03.02.2016 · IWW-Abrufnummer 183467
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 22.09.2015 – I B 83/14
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. Juli 2014 4 K 1134/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
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I. Der im Inland wohnende Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt eine Praxis in A (Bundesrepublik Deutschland —Deutschland—). Er erwarb im Streitjahr (2009) eine Eigentumswohnung in B (Österreich), die er vermietete.
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Die österreichische Finanzverwaltung erließ gegenüber dem Kläger einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem dessen —dort der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden— Einkünfte wie folgt berechnet wurden:
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Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- 5.789,60 €
Sonderausgaben (§ 18 des österreichischen Einkommensteuergesetzes 1988 —öEStG 1988—)
- 80,00 €
Einkommen
- 5.849,60 €
Hinzurechnung gemäß § 102 Abs. 3 öEStG 1988
9.000,00 €
Einkommsteuer-Bemessungsgrundlage
3.150,40 €
darauf entfallende Einkommensteuer
0 €
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Gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) erklärte der Kläger für das Streitjahr einen Verlust aus der Vermietung der Wohnung von 10.033,70 €. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem Verlust "gemäß Mitteilung FA B" in Höhe von 5.789,60 € und Schuldzinsen in Höhe von 4.244,10 €.
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Das FA berücksichtigte den Verlust bei Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr weder im Rahmen der steuerlichen Bemessungsgrundlage noch bei der Bemessung des Steuersatzes im Rahmen des (negativen) Progressionsvorbehalts nach Maßgabe von § 32b des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009). Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, der Verlust müsse aus unionsrechtlichen Gründen als sog. "finaler" Verlust aus Vermietung und Verpachtung mit seinen positiven inländischen Einkünften verrechnet werden. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat sie mit Urteil vom 8. Juli 2014 4 K 1134/12 (Deutsches Steuerrecht/ Entscheidungsdienst 2015, 1293) als unbegründet abgewiesen.
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Der Kläger beantragt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil.
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Das FA hat sich zu der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geäußert.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) liegt nicht vor.
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1. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung möchte der Kläger zunächst geklärt wissen:
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"Begründet der Umstand, dass ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, dem kraft Doppelbesteuerungsabkommen als Belegenheitsstaat im Wege der Freistellungsmethode das Besteuerungsrecht zugewiesen ist, nur eine einzige Einkommensquelle unterhält und aus dieser Verluste erleidet, die im Belegenheitsstaat nicht vortragsfähig sind, einen aus tatsächlichen Gründen erlittenen und finalen, da nicht mit weiteren Einkünften im Belegenheitsstaat verrechenbaren Verlust, der trotz DBA-rechtlicher Freistellung entgegen der sog. Symmetriethese in die inländische Einkünfteermittlung einzubeziehen ist?"
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Diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschlüsse vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445, und vom 25. März 2013 I B 26/12, BFH/NV 2013, 1061). So liegen die Dinge hier. Die zur Prüfung gestellte Frage ist anhand der bereits ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des beschließenden Senats eindeutig zu verneinen.
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a) Die erwähnte Rechtsprechung definiert die Voraussetzungen, unter denen der Ansässigkeitsstaat Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen aufgrund des prinzipiellen Anwendungsvorrangs unionsrechtlichen Primärrechts (und damit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten) berücksichtigen muss, obwohl die betreffenden Verluste nach der bestehenden Abkommenslage ebenso von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat freizustellen wären, wie Betriebsstättengewinne (sog. Symmetriethese). Die Rechtsprechung besagt, dass die abkommensrechtliche Freistellung der Verluste dann nicht gegen die gemeinschaftlichen Grundfreiheiten verstößt, wenn die Verluste der Betriebsstätte bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können (z.B. EuGH-Urteil Lidl Belgium vom 15. Mai 2008 C–414/06, EU:C:2008:278, BStBl II 2009, 692), also nicht "final" sind. Trotz einer derartigen Finalität müssen die Verluste im Ansässigkeitsstaat aber wiederum dann nicht berücksichtigt werden, wenn die Finalität darauf beruht, dass nach dem Recht des Betriebsstättenstaats keine oder nur eine eingeschränkte Verlustabzugsmöglichkeit besteht. Denn selbst wenn man unterstellt, dass das Zusammenwirken der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat mit der Besteuerung im Betriebsstättenstaat zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen kann, ist eine solche Beschränkung ausschließlich dem letztgenannten Staat zuzurechnen (EuGH-Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt vom 23. Oktober 2008 C–157/07, EU:C:2008:588, BStBl II 2009, 566; Senatsurteile vom 9. Juni 2010 I R 100/09, BFHE 230, 30, BStBl II 2010, 1065; vom 9. Juni 2010 I R 107/09, BFHE 230, 35).
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Letzteres ist hier der Fall. Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz konnte der im Streitjahr entstandene Vermietungsverlust des Klägers in Österreich deshalb nicht auf die nachfolgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden, weil nach der dortigen Rechtslage im Streitjahr der Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten (Gewerbebetrieb, Land– und Forstwirtschaft und selbständige Arbeit) beschränkt war und negative Überschusseinkünfte wie jene aus Vermietung und Verpachtung, denen im gleichen Jahr keine Gewinne oder Überschüsse gegenübergestanden haben, folglich nicht vortragsfähig gewesen sind. Die "Finalität" des im Streitjahr erlittenen Vermietungsverlusts ist demnach auf eine rechtliche Einschränkung der Verlustabzugsmöglichkeiten durch den österreichischen Staat zurückzuführen.
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b) Selbst wenn die zu Unternehmensgewinnen i.S. von Art. 7 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) ergangene Rechtsprechung zu den finalen Betriebsstättenverlusten auf die hier streitgegenständlichen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000, BGBl II 2002, 735, BStBl I 2002, 584 bzw. Art. 6 OECD-MustAbk) übertragbar wäre, wäre der vom Kläger in Österreich erlittene Verlust daher nicht mit dessen inländischen Einkünften verrechenbar.
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c) Dieser Befund kann nicht —wie aber der Kläger meint— in ein Fehlen von Verlustabzugsmöglichkeiten aus tatsächlichen Gründen umgedeutet werden, sodass die Verluste ausnahmsweise entgegen der Symmetriethese im Inland zu berücksichtigen wären (s. dazu z.B. Senatsurteil vom 5. Februar 2014 I R 48/11, BFHE 244, 371, m.w.N.). Er macht mit der zur Klärung gestellten Frage geltend, er habe den Verlust in Österreich letztlich deshalb nicht nutzen können, weil er dort im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten erzielt habe, die mit den Vermietungsverlusten verrechenbar gewesen wären und sei deshalb aus tatsächlichen Gründen an der Verlustnutzung gehindert gewesen. Der Umstand, dass dem Kläger die Verrechnung des Vermietungsverlusts mit positiven anderweitigen österreichischen Einkünften nach dortigem Recht möglich gewesen wäre, ändert indes nichts daran, dass die Ursache für die Finalität des Verlusts in der eingeschränkten Verlustnutzungsmöglichkeit nach österreichischem Recht liegt. Deutschland als Ansässigkeitsstaat ist nicht aus unionsrechtlichen Gründen gehalten, diese Einschränkung des Belegenheitsstaats durch Schaffung von Verrechnungsmöglichkeiten mit inländischen Einkünften zu kompensieren.
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2. Des Weiteren stellt der Kläger zur Klärung durch den Senat, ob "die Abgrenzung von aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen final erlittenen Verlusten derart willkürlich (ist), dass auch aus rechtlichen Gründen erlittene finale Verluste wegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers für die Besteuerung des Welteinkommens entgegen der Symmetriethese aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips zu berücksichtigen sind".
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Auch diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sinnhaftigkeit und Praktikabilität der nach der EuGH-Rechtsprechung gebotenen Abgrenzung zwischen berücksichtigungspflichtigen und nicht berücksichtigungsfähigen "finalen" ausländischen Betriebsstättenverlusten sind in Verfahren vor dem EuGH schon mehrfach und fundamental in Zweifel gezogen worden. Der EuGH hat sich dadurch jedoch nicht von seiner Spruchpraxis abbringen lassen, sondern diese kontinuierlich immer wieder bekräftigt. Auf die Ausführungen und Nachweise im Senatsurteil in BFHE 244, 371 (dort Rz 11) wird Bezug genommen (s. darüber hinaus das danach ergangene EuGH-Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich vom 3. Februar 2015 C–172/13, EU:C:2015:50, Internationales Steuerrecht 2015, 137). Der Senat sieht die Rechtslage deshalb —auch in Ansehung des vom Kläger in Bezug genommenen Vorabentscheidungsersuchens des FG Köln an den EuGH vom 19. Februar 2014 13 K 3906/09, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 733)— als geklärt an.
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Im Übrigen sieht der Senat weder einen hinreichenden Grund noch eine rechtssystematische Handhabe, die in ständiger Rechtsprechung vertretene und vom EuGH im Grundsatz gebilligte Symmetriethese aufgrund der EuGH-Rechtsprechung zu den finalen Verlusten aufzugeben. Die nach der EuGH-Rechtsprechung erforderlichen Abgrenzungen mögen nicht immer einfach sein, gänzlich willkürlich sind sie aber nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.