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  • 26.11.2013

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 21.08.2013 – 1 K 87/12

    1. Von der OSZE an Mitglieder einer
    OSZE-Mission (sekundierte Position) gezahlte Tagegelder sind Einkünfte
    aus unselbständiger Arbeit i. S. des DBA-Aserbaidschan.


    2. § 50d Abs. 8 EStG wird im Hinblick
    auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG
    und die lex-posterior-Regel durch Regelungen eines später
    erlassenen DBA verdrängt.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung
    von Tagegeldern für eine Feldoperation der Organisation
    für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Aserbaidschan.


    Die Kläger, deutsche Staatsangehörige, sind
    Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und
    im Streitjahr ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten.


    Vom ... 2008 bis zum ... 2009 nahm die Klägerin an einer
    OSZE-Mission in Aserbaidschan als „Democratization Officer” in
    Form einer sogenannten „sekundierten Position” teil.
    Danach war die Klägerin in die Organisation der Mission
    eingegliedert und unterlag den Weisungen der Mission. Die Klägerin erhielt
    von der OSZE für diese Tätigkeit zur teilweisen
    Kompensation von Lebenshaltungskosten in Aserbaidschan ein Tagegeld
    für Unterkunft und Verpflegung („Board and Lodging
    Allowance”, im Folgenden: BLA) im Jahr 2008 in Höhe
    von insgesamt ... € direkt auf ihr Konto gezahlt. Des Weiteren
    erhielt die Klägerin im Streitjahr für diese Tätigkeit
    aufgrund einer Zuwendungsvereinbarung mit dem Auswärtigen
    Amt einen pauschalierten Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt
    ... €. Die Klägerin wendete für ihre
    Tätigkeit im Streitjahr insgesamt ... € auf, u.
    a. für Fahrten, Flüge, Visakosten, Miete.


    Der Kläger und die ... Kinder der Kläger (geboren
    am ...) besuchten die Klägerin in Aserbaidschan in der
    Zeit vom ... 2008 bis zum ... 2008 sowie in der Zeit vom ... 2008
    bis zum ... 2008. Die Klägerin hielt sich im Kalenderjahr
    2008 ab dem 09.01.2008
    länger als 183 Tage in Aserbaidschan auf.


    Der Beklagte erließ am 15.02.2011 einen Einkommensteuerbescheid
    für 2008, in dem er neben dem vom Auswärtigen
    Amt gezahlten Betrag die von der OSZE gezahlten BLA als Einkünfte
    aus nichtselbständiger Arbeit besteuerte und zugleich die
    geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von insgesamt
    ... € berücksichtigte. Am 03.03.2011 erließ der
    Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten
    Einkommensteuerbescheid 2008 und setzte die Einkommensteuer auf
    ... € fest.


    Am 11.03.2011 legten die Kläger Einspruch gegen den „Bescheid
    für 2008 über Einkommensteuer ... vom 15.02.2011” ein.
    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012
    zurück. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass der Einkommensteuerbescheid
    vom 03.03.2011 den Bescheid vom 15.02.2011 ersetzt habe.


    Am 20.04.2012 erhoben die Kläger Klage. Sie sind der
    Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerfrei.
    Es handele sich lediglich um den Ausgleich der Lebenshaltungskosten
    der Klägerin. Da die Bundesrepublik Deutschland sich finanziell
    an der OSZE beteilige, sei die Bundesrepublik Deutschland als inländischer
    Arbeitgeber anzusehen. Im Übrigen habe die Klägerin
    auf die Steuerfreiheit vertrauen können, da sie bereits
    für das Jahr 2006 durch das seinerzeit zuständige
    Finanzamt einen Steuerbescheid erhalten habe, der die Tagegelder
    aus einer früheren OSZE-Mission steuerfrei behandelt habe. Auch
    in den Jahren 2009 und 2010 seien die von der OSZE gezahlten Tagegelder
    als steuerfrei in den Einkommensteuerbescheiden behandelt worden.


    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
    vom 20.03.2012 in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer auf
    ... € herabgesetzt wird.


    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder
    seien steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger
    Arbeit. Die Tagegelder seien nicht aufgrund zwischenstaatlicher
    Vereinbarungen steuerfrei. Der Besteuerung stehe auch nicht das
    Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
    Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet
    der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Aserbaidschan, Bundesgesetzblatt
    Teil II - BGBl II - 2005, 1146) entgegen, da der Bundesrepublik
    Deutschland wegen der Rückfallklausel des § 50d
    Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG) das Besteuerungsrecht
    zustehe.


    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakte Bd. I und die Rechtsbehelfsakte Bd.
    I des Finanzamtes Hamburg-1, jeweils zur Steuernummer.../.../...,
    vorgelegen.


    Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten
    nebst Anlagen verwiesen.


    Gründe

    I. Das Gericht entscheidet gemäß § 90a
    Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.


    II. Klagegegenstand ist der Einkommensteuerbescheid 2008 vom
    03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012.
    Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 ersetzte den Einkommensteuerbescheid
    vom 15.02.2011 und nahm dessen Regelungsgegenstand in sich auf.
    Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger Einspruch gegen
    den Bescheid vom 15.02.2011 einlegten. Der Beklagte als Erklärungsempfänger
    musste den Einspruch dahin verstehen, dass nach dessen objektivem
    Erklärungswert der - jedenfalls aus Sicht des Beklagten
    - allein existente Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 überprüft
    werden sollte (vergleiche - vgl. - auch Bundesfinanzhof - BFH -,
    Urteil vom 19.06.1997 IV
    R 51/96, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFH/NV
    - 1998, 6). Der Beklagte hat den Einspruch ausweislich
    der Einspruchsentscheidung auch in dieser Art und Weise verstanden.


    III. Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf das bei dem Bundesverfassungsgericht
    (BVerfG) anhängige Verfahren 2 BvL 1/12 (Vorlagebeschluss
    des BFH vom 10.01.2012 I
    R 66/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 236, 304)
    gemäß § 74 FGO auszusetzen.


    Das dortige Verfahren ist für den hier zu entscheidenden
    Fall nicht vorgreiflich. Dort setzte sich § 50d Abs. 8
    EStG in der Fassung (i. d. F.) des Art. 1 Nr. 32 Buchstabe b des
    Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz
    2003 - StÄndG 2003) vom 15.12.2003 (Bundesgesetzblatt Teil
    I - BGBl I - 2003, 2645) über das bereits zuvor mit der
    Republik Türkei im DBA-Türkei 1985 völkerrechtlich
    vereinbarte und national umgesetzte Konzept einseitig hinweg. § 50d
    Abs. 8 EStG trat
    am 20.12.2003 in Kraft (Art. 25 Abs. 1 StÄndG 2003;
    Verkündung am 19.12.2003) und war erstmals für
    den Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 i.
    d. F. des StÄndG 2003), also erst nach der Umsetzung des
    DBA-Türkei in nationales Recht (sogenanntes „treaty
    override”, vgl. BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304).
    Anders verhält es sich im hiesigen Fall. Hier liegt kein „treaty
    override” im eben beschriebenen Sinn vor. § 50d
    Abs. 8 EStG war bereits anzuwenden, als das DBA-Aserbaidschan am
    28.12.2005 in Kraft trat (BGBl II 2006, 120).


    IV. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
    Der Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
    vom 20.03.2012 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger
    in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einkünfte
    der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit sind
    in Höhe von insgesamt ... € anzusetzen sowie steuerfreie
    Einkünfte der Klägerin in Höhe von insgesamt
    ... € in die Berechnung des Steuersatzes einzubeziehen.
    Nur die Zahlungen des Auswärtigen Amtes sind steuerpflichtige
    Einnahmen der Klägerin. Die Tagegelder der OSZE sind hingegen
    von der Besteuerung auszunehmen, jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts
    zu berücksichtigen. Die gesamten Werbungskosten der Klägerin
    für ihre Tätigkeit sind auf die steuerfreien und
    die steuerpflichtigen Einnahmen aufzuteilen.


    Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

    1. Die Zahlungen, die die Klägerin
    von dem Auswärtigen Amt in Höhe von insgesamt
    ... € erhielt, sind steuerpflichtige Einnahmen gemäß § 19
    Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies ist zwischen den Beteiligten im Hinblick
    auf das ihnen bekannte Urteil des BFH vom 20.08.2008 I R 35/08 (BFH/NV
    2009, 26), auf das sich der Senat zur Begründung
    bezieht, unstreitig.


    2. Die von der OSZE gezahlten BLA in Höhe
    von insgesamt ... € sind gemäß Art. 23
    Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan von der Bemessungsgrundlage
    der deutschen Steuer auszunehmen.


    a) Die Klägerin ist eine im Sinne des DBA-Aserbaidschan
    in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person. Selbst
    wenn die Klägerin nach dem Recht der Republik Aserbaidschan
    dort aufgrund eines Wohnsitzes oder eines ständigen Aufenthalts
    steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 DBA-Aserbaidschan), gilt die
    Klägerin jedenfalls nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan
    als eine nur in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person,
    da wegen des Verbleibens ihrer Familie in der Bundesrepublik Deutschland
    im Streitjahr der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Bundesrepublik
    Deutschland lag.


    b) Die Bundesrepublik Deutschland hat die BLA gemäß Art.
    23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan freizustellen. Danach
    werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte
    aus der Republik Aserbaidschan ausgenommen, die nach diesem Abkommen
    in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können und
    nicht unter Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b DBA-Aserbaidschan fallen.


    aa) Die BLA können nach dem DBA-Aserbaidschan in der
    Republik Aserbaidschan besteuert werden. Es handelt sich hierbei
    um Vergütungen für eine unselbständige
    Arbeit, die infolge der Ausübung der Tätigkeit
    in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können (Art.
    15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Aserbaidschan).


    (1) Es handelt sich nicht um Vergütungen im Sinne des
    Art. 19 DBA-Aserbaidschan (Öffentlicher Dienst), der Art.
    15 DBA-Aserbaidschan vorgeht (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Aserbaidschan).


    Gemäß Art. 19 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan
    können Vergütungen, ausgenommen Ruhegehälter,
    die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer
    ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen
    Person des öffentlichen Rechts dieses Staates an eine natürliche
    Person für die diesem Staat, einem seiner Länder,
    einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen
    Person des öffentlichen Rechts geleisteten Dienste gezahlt
    werden, nur in diesem Staat besteuert werden.


    Die OSZE ist hiervon nicht erfasst. Denn die OSZE ist eine verstetigte
    Staatenkonferenz ohne eigene Völkerrechtssubjektivität
    (vgl. Evers/Kahl/Zellner, The Culture of Dialogue.
    The OSCE Aquis 30 Years after Helsinki, Hamburg 2005, S. 53, http://www.core-hamburg.de/documents/30Years_OSCE_Booklet.pdf).


    Ebenso wenig ist Art. 19 Abs. 4 DBA-Aserbaidschan für
    die BLA einschlägig. Denn gemäß Art.
    19 Abs. 4 DBA-Aserbaidschan gilt ein ausschließliches Besteuerungsrecht
    für die Bundesrepublik Deutschland nur dann, wenn die BLA
    im Rahmen eines Programms der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eines
    Vertragsstaats aus Mitteln, die ausschließlich von diesem
    Staat bereitgestellt werden, an Fachkräfte gezahlt werden,
    die in den anderen Vertragsstaat (hier: Republik Aserbaidschan)
    mit dessen Zustimmung entsandt worden sind. Indes sind die Tagegelder
    nicht aus Mitteln gezahlt, die ausschließlich seitens der
    Bundesrepublik Deutschland bereitgestellt werden (Kostenbeteiligung
    Deutschlands an der OSZE: 9,35 %; vgl. OSZE-Jahrbuch 2008,
    S. 431, http://www.core-hamburg.de/documents/jahrbuch/08/1Staaten2008.pdf.).


    (2) Die Klägerin übt eine unselbständige
    Arbeit im Sinne des Art. 15 DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan
    aus, da sie in die Organisation der OSZE-Mission eingegliedert ist
    und den Weisungen der Mission unterliegt. Zwar enthält
    das DBA-Aserbaidschan selbst keine Definition des Begriffs der unselbständigen
    Arbeit. Allerdings ist in Abgrenzung zu Art. 14 DBA-Aserbaidschan
    (Selbständige Arbeit) und gemäß Art.
    3 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan unter Rückgriff auf das nationale
    deutsche Recht (Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA
    Art. 15 Randziffer - Rz. - 53) unter einer unselbständigen
    Arbeit eine Tätigkeit zu verstehen, bei der die tätige Person
    einem anderen ihre Arbeitskraft schuldet. Dies ist insbesondere
    der Fall, wenn die Person - wie im Streitfall - im geschäftlichen
    Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet
    ist (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung
    - LStDV -, BGBl
    I 1989, 1848).


    (3) Die Klägerin bezieht die BLA als eine den Gehältern ähnliche
    Vergütung aus unselbständiger Arbeit. Mangels
    ausdrücklicher Definition des Begriffs „Vergütungen” in
    dem DBA-Aserbaidschan greift über Art. 3 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan
    ergänzend das nationale deutsche Recht ein (Wassermeyer/Schwenke
    in Wassermeyer, MA Art. 15 Randziffer - Rz. - 54). Die BLA sind Vergütungen,
    die die Klägerin für ihre Beschäftigung
    bei der OSZE erhalten hat (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1
    Nr. 1 EStG). Denn die Tagegelder sind durch das Beschäftigungsverhältnis
    der Klägerin mit der OSZE veranlasst und als Entlohnung
    für das Zurverfügungstellen der individuellen
    Arbeitskraft der Klägerin zu verstehen. Dem steht nicht
    entgegen, dass die BLA die Lebenshaltungskosten in der Republik
    Aserbaidschan teilweise kompensieren sollten. Es kommt nicht darauf
    an, ob mit der Zuwendung gleichzeitig soziale oder sonstige Ziele
    verfolgt werden (Krüger, in Schmidt, EStG, 32. Auflage
    - Aufl. - 2013, § 19 Rz. 45).


    bb) Die Bundesrepublik Deutschland hat kein ausschließliches
    Besteuerungsrecht für diese Vergütungen gemäß Art.
    15 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan. Ein ausschließliches Besteuerungsrecht
    scheitert schon daran, dass die Klägerin sich im Jahr 2008
    - anders als in Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan verlangt
    - länger als 183 Tage in Aserbaidschan aufhielt.


    cc) Die BLA fallen nicht unter die in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe
    b DBA-Aserbaidschan genannten Einkünfte. Insbesondere handelt
    es sich nicht um Einkünfte, die nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Aserbaidschan
    in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können,
    da die Klägerin nicht im Rahmen gewerbsmäßiger
    Arbeitnehmerüberlassung in der Republik Aserbaidschan tätig
    ist.


    3. Der Steuerfreistellung der BLA steht § 50d
    Abs. 8 EStG im Streitfall nicht entgegen.


    a) Gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG
    wird die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur gewährt,
    soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach
    dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht
    verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte
    festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Einen solchen Nachweis
    hat die Klägerin nicht erbracht. Es ist auch nicht ersichtlich,
    dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar
    gewesen wäre, die Nachweise zu erbringen.


    b) Im Streitfall verdrängen die durch das Zustimmungsgesetz
    zum DBA-Aserbaidschan in nationales Recht überführten
    Regelungen allerdings die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG.


    aa) Es besteht zwischen § 50d Abs. 8 EStG und der Regelung
    des Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan eine Gesetzeskonkurrenz,
    da § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG unter bestimmten - im Streitfall
    vorliegenden - Voraussetzungen, die nach dem Abkommen gewährte
    Freistellung ausschließt.


    Beide Regelungen sind „normenhierarchisch” gleichrangig.
    DBA werden als völkerrechtliche Verträge gemäß Art.
    59 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) mittelbar in Form eines Zustimmungsgesetzes
    in der Bundesrepublik Deutschland angewendet. Hierdurch erhält
    das Abkommen innerstaatlich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.
    Der innerstaatliche Gesetzgeber ist im Prinzip frei darin, im Zustimmungsgesetz
    Vorbehalte gegenüber der Anwendung bestimmter Abkommensvorschriften
    zu verankern (BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304 mit
    weiteren Nachweisen - m. w. N. -).


    bb) Die Gesetzeskonkurrenz ist im Streitfall zugunsten der Abkommensregelung
    zu lösen.


    Zwar enthält § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG ausdrücklich
    eine Regelung, die einen Vorrang der Vorschrift im Verhältnis
    zum Abkommen begründen kann („ungeachtet des Abkommens”).
    Es ist allerdings dem Wortlaut des § 50d Abs. 8 Satz 1
    EStG nicht eindeutig und zwingend zu entnehmen, dass dieser Vorrang
    auch DBA erfassen soll, die nach Erlass des § 50d Abs.
    8 Satz 1 EStG in Kraft getreten sind. Dies ergibt sich auch aus
    nachfolgenden DBA, die teilweise - wie im Streitfall - keinen Vorbehalt
    zur Anwendung der Freistellungsmethode enthalten, teilweise jedoch
    die Anwendung der Freistellungsmethode von der tatsächlichen
    Besteuerung im Ausübungsstaat abhängig machen
    (so beispielsweise Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Bulgarien, BGBl II 2010,
    1286; Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Ungarn, BGBl II 2011,
    919; Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Großbritannien, BGBl II 2010,
    1333).


    Die Konkurrenz der Regelungen in § 50d Abs. 8 EStG und
    Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan ist im Hinblick
    auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG
    und die Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel des Vorrangs des
    späteren Gesetzes (lex-posterior-Regel) zugunsten des in
    die nationale Regelung umgesetzten DBA-Aserbaidschan zu lösen.


    Im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung ist
    das GG nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt
    mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik
    Deutschland nicht entsteht (BVerfG-Beschluss vom 14.10.2004 2 BvR 1481/04,
    Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 111, 307). Aus der Völkerrechtsfreundlichkeit
    des GG folgt die für alle Staatsorgane geltende Pflicht,
    die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen
    zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen
    (BVerfG-Beschluss vom 26.10.2004 2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01, BVerfGE 112,
    1; vgl. allgemein zur Berücksichtigung der Völkerrechtsfreundlichkeit
    des GG Gosch, in: Kirchhof, EStG, 12. Aufl. 2013, § 50d
    Rz. 25; Gosch, Internationales Steuerrecht - IStR - 2008, 413,
    419; des Weiteren BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304 mit
    weiteren Nachweisen - m. w. N. -). Dies gilt erst recht für
    die Auslegung von im Rang unter dem GG stehenden Bundesgesetzen
    und damit auch für die Auslegung des Anwendungsbereichs
    des § 50d Abs. 8 EStG.


    Die völkerrechtsfreundliche Auslegung ist auch bei der
    Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln zur Lösung von Gesetzeskonkurrenzen
    (lex specialis und lex posterior) zu beachten. Dabei hilft allerdings
    die „lex-specialis-Regel” nicht weiter. Sie ist
    hier nicht zielführend, da - je nach Sichtweise - entweder
    die nationale Norm aufgrund der Regelung eines besonderen Sachverhalts
    oder aber die Abkommensregelung aufgrund der Regelung im Verhältnis
    zu einem bestimmten Staat als spezielleres Gesetz angesehen werden kann
    (vgl. hierzu Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845). Im Übrigen
    ist schon fraglich, ob die Abkommensregelung nicht schon als lex
    aliud und nicht als lex specialis zu verstehen ist, weil Abkommen
    die Besteuerungsrechte der nationalen Staaten beschränken
    und deshalb einen anderen Regelungsgegenstand haben (Musil, in:
    Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung
    - AO -/FGO, Stand: September 2012, § 2 AO Rz.
    165). Im Streitfall ist die „lex-posterior-Regel” unter
    Berücksichtigung der völkerrechtsfreundlichen
    Auslegung heranzuziehen, die hier den Vorrang der Abkommensregelung
    begründet (weitergehend Rust/Reimer, IStR 2005, 843,
    845 ff., die einen Rückgriff auf die allgemeinen
    Grundsätze von lex specialis und lex posterior für nicht
    notwendig erachten).


    Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall § 50d
    Abs. 8 Satz 1 EStG nicht anzuwenden. Denn der Gesetzgeber hat sich
    bei Überführung des DBA-Aserbaidschan in nationales
    Recht dafür entschieden, die Freistellung der hier in Rede
    stehenden Einkünfte nicht von besonderen Nachweisvoraussetzungen
    abhängig zu machen. Die Regelung des § 50d Abs.
    8 Satz 1 EStG war schon bei Abschluss des DBA-Aserbaidschan in Kraft
    und dem deutschen Gesetzgeber bewusst. Dennoch enthält
    das DBA-Aserbaidschan keine eigenen, dem § 50d Abs. 8 Satz
    1 EStG entsprechende oder auf diesen verweisende Vorschriften bzw.
    bestimmt keinen entsprechenden Vorbehalt zu Gunsten des nationalen
    Rechts (vgl. auch Lüdicke, Überlegungen zur deutschen
    DBA-Politik, S. 38; vgl. auch jetzt Art. 22 Abs. 1 Buchstabe e Doppelbuchstabe
    bb der Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen
    im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Stand:
    17.04.2013, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2013-04-17-Verhandlungsgrundlage-DBA-deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=5;
    vgl. auch zur Vereinbarung von „Subject-to-tax-Klauseln” in
    anderen Abkommen Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger,
    Deutsche Abkommenspolitik, Schrift des Instituts Finanzen und Steuern
    - IFSt - Nr. 480 [2012], S. 41 f.).


    Soweit vertreten wird, dass § 50d Abs. 8 EStG auch ein
    später in Kraft getretenes DBA verdrängt (z. B.
    Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler,
    AO/FGO, Stand: September 2012, § 2 AO Rz. 169,
    175; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand:
    Mai 2011, § 2 AO Rz. 38; Frotscher, EStG, Stand: September
    2012, § 50d Rz. 5, 11), ist dem aufgrund der obigen Ausführungen
    nicht zu folgen.


    4. Gemäß § 32b
    Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind steuerfreie Einkünfte der
    Klägerin aus ihrer Tätigkeit für die
    OSZE in Höhe von ... € bei der Berechnung des besonderen
    Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG zu berücksichtigen.


    Die Klägerin hat in dieser Höhe Einkünfte
    bezogen, die nach einem DBA steuerfrei sind (§ 32b Abs.
    1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Die Ermittlung der Einkünfte, die
    nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerfrei sind, erfolgt
    nach deutschem Recht, hier durch Überschuss der Einnahmen über
    die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).


    Danach sind die BLA als Einnahmen zu berücksichtigen.
    Denn nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe d DBA-Aserbaidschan behält
    die Bundesrepublik Deutschland das Recht, diese Einnahmen bei der
    Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigten.


    Von den BLA in Höhe von ... € sind anteilige
    Werbungskosten in Höhe von ... € abzuziehen.


    Die von der Klägerin geltend gemachten Werbungskosten
    sind gemäß § 3c Abs. 1 EStG auf die steuerfreien
    und die steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin
    aufzuteilen. Der auf die steuerfreien Einnahmen entfallende Teil der
    Werbungskosten ist nach dem Verhältnis zu bemessen, in
    dem die steuerfreien Einnahmen zu den steuerpflichtigen Einnahmen
    der Klägerin aus derselben Tätigkeit stehen. Es
    lässt sich nicht eindeutig feststellen, dass die Werbungskosten
    allein durch die Erzielung der nach DBA-Aserbaidschan steuerfreien
    BLA oder allein durch die steuerpflichtigen Zahlungen des Auswärtigen
    Amtes veranlasst sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.03.2002 VI R 26/00, BFHE 198, 545,
    Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 2002, 823; BFH-Urteil vom
    11.02.2009 I R 25/08, BFHE 224, 498, BStBl II 2010,
    536).


    Der Anteil der steuerfreien Einnahmen (... €) an den
    Gesamteinnahmen (... € = ... € + ... €)
    beträgt 54,12 %. Danach entfällt von
    den insgesamt geltend gemachten Werbungskosten in Höhe
    von ... € auf die steuerfreien Einnahmen ein Betrag in
    Höhe von ... € (= 54,12 % von
    ... €) und auf die steuerpflichtigen Einnahmen ein Betrag
    in Höhe von ... € (= 45,88 % von
    ... €).


    5. Auf die Frage, ob die Tagegelder nach inländischem
    deutschem Recht steuerfrei sind, kommt es nach dem Vorstehenden
    nicht an.


    6. Die Klägerin kann sich nicht mit
    Erfolg darauf berufen, dass in anderen Veranlagungszeiträumen
    die BLA insgesamt steuerfrei gestellt wurden. Dem steht schon das
    Prinzip der Abschnittsbesteuerung entgegen. Ebenso wenig liegen
    die Voraussetzungen eines Vertrauensschutzes der Klägerin
    nach § 176 AO vor. Es ist nicht ersichtlich, dass sich
    die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert
    hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde
    angewandt worden ist (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Eine
    Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Berücksichtigung
    von Tagegeldern der OSZE bestand bisher nicht.


    7. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011
    in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 ist danach
    in der Weise zu ändern, dass nunmehr Einkünfte
    der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in
    Höhe von insgesamt ... € (Einnahmen: ... €;
    Werbungskosten: ... €) anzusetzen sowie steuerfreie Einkünfte
    der Klägerin in Höhe von insgesamt ... € (= ... € -
    ... €) in die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b
    EStG einzubeziehen sind.


    Die Berechnung wird gemäß § 100 Abs.
    2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.


    V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
    beruht auf § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708
    Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


    Die Revision ist gemäß § 115 Abs.
    2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da das
    Verhältnis zwischen § 50d Abs. 8 EStG und einem später
    in Kraft getretenen DBA durch den BFH noch nicht geklärt
    ist.

    VorschriftenEStG 2002 § 50d Abs. 8 Satz 1, EStG 2002 § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 15 Abs. 1 Satz 2, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 19 Abs. 4, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 23 Abs. 1 Buchst. d