outbound-Fall (österreichisches Stammhaus mit etwaiger Homeoffice-Betriebsstätte im Ausland) oder für Dreieckssachverhalte (wie im hier fokussierten Sachverhalt) ersichtlich. Wendet man aber die Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung stringent auch in diesen Fällen an, könnten die Homeoffice-Tätigkeiten der Mitarbeiterin in Polen dazu führen, dass aus österreichischer Sicht von einer solchen Homeoffice-Betriebsstätte in Polen (ggf. als „Unterbetriebsstätte“ zur österreichischen Betriebsstätte) ausgegangen wird und die Mitarbeiterin demnach nicht mehr der österreichischen (sondern der polnischen) Betriebsstätte zuzuordnen wäre (zu den entsprechenden Konsequenzen für die Besteuerung der Mitarbeiterin bei Anwendung der 183-Tage-Klausel s. oben).
Inwiefern aber selbst mit dieser Annahme eine Änderung in der Höhe des Gewinns der österreichischen Betriebsstätte verbunden wäre, würde maßgeblich von den von der Mitarbeiterin ausgeübten Tätigkeiten abhängen. Denn fraglich ist, ob dadurch wesentliche Mitarbeiterfunktionen (Significant People Functions i. S. d. Authorized OECD Approach) der D-GmbH nicht mehr in der österreichischen Betriebsstätte ausgeübt werden würden (sondern in der Homeoffice-Betriebsstätte; vgl. Rasch/Rosenberger/Brülisauer, IStR-Beih. 21, 10). Hinzu kommt, dass die österreichische Finanzverwaltung bei der Ergebnisabgrenzung die Grundsätze eines „AOA light“ zugrunde legt (VPR 21, Rn. 280; OECD-MK Art. 7 Z 96) und daher insbesondere eine Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenleistungen erforderlich ist, weil nur erstere nach dem Marktpreiskonzept verrechnet werden würden (d. h. inkl. eines Gewinnelements im Gegensatz zu einer bloßen Kostenverrechnung; vgl. Holzinger, TPI 21, 262 f.). Als solche Hauptleistungen gelten jene, „die Gegenstand der ordentlichen Geschäftstätigkeit der leistenden Unternehmenseinheit sind, die danach zum Kernaufgabengebiet der leistenden Unternehmenseinheit zählen und folglich auch Fremden gegenüber erbracht werden können“ (VPR 21, Rn. 281).
Wird die Tätigkeit der Designerin als solche Hauptleistung qualifiziert, wäre es denkbar, dass Österreich diesen Gewinnanteil nicht der österreichischen, sondern der polnischen (Homeoffice-)Betriebsstätte zuordnet und daher nicht besteuert. Dieses Ergebnis ergäbe sich nicht erst auf Abkommensebene, sondern bereits aus dem nationalen Recht, wenn Österreich im nämlichen Fall keine inländischen Einkünfte annähme (vgl. Gassner/Hofbauer in: Gassner et al, Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, 87).
ZWISCHENFAZIT | Vor dem Hintergrund der extensiven Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung zu Homeoffice-Betriebsstätten wäre es stringent, eine Betriebsstätte in Polen anzunehmen, und die Mitarbeiterin dieser Betriebsstätte zuzurechnen. Somit wäre auch der Personalaufwand der Betriebsstätte in Polen zuzuordnen. Sie würde der österreichischen Betriebsstätte diesen Aufwand aufgrund einer anzunehmenden (fiktiven) schuldrechtlichen Beziehung und ggf. zusätzlich den Gewinnanteil in Rechnung stellen. |
2.2 … in Polen
2.2.1 Besteuerung der Mitarbeiterin
Die Mitarbeiterin ist gemäß Art. 3 Abs. 1 EStG-PL aufgrund des Zentrums ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen (entspricht nach deutschem und österreichischem Verständnis dem Lebensmittelpunkt) in Polen unbeschränkt steuerpflichtig mit ihrem Welteinkommen. Hierzu gehören auch ihre Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG-PL). Das nationale Besteuerungsrecht wird jedoch abkommensrechtlich eingeschränkt. Die Mitarbeiterin darf das DBA A/PL in Anspruch nehmen, weil sie in Polen ansässig ist. Durch Art. 15 Abs. 1 DBA A/PL wird das Besteuerungsrecht dem jeweiligen Tätigkeitsstaat zugewiesen. 10 % der Einkünfte dürfte damit Österreich besteuern und Polen würde die österreichische Steuer auf die polnische Steuerschuld anrechnen (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA A/PL).
Beachten Sie | Im Zusammenhang mit dem Multilateralen Instrument (MLI) wurde der Methodenartikel zum 1.1.19 geändert. Statt der Freistellung unter Progressionsvorbehalt kommt die proportionale Anrechnungsmethode zur Anwendung, wenn Polen der Ansässigkeitsstaat ist (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a) DBA A/PL i. V. m. Art. 5 Abs. 6 MLI). Die Änderung des Methodenartikels führt für die Mitarbeiterin zur einkommensteuerlichen Veranlagung in Polen, auch wenn sie keine anderen nach dem Progressionstarif (Stufentarif mit 12 und 32 %, ggf. zusätzliche 4 % Solidaritätsabgabe) in Polen zu versteuernden Einkünfte erzielt.
Die D-GmbH wäre in Polen zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtet, wenn sie eine inländische Betriebsstätte in der Form einer Zweigniederlassung (Branch) unterhalten würde. Eine Zweigniederlassung ist im Nationalen Gerichtsregister (KRS) anzumelden. Eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung und Haftungsschuldnerschaft der D-GmbH in Polen ist somit im vorliegenden Sachverhalt nicht anzunehmen. Allerdings muss sich die Mitarbeiterin unabhängig von einem Lohnsteuereinbehalt in Polen veranlagen lassen (Art. 45 EStG-PL).
Bei der Veranlagung der Einkünfte aus einem ausländischen Arbeitsverhältnis gilt die Selbstveranlagung nach dem Progressionstarif (Art. 44 Abs. 1a Nr. 1 EStG-PL): Der Steuerpflichtige, der die Vergütung für die in Polen ausgeübte Arbeit von einem ausländischen Arbeitgeber erhält, hat die ESt-Vorauszahlungen bis zum 20. eines jeden Monats und für Dezember vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Jahressteuererklärung (d. h. bis zum 30. April des Folgejahres) selbst zu leisten. Als Bemessungsgrundlage gelten die im Laufe des Monats erzielten Einnahmen nach Abzug der monatlichen (i. d. R. pauschalen) Werbungskosten und der gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. In der Regel wendet der Steuerpflichtige den niedrigsten Steuersatz aus dem Progressionstarif (d. h. 12 %) an. Allein aufgrund der innerpolnischen Steuervorschriften wird festgelegt, welche Teile der Einkünfte zu versteuern sind und welche Werbungskosten abgezogen werden dürfen; dies betrifft auch die Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen.
Im Sachverhalt kommt die 183-Tage-Klausel nach Art. 15 Abs. 2 DBA A/PL und damit auch das alleinige Besteuerungsrecht Polens für die 10 % der Einkünfte nicht infrage, sofern die Vergütungen von der Betriebsstätte getragen werden, die die D-GmbH in Österreich hat.
2.2.2 Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte
Wenn die D-GmbH aufgrund der Tätigkeit der Mitarbeiterin jedoch eine Betriebsstätte in Polen unterhält, dann ergeben sich für die D-GmbH weitere steuerliche Folgen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 KStG-PL unterliegt sie dann mit ihren Betriebsstätteneinkünften der beschränkten Steuerpflicht, da sie inländische Einkünfte i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 KStG-PL erzielt. Aufgrund der Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 DBA D/PL würde Polen auch abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht zugewiesen werden.
Es ist noch zu früh, über eine ausgereifte Rechtsprechung oder Interpretationslinie in Bezug auf eine Homeoffice-Betriebsstätte in Polen zu sprechen. Die Betriebsstättenbegründung aufgrund von Homeoffice-Aktivitäten wird meistens anhand der folgenden Merkmale beurteilt:
- Die Art und Weise der ausgeübten Arbeit im Verhältnis zu der Kerngeschäftstätigkeit des Unternehmens; d. h., ob sich etwa die Arbeit nicht nur auf vorbereitende oder Hilfstätigkeiten beschränkt
- Wesentliche Personalfunktionen (Significant People Functions)
- Merkmale der Dauerhaftigkeit der ausgeübten Arbeit; d. h, ob etwa Arbeitsverträge auf unbestimmte Zeit geschlossenen werden, die Arbeit regelmäßig (systematisch) von einem bestimmten Ort ausgeübt wird
- Die Zurverfügungstellung der Arbeitsmittel durch das Unternehmen (wie z. B. der IT-Geräte)
Der Direktor der nationalen Steuerauskunft (KIS) hat in einer verbindlichen Auskunft vom 4.4.23 (Az. 0111-KDIB1-2.4010.38.2023.2.ANK) bestätigt, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Wohnsitz in Polen, die von dort aus im Homeoffice arbeiten, zur Gründung einer Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens führt. Er begründete dies damit, dass das Geschäftsmodell, das auf langfristigen Arbeitsverträgen basiert, dauerhaft angelegt und nicht nur vorübergehend ist.
In einer anderen Sache ist das polnische Wojewodschaftsverwaltungsgericht in Gleiwitz (WSA) in seinem Urteil vom 31.1.22 (Az. I SA/Gl 1340/21) zur Feststellung gelangt, dass durch den Einsatz von Mitarbeitern im Homeoffice eine dauerhafte Einrichtung zur Geschäftsabwicklung entsteht. Es ist nicht entscheidend, einen separaten Raum, z. B. in Form eines gemieteten Büros, für die Begründung einer Betriebsstätte zu nutzen.
PRAXISTIPP | Auch in Polen kann die Arbeit von Mitarbeitern eines ausländischen Arbeitgebers im Homeoffice zu einer Betriebsstätte führen. Damit ändert sich aber grundsätzlich die Lohnsteuerabzugsverpflichtung und Haftungsschuldnerschaft der D-GmbH nicht (s. oben). |
Nehmen Polen und Österreich eine Betriebsstätte in Polen an, wären für die Ermittlung der Betriebsstätteneinkünfte aufgrund der Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA D/PL und DBA D/A fiktive schuldrechtliche Beziehungen zu berücksichtigen. Die österreichische Betriebsstätte hätte einen Aufwand aus der von der polnischen Betriebsstätte bezogenen Leistung zu berücksichtigen (fiktiver Verrechnungspreis); die polnische Betriebsstätte würde den Gehaltsaufwand erfassen und ihm den fiktiven Umsatz von der österreichischen Betriebsstätte gegenüberstellen.
Art. 7 Abs. 2 DBA D/PL i. V. m. den nachfolgenden Absätzen sieht stets eine eingeschränkte Selbstständigkeitsfiktion vor. In Polen ist strittig, ob aufgrund einer dynamischen Abkommensauslegung der Authorized OECD Approach konsequent angewendet werden sollte. Es ist eher davon auszugehen, dass die internen Leistungen (Dealings) dem Grunde nach nach dem Arm‘s-Length-Prinzip (d. h. inkl. eines Gewinnelements) abzurechnen sind. Dagegen können insbesondere allgemeine Verwaltungskosten stets ohne Gewinnaufschlag verrechnet werden.
PRAXISTIPP | Die Besteuerung des ausländischen Arbeitgebers aufgrund einer Homeoffice-Betriebsstätte in Polen dürfte in der Regel keine nennenswerte Steuerlast in Polen verursachen. Das liegt daran, dass die wirtschaftlichen Kosten meist der österreichischen Betriebsstätte zugeordnet werden. Schwerwiegender sind jedoch die zusätzlichen administrativen und verfahrensrechtlichen Verpflichtungen, die dadurch für die D-GmbH entstehen. |
2.3 … in Deutschland
2.3.1 Besteuerung der Mitarbeiterin
Die Mitarbeiterin ist in Deutschland weder unbeschränkt (§ 1 Abs. 1 EStG-D) noch beschränkt (§ 1 Abs. 4 EStG-D) einkommensteuerpflichtig. Für eine beschränkte Steuerpflicht müsste sie inländische Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG-D erzielen (Ausübung oder Verwertung in Deutschland). Dies ist nicht der Fall.
2.3.2 Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte
Die D-GmbH ist in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG-D). Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf ihr Welteinkommen (§ 1 Abs. 2 KStG-D). Sie umfasst somit auch die Betriebsstätteneinkünfte. Zudem erzielt jede unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft wegen § 8 Abs. 2 KStG-D Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Damit ist sie auch nach § 1 Abs. 1 und 2 GewStG grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig. Allerdings sieht § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG für aktive Betriebsstätteneinkünfte (§ 12 AO) eine Kürzung um den anteiligen Gewerbeertrag vor.
Da die GmbH in Deutschland nach Art. 4 Abs. 1 DBA D/A und D/PL ansässig ist, kann sie auch beide DBA in Anspruch nehmen. Beide Abkommen gelten sachlich auch für die Körperschaft- und Gewerbesteuer. Unternehmensgewinne, die die in Deutschland ansässige GmbH in einer österreichischen (Art. 7 Abs. 1 DBA D/A) oder polnischen (Art. 7 Abs. 1 DBA D/PL) Betriebsstätte erzielt, dürfen die Belegenheitsstaaten besteuern und Deutschland würde die Einkünfte grundsätzlich freistellen (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA D/A bzw. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA D/PL).
Daher ist es für das Besteuerungsrecht in Deutschland entscheidend, ob ausländische Betriebsstätten (i. S. v. § 12 AO bzw. Art. 5 DBA D/A bzw. Art. 5 DBA D/PL) vorliegen. Im aktuellen Anwendungserlass zur Abgabenordnung stellt die deutsche Finanzverwaltung zunächst klar, dass eine Betriebsstätte i. S. v. § 12 S. 1 AO i. d. R. nur vorliegt, wenn das Unternehmen die feste Einrichtung nicht nur dauerhaft nutzt, sondern auch eine rechtliche Verfügungsmacht besitzt (Tz. 2.1 und 2.2 Änderungsschreiben zum AEAO, i. d. F. vom 5.2.24). Diese liegt nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung bei einer Homeoffice-Tätigkeit nicht vor; eine Ausnahme sei nur bei leitenden Angestellten möglich. In Tz. 2.4 konkretisiert das BMF dies auch für die abkommensrechtliche Betriebsstätte.
„Auch abkommensrechtlich begründet ein häusliches Homeoffice nach deutscher Anwenderstaatsperspektive in der Regel keine Betriebsstätte (feste Einrichtung gemäß Artikel 5 Abs. 1 und Abs. 4 OECD-MA). Dies gilt auch bei:
- Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
- Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen (etwa durch ein Recht zum Entsenden anderer Arbeitnehmer in die Räume oder ein Recht zum Betreten der Räume außerhalb von Prüfungen zur Arbeitssicherheit);
- Fällen, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.“
Während die deutsche Finanzverwaltung also die Betriebsstätte in Österreich steuerlich anerkennen wird, ist dies bei der Homeoffice-Betriebsstätte in Polen ausgeschlossen. Hieraus ergeben sich steuerliche Qualifikations- und Zuordnungskonflikte, die der deutsche Gesetzgeber in der ihm eigenen Art löst.
Besteuert Polen die Einkünfte der (aus polnischer Sicht) dort belegenen Betriebsstätte, stellt Deutschland diese Einkünfte nicht frei, weil aus deutscher Sicht keine Betriebsstätte in Polen existiert und folglich ein rein nationaler Fall vorläge. Deutschland würde die nämlichen Einkünfte also ebenfalls besteuern.
MERKE | Deutschland würde die polnische Körperschaftsteuer auch nicht nach § 26 KStG-D i. V. m. § 34c Abs. 1 EStG anrechnen. Aus deutscher Sicht hat Polen die Steuer zu Unrecht erhoben, es liegen keine ausländischen Einkünfte nach § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG-D vor und damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG-D nicht erfüllt. |
Besteuert Österreich die Einkünfte der in Wien belegenen Betriebsstätte, würde Deutschland diese Einkünfte grundsätzlich nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) DBA D/A freistellen. Nimmt aber Österreich eine Homeoffice-Betriebsstätte in Polen an, besteuert Österreich den Betriebsstättengewinn allerdings nicht in der Höhe, die sich die deutsche Finanzverwaltung vorstellt. Aufgrund der (aus österreichischer Sicht) anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung zwischen der österreichischen und der polnischen Betriebsstätte wird ein (geringer) Teil der Einkünfte des Einheitsunternehmens der polnischen Homeoffice-Betriebsstätte zugewiesen und eben nicht der österreichischen Betriebsstätte.
Wenn Österreich diese Einkünfte nicht besteuert, sieht sich Deutschland auch nicht an die abkommensrechtlich vereinbarte Freistellung gebunden. Daher wurde explizit ein Treaty Override in § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 3 EStG-D kodifiziert:
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„Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage auszunehmen, so wird die Freistellung der Einkünfte ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, soweit … die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie einer Betriebsstätte in einem anderen Staat zugeordnet werden oder aufgrund einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung die steuerliche Bemessungsgrundlage in dem anderen Staat gemindert wird.“ |
PRAXISTIPP | Deutschland wechselt nur von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode, „soweit“ Österreich die Einkünfte nicht der dort belegenen Betriebsstätte zuordnet. Die von Österreich erfassten Einkünfte bleiben in Deutschland freigestellt. Es erfolgt somit eine Atomisierung der Betriebsstätteneinkünfte. |
Bemerkenswerterweise ist es für die Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 3 EStG-D völlig irrelevant, ob Polen die Einkünfte besteuert, die Österreich nicht erfasst. Nähme Polen keine Homeoffice-Betriebsstätte an, würden die Einkünfte weder in Österreich noch in Polen besteuert. Dann wäre es zumindest nachvollziehbar, dass Deutschland die weißen Einkünfte nicht freistellen will. Besteuert Polen diese aber aufgrund einer Homeoffice-Betriebsstätte, ergibt sich durch § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 3 EStG-D die oben beschriebene Übermaßbesteuerung, weil Polen und Deutschland die Einkünfte besteuern würden. Denn Deutschland würde die polnische Steuer weder anrechnen (keine ausländischen Einkünfte) noch freistellen (keine abkommensrechtliche Betriebsstätte). Das Ergebnis ließe sich nur durch ein Verständigungsverfahren korrigieren.
FAZIT | Die steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Homeoffice-Tätigkeit stellt die Steuerberatungspraxis vor erhebliche Herausforderungen und Risiken. Bislang ist weder auf nationaler Ebene geklärt, noch existiert eine internationale Abstimmung zu der Frage, wann eine Homeoffice-Betriebsstätte vorliegt. Während die deutsche Finanzverwaltung sie für Mitarbeiter ohne Leitungsfunktion durchgängig negiert, ist die österreichische Finanzverwaltung in ihrer Sichtweise (die jedoch äußerst umstritten ist) diesbezüglich deutlich offensiver. Polen neigt eher zur Annahme einer Betriebsstätte; eine herrschende Meinung hat sich allerdings noch nicht herausgebildet. Insbesondere wegen der administrativen Probleme, der Dokumentationspflichten und Haftungsrisiken für den Arbeitgeber wäre eine zeitnahe Abstimmung auf OECD- oder zumindest EU- Ebene dringend erforderlich. Die Einführung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 3 EStG-D stellt jedenfalls keinen Lösungsbeitrag dar, sondern verschärft das Problem zusätzlich. |