28.09.2011 · IWW-Abrufnummer 121162
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 24.05.2011 – 6 K 2176/09
Der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung steht nicht entgegen, dass der Warentransport in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch eine kombinierte Versendungs- und Abhollieferung erfolgt. Auf die Modalitäten des Transports kommt es nicht an.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 6. Senat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht Z., der Richterin am Finanzgericht K., des Richters am Verwaltungsgericht L. sowie der ehrenamtlichen Richterin B. und des ehrenamtlichen Richters B. aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Mai 2011
für Recht erkannt:
1. Der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 25.09.2008 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.11.2009) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.06.2010 wird mit der Maßgabe geändert, dass zusätzlich zu den bereits anerkannten steuerfreien Umsätzen solche in Höhe von 83.762,51 EUR steuerfrei gestellt werden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher H öhe leistet.
5. Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung von Sonder- und Zeichnungsteilen aus Metall für verschiedenste Maschinen ist.
Im August 2005 wurde sie von einem ihrer Kunden, der in L. ansässigen (H-GmbH-…) darüber informiert, dass aufgrund von Produktionsauslagerungen zukünftig Bestellungen auch von deren slowakischer Tochterfirma (H-S …) eingehen würden. Als Liefer- und Rechnungsanschrift wurde eine Adresse in der Slowakei genannt. Unter der Überschrift „Handling der Anlieferung” heißt es, dass der Sammelort der Lieferung bis auf Weiteres das Werk in L. sein solle. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die für die H-S. gefertigten Teile stets separat auszuzeichnen seien, da gleiche Teile auch für die H-GmbH benötigt würden. In der Folgezeit gingen bei der Klägerin sodann tatsächlich Bestellungen durch H-S. ein. Die Klägerin verschickte daraufhin die – mit einer slowakischen Flagge speziell gekennzeichnete – Ware entweder an die H-GmbH oder an die Hausgalvanik H., die in einer Produktionshalle der H-GmbH angesiedelt war. In letzterem Fall wurden die Teile oberflächenvergütet und anschließend von der H-GmbH übernommen. Die Ware wurde dann mittels Werksverkehr zu einer (nicht von der Klägerin beauftragten) Spedition in M. gebracht. Diese Spedition verbrachte die Teile mehrerer Lieferanten mit einem Sammeltransport in die Slowakei. Nach dortigem Eingang der Ware erhielt die Klägerin eine Empfangsbestätigung bzw. einen Verbringungsnachweis per Fax oder e-mail. Die Rechungen adressierte die Klägerin an die H-S..
Ähnlich verhielt es sich mit den Bestellungen der in U. ansässigen Firma (L-U.). Hier wurde die Klägerin im Juni 2005 durch die im Inland in N. ansässige (L-GmbH-…) darüber informiert, dass die Fertigung in N. eingestellt und nach U. verlagert wird. Die Bestellungen erfolgten ab der Umstellung aus U.. Der Transport wurde darauf hin wie folgt abgewickelt: Die Klägerin verschickte die Ware nach N.. Von L-U. wurde dann die Weiterleitung mit Sammeltransporten organisiert. Der Erhalt der Waren wurde durch L-U. schriftlich bestätigt. Diese erhielt auch die Rechnungen der Klägerin.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 20.02.2008) stellte der Beklagte fest, dass im Prüfungszeitraum (Juli bis September 2006) jeweils 9 Rechnungen an H-S. und an L-U mit einer Gesamtsumme von 37.256,50 EUR gestellt wurden. Die damit zusammenhängenden Vorgänge seien rechtlich dahingehend zu würdigen, dass keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen vorlägen. Die Lieferungen der Klägerin seien mit Übergabe der Waren in L. bzw. in N. als ausgeführt anzusehen.
Auf der Grundlage der durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung erließ der Beklagte zunächst am 28.03.2008 einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat September 2006 und nach Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 25.09.2008. In letzterem setzte er die Umsatzsteuer für das Jahr 2006 auf 304.573,76 EUR fest, wobei er Umsätze in Höhe von 37.256 EUR hinzurechnete, welche auf der Nichtanerkennung der innergemeinschaftlichen Lieferungen im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung beruhten.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens machte die Klägerin geltend, dass unbestritten sei, dass die Liefergegenstände von L. in die Slowakei bzw. von N. nach U. transportiert worden seien. Da die Auftragsbeziehungen ausschließlich mit den slowakischen bzw. ungarischen Abnehmern bestanden hätten, gelte die Lieferung erst durch Übergabe an diese Endabnehmer als bewirkt. Daraus ergebe sich auch der Endbestimmungsort. Die Gegenstände seien auch in den jeweiligen Bestimmungsländern angekommen. Buch- und Belegnachweise lägen in der vorgeschrieben Form vor. Ein direkter Versand in die Slowakei bzw. nach U. sei nicht Voraussetzung für die Steuerbefreiung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 09.11.2009 ging der Beklagte weiter von steuerpflichtigen Lieferungen aus. Er setzte jedoch die Umsatzsteuer für das Jahr 2006 auf 303.751,52 EUR herab, da im Bescheid vom 25.09.2008 zu Unrecht die Bruttosummen statt zutreffend die Nettobeträge der streitbefangenen Lieferungen den steuerpflichtigen Umsätzen zugerechnet worden seien. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung lägen nicht vor, da die Klägerin lediglich Lieferungen nach L. bzw. N. bewirkt habe. Danach habe sie keine Verfügungsmacht mehr über die gelieferten Gegenstände gehabt. Entgegen ihrer Einlassungen sei es gerade nicht wesentlicher Bestandteil der Aufträge gewesen, die Liefergegenstände an die Endabnehmer in der Slowakei bzw. in U. gelangen zu lassen. Da die Lieferungen der Klägerin somit sowohl zeitlich als auch örtlich in L. bzw. in N. beendet gewesen seien, hätten Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch die Klägerin nicht stattgefunden. Der Weitertransport der Gegenstände sei durch die jeweiligen Auftraggeber veranlasst worden und stehe nicht im Zusammenhang mit der Lieferung der Klägerin, sondern sei als neuer umsatzsteuerlich relevanter Vorgang anzusehen. Diese Auffassung finde auch im Gesetz eine hinreichende Stütze. In § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) komme durch das Wort „oder a” zum Ausdruck, dass nur einer der an der Lieferung beteiligten Unternehmer den Gegenstand befördern dürfe. Gleiches gelte auch für die Vorschrift des Artikel 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. deren Vorgängervorschrift Art. 28 c Teil A Buchstabe a) der 6. EG-Richtlinie.
Die Klägerin hat am 09.12.2009 Klage erhoben. Für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung müsse lediglich sichergestellt sein, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand in das Ausland befördere oder versende. Es sei nicht ausdrücklich vorgesehen, dass nur einer der Beteiligten für das Gelangen des Gegenstandes ins Ausland sorgen müsse. Dies widerspräche auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Steuerbefreiung. In welcher Art die Beteiligten die Logistik regelten, sei unerheblich. Da die jeweilige Weiterleitung der Liefergegenstände innerhalb eines kurzen Zeitraumes (3 bis 5 Tagen) nach Lieferung an die Sammelstellen erfolgt sei, sei von einem einheitlichen logistischen Vorgang auszugehen.
Nachdem der Beklagte bei der Klägerin für die Jahre 2004 bis 2006 eine Betriebsprüfung durchgeführt hatte, änderte er unter dem 23.06.2010 die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Steuerfestsetzung und setzte die Umsatzsteuer 2006 auf 312.014,72 EUR fest. Unter Berücksichtigung des gesamten Jahres 2006 unterwarf er (zusätzlich) Umsätze in Höhe von insgesamt 83.762,51 EUR der Umsatzsteuer.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 25.09.2008 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.11.2009) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.06.2010 mit der Maßgabe zu ändern, dass zusätzlich zu den bereits anerkannten steuerfreien Umsätzen solche in Höhe von 83.762,51 EUR steuerfrei gestellt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen aus der Einspruchsentscheidung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er auf Nachfrage angegeben, hinsichtlich der in § 6a Abs. 3 UStG enthaltenen Nachweispflicht für die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen sehe er keine Probleme.
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung, die beigezogenen Steuerakten sowie die von der Klägerin eingereichten Rechnungen und Lieferscheine Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens ist der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 25.09.2008 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.11.2009) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23.06.2010. Der während des Verfahrens über den Einspruch gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid vom 28.03.2008 bekanntgegebene Umsatzsteuer-Jahresbescheid vom 25.09.2008 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.11.2009) wurde gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 04. November 1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454). An dessen Stelle trat nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) sodann der während des anhängigen Klageverfahrens erlassene Änderungsbescheid vom 23.06.2010.
Der Änderungsbescheid vom 23.06.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin Umsätze in Höhe von 83.762,51 EUR nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei gestellt werden.
1. Zunächst einmal ist – was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist – davon auszugehen, dass steuerbare Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) vorliegen. Unabhängig von dem Streit der Beteiligten darüber, an welchem Ort die Lieferungen durch die Klägerin als vollständig bewirkt anzusehen sind, liegt der Ort der Lieferung nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG jedenfalls im Inland, da die Versendung der Waren stets am inländischen Firmensitz der Klägerin beginnt.
2. Die Umsätze sind jedoch nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG von der Umsatzsteuer befreit, da ihnen innergemeinschaftliche Lieferungen zugrunde liegen. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt gemäß § 6a UStG neben anderen – hier nicht streitigen – Voraussetzungen vor, wenn bei einer Lieferung „der Unternehmer oder der Abnehmer […] den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet [hat]”. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann von einer innergemeinschaftlichen Lieferung dann ausgegangen werden, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass bereits bei Beginn der Versendung feststeht, dass Abnehmer ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiges Unternehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 XI R 67/07, BStBl II 2009, 552). Der Entscheidung des BFH lag zugrunde, dass die in Großbritannien ansässige Klägerin aufgrund einer Bestellung des HS die Spedition M beauftragte, die Ware in das Inland nach X zu befördern. Empfänger der Sendung war die D-GmbH, eine Schwestergesellschaft der Klägerin des dortigen Verfahrens. Die Klägerin beauftragte die D-GmbH schriftlich, die Ware erst nach einer gesondert zu erteilenden Freigabe an HS zu übergeben. Nach Bezahlung der Ware durch HS erteilte die Klägerin die Freigabe gegenüber der D-GmbH, die die Ware anschließend an HS übergab. Der BFH entschied hierzu, dass ungeachtet des Umstands, dass die Ware zunächst von Großbritannien in ein inländisches Lager gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Erwerber herausgegeben wurde von einer einheitlichen Lieferung auszugehen sei.
Nach diesen Grundsätzen liegen im hier zu entscheidenden Fall (einheitliche) innergemeinschaftliche Lieferungen vor, da nach den Gesamtumständen bereits bei Beginn der Versendung durch die Klägerin feststand, dass Abnehmer ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiges Unternehmen ist. Abnehmer ist nach der Legaldefinition in § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG der Erwerber, also derjenige, der aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis den Anspruch auf die Lieferung hat (vgl. Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I Teil C Rn. 397). Da nicht die inländische H-GmbH./L.-GmbH, sondern H-S./L-U. die Waren bei der Klägerin bestellt hatten (und auch Rechnungsempfänger waren), sind allein letztere als Abnehmer anzusehen. Zudem sollten die Liefergegenstände abredegemäß ohne nennenswerte Unterbrechungen in die Slowakei bzw. nach U. gelangen. So wurde L. bzw. N. in den Mitteilungen der H-GmbH / L-GmbH über die bevorstehende Produktionsverlagerung in das EU-Ausland als „Sammelort” bezeichnet, so dass diese Orte von vornherein lediglich als kurzzeitige Zwischenstationen angesehen wurden. Hinzu kommt, dass im Fall der H-S. die für diese bestimmte Ware separat ausgezeichnet wurde, indem sie mit Aufklebern versehen wurde, welche die slowakische Flagge zeigten. Schließlich vermag an der Einschätzung, dass bei Versendungsbeginn festgestanden hat, Abnehmer sei ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiges Unternehmen, nichts zu ändern, dass von der Klägerin gelieferte Waren vereinzelt einen „Umweg” über die Firma H. zur Oberflächenvergütung genommen haben. Nach § 6a Abs. 1 Satz 2 UStG kann der Gegenstand der Lieferung durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein, ohne dass deshalb die Steuerbefreiung verloren ginge.
b) Hingegen kann offen bleiben, ob – wie der Beklagte als tragenden Grund für seine Entscheidung anführt – die Verfügungsmacht an der gelieferten Ware tatsächlich bereits im Inland von der Klägerin auf den jeweiligen Abnehmer übergegangen ist. Der Senat vermag jedenfalls der daraus gezogenen Schlussfolgerung, dass deswegen eine Steuerbefreiung nach § 6a UStG ausscheiden müsse, nicht beizutreten. Zwar trifft es zu, dass nach § 3 Abs. 1 UStG Lieferungen eines Unternehmers solche Leistungen sind, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die in § 3 Abs. 1 UStG geregelte Legaldefinition der „Lieferung” darf indes nicht den Blick dafür verstellen, dass die Frage, wann eine solche als „innergemeinschaftlich” anzusehen ist, allein nach § 6a UStG zu beantworten ist. Danach ist zwar ebenfalls erforderlich, dass überhaupt eine Lieferung (mit Übergang der Verfügungsmacht) vorliegt, an welchem Ort dies geschieht, spielt indes keine entscheidende Rolle. Vielmehr ist in § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sowohl die Möglichkeit vorgesehen, dass der Abnehmer von Anfang an die Beförderung des Wirtschaftsgutes übernimmt, also bereits im Inland die Verfügungsmacht über den Lieferungsgegenstand erhält (sog. Abholfälle, vgl. hierzu auch FG Münster, Urteil vom 21. März 2000 15 K 1421/97, EFG 2000, 708), als auch die Konstellation, dass der Unternehmer die Beförderung direkt an den im EU-Ausland ansässigen Abnehmer vornimmt, die Verfügungsmacht also erst dort übergeht. Daher kann im Ergebnis durchaus eine – gemessen an § 3 Abs. 1 UStG – (schon) im Inland vollzogene Lieferung eine – gemessen an § 6a UStG – innergemeinschaftliche sein.
c) Darüber hinaus steht es der Steuerbefreiung auch nicht entgegen, dass die Klägerin als Lieferer und die H-S./ L-U. als Abnehmer für den Transport der Ware jeweils nur zum Teil verantwortlich waren und diesen mit Hilfe einer jeweils auf eigene Kosten beauftragten Spedition bewerkstelligt haben (sog. gebrochener Transport). Dass nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG der Unternehmer „oder” der Abnehmer für die Beförderung oder Versendung zu sorgen hat, lässt ohne weiteres die Deutung zu, dass der eine den anderen nicht ausschließt, sondern ein gemeinsames, arbeitsteiliges Handeln von der Vorschrift mit umfasst ist.
aa) Dass die Vorschrift nicht im Sinne eines „entweder oder” auszulegen ist, zeigt zunächst ein Blick auf die weiteren – zweifelsohne – von § 6a UStG erfassten Fallkonstellationen. Hätte die Klägerin die Versendung der Ware bis in die Slowakei bzw. bis nach U. vollständig selbst übernommen (Versendungslieferung), lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung ebenso vor, wie wenn die H-S./ L-U. die Waren am inländischen Sitz der Klägerin abgeholt hätte oder hätte abholen lassen (Abhollieferung). Dann kann aber nichts anderes gelten, wenn die an der Lieferung Beteiligten den Transport so organisiert haben, dass sich Lieferer und Abnehmer quasi in der Mitte des Weges treffen und die Ware dort auf den Abnehmer übergeht (kombinierte Versendungs- und Abhollieferung).
Für diese Auffassung spricht auch die bereits erwähnte Regelung in § 6a Abs. 1 Satz 2 UStG, wonach der Gegenstand der Lieferung durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein kann. Geht man davon aus, dass die Bearbeitung oder Verarbeitung nicht im Betrieb des liefernden Unternehmens, gleichwohl aber noch im Inland, durchgeführt wird (was regelmäßig der Fall sein dürfte) und dass auch nach der Be- oder Verarbeitung die Abhollieferung nicht ausgeschlossen ist, liegt auch in diesem Fall ein – gesetzlich zugelassener – gebrochener Transport vor, ohne dass indes die Steuerbefreiung entfallen würde.
bb) Für die vorgenannte Gesetzesauslegung streitet auch der Sinn und Zweck der Regelung. Sie dient der Umsetzung der Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip. Ausschlaggebend ist daher, dass die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, die Bundesrepublik Deutschland also physisch verlässt (vgl. EuGH vom 27. September 2007, Rs. C-409/04, Teleos u.a., Slg. 07, I-7797). Allein dieser Umstand rechtfertigt die Steuerbefreiung. Auf die Modalitäten des Transportes kommt es hingegen nicht an (vgl. Schwarz in: Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, § 6a Rn 76 f.; Robisch, Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen bei gebrochenen Transporten, UR 2008, 918).
Darüber hinaus führt die am Regelungszweck orientierte Auslegung zu der Erkenntnis, dass der Wendung „der Unternehmer oder der Abnehmer” ersichtlich keine einschränkende Funktion zukommt. Vielmehr besteht der Zweck der Vorschrift darin, den Personenkreis, der an der Beförderung oder Versendung beteiligt sein kann, zu erweitern, und gerade nicht auf den Unternehmer oder den Abnehmer einzuengen.
cc) Zu diesem Ergebnis führt schließlich auch die Gesetzesauslegung anhand der Gesetzgebungsmaterialien. So wird in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz vom 03.04.1992 (BR-Drs. 226/92) zunächst mehrfach die Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip hervorgehoben (S. 58 ff.) und sodann zur Einführung des § 6a UStG ausgeführt, dass Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat sei, „wobei es nicht darauf ankommt, wer den Gegenstand befördert oder versendet” (S. 90).
3. Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zu, da die Frage, ob in den Fällen des sog. gebrochenen Transports eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG vorliegen kann, bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
5. Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren war für notwendig zu erklären, da die Voraussetzungen des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO vorliegen.