13.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141684
Finanzgericht Köln: Urteil vom 07.05.2014 – 14 K 2405/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln
14 K 2405/13
Tenor:
Unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2013 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe für ihre am .... August 2012 geborene Tochter für die Monate August 2012 bis Juni 2013 zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Kindergeld für das am .... August 2012 geborene Kind der Klägerin für den Streitzeitraum von August 2012 bis Juni 2013.
Die Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige. Die Tochter der Klägerin ist deutsche Staatsangehörige.
Die Klägerin reiste mit einem Besuchsvisum, gültig vom .... November 2011 bis 19. November 2011, ausgestellt durch eine Botschaft in Nigeria, am .... November 2011 in die Bunderepublik Deutschland ein. Nach Ablauf des Visums verließ sie die Bunderepublik Deutschland jedoch nicht. Am .... Juni 2012 begehrte die Klägerin aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft mit voraussichtlichem Entbindungstermin vom 24. August 2012, ihr eine Duldung zu erteilen und sie zur Wohnsitznahme nach A zuzuweisen. Dem Antrag war eine notarielle Urkunde des Notars B beigefügt, in der G die Vaterschaft für das Kind der Klägerin anerkennt. Herr G besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Ab dem .... Juli 2012 gewährte daraufhin der Oberbürgermeister der Stadt A gemäß § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eine Duldung und Wohnsitznahme in A.
Nachdem die Klägerin ihr Kind geboren hatte, beantragte sie am .... September 2012 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
Der Oberbürgermeister der Stadt A zweifelte die biologische Vaterschaft des Herrn G an und teilte der Klägerin am 31. Oktober 2012 mit, dass ein Verfahren zur Überprüfung der Vaterschaft bei der Bezirksregierung A eingeleitet worden sei.
Am 28. Juni 2013 übersandte die Klägerin dem Oberbürgermeister der Stadt A, ein Vaterschaftsgutachten vom 15. April 2013, welches die Vaterschaft des G bestätigte. Auf das Gutachten in der Akte des Ausländeramtes der Stadt A wird verwiesen.
Am .... Juli 2013 hat die Klägerin daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erhalten.
Am .... Oktober 2012 beantragte die Klägerin für ihr Kind bei der Beklagten Kindergeld.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 62 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum gültigen Fassung (EStG) einem ausländischen Staatsangehörigen nur dann Kindergeld zustehe, wenn er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe. Dies gelte jedoch nicht, sofern die Aufenthaltserlaubnis nach § 16 oder § 17 AufenthG zum Zweck einer Ausbildung bzw. nach § 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 oder 4 AufenthG zum Zweck einer Erwerbstätigkeit für einen befristeten Zeitraum nach der Beschäftigungsverordnung ausgestellt worden sei. Sei die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24 oder 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt worden, so könne ein Anspruch auf Kindergeld nur bestehen, wenn sich der Antragsteller mindestens drei Jahre rechtmäßig gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalte und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sei, Geldleistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches beziehe oder Elternzeit, die eine Erwerbstätigkeit unterbreche in Anspruch nehme.
Nach den ihr vorliegenden Unterlagen erfülle die Klägerin die Voraussetzungen des § 62 EStG nicht.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt, zu dessen Begründung sie vortrug, ihr Kind besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Kindergeld sei auch zu gewähren, wenn die Erteilung des Aufenthaltstitels unmittelbar bevorstünde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2013 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin sei nur im Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Sie sei somit nicht im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG seien somit nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ihre Tochter sei von Geburt deutsche Staatsangehörige. Ihr hätte damit schon mit der Geburt die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müssen.
Nach § 33 AufenthG sei der Aufenthaltstitel vom Amtswegen zu erteilen, mithin sei auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt der Ersterteilung. Im Übrigen sei die Fiktionswirkung des § 81 AufenthG zu berücksichtigen, da der Aufenthalt bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis fingiert werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2013 die Beklagte zu verpflichten ihr Kindergeld in gesetzlicher Höhe für ihre am .... August 2012 geborene Tochter für die Monate August 2012 bis Juni 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin sei erst seit dem .... Juli 2013 in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Somit erfülle die Klägerin seit Juli 2013 die Voraussetzungen zum Bezug von Kindergeld gemäß § 62 Abs. 2 EStG. Für einen Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 2 EStG sei entscheidend, dass die Niederlassungserlaubnis bzw. der Aufenthaltstitel tatsächlich von der Ausländerbehörde erteilt worden sei. Da dies am .... Juli 2013 der Fall gewesen sei, sei eine Festsetzung des Kindergeldes erst ab Juli 2013 möglich. Die Klage könne daher nur für Juli 2013 Erfolg haben. Für den Zeitraum von August 2012 bis Juni 2013 habe die Klage keinen Erfolg.
§ 62 Abs. 2 EStG knüpfe zur Beurteilung der Kindergeldgewährung bei einem nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer an den Aufenthaltstitel an, den der Betroffene „besitze“, d.h. tatsächliches in den Händen halten. Der Gesetzeswortlaut sei insoweit eindeutig; das ausdrückliche Zubilligen des Aufenthaltsrechts durch Verwaltungsakt sei Voraussetzung für den Kindergeldanspruch. Für die Anknüpfung des Kindergeldrechts an getroffene Entscheidungen der Ausländerbehörde bestünden vernünftige Gründe. Es sei weder sinnvoll noch praktikabel noch ihr (der Beklagten) zumuten, wenn diese zu überprüfen habe, ob die Ausländerbehörde einen bestimmten Aufenthaltstitel zu Unrecht erteilt habe bzw. ob die Ausländerbehörde den Titel früher (ggf. wieviele Monate früher) habe erteilen können und sollen oder ob der Betroffene eingetretene Verzögerungen bei der Erlangung des Titels selbst zu vertreten habe.
Ergänzend weist sie auf die sie bindende Weisungslage in der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (Da-FamEStG) Stand 2013 DA 62.3.1. Abs. 3 hin, wonach bei Vorlage eines der in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstitel „das Datum seiner Erteilung zu Grunde zu legen“ sei; ein rückwirkender Anspruch werde dadurch nicht begründet. Zudem weist sie auf das ergangene rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22. Juni 2011 7 K 3581/10 Kg hin. In der Urteilsbegründung führe das Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus, dass es unerheblich sei, ob der Klägerin -- wie diese geltend mache -- eine Aufenthaltserlaubnis zustehe oder nicht. Maßgeblich sei der ausländerrechtliche Status, der von den Ausländerbehörden verliehen werde. Dieser sei im finanzgerichtlichen Verfahren ohne eine erneute Prüfung zu übernehmen. Da der Klägerin vorliegend keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, sei sie nicht kindergeldberechtigt.
Das Finanzgericht hat die Akten der Ausländerbehörde Az. 1 beigezogen.
Auf Nachfrage des Gerichts teilte das Amt für öffentliche Ordnung Ausländerangelegenheiten Bezirk A1 durch Frau E mit, dass sie nach Durchsicht der Akte zu der Erkenntnis gelange, dass die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin nicht ab dem Zeitpunkt der Geburt gelte, sondern ab dem Zeitpunkt der Ersterteilung am .... Juli 2013.
Mit Schreiben vom 9. April 2014 teilte der Vorgesetzte von Frau E, Gruppenleiter Herr D mit, dass der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab Geburt des Kindes entstanden sei. Dementsprechend gelte die aufenthaltsrechtliche Wirkung der Aufenthaltserlaubnis ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes.
Mit richterlicher Verfügung wies der Berichterstatter die Beklagte darauf hin, dass es in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt sei, dass ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen kann, wenn er hieran ein schutzwürdiges Interesse habe. Das schutzwürdige Interesse der Klägerin an der -- vom Oberbürgermeister der Stadt A bestätigten -- rückwirkenden aufenthaltsrechtlichen Wirkung der Aufenthaltserlaubnis ergebe sich im Streitfall schon aus dem ab der Geburt des Kindes bestehenden Anspruch auf Kindergeld. Darüber hinaus wies der Berichterstatter auf das Urteil des Senats vom 18. Januar 2012 14 K 2077/11 hin, welches einen gleichgelagerten Fall zum Gegenstand hatte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für das am .... August 2012 geborene Kind der Klägerin für die Zeit von August 2012 bis Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 101 Satz 1, 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Die Klägerin hat als Anspruchsberechtigte nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter für die Monate August 2012 bis Juni 2013.
Nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG hat ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, für Kinder im Sinne des § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde nach § 16 oder § 17 des AufenthG erteilt (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder nach § 18 Abs. 2 AufenthG erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG), oder nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt.
a) Die Klägerin hat ihren Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO--) im Inland inne. Ihre Tochter ist im ersten Grad mit der Klägerin verwandtes Kind, § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V. mit § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
b) Die Klägerin besitzt auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Ausländer (nur und erst) dann im „Besitz“ einer für den Kindergeldanspruch erforderlichen Aufenthaltsberechtigung oder ‑erlaubnis, wenn er einen dieser Aufenthaltstitel tatsächlich „in den Händen hält“. Dies bedeutet, dass es für den „Besitz“ einer Aufenthaltsberechtigung nicht ausreicht, dass ein Anspruch auf einen entsprechenden Titel oder eine entsprechende Genehmigung besteht (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. April 2010 III R 1/08, BFHE 229, 262, BStBl II 2010, 980; BFH-Beschluss vom 6. Mai 2011 III B 130/10, BFH/NV 2011, 1353). Vielmehr muss dem Ausländer das Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland durch entsprechenden Verwaltungsakt zugebilligt worden sein (z.B. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1997 VI B 147/97, BFH/NV 1998, 696).
bb) Allerdings ist der Gesetzesbegriff des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG „besitzt“ Ursache von Missverständnissen. Der Besitzbegriff des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist nicht mit demjenigen des § 854 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gleichzusetzen. Nach § 854 Abs. 1 BGB wird der Besitz durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Sachen sind in § 90 BGB als körperliche Gegenstände legaldefiniert. Eine Erlaubnis ist indes keine Sache in diesem Sinne, sondern ein Recht, das als solches nicht dem „Besitz“ im Sinne des § 854 BGB zugänglich ist. Unerheblich ist es, ob der Ausländer sich im Besitz der Urkunde – also einer Sache – über das Recht der Erlaubnis befindet. Das Erfordernis eines Urkundsbesitzes ist § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht zu entnehmen. „Besitz“ einer Aufenthaltserlaubnis bedeutet damit die tatsächliche Inhaberschaft des Rechts der Erlaubnis. Dieses Recht entsteht erst durch die Erteilung eines entsprechenden Verwaltungsaktes durch die Ausländerbehörde und nicht schon dadurch, dass der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung erfüllt und/oder eine Erlaubnis beantragt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 696; Senatsurteil vom 18. Januar 2012 14 K 2077/11, rkr., nv).
cc) Da alle Voraussetzungen der Kindergeldberechtigung stets – für zumindest einen Tag – für jeden Kalendermonat, für den Kindergeld begehrt wird, erfüllt sein müssen (§ 66 Abs. 2 EStG), muss die Erlaubnis für den Zeitraum tatsächlich erteilt sein, für den Kindergeld beantragt wird. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer „gegenwärtig“, d.h. zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Maßgeblich ist vielmehr der Streitzeitraum (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1353, unter 1 a.E.). Es ist demnach unerheblich, ob die Erlaubnis in diesem Zeitraum tatsächlich vorlag. Maßgeblich ist allein, dass sie mit Wirkung für diesen Zeitraum erteilt ist (so ausdrücklich BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 696, der darauf abstellt, dass „das Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik durch entsprechenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Bezugszeit des Kindergeldes zugebilligt worden ist.“; ebenso BFH-Urteil vom 17. April 2008 III R 16/05, BFHE 221, 43, BStBl II 2009, 918, unter II.3.b. „für den Zeitraum“). Dem Gesetz kann, da der Besitzbegriff in § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht an eine tatsächliche Sachherrschaft, die ihrer Natur nach nicht rückwirkend eingeräumt werden kann, sondern an ein Recht, das auch rückwirkend erteilt werden kann, anknüpft, nicht entnommen werden, dass die Erlaubnis bereits im Zeitraum, für den Kindergeld begehrt wird, erteilt worden sein muss. Der Zeitpunkt der Erteilung ist vielmehr insoweit von Bedeutung, als die Erlaubnis spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im finanzgerichtlichen Verfahren erteilt sein muss.
Dementsprechend hat der BFH auch mit Beschluss vom 20. Dezember 2007 (III R 87/03, juris) und dem nachfolgend mit Urteil vom 15. März 2012 (III R 87/03, BFH/NV 2012, 1603) entschieden, dass der nachträglich rückwirkende Entzug der Aufenthaltserlaubnis zum Verlust des Anspruchs auf Kindergeld führt. Er hat dabei die Frage der Rechtskraft eines Urteils über die Entziehung der Erlaubnis als vorgreiflich für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch angesehen. Eine solche Vorgreiflichkeit könnte indes nicht angenommen werden, wenn es lediglich auf den Urkundsbesitz an der Aufenthaltserlaubnis während des Kindergeldzeitraums ankäme.
Führt der rückwirkende Entzug der Aufenthaltserlaubnis zum -- rückwirkenden -- Verlust der Kindergeldberechtigung, so muss der umgekehrte Vorgang, nämlich die rückwirkende Erteilung der Erlaubnis, auch die umgekehrte kindergeldrechtliche Rechtsfolge auslösen. Bei nachträglicher rückwirkender Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entsteht demnach auch rückwirkend der Kindergeldanspruch (a.A. offenbar Da-FamEStG Stand 2013 DA 62.3.1. Abs. 3). Andernfalls würden z.B. diejenigen kindergeldrechtlich rechtlos gestellt, die ihre Aufenthaltserlaubnis erst durch ein Klageverfahren erstreiten müssen. Dies ist nach Auffassung des Senats mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) nicht vereinbar. Auch hängt der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis häufig von Zufälligkeiten ab, wie z.B. im Streitfall dem Geburtszeitpunkt des Kindes, dem .... August 2012, oder dem Gesundheitszustand der Mutter nach der Geburt, aufgrund dessen die Mutter gar nicht in der Lage war, einen Antrag bei der Ausländerbehörde zu stellen oder -- wie ebenfalls im Streitfall -- der jeweiligen Bearbeitungsdauer des Antrages bei der Ausländerbehörde. Für die Gewährung von Kindergeld allein auf das Datum der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzustellen und damit den Kindergeldanspruch u.a. vom Gesundheitszustand der Mutter, dem Zeitpunkt der Geburt und der Bearbeitungsdauer in der Ausländerbehörde abhängig zu machen, ist kein sachliches Kriterium, welches eine Differenzierung rechtfertigen und damit den Anforderungen des Gleichheitsbehandlungsgrundsatzes genügen könnte, Art. 3 Abs. 1 und 3 GG Der Senat hält es vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und der einfachgesetzlichen Regelung des § 66 Abs. 2 EStG, wonach die Voraussetzungen der Kindergeldberechtigung für zumindest einen Tag des Monats für den Kindergeld beansprucht wird, erfüllt sein müssen, für zwingend geboten, der rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch die rückwirkende Entstehung des Kindergeldanspruchs folgen zu lassen. Die Klägerin kann insoweit für diese Zeit auch nicht auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegenüber der Ausländerbehörde verwiesen werden, denn die Entstehung des Kindergeldanspruchs nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist -- anders als der Schadensersatzanspruch aus einer etwaigen Amtspflichtverletzung i.S. des Art. 34 GG, § 839 BGB -- verschuldensunabhängig. Soweit sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 1996 10 RKg 24/95, RegNr 22872 (BSG-Intern), juris, etwas anderes ergeben sollte, kann sich der Senat dem aus den vorgenannten Gründen jedenfalls nicht anschließen.
dd) Der Oberbürgermeister der Stadt A hat mit Schreiben vom 9. April 2014 mitgeteilt, dass der Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab Geburt der Tochter der Klägerin am .... August 2012 entstanden ist und dementsprechend die aufenthaltsrechtliche Wirkung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes gilt. Damit „besitzt“ die Klägerin die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG rückwirkend zum .... August 2012. Zugleich sind damit rückwirkend die ausländerrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für die Monate August 2012 bis Juni 2013 erfüllt.
Dies entspricht der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, in der anerkannt ist, dass ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen kann, wenn er hieran eine schutzwürdiges Interesse hat (vgl. z.B. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2010 1 C 19/09, juris; vom 9. Juni 2009 1 C 7/08, juris; vom 29. September 1998 1 C 14/97, juris; ebenso auch Urteil des Oberverwaltungsgerichts ‑-OVG-- Berlin-Brandenburg vom 24. November 2011, OVG 2 B 21/10, juris). Das schutzwürdige Interesse der Klägerin an der vom Oberbürgermeister der Stadt A bestätigten rückwirkenden aufenthaltsrechtlichen Wirkung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich im Streitfall aus dem damit ab Geburt der Tochter der Klägerin bestehenden Anspruch der Klägerin auf Kindergeld.
ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten, ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten, die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen der für den Kindergeldanspruch erforderlichen Aufenthaltserlaubnis überprüfen zu müssen. Diese Überprüfung obliegt vielmehr allein der für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zuständigen Behörde. Im Streitfall hat diese bestätigt, dass die aufenthaltsrechtliche Wirkung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes am .... August 2012 gilt. An diese Feststellung ist die Beklagte gebunden.
2. Die Sache ist spruchreif.
Der Klägerin steht ein Anspruch nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf Kindergeld für ihre Tochter für die Monate August 2012 bis Juni 2013 zu. Die Beklagte war daher zu verpflichten der Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe für ihre am .... August 2012 geborene Tochter für die Monate August 2012 bis Juni 2013 zu gewähren, § 101 Satz 1, 1. Alternative FGO.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.