26.11.2013
Finanzgericht Münster: Urteil vom 05.09.2013 – 5 K 1768/10 U
Windräder stellen als ortsfeste Einrichtungen auch dann eine Zweigniederlassung i.S.v. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F. dar,
wenn bei den Windkraftanlagen kein eigenes Personal tätig ist. Die fehlende personelle Ausstattung wird in diesem Fall durch
die stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Senat in der Besetzung: … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 05.09.2013 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.) als im Ausland ansässiger Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 UStG in der
in dem Streitjahr geltenden Fassung (nachfolgend UStG alte Fassung, „UStG a.F.”) zu qualifizieren ist.
Die Klin. ist am 01.09.2007 mit Satzungssitz in J., Deutschland, gegründet worden. Persönlich haftende Gesellschafterin ist
die Fa. Y. Kommanditistin ist die Fa. Z. (nachfolgend: „Komplementärin” bzw. „Kommanditistin”). Beide Gesellschafter sind
nach dänischem Recht errichtete Gesellschaften; deren Geschäftsanschrift liegt in Dänemark. Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand
der Klin. ist der Betrieb eines aus Windkraftanlagen bestehenden Windparks sowie alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten.
Die Klin. verfügt weder in Deutschland noch in Dänemark über ein eigenes Büro oder Personal. Die laufende kaufmännische Geschäfts-
und Betriebsführung der Klin. erfolgt durch die D. GmbH, mit der ein Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen wurde. Die Geschäftsanschrift
der Klin. entsprach im Streitjahr der Geschäftsanschrift der D. GmbH.
Das Klageverfahren betrifft drei Windkraftanlagen, die sich in einem Windpark in H. befinden und die ursprünglich im Eigentum
der V. Windpark H. GmbH. & Co. KG standen. Die V. Windpark H. GmbH & Co. KG hatte mit den Gemeindewerken H. GmbH (nachfolgend:
„Gemeindewerke”) im Jahr 2003 einen Vertrag über die Lieferung elektrischer Energie abgeschlossen.
Mit Kaufvertrag vom 29.08.2007 erwarb die Kommanditistin der Klin. die vorgenannten Windkraftanlagen. Durch Erklärung vom
14.11.2007 ist die Klin. an die Stelle der Käuferin in diesen Kaufvertrag eingetreten. Mit Schreiben vom 15.11.2007 teilte
die V Windpark H. GmbH & Co. KG der Gemeindewerke H. GmbH mit, dass die Klin. in den bestehenden Energieliefervertrag eintreten
werde. Die Gemeindewerke H GmbH unterzeichnete die Zustimmungserklärung zum Vertragseintritt der Klin. am 21.11.2007 und sandte
diese an die Klin. zurück.
Die Klin. veräußerte die drei Windkraftanlagen mit Wirkung zum 31.12.2007, 01.04.2008 und 01.07.2008 einzeln an Gesellschaften
mit den Bezeichnungen … Windpark H. I bis III. Die Klin. hat im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragen, dass sie den
Betrieb bestehend aus Stromerzeugung und -veräußerung eingestellt habe und dass sie ausschließlich die Abrechnung der Einnahmen
und Ausgaben für die jetzigen Eigentümergesellschaften wahrnehme (Schreiben vom 18.05.2009, Betriebsprüfungsakte II).
Die Klin. erteilte im Streitjahr Rechnungen an die Gemeindewerke H Stromlieferungen in folgender Höhe:
Re.-Datum | Leistungszeitraum | Umsatz(netto) | Umsatz(brutto) |
31.03.2008 | Januar | 107.358,92 | 127.757,12 |
31.03.2008 | Februar | 61.535,02 | 73.226,67 |
03.04.2008 | März | 76.808,80 | 91.402,47 |
19.05.2008 | April | 38.015,99 | 45.239,03 |
11.06.2008 | Mai | 24.103,84 | 28.683,59 |
02.07.2008 | Juni | 30.104,07 | 35.823,84 |
04.08.2008 | Juli | 37.005,84 | 44.036,95 |
03.09.2008 | August | 47.090,16 | 56.037,29 |
09.10.2008 | September | 36.624,74 | 43.583,44 |
11.11.2008 | Oktober | 47.944,12 | 57.053,50 |
09.12.2008 | November | 63.652,26 | 75.746,19 |
14.01.2009 | Dezember | 49.797,45 | 59.258,97 |
620.041,21 | 737.849,06 |
Rechnungen Bezug genommen, die Bestandteil der Betriebsprüfungsakte sind.
Die Klin. gab im Streitjahr keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. Am 05.02.2009 wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für
die Voranmeldungszeiträume 09/2007 bis 12/2008 angeordnet. Im Rahmen der Prüfung reichte die Klin. am 25.08.2009 eine Umsatzsteuererklärung
für das Streitjahr ein. Hierin erklärte sie steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 337.926,00 EUR, was der Summe der Rechnungsbeträge
für die Lieferzeiträume von Januar bis Juni 2008 entspricht. Weiterhin erklärte die Klin. abziehbare Vorsteuern in Höhe von
29.429,65 EUR.
Am 07.10.2009 erging der Bericht der Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Der Prüfer vertrat hierin die Auffassung, dass die Umsatzsteuer
auf die Stromlieferungen der Klin. gem. § 13b Abs. 1 Nr. 5 UStG durch den Abnehmer geschuldet werde, da die Klin. eine im
Ausland ansässige Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift sei. Die geschäftliche Oberleitung der Klin. i.S. des § 10 AO befinde
sich in Dänemark. Unter der Geschäftsanschrift der Klin. sei die D. GmbH ansässig, welche für die Klin. die Ausgangsrechnungen
erstelle, den Zahlungseingang überwache und Ausgangszahlungen veranlasse. Wartungsarbeiten an den Windrädern würden durch
die Firma I. mit Sitz in N., Deutschland, ausgeführt. Die Klin. habe in Deutschland kein eigenes Personal. Aufgrund dieser
Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klin. eine Betriebsstätte in Deutschland im Sinne des Umsatzsteuergesetzes
unterhalte. Betriebsstätte i.S des Umsatzsteuergesetzes sei jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit
des Unternehmers dient und die über einen Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügt. Diese Voraussetzungen seien
nicht erfüllt. Da die Klin. in Deutschland weder Wohnsitz, Sitz, Geschäftsleitung noch eine Zweigniederlassung habe, handele
es sich um einen im Ausland ansässigen Unternehmer. Infolgedessen schulde die Klin. die in ihren Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer
gem. § 14c Abs. 2 UStG; der Vorsteuerabzug sei zu versagen.
Am 27.01.2010 erließ der Beklagte (Bekl.) einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid für das
Jahr 2008, mit welchem die Umsatzsteuer auf 64.205,94 EUR festgesetzt wurde. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der
Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2010 unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung zurück.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klin. geltend, dass sie durch den Bekl. zu Unrecht als im Ausland ansässiger Unternehmer
qualifiziert werde. Sie weist darauf hin, dass sie in Dänemark über keinerlei geschäftliche Ausstattung verfüge. Zwar handele
es sich bei ihr um eine Personenhandelsgesellschaft, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Wirtschaftlich betrachtet handele
es sich für ihre Gesellschafter allerdings um eine bloße Kapitalanlage. Die Gesellschafter seien mit dem Betrieb der Windkraftanlagen
nicht befasst. Die Windkraftanlagen würden durch einen Projektinitiator geplant und errichtet; dieser schließe außerdem langfristige
Stromlieferverträge ab und beauftrage einen geeigneten Verwalter.
Die Klin. macht geltend, dass der Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland liege. Es handele sich bei den Windkrafträdern
um eine stationäre Anlage, die mit hohem Kapitaleinsatz errichtet worden sei. Am Sitz bzw. Wohnort der Gesellschafter und
Geschäftsführer befinde sich in Konstellationen wie der vorliegenden regelmäßig kein eingerichteter Betrieb mit Räumen und
Mitarbeitern. Die Windkraftanlage sei insoweit ein Beispiel für eine moderne, besonders hochentwickelte Arbeitsteilung. Zur
weiteren rechtlichen Begründung geht die Klin. auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein (Urteile in den Rechtssachen
C-168/84, C-231/94, C-260/95, C-190/95, C-73/06). Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 18.05.2010, 15.12.2010
und vom 19.06.2013 Bezug genommen.
Am 19.08.2013 hat der Bekl. einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2008 gem. § 164 Abs. 2 AO erlassen, mit dem die Umsatzsteuer
(verbösernd) auf 117.807,70 EUR festgesetzt wurde.
Die Klin. beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 27.01.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2010 und des Änderungsbescheides
vom 19.08.2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 88.378,05 EUR festgesetzt wird.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Er macht geltend, dass die Klin. über keine feste Niederlassung in Deutschland verfüge. Eine feste Niederlassung setze einen
Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln voraus, zumindest ein Büro, in dem Verträge abgefasst und Entscheidungen getroffen
werden. Einrichtungen, in der nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten durchgeführt werden, seien keine feste
Niederlassung. Auch die von Zeit zu Zeit erfolgende Wartung von Anlagen begründe keine feste Niederlassung. Auch der Sitz
der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klin. liege nicht Deutschland. Dies sei der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen
zur Leitung getroffen und Handlungen zu derer zentraler Verwaltung vorgenommen werden, wo beispielsweise die Führungskräfte
die wesentlichen Entscheidungen treffen, allgemeine Leitungsaufgaben erfüllen und die zentrale Verwaltung stattfindet. Allein
der Umstand, dass die Klin. nach deutschem Recht errichtet ist, begründe keinen Sitz in Deutschland im Sinne des Umsatzsteuerrechts
Die entscheidenden Tätigkeiten, die zum Unternehmenserfolg der Klin führten, lägen im Abfassen, Aushandeln und Unterzeichnen
der Verträge und im Bereitstellen der Anlagen. All diese Handlungen würden letztendlich von den hinter den dänischen Gesellschaften
stehenden natürlichen Personen vorgenommen. Die Handlungen der Fa. D. GmbH könnten der Klin. nicht als eigene unternehmerische
Tätigkeit zugerechnet werden. Es wird auf die Schriftsätze des Bekl. vom 30.06.2010 und vom 23.04.2013 Bezug genommen.
Die mündliche Verhandlung vor dem Senat hat am 05.09.2013 stattgefunden. Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 19.08.2013 ist gem. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klin.
in ihren Rechten, soweit der Bekl. eine Umsatzsteuer von mehr als 88.378,05 EUR festgesetzt hat.
1.
Die Klin. ist unstreitig als Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG tätig geworden. Sie hat durch die Stromlieferungen an
die Gemeindewerke H. GmbH sonstige Leistungen i.S. § 3 Abs. 9 UStG erbracht, die gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG in Deutschland
steuerbar sind.
Zu unterscheiden ist zwischen dem Zeitraum Januar bis Juni 2008 und Juli bis Dezember 2008. Für die Umsätze der ersten Jahreshälfte
wird die Umsatzsteuer durch die Klin. geschuldet; sie ist für diesen Zeitraum als im Inland ansässige Unternehmerin anzusehen,
da sie mit den Windkraftanlagen über eine feste Niederlassung in Deutschland verfügte. Für die Stromlieferungen der zweiten
Jahreshälfte erscheint unklar, ob diese durch die Klin. oder durch die Erwerbergesellschaften bewirkt worden sind. Dies kann
jedoch dahinstehen, da die Klin. – falls sie keine Leistungen mehr erbracht hat – die in den von ihr ausgestellten Rechnungen
ausgewiesene Umsatzsteuer jedenfalls nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet. Die Rechnungsberichtigungen sind nicht im Streitjahr
erfolgt und können somit für das Streitjahr keine Berücksichtigung finden.
a.
Für die Umsätze der ersten Jahreshälfte in Höhe von 337.926,64 EUR wird die Umsatzsteuer gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG von
der Klin. geschuldet. Entgegen der Auffassung des Bekl. kommt es nicht zu einer Steuerschuldumkehr gem. § 13b Abs. 1 Nr. 5
i.V.m. Abs. 4 UStG a.F. Denn die Klin. ist in diesem Zeitraum nicht als im Ausland ansässiger Unternehmer i.S. des § 13b Abs.
4 UStG a.F. zu qualifizieren.
Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist gem. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F. ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf
einem der dem Inland gleichgestellten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung
hat.
Vorliegend verfügte die Klin. jedenfalls über eine Zweigniederlassung in Deutschland, welche durch die Windräder begründet
wird.
Der Begriff der Zweigniederlassung in § 13b Abs. 4 UStG a.F. ist richtlinienkonform auszulegen. Gemeint ist die feste Niederlassung
bzw. Betriebsstätte. Danach verlangt der Niederlassungsbegriff einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung
bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand. Erforderlich ist ein hinreichender
Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung
der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (EuGH-Urteil vom 02.05.2006 C-260/95, „Planzer”, Slg. 2007, I-5655; vom 20.02.1997
C-260/95, „DFDS”, Slg. 1997, I-1005; vom 17.07.1997 C-190/95, „ARO Lease”, Slg. 1997, I-4383 Rdnr. 15). Diese Rechtsprechung
hat Berücksichtigung in der Verordnung Nr. 282/2011 gefunden, die allerdings erst zum 15.03.2011 in Kraft getreten ist. Gem.
Art. 11 Abs. 2 der Verordnung gilt als feste Niederlassung jede Niederlassung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit
sowie eine Struktur aufweist, dies es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen.
Aufgrund des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung ist eine Eintragung der Zweigniederlassung in das Handelsregister gemäß
§ 12 Satz 2 Nr. 2 AO für das Vorliegen einer Zweigniederlassung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nicht erforderlich (vgl.
FG München, Urteil vom 28.06.2006 3 K 4109/04, EFG 2006, 1545).
Die Windräder der Klin. stellen eine Zweigniederlassung (= Betriebsstätte) im vorgenannten Sinne dar. Es handelt sich bei
den Windrädern um ortsfeste Einrichtungen von erheblichem Wert, die einen höchstmöglichen Grad von Beständigkeit aufweisen.
Der Umstand, dass die Klin. über kein eigenes Personal verfügt, welches ständig vor Ort bei den Windkraftanlagen tätig ist,
steht der Annahme einer festen Niederlassung unter Würdigung der Gesamtumstände nicht entgegen. Zwar ist grundsätzlich auch
die personelle Ausstattung eines der wesentlichen Elemente einer festen Niederlassung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die
Kriterien der personellen und der technischen Ausstattung stets im gleichen Maße erfüllt sein müssen; vielmehr kann eine gering
ausgeprägte – oder in Ausnahmefällen sogar fehlende – personelle Ausstattung durch eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte
sachliche Ausstattung kompensiert werden. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Es ist nach Auffassung des Senats kaum
ein höherer Grad an Beständigkeit einer betrieblichen Niederlassung vorstellbar als bei einem Windrad. Der Umstand, dass die
Wartungs- und die Verwaltungsarbeiten von beauftragten Dienstleistern und nicht von eigenem Personal der Klin. durchgeführt
werden, steht der Annahme einer Betriebsstätte im vorliegenden Fall nicht entgegen. Unterstützende Verwaltungstechnische Aufgaben
wie Buchhaltung, Rechnungslegung und die Einziehung von Forderungen sind für die Beurteilung als Betriebsstätte nicht ausschlaggebend
(EuGH-Urteil vom 02.05.2006 C-260/95, „Planzer”, Slg. 2007, I-5655).
Der Senat ist daher der Auffassung, dass bei einer ortsfesten Betriebsvorrichtung, die – wie im Streitfall – ohne Zutun von
Personal Umsätze erbringt, für die Frage der Ansässigkeit nicht auf das Vorhandensein von eigenem Personal abgestellt werden
kann. Ausreichend muss in diesem Fall Fremdpersonal sein, das im Streitfall durch den Abschluss von Geschäftsbesorgungsverträgen
in die Leistungserbringung der Klin. eingebunden war. Nach Auffassung des Senats reicht in Fällen wie diesem sogar das bloße
Vorhandensein der ortsfesten Anlage ohne Fremd- oder Eigenpersonal zur Begründung einer Ansässigkeit aus, weil die Leistungserbringung
(= Stromlieferung) als solche keinen Personaleinsatz erfordert.
b.
Für die Umsätze der zweiten Jahreshälfte wird die Umsatzsteuer durch die Klin. jedenfalls gem. § 14c Abs. 2 UStG geschuldet.
Nach den Gesamtumständen erscheint zweifelhaft, ob die Stromlieferungen an die Gemeindewerke H GmbH im zweiten Halbjahr noch
durch die Klin. oder bereits durch die Erwerber der Windräder bewirkt worden sind. Entgegen der Umsatzsteuererklärung der
Klin. erscheint möglich, dass die Klin. Stromlieferungen an die Gemeindewerke H GmbH auch in den Monaten Juli bis Dezember
2008 ausgeführt hat. Wer als leistender Unternehmer anzusehen ist, bestimmt sich nach den zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen.
Ungeachtet der Veräußerung der drei Windräder durch die Klin. ist nicht ersichtlich, dass die erwerbenden Gesellschaften in
den Liefervertrag mit der Gemeindewerke H GmbH eingetreten sind. Dass die Klin. auch nach Veräußerung der Windkraftanlagen
gegenüber der Gemeindewerke H. GmbH als leistender Unternehmer aufgetreten ist, zeigt sich an den Rechnungen, welche im Namen
der Klin. gestellt sind. Auch hat die Klin. vorgetragen, dass sie die Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben für die neuen
Eigentümer der Windkraftanlagen vornimmt.
Die Frage, ob die Klin. auch in der zweiten Jahreshälfte 2008 Stromlieferungen an die Gemeindewerke H GmbH im eigenen Namen
erbracht hat, kann im vorliegenden Verfahren indes dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Klin. keine Stromlieferungen
erbracht hat oder aber Stromlieferungen erbracht hat, für welche die Umsatzsteuer gem. § 13b Abs. 1 Nr. 5 UStG durch die Gemeindewerke
H. GmbH geschuldet wird, schuldet die Klin. die Umsatzsteuer, die sie in den Rechnungen an die Gemeindewerke H. GmbH ausgewiesen
hat, gem. § 14c Abs. 2 UStG. Die Höhe der Netto-Umsätze beträgt insgesamt 282.115,41 EUR; die hierauf ausgewiesene Umsatzsteuer
beträgt 53.601,77.
Die von der Klin. vorgelegten Stornorechnungen für die Monate Juli bis Dezember 2008 führen nicht zum Wegfall der Umsatzsteuerschuld.
Es handelt sich um eine Rechnungsberichtigung gem. § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG, die erst in dem Jahr berücksichtigt wird, in
welchem die Berichtigung durchgeführt wird. Die Stornorechnungen sind erst am 19.06.2013 ausgestellt worden.
2.
Die Klin. hat Anspruch auf Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in Höhe von 29.429,65 EUR. Es handelt sich um
die Vorsteuerbeträge für Leistungsbezüge im ersten Halbjahr 2008. Die Höhe der anzuerkennenden Vorsteuern ist zwischen den
Beteiligten unstreitig. Der Vorsteuerabzug wäre im Übrigen auch dann zu gewähren, wenn die Klin. eigene Stromlieferungen auch
im 2. Halbjahr 20008 erbracht hätte und die Vorsteuern auf Leistungsbezüge im zweiten Halbjahr entfielen. Die Klin. ist hier
nicht auf das Vergütungsverfahren zu verweisen. Denn das Regelbesteuerungsverfahren und Vergütungsverfahren sind nur alternativ,
nicht aber auch kumulativ anzuwenden. Besteht für einen Steuerpflichtigen die Verpflichtung, Voranmeldungen und Jahressteuererklärung
im Regelbesteuerungsverfahren abzugeben, hat er auch den Anspruch auf Vorsteuerabzug in diesem Verfahren geltend zu machen.
(BFH, Urteil vom 07.03.2013 – V R 12/12 –, juris).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Obwohl dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag in vollem
Umfang entsprochen wurde, trägt die Klin. einen Teil der Kosten des Verfahrens, da ihr ursprünglicher angekündigter und verfolgter
Klageantrag weitergehend war. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.