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  • 28.06.2013 · IWW-Abrufnummer 132177

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 24.04.2013 – 15 K 1802/09 E

    Es verstößt weder gegen das DBA-Österreich noch gegen das Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, dass ein in Österreich ansässiger
    Vergütungsgläubiger im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG 1997/1999 die Berücksichtigung der
    bis zur Abgabe der Steueranmeldung nicht dem Vergütungsschuldner mitgeteilten Betriebsausgaben und – bei Nichtvorlage der
    Freistellungsbescheinigung im Abzugsverfahren - die nachträgliche Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung nicht durch
    Anfechtung der Steueranmeldung, sondern nach § 50d Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997/1999 nur im Erstattungsverfahren
    erreichen kann.


    Tatbestand
    Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- 1997/1999
    bei Einkünften aus der Überlassung von Künstlern.
    Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in „T-Stadt”, Österreich. Im Streitzeitraum – dem 4. Quartal 1998
    und dem 1. Quartal 1999 – hatte sie keine Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland.
    Die Klägerin betrieb eine sog. Konzertdirektion, d. h. sie verpflichtete Künstler und Künstlergruppen und stellte sie im
    eigenen Namen und auf eigene Rechnung Veranstaltern für Auftritte in der Bundesrepublik zur Verfügung. Im Streitzeitraum überließ
    sie der Beigeladenen folgende Gruppen gegen folgende Vergütungen:
    05.11.1998 „A” DM 26.119
    22.11.1998 „B” DM 18.050
    24.02.1999 „C” DM 18.750
    Die Überlassung erfolgte zu einem Festpreis. Für Honorare sowie Kosten der Reise, Unterkunft und Verpflegung der Künstler
    hatte regelmäßig die Klägerin aufzukommen. Zum Teil zahlte die Beigeladene zusätzlich zum Festpreis „Nebenkosten”, wie Materialleihgebühren,
    oder Tantieme an die Klägerin.
    Nach Aufforderung durch den Beklagten meldete die Beigeladene als Vergütungsschuldnerin am 26.11.2001 für das 4. Quartal
    1998 sowie das 1. Quartal 1999 Steuerabzugsbeträge i.H.v. insgesamt DM 16.592 für die oben genannten Veranstaltungen an und
    führte sie an den Beklagten ab.
    Mit Schreiben vom 01.08.2002 beantragte die Beigeladene die Aufhebung der Steueranmeldungen, da – nach ihrer Auffassung –
    eine Pflicht zu deren Abgabe nicht bestanden habe. Mangels Betriebsstätte der Klägerin in der Bundesrepublik fehle es an einem
    deutschen Recht zur Besteuerung der gezahlten Vergütungen. Die Beigeladene berief sich insoweit auf das zwischen der Bundesrepublik
    Deutschland und der Republik Österreich geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen -DBA-Österreich- sowie auf das Ergebnis eines
    1984/85 durchgeführten Verständigungsverfahrens. Darüber hinaus sei der Steuerabzug nach § 50a EStG nicht europarechtskonform.
    Der Beklagte lehnte den Antrag auf Aufhebung der Steueranmeldungen mit Schreiben vom 21.08.2002 ab. Er verwies auf eine Entscheidung
    des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21.05.1997 I R 79/96, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1998, 113, Entscheidungen des BFH -BFHE-
    184, 281, gemäß der das Steuerfreistellungsverfahren die sich aus dem DBA-Österreich ergebende Steuerfreistellung nicht einschränke,
    sondern lediglich das innerstaatliche Verfahren zur Durchsetzung der Steuerbefreiung regele.
    Hiergegen legte die Klägerin am 16.09.2002 Einspruch ein. Sie vertrat die Ansicht, der Steuerabzug sei von den Einkünften
    (i. S. der Nettobeträge), nicht von den „Umsätzen” (i. S. der Bruttobeträge) vorzunehmen. Sie habe in dem vom 01.09.1998 bis
    zum 31.08.1999 laufenden Geschäftsjahr Einkünfte i. H. v. 0,69% der „Umsätze” erzielt. Entsprechend müsse der Steuerabzug
    von 0,69% der „Umsätze” aus den Veranstaltungen vorgenommen werden. Zudem machte sie geltend, der Steuerabzug nach § 50a Abs.
    4 EStG sowie der Steuersatz i. H. v. 25% verstießen gegen Gemeinschaftsrecht.
    Das Einspruchsverfahren ruhte im Hinblick auf beim BFH (Az. I R 75/01 und I R 57/02) und beim Gerichtshof der Europäischen
    Union -EuGH- anhängige Verfahren (Az. C-234/01) bis zum 11.03.2008. Danach erhielt die Klägerin ihren Einspruch unter Verweis
    auf ein beim Bundesverfassungsgericht -BVerfG- anhängiges Verfahren (Az. 2 BvR 1178/07) und auf ein durch die Kommission der
    Europäischen Gemeinschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren weiter aufrecht.
    Der Aufforderung des Beklagten, Betriebsausgaben, die mit den inländischen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang
    stünden, darzulegen und nachzuweisen, kam sie nicht nach.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2009 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In Ergänzung
    zu seinem bisherigen Vorbringen führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Die Klägerin könne ihre Auffassung nicht auf das
    Verständigungsverfahren stützen, denn die zu diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen vom 21.08.1984 und vom 01.04.1985 enthielten
    keine Aussage dazu, auf welche Weise die Freistellung der Einkünfte von der deutsche Steuer zu erfolgen habe. Eine Freistellung
    sei nur im Wege des beim Bundesamt für Finanzen (heute: Bundeszentralamt für Steuern) durchzuführenden Freistellungsverfahrens
    nach § 50d Abs. 3 EStG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Finanzverwaltungsgesetz -FVG- zu erreichen. Der Steuerabzug nach § 50a Abs.
    4 EStG verstoße nicht gegen Europarecht. Der EuGH habe das Steuerabzugsverfahren in seinen Urteilen vom 12.06.2003 (Rs. C-234/01
    – Gerritse , Slg. 2003, I-5933, BStBl II 2003, 859) und vom 03.10.2006 (Rs. C-290/04 – Scorpio , Slg. 2006, I-09461, Sammlung
    amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2007, Beilage 1, 36) jedenfalls für die Zeit bis zum Inkrafttreten
    der EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG i. V. m. dem EG-Beitreibungsgesetz zum 01.07.2002 und damit auch für den hier streitigen
    Zeitraum nicht beanstandet. Zwar müssten Ausgaben des beschränkt Steuerpflichtigen, die mit seiner Tätigkeit in unmittelbarem
    wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, bereits im Abzugsverfahren berücksichtigt werden, vorausgesetzt, sie seien dem Vergütungsschuldner
    mitgeteilt worden; § 50a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG sei entsprechend gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Die Klägerin habe
    es jedoch versäumt, konkrete Aufwandspositionen mitzuteilen und zu belegen. Daher sei der Steuerabzug zu Recht auf Bruttobasis
    vorgenommen worden.
    Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wendet sich zunächst gegen das Bestehen einer beschränkten deutschen Steuerpflicht
    nach nationalen Vorschriften und vertritt die Auffassung, die bisher einheitlich als Einkünfte aus künstlerischen Darbietungen
    behandelten Vergütungen seien aufzuteilen in (nur in Österreich steuerpflichtige) gewerbliche Einkünfte der Klägerin aus werkschaffender
    Tätigkeit und in (in Deutschland beschränkt steuerpflichtige) Einkünfte der Künstler aus künstlerischer Darbietung; juristische
    Personen – wie die Klägerin – könnten schon keine Einkünfte aus höchstpersönlicher künstlerischer Tätigkeit erzielen. Sie
    stützt ihre Rechtsansicht auf die BFH-Urteile vom 08.04.1997 I R 51/96, BStBl II 1997, 679, vom 18.07.2001 I R 26/01, BStBl
    II 2002, 410 und vom 28.07.2010 I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263.
    Auf das Bestehen einer Steuerpflicht nach nationalen Vorschriften komme es letztlich jedoch nicht an, da sich Deutschland
    im – den nationalen Regelungen vorgehenden – DBA-Österreich verpflichtet habe, die Vergütungen von der deutschen Besteuerung
    freizustellen. Soweit nationales Recht – wie § 50d EStG – die Steuerfreistellung einschränke oder ausschließe, handele es
    sich um ein sog. Treaty Overriding, das gegen Verfassungsrecht verstoße (vgl. Vorlagebeschluss des BFH vom 10.01.2012 I R
    66/09, BFH/NV 2012, 1056). In den Streitjahren sei es nicht möglich gewesen, Freistellungsbescheinigungen zu erhalten; das
    Bundesamt für Finanzen habe deren Ausstellung verweigert. Deshalb müsse der Klägerin heute – auf Basis der damaligen Rechtsnormen
    und unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung – die Freistellung gewährt werden. Dies
    gelte insbesondere angesichts des Schreibens des Bundesministers der Finanzen -BMF- vom 21.04.1987, mit dem der Klägerin mitgeteilt
    worden sei, dass ihre aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Einkünfte aufgrund des Art. 4 DBA-Österreich nach Auffassung
    des BFH (Az. I R 261/82) nicht dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterlägen; hieran müsse sich die Finanzverwaltung festhalten
    lassen. Das Schreiben hat die Klägerin dem Gericht vorgelegt.
    Im Übrigen verstoße das Steuerabzugsverfahren trotz der Entscheidung des EuGH in der Sache Scorpio gegen Gemeinschaftsrecht,
    weil im Streitzeitraum ein Amtshilfeabkommen mit Österreich existiert habe, mithin die Sicherung der Steueransprüche durch
    einen Steuerabzug entbehrlich gewesen sei. Zumindest aber müssten Betriebsausgaben der Klägerin bereits im Abzugs-, nicht
    erst im – gänzlich unpraktikablen – Erstattungsverfahren, berücksichtigt werden. Hierfür lasse es der EuGH nach seinen Entscheidungen
    Gerritse und Scorpio genügen, dass der Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner seine Aufwendungen mitteile; Nachweise
    in Form von Rechnungskopien brauche er nicht zu erbringen, denn die Offenlegung seiner Vertragspartner und seiner internen
    Kalkulation sei ihm nicht zuzumuten. Auch aus Gründen der Praktikabilität könne die Vorlage von Belegen nicht verlangt werden.
    Nicht mitgeteilte Betriebsausgaben seien – auch im Abzugsverfahren – nach Maßgabe des § 162 der Abgabenordnung -AO- zu schätzen.
    Ihre Aufwendungen hat die Klägerin wie folgt beziffert:
    Projekt Empfänger Aufwendungen Höhe in DM
    „A” „A1” Künstlerhonorar 13.500
    Übernachtungskosten 23 Personen x 40 = 920
    Transportkosten 700
    „B” „B1” Tagesdiäten 2.700
    Künstlerhonorar 1.200
    Produktionskostenbeteiligung 400
    Übernachtungskosten 54 Personen x 30 = 1.620
    Transportkosten zu schätzen
    „C” „C1” Künstlerhonorar 15.100
    Transportkosten zu schätzen
    Die Klägerin beantragt,
    den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 26.02.2009 zu verpflichten,
    die Steueranmeldungen für das 4. Quartal 1998 sowie das 1. Quartal 1999 vom 26.11.2001 aufzuheben und die abgeführten Steuerabzugsbeträge
    zu erstatten,
    hilfsweise, das Verfahren dem BVerfG bzw. dem EuGH vorzulegen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er verweist zunächst auf die Begründung der Einspruchsentscheidung. An der bisherigen Beurteilung der Einkünfte der Klägerin
    als einheitliche Vergütung i. S. des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG halte er fest. Der
    Vorschrift unterfielen alle gewerblichen Einkünfte, die durch künstlerische Darbietungen im Inland erzielt würden. Davon würden
    auch ausländische Unternehmen erfasst, die einem inländischen Veranstalter Künstler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
    zur Verfügung stellten. Denn der Begriff der Darbietung beschränke sich nicht auf die persönliche Leistung des Künstlers.
    Zudem schließe der Gesetzestext Einkünfte aus anderen mit der künstlerischen Darbietung zusammenhängenden Leistungen ein.
    Bei Künstlerverleihgesellschaften falle hierunter eine in der vereinbarten Gesamtvergütung enthaltene Vergütung für technische
    Nebenleistungen. Im Streitfall müsse von einer Gesamtvergütung ausgegangen werden, da weder Tatsachen dargelegt noch Nachweise
    erbracht worden seien, die gegen eine zusammenhängende Leistung sprächen.
    Um die abkommensrechtliche Freistellung der Vergütungen von der deutschen Steuer geltend zu machen, hätten der Klägerin das
    Erstattungs- und das Freistellungsverfahren offengestanden. Bei diesen und dem Abzugsverfahren handele es sich nicht um ein
    Treaty-Overriding, sondern um die – verfassungsgemäße – nationale Ausgestaltung der im DBA getroffenen Vereinbarung. Das Schreiben
    des BMF vom 21.04.1987 habe seine Gültigkeit verloren; die Auskunft sei auf Basis der alten Rechtslage erteilt worden. Die
    Klägerin habe es offenbar versäumt, Freistellungsbescheinigungen für die streitgegenständlichen Veranstaltungen zu beantragen.
    Für andere Veranstaltungen habe sie solche erhalten. So sei ihr auf Antrag vom 07.10.1999 am 25.11.1999 ein Freistellungsbescheid
    für die Aufführung „D” erteilt worden.
    Im vorliegenden Verfahren könne die nachträgliche Freistellung der Vergütungen und die Erstattung der Steuerabzugsbeträge
    nicht erreicht werden. Als Vergütungsgläubigerin könne die Klägerin die angefochtene Steueranmeldung nur darauf überprüfen
    lassen, ob die Beigeladene berechtigt gewesen sei, Steuerabzugsbeträge einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Dies sei
    jedoch bereits dann zu bejahen, wenn die sachliche Steuerpflicht der Vergütungen Zweifeln unterlegen habe. Für eine weitergehende
    Überprüfung, bspw. hinsichtlich der Höhe der abgezogenen Steuer, fehle das Rechtsschutzinteresse. Entsprechend scheide die
    nachträgliche Berücksichtigung von Betriebsausgaben aus. Hierfür stehe das Erstattungsverfahren beim Bundeszentralamt für
    Steuern zur Verfügung. Der Beigeladenen habe die Klägerin bis zur Vornahme des Steuerabzugs keine Betriebsausgaben mitgeteilt.
    Nachweise in Form von Rechnungskopien, die zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen unerlässlich seien, seien – trotz
    mehrfacher Aufforderung – bis heute nicht vorgelegt worden.
    Die Beigeladene hat zur Sache nicht Stellung genommen und keinen eigenen Antrag gestellt.
    Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
    und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
    Gründe
    Die Klage ist unbegründet.
    Der Bescheid vom 21.08.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 26.02.2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht
    in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Steueranmeldungen
    und auf Erstattung der Steuerabzugsbeträge.
    I. Die Voraussetzungen für die Anmeldung, Einbehaltung und Abführung der Steuer lagen vor.
    Gemäß § 49 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG- 1998/1999 i. V. m. § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG 1997/1999 wird bei beschränkt
    Steuerpflichtigen die Körperschaftsteuer in bestimmten Fällen im Wege des Steuerabzugs erhoben. Dann muss der Vergütungsschuldner
    den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers vornehmen und die einbehaltene Steuer an
    das zuständige Finanzamt abführen (§ 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG 1997/1999). Gleichzeitig hat er eine Steueranmeldung über
    den Gläubiger und die Höhe der Vergütungen sowie die Höhe des Steuerabzugs nach § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
    -EStDV- zu übersenden. Gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO kann der Vergütungsschuldner innerhalb der Festsetzungsfrist jederzeit
    die Aufhebung seiner Steueranmeldung beantragen, da die Steueranmeldung für ihn einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt
    der Nachprüfung gleichsteht, §§ 168 Satz 1, 164 Abs. 1 AO (Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 168 Rz. 10, 16; BFH-Beschluss
    vom 15.10.1993 I B 89/93, BFH/NV 1994, 292). Auch der Vergütungsgläubiger und Steuerschuldner darf die Aufhebung einer Steueranmeldung
    des Vergütungsschuldners aus eigenem Recht begehren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13.08.1997 I B 30/97, BStBl II 1997, 700, und
    vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228 m. w. N.). Im Rahmen des Antrags des Vergütungsgläubigers kann – wenn der Vergütungsschuldner
    nicht selbst die Aufhebung der Steueranmeldung beantragt – jedoch nur geprüft werden, ob der Vergütungsschuldner zur Vornahme
    der Steueranmeldung sowie zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge berechtigt war. Denn die Steueranmeldung
    des Vergütungsschuldners enthält keine Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger, sondern entfaltet diesem gegenüber
    nur eine begrenzte Drittwirkung dergestalt, dass er die Abführung eines Teils seiner Vergütung an das Finanzamt dulden muss.
    Zur Vornahme der Steueranmeldung sowie zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge war der Vergütungsschuldner
    zur Vermeidung eines eigenen Haftungsrisikos (vgl. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1997/1999) bereits dann berechtigt, wenn die sachliche
    Steuerpflicht der Vergütungen jedenfalls zweifelhaft war, wenn also aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Vergütungsschuldners
    von der ernstlichen Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers ausgegangen werden konnte. Ist die
    beschränkte Steuerpflicht zweifelhaft, ist der Vergütungsgläubiger gehalten, seine Einwendungen gegen ihr Vorliegen und gegen
    die Höhe der Steuer im Rahmen eines eigenständigen Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens in unmittelbarer oder analoger
    Anwendung von § 50d Abs. 1, 3 EStG 1997 und § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997/1999 geltend zu machen (BFH-Beschlüsse vom
    13.08.1997 I B 30/97, BStBl II 1997, 700, und vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228; Loschelder in Schmidt, EStG, 32.
    Aufl. 2013, § 50a Rz. 40; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 17.05.1995 I B 183/94, BStBl II 1995, 781, vom 26.07.1995 I B 182/94,
    BFH/NV 1996, 318, und vom 08.04.2009 I B 78/08, zitiert nach juris).
    Nach diesen Maßstäben war die Beigeladene als Vergütungsschuldnerin, die sich dem Aufhebungsantrag der Klägerin als Vergütungsgläubigerin
    nicht angeschlossen hat, zur Vornahme der Steueranmeldung und zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge berechtigt.
    Denn aus ihrer Sicht war von der ernstlichen Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht der Klägerin auszugehen.
    Beschränkt steuerpflichtig sind Körperschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren
    inländischen Einkünften (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 49 EStG). Voraussetzung für den Steuerabzug ist das Vorliegen
    von Einkünften i. S. des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG 1997/1999. Das bedeutet, dass die vom Vergütungsschuldner geleisteten
    Zahlungen dem dort angeführten Einkünftekatalog unterfallen müssen. Der Tatbestand des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999
    erfasst Einkünfte, die durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen
    erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon,
    wem die Einnahmen zufließen; die Regelung entspricht insoweit derjenigen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999.
    Aus Sicht der Beigeladenen bestand die ernstliche Möglichkeit, dass die Klägerin mit ihren Einkünften im Inland gemäß § 49
    Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999 i. V. m. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999 beschränkt körperschaftsteuerpflichtig
    ist.
    Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft österreichischen Rechts ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung im
    Inland. Ihre Einkünfte aus der Überlassung der drei Künstlergruppen an die Beigeladene erfüllen die Tatbestände der §§ 49
    Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999. Mit dem Anbieten künstlerischer Leistungen
    gegen Entgelt, ohne dieselben in eigener Person zu erbringen, übte die Klägerin eine selbständige nachhaltige Tätigkeit mit
    Gewinnerzielungsabsicht unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr – mithin ein Gewerbe i. S. des § 15 Abs. 2
    Satz 1 EStG – aus. Bei dem für die Überlassung der Künstler gezahlten Festpreis einschließlich der Materialleihgebühren und
    Tantieme handelt es sich um eine einheitliche Vergütung, die durch künstlerische Darbietungen im Inland erzielt wurde. Die
    Vorschriften der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997/1999 verlangen nicht, dass
    der Vergütungsgläubiger höchstpersönlich künstlerische Leistungen darbietet. Die Vorschriften gelten vielmehr auch für ausländische
    Unternehmen ohne inländische Betriebsstätte oder ständigen Vertreter, die als sog. Konzertdirektionen einem inländischen Veranstalter
    Künstler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zur Verfügung stellen. Erforderlich sind nämlich keine Einkünfte aus , sondern
    solche durch künstlerische Darbietungen; diese Darbietungen werden hier durch die überlassenen Ensemble erbracht. Entsprechend
    ist die Rechtsform der Klägerin für die Anwendbarkeit der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1998/1999, 50a Abs. 4 Satz 1
    Nr. 1 EStG 1997/1999 unmaßgeblich (BFH-Beschlüsse vom 01.12.1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549, Tz. 22, und vom 02.02.1994 I
    B 143/93, BFH/NV 1994, 864; Urteil des Finanzgerichts -FG- Rheinland-Pfalz vom 11.02.1998 1 K 2637/94, juris, Tz. 46; Loschelder
    in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 49 Rz. 36; anders noch BFH-Urteil vom 20.06.1984 I R 283/81, BStBl II 1984, 828 zur Rechtslage
    vor dem Steuerbereinigungsgesetz 1986). Soweit die Klägerin Materialleihgebühren erstattet erhalten hat, liegen Einkünfte
    aus einer mit der künstlerischen Leistung „zusammenhängenden Leistung” i. S. der Vorschriften vor. Der hierfür notwendige
    personelle Zusammenhang mit der künstlerischen Hauptleistung ist gegeben, denn Künstler und Material wurden von der Klägerin
    „aus einer Hand” bereitgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.2010 I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263).
    Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dieser Entscheidung zu den Zusammenhangleistungen und aus den Urteilen
    des BFH vom 08.04.1997 I R 51/96, BStBl II 1997, 679, und vom 18.07.2001 I R 26/01, BStBl II 2002, 410, kein anderes Ergebnis.
    Letztere behandeln lediglich die abkommensrechtliche Auslegung des Künstlerbegriffs und führen aus, dass Art. 17 des Musterabkommens
    der Organisation for Economic Cooperation and Development -OECD-MA- nur auf vortragende Künstler und damit nicht auf den –
    werkschaffenden – Theater- oder Opernregisseur Anwendung findet. Zum Steuerabzug nach nationalem deutschen Recht und zur Auslegung
    der Tatbestände der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG treffen sie hingegen keine Aussage.
    Die Beigeladene durfte die Steueranmeldung, den -einbehalt und die -abführung auch nicht aufgrund der sich – unstreitig –
    aus Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 DBA-Österreich 1954 ergebenden Befreiung der Einkünfte der Klägerin von der
    deutschen Besteuerung unterlassen. Denn gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung
    und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden. Von der Steueranmeldung, dem -einbehalt und der -abführung hätte
    die Beigeladene nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 nur dann absehen dürfen, wenn die Klägerin die Steuerfreistellung ihrer
    Einkünfte im Abzugsverfahren durch eine Bescheinigung des damaligen Bundesamtes für Finanzen nachgewiesen hätte. Dies ist
    jedoch – zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig – nicht geschehen: Für die hier streitgegenständlichen Veranstaltungen
    hat die Klägerin keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt.
    Liegt eine Freistellungsbescheinigung nicht (rechtzeitig) vor, kann die Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung und die
    Erstattung der abgeführten Beträge nach der für den Streitzeitraum maßgeblichen Rechtslage nur im Erstattungsverfahrens nach
    § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1997 i. V. m. § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997/1999 erreicht werden. Allein in diesem Verfahren
    ist über eine Steuerbefreiung nach dem DBA-Österreich zu entscheiden (vgl. BFH-Beschluss vom 01.12.1993 I R 48/93, BFH/NV
    1994, 549). Dem Verweis auf das Erstattungsverfahren kann die Klägerin nicht das im hiesigen Klageverfahren vorgelegte Schreiben
    des BMF vom 21.04.1987 entgegenhalten. Darin war ihr unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 22.10.1986 I R 261/82, BStBl
    II 1987, 171,BFHE 148, 143, mitgeteilt worden, dass nach dem DBA-Österreich von der deutschen Besteuerung freigestellte Einkünfte
    nicht dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterlägen. Die Klägerin übersieht, dass der Gesetzgeber auf die in dem Schreiben
    zitierte Rechtsprechung mit der Einführung des § 50d EStG durch das Steuerreformgesetz 1990 reagiert und so der Auskunft des
    BMF die Grundlage entzogen hatte (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 50d Rz. 1). Auch der Einwand, das Bundesamt
    für Finanzen habe in den Streitjahren generell keine Freistellungsbescheinigungen erteilt, greift nicht durch. Dass diese
    Behauptung tatsächlich zutrifft, ist angesichts in den Akten befindlicher Freistellungsbescheinigungen, die in den Monaten
    Juni, Juli und November 1999 sowie April 2000 für andere als die streitgegenständlichen Veranstaltungen ausgestellt worden
    waren, zumindest zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn eine Weigerung der Behörde hätte die Klägerin veranlassen müssen,
    ihre rechtlichen Möglichkeiten – Einspruch / Untätigkeitseinspruch, Klage / Untätigkeitsklage – im Freistellungs- und im Erstattungsverfahren
    auszuschöpfen.
    II. Dass die Klägerin von der abkommensrechtlichen Freistellung ihrer Einkünfte nur dann profitieren kann, wenn sie das nationale
    Freistellungs- oder Erstattungsverfahren erfolgreich durchgeführt hat, steht nach Auffassung des erkennenden Senats mit Verfassungs-
    und Völkerrecht im Einklang. Der Senat sieht daher von einer Vorlage an das BVerfG ab.
    Der BFH hat in seinem Beschluss vom 01.12.1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549, und in seinem Urteil vom 21.05.1997 I R 79/96,
    BStBl II 1998, 113, die ebenfalls Einkünfte einer österreichischen Konzertdirektion betrafen, entschieden, dass § 50d Abs.
    1 und 3 EStG nicht dem DBA-Österreich widersprechen. Die Vorschriften schränken die sich aus Art. 15 Abs. 2 DBA-Österreich
    ergebende Steuerbefreiung nicht ein, sondern bestimmen lediglich das innerstaatliche Verfahren zur Durchsetzung der Steuerbefreiung.
    Da die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur Steuerfreistellung nachkommt, bedeuten die nationalen Regelungen
    des Abzugs-, Freistellungs- und Erstattungsverfahrens weder ein Treaty Overriding noch einen Verstoß gegen den Grundsatz pacta
    sunt servanda und die Art. 26 und 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (vgl. auch die Kategorisierung
    des Treaty Overriding im deutschen Steuerrecht durch Gosch, IStR 2008, 413, 415). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende
    Senat an.
    Mangels Verstoßes gegen Abkommensrecht bedarf es im vorliegenden Fall – auch vor dem Hintergrund des Beschlusses des BFH
    vom 10.01.2012 I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056 – keiner Vorlage an das BVerfG. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 des
    Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht -BVerfGG- hat der Senat das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG
    einzuholen, wenn er ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz
    hält. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
    Mit der Entscheidung, die Frage der Vereinbarkeit des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 i. d. F. des Steueränderungsgesetzes
    2003 mit Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG- dem BVerfG vorzulegen,
    hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overridings aufgegeben. In der Vergangenheit
    war er zusammen mit großen Teilen der Literatur davon ausgegangen, dass die Modifizierung von DBA-Regelungen durch den nationalen
    Gesetzgeber zwar rechtspolitisch nicht begrüßenswert, verfassungsrechtlich aber nicht relevant sei (vgl. BFH-Beschluss vom
    17.05.1995 I B 183/94, BFHE 178, 59, BStBl II 1995, 781). Denn DBAs genössen in Deutschland keinen Vorrang vor dem innerstaatlichen
    Recht. Sie würden vielmehr nur mittelbar in Form eines Zustimmungsgesetzes angewendet (Art. 59 Abs. 2 GG) und bekleideten
    dadurch den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, das infolge der normhierarchischen Gleichrangigkeit mit Vorbehalten versehen,
    aufgehoben oder geändert werden könne. An dieser Auffassung hält der BFH unter Verweis auf die zwischenzeitliche Entwicklung
    der Rechtsprechung des BVerfG nicht länger fest. Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet den Gesetzgeber,
    Völkervertragsrecht zu beachten. Ausnahmen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung durch das Grundgesetz oder die Menschenwürde.
    Für den Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsprinzipien von Rechtsstaat und Demokratie kommt es darauf an, ob dem Gesetzgeber
    gegenüber dem Vertragsbruch ein gleich sicheres, aber milderes Mittel – wie die Vertragskündigung – zu Gebote steht. Nach
    diesen Maßstäben ist § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG, weil er ein Treaty Overriding bedeutet, verfassungswidrig. Die Regelung gewährt
    die in einem DBA ohne weitere Nachweispflichten vereinbarte Steuerfreiheit von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur,
    soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem
    Staat auf die Einkünfte festgesetzte Steuer entrichtet wurde. Dadurch soll eine sog. Keinmalbesteuerung verhindert werden.
    Der vorliegende Fall liegt allerdings anders – er stellt kein Treaty Overriding dar. Denn die in einem DBA für gewerbliche
    Einkünfte aus künstlerischer Darbietung vorbehaltlos und unbedingt vereinbarte Steuerfreistellung wird ebenso vorbehaltlos
    und unbedingt durch das deutsche Steuerrecht gewährt. Zwar hat der Vergütungsschuldner Körperschaftsteuer einzubehalten und
    abzuführen. Der Vergütungsgläubiger kann dem aber entweder mittels Freistellungsbescheinigung von vornherein begegnen oder
    aber die Steuer nachträglich erstattet verlangen. Das Abkommen wird dadurch nicht gebrochen.
    III. Der erkennende Senat teilt auch die Bedenken der Klägerin gegen die Gemeinschaftsrechtskonformität des Steuerabzugs
    nach § 50a Abs. 4 EStG 1997/1999 nicht. Er macht daher von der Möglichkeit einer Vorlage an den EuGH keinen Gebrauch.
    Der Bereich der direkten Steuern fällt zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft; die Mitgliedstaaten müssen die ihnen
    verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (EuGH-Urteil vom 14.02.1995 C-279/93 – Schumacker
    , Entscheidungen des EuGH -EuGHE- I 1995, 225). Insofern ist die europäische Dienstleistungsfreiheit zu beachten. Nach Art.
    49 des EG-Vertrages -EG- (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV-) sind Beschränkungen des
    freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der
    Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der Art. 49 ff. EG (Art. 56 ff. AEUV) verboten.
    Gemäß Art. 50 EG (Art. 57 AEUV) sind Dienstleistungen im Sinne der Verträge Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht
    werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen
    unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten.
    Nach der Rechtsprechung des EuGH verlangt die Dienstleistungsfreiheit die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs,
    die darauf beruhen, dass der Dienstleister in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem die Leistung
    erbracht wird (EuGH-Urteil vom 26.02.1991 C-180/89 – Kommission/Italien , Slg. 1991, I-709 m. w. N.). Dabei verleiht die Dienstleistungsfreiheit
    nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte (EuGH-Urteil
    vom 26.10.1999, C-294/97 – Eurowings Luftverkehr , Slg. 1999, I-7447 m. w. N.).
    Mit Urteil vom 03.10.2006 (Rs. C-290/04 – Scorpio , a. a. O.) hat der EuGH entschieden, dass die Artikel 49 und 50 EG (Art.
    56 und 57 AEUV) dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen auf die Vergütung
    eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung
    findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt. Zwar
    können solche Rechtsvorschriften Dienstleistungsempfänger davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleister
    in Anspruch zu nehmen, und somit eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.
    Sie sind jedoch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung der Einkommensteuer zu gewährleisten.
    Das Steuerabzugsverfahren stellt, zumindest wenn es keine Gemeinschaftsrichtlinie oder andere Regelung über die gegenseitige
    Amtshilfe zur Beitreibung steuerlicher Forderungen gibt, ein verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen
    des Besteuerungsstaats dar. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Urteil vom 18.10.2012 (Rs. C-498/10 – X , Internationales
    Steuerrecht -IStR- 2013, 26 Tz. 47) nun auch für die Zeit der Geltung der EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG ab dem 01.07.2002
    bestätigt. Soweit eine nationale Regelung durch die Verpflichtung zum Einbehalt einer Quellensteuer wegen des zusätzlichen
    Verwaltungsaufwands eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs bewirkt, kann diese Beschränkung – auch in Anbetracht
    der Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung im Bereich der Beitreibung der Steuern – durch die Notwendigkeit, eine effiziente
    Erhebung der Steuer zu gewährleisten, gerechtfertigt sein (Tz. 53 des Urteils). Der Auffassung hat sich der BFH im Hinblick
    auf bestehende bilaterale Vereinbarungen über Amts- und Vollstreckungshilfe angeschlossen: Die möglichen grenzüberschreitenden
    Amtshilfe- oder Vollstreckungsersuchen können die Nachteile, die der Finanzverwaltung aus ihrer fehlenden Ermittlungsmöglichkeit
    im EU-Ausland erwachsen, nicht ausgleichen (BFH-Urteil vom 05.05.2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814).
    Darüber hinaus hat der EuGH jedoch entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften die Dienstleistungsfreiheit verletzen,
    wenn der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im
    Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang
    mit dessen Tätigkeit im Mitgliedsstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei
    einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte der Steuer unterliegen. Das gilt jedoch nicht für nur mittelbar
    mit jener Tätigkeit zusammenhängende Betriebsausgaben; diese sind gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren
    zu berücksichtigen (Urteile vom 03.10.2006, Rs. C-290/04 – Scorpio , a. a. O., und vom 15.02.2007, Rs. C-345/04 – Centro Equestre
    da Leziria Grande , Slg. 2007, I-1425, BFH/NV 2007, Beilage 3, 277).
    Nach Maßgabe dieser – aufgrund des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht verbindlichen – Auslegung von Art. 49 und Art. 50 EG durch
    den EuGH sind § 50a Abs. 4 Sätze 2 und 4 EStG 1997/1999, gemäß denen der Steuerabzug 25% der Einnahmen ohne Abzug von Betriebsausgaben
    beträgt, in gemeinschaftsrechtskonformer Weise auszulegen: Dem Vergütungsschuldner mitgeteilte Aufwandspositionen sind prinzipiell
    bereits bei Vornahme des Steuerabzugs zu berücksichtigen. Ansonsten bleibt es für den Vergütungsgläubiger bei dem Erfordernis,
    ein Freistellungs- oder Erstattungsverfahren einzuleiten und innerhalb dieses Verfahrens seine beschränkte Steuerpflicht zu
    klären. Ein Grund dafür, das Abzugsverfahren wegen dessen vorbehaltloser tatbestandlicher Orientierung an der geleisteten
    Bruttovergütung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gänzlich unangewandt zu belassen, besteht nicht. Es genügt, die einschränkenden
    tatbestandlichen Voraussetzungen in normerhaltender Weise zu reduzieren, die Norm aber als solche weiter anzuwenden. Eine
    weitergehende Rechtswirkung kommt dem prinzipiellen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht nicht zu
    (BFH-Urteil vom 10.01.2007 I R 87/03, BStBl II 2008, 22; BFH-Beschluss vom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228,BFHE
    219, 300; Gosch, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2007, 1553, 1554 ff.; bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 09.02.2010
    2 BvR 1178/07, BFH/NV 2010, 1069).
    Nach diesen Grundsätzen können im vorliegenden Verfahren – trotz der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung – keine Betriebsausgaben
    der Klägerin berücksichtigt werden.
    Bis zur Abgabe der Steueranmeldung und Abführung der Steuer hatte die Klägerin der Beigeladenen keine Betriebsausgaben mitgeteilt.
    Der Steuerabzug von den geleisteten Vergütungen auf Bruttobasis ist deshalb nicht zu beanstanden. Mangels rechtzeitiger Mitteilung
    braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob die bloße Benennung und Bezifferung von Betriebsausgaben für deren Berücksichtigung
    im Abzugsverfahren ausreicht oder ob der Vergütungsschuldner die Vorlage von Nachweisen und damit die Offenlegung der Kalkulation
    und der Vertragspartner des Vergütungsgläubigers verlangen kann.
    Der von der Klägerin im Einspruchsverfahren geforderte überschlägige Abzug von Betriebsausgaben dergestalt, dass der Steuerabzug
    vom anteiligen Bilanzgewinn bzw. von 0,69% der Bruttoeinnahmen vorzunehmen sei, kommt nicht in Betracht. Einer Schätzung abzugsfähigen
    Aufwands steht das Abzugsverfahren entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zur Herstellung der Gemeinschaftsrechtskonformität
    notwendig, aber auch ausreichend, dass im Abzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerpflichtigen Tätigkeit
    stehenden, vom Vergütungsgläubiger „mitgeteilten” Betriebsausgaben berücksichtig werden. Eine weitergehende Einschränkung
    des § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1997/1999 dahin, dass auch vom Vergütungsgläubiger nicht mitgeteilte Betriebsausgaben nach Maßgabe
    von § 162 AO zu schätzen und in Abzug zu bringen wären, erfordert der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht. Vielmehr
    steht dem Vergütungsgläubiger zur nachträglichen Geltendmachung seiner Aufwendungen das Erstattungsverfahren offen (BFH-Urteile
    vom 05.05.2010 I R 104/08 und I R 105/08, BFH/NV 2010, 1814 und 2043; BFH-Beschluss vom 09.12.2010 I B 28/10, BFH/NV 2011,
    971).
    Als Vergütungsgläubigerin hat die Klägerin keine Möglichkeit, die Steueranmeldung der Beigeladenen nachträglich zu ändern,
    um Betriebsausgaben zum Ansatz zu bringen. Auch existiert im Abzugsverfahren kein Rechtsbehelf, um ein solches Interesse durchzusetzen.
    Wegen der prinzipiellen Unterscheidung zwischen der „eigentlichen” Steuerschuld der Vergütungsgläubigerin einerseits und der
    Entrichtungssteuerschuld der Vergütungsschuldnerin andererseits bleibt es unbeschadet der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen
    bei dem oben dargestellten reduzierten Prüfungsumfang bei einer Anfechtung der von der Vergütungsschuldnerin abgegebenen Steueranmeldung
    allein durch die Vergütungsgläubigerin. Die Klägerin muss sich auch bezüglich der (nachträglichen) Geltendmachung von Betriebsausgaben
    auf das Erstattungsverfahren verweisen lassen. Ein erweitertes Anfechtungsrecht gegen die Steueranmeldung steht ihr als Drittbetroffener
    nicht zu; ein solches Recht fordert auch das Gemeinschaftsrecht nicht ein. Weder wird insoweit über das hinzunehmende Maß
    hinaus die Verfahrens- und Rechtsschutzposition der Klägerin eingeschränkt noch erleidet sie hierdurch gegenüber einer uneingeschränkten
    Überprüfung der Steueranmeldung besondere zusätzliche Liquiditätsnachteile, letzteres schon deswegen nicht, weil sie mittels
    Anfechtung der Anmeldung ohnehin keine Steuererstattung an sich selbst erreichen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 13.08.1997
    I B 30/97, BStBl II 1997, 700) und infolgedessen nach einem für sie positiven Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die
    Anmeldung nach wie vor gehalten wäre, erst entsprechende zivilrechtliche Ansprüche gegenüber der Vergütungsschuldnerin geltend
    zu machen (so BFH-Beschluss vom 07.11.2007 I R 19/04, a. a. O.).
    Der Senat sieht von einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV (Art. 234 EG) ab. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a) AEUV
    entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge. Wird eine derartige Frage einem Gericht
    eines Mitgliedsstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich,
    so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Der erkennende Senat macht von der
    Möglichkeit der Vorlage an den EuGH keinen Gebrauch, da die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit hinsichtlich der streitentscheidenden
    Vorschriften in Anbetracht der gefestigten Spruchpraxis des EuGH nicht zweifelhaft ist.
    IV. Über den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Steuerabzugsbeträge kann im vorliegenden – die Rechtmäßigkeit der Steueranmeldung
    betreffenden – Verfahren nicht entschieden werden. Da die Klägerin bislang – soweit ersichtlich – kein Erstattungsverfahren
    eingeleitet und die Behörde über ein Erstattungsbegehren entsprechend nicht entschieden hat, ist die Klage insoweit unzulässig.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Gründe für eine Revisionszulassung bestehen nicht. Die Entscheidung beruht auf einer tatrichterlichen Einzelfallwürdigung
    auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

    VorschriftenEStG 1997/1999 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, EStG 1997/1999 § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3, EStG 1997/1999 § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, EStG 1997/1999 § 50d Abs. 1 Satz 1, EStG 1997/1999 § 50d Abs. 1 Satz 2, EStG 1997/1999 § 50d Abs. 3 Satz 1, KStG 1999 § 49 Abs. 1, DBA-Österreich Art. 4 Abs. 1, DBA-Österreich Art. 15 Abs. 2 Satz 1, GG Art. 20 Abs. 3, GG Art. 25, EGV Art. 49, EGV Art. 50