06.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189050
Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.06.2016 – X R 54/14
1. Ein Besitz-Einzelunternehmen, das im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Grundbesitz an eine Betriebs-Kapitalgesellschaft verpachtet, kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn die Betriebs-Kapitalgesellschaft vermögensverwaltend tätig ist.
2. Selbst wenn in einem derartigen Fall die Betriebs-Kapitalgesellschaft die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung erfüllt, kommt eine Anwendung dieser Kürzungsvorschrift auf das Besitz-Einzelunternehmen im Wege einer "Merkmalsübertragung" nicht in Betracht (Abgrenzung zu dem zu § 3 Nr. 20 GewStG ergangenen Senatsurteil vom 29. März 2006 X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661).
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 5. August 2014 13 K 2280/11 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen, soweit sie die Gewerbesteuermessbescheide für 1989 bis 2001 betrifft.
Die Gewerbesteuermessbeträge für 2002 bis 2005 werden unter Änderung der Bescheide vom 9. Dezember 2008 und unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2011 in der Höhe festgesetzt, die sich ergibt, wenn für das Grundstück ... die einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes gewährt wird.
Die Berechnung des Messbetrags wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2002 bis 2005 abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin zu 95 % und der Beklagte zu 5 % zu tragen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verpachtet seit vielen Jahren ein Grundstück an eine GmbH, deren Alleingesellschafterin sie ist. Die GmbH hat das Grundstück zunächst eigengewerblich genutzt. Später errichtete sie auf dem Pachtgrundstück —sowie auf einem unmittelbar angrenzenden Grundstück, das ihr selbst gehört— mehrere Büro- und Lagergebäude, die sie an Dritte zu gewerblichen Zwecken vermietet. Diese Gebäude werden —anders als der Grund und Boden— bewertungsrechtlich der GmbH zugerechnet. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sie im wirtschaftlichen Eigentum der GmbH stehen.
2
Die GmbH nimmt die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Anspruch.
3
Die Verpachtungstätigkeit der Klägerin wurde zunächst als vermögensverwaltend behandelt. Beginnend mit dem Jahr 1978 nahmen die Beteiligten an, es handele sich um eine Betriebsaufspaltung. Die Klägerin erstellte in der Folgezeit entsprechende Bilanzen. Für das Jahr 1988 vertrat das damals zuständige Finanzamt (FA X) erneut die Auffassung, die Klägerin sei —sinngemäß: von Anfang an— vermögensverwaltend tätig, weil das Grundstück nicht für die besonderen Zwecke der GmbH hergerichtet worden sei. Eine steuerliche Auswirkung hatte dies —mit Ausnahme der unterbliebenen Festsetzung von Gewerbesteuer für dieses Jahr— nicht; insbesondere wurde kein Entnahmegewinn ermittelt.
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Die nachfolgenden Betriebsprüfungen für die Streitjahre 1989 bis 2005 würdigten den Sachverhalt rechtlich erneut dahingehend, dass die Klägerin das Grundstück im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verpachte; der Prüfer nahm zum 1. Januar 1989 eine "Einlage" an, die er mit dem aktuellen Teilwert bewertete. Für die Jahre 1989 bis 2001 erließ das FA X, für die Jahre 2002 bis 2005 der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) entsprechende Gewerbesteuermessbescheide. Darin wurden die ermittelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die Gewinnausschüttungen aus den GmbH-Anteilen, die ebenfalls dem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens der Klägerin zugeordnet wurden, gemindert (§ 9 Nr. 2a GewStG). Ferner wurde der Klägerin für die Jahre 1989 bis 2001, nicht aber für die Jahre 2002 bis 2005, die sog. "einfache" Kürzung für Grundbesitz (§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG) gewährt.
5
Während des nachfolgenden Einspruchsverfahrens wurde zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt sind. Die Klägerin begehrte aber, in Anwendung der "erweiterten" Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ihren gesamten verbleibenden Gewerbeertrag gewerbesteuerfrei zu stellen.
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Am 4. Juli 2011 wies das FA die Einsprüche zurück. Es führte aus, die erweiterte Kürzung könne nicht gewährt werden. Die Regelung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG diene dazu, diejenigen Gewerbebetriebe kraft Rechtsform, die ausschließlich vermögensverwaltend tätig seien, mit vermögensverwaltenden Personenunternehmen gleichzustellen. Eine Betriebsaufspaltung sei aber nicht als normale Vermietungstätigkeit anzusehen, sondern durch die Vermietung einer wesentlichen Betriebsgrundlage i.V.m. der Beherrschung der Betriebs-Kapitalgesellschaft gekennzeichnet. Dies sei eine originär gewerbliche Tätigkeit. Die zu einigen der Steuerbefreiungen des § 3 GewStG ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Übertragung von Merkmalen der Betriebsgesellschaft auf das Besitzunternehmen (Senatsurteil vom 29. März 2006 X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661) könne nicht auf die erweiterte Kürzung übertragen werden. Sie sei zu Subventionsnormen ergangen und stelle jeweils auf deren Normzweck ab, während § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG einem anderen Zweck diene.
7
Im Klageverfahren brachte die Klägerin vor, wenn die Betriebs-Kapitalgesellschaft ihrerseits die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung erfülle, sei dies auch dem Besitzunternehmen zuzurechnen. Beide Betriebe seien steuersystematisch als Einheit anzusehen. Der Belastungsgrund der Gewerblichkeit des Besitzunternehmens beruhe auf der Zurechnung der gewerblichen Betätigung der Betriebsgesellschaft; entsprechend müsse dem Besitzunternehmen auch der Entlastungsgrund der Steuerbefreiung der Betriebsgesellschaft zugerechnet werden. Mit seiner Rechtsprechung zur Merkmalsübertragung habe der BFH eine systematische Neuorientierung der Betriebsaufspaltung vorgenommen.
8
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2014, 2069). Zwar könne nach der bisher ergangenen BFH-Rechtsprechung ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung die erweiterte Kürzung nicht in Anspruch nehmen. Diese Entscheidungen seien allerdings sämtlich zu Sachverhalten ergangen, in denen die Betriebs-Kapitalgesellschaft originär gewerblich tätig gewesen sei. Vorliegend erfülle die GmbH aber selbst die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung. Dem stehe die Mitvermietung des —nicht der GmbH, sondern der Klägerin gehörenden— Grund und Bodens nicht entgegen, da Nebentätigkeiten, die als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Verwaltung eigenen Grundbesitzes anzusehen seien, ausnahmsweise nicht begünstigungsschädlich seien. Auch werde die erweiterte Kürzung bei der GmbH nicht durch § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ausgeschlossen. Zwar sei der Wortlaut dieser Ausschlussklausel erfüllt, weil der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diene. Indes nutze die Klägerin das Grundstück nicht für eine originär gewerbliche Tätigkeit. Vielmehr werde ihre Vermietungstätigkeit erst durch die Zurechnung von Merkmalen der GmbH zu einer gewerblichen.
9
Würden beide Betriebe zusammengefasst, wäre die Grenze der Vermögensverwaltung nicht überschritten: Bei einer einheitlichen Vermietung durch die GmbH wäre dieser die erweiterte Kürzung zu gewähren; bei einer einheitlichen Vermietung durch die Klägerin läge schon kein Steuergegenstand der Gewerbesteuer vor. Ohne eine solche zusammenfassende Betrachtung würde es zu einer Benachteiligung der Klägerin kommen, die über das mit dem Institut der Betriebsaufspaltung verfolgte Ziel hinausginge. Das Halten des GmbH-Anteils im Betriebsvermögen der Klägerin stelle eine im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zulässige Nebentätigkeit dar.
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Mit seiner Revision wiederholt und vertieft das FA sein bisheriges Vorbringen.
11
Es beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
12
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
13
Sie schließt sich der Auffassung des FG an.
II.
14
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Klage ist für die Streitjahre 1989 bis 2001 vollständig und für die Streitjahre 2002 bis 2005 zum überwiegenden Teil abzuweisen.
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Das FG und die Beteiligten gehen im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass zwischen der Klägerin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung besteht (dazu unten 1.). In solchen Fällen erfüllt das Besitzunternehmen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung auch dann nicht, wenn die Betriebs-Kapitalgesellschaft vermögensverwaltend tätig ist (unten 2.). Eine "Merkmalsübertragung" von der GmbH auf die Klägerin kommt im Anwendungsbereich des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Betracht (unten 3.), so dass im Streitfall offen bleiben kann, ob der GmbH diese Begünstigung überhaupt zu Recht gewährt worden ist (unten 4.). Allerdings hat die Klägerin Anspruch auf die Anwendung der einfachen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG. Da das FA für die Streitjahre 2002 bis 2005 auch diesen Kürzungsbetrag nicht berücksichtigt hat, hat die Klage in diesem Umfang Erfolg (unten 5.).
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1. Zwischen der Klägerin und der GmbH besteht eine Betriebsaufspaltung. Dies hat zur Folge, dass das Besitzunternehmen der Klägerin als Steuergegenstand der Gewerbesteuer anzusehen ist (§ 2 Abs. 1 GewStG), und ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht mehr streitig.
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a) Die erforderliche personelle Verflechtung ist gegeben, weil die Klägerin Alleingesellschafterin der GmbH ist.
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b) Die Voraussetzung einer sachlichen Verflechtung in Gestalt der Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage ist ebenfalls erfüllt. Auch ein unbebautes Grundstück kann eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, wenn es vom Betriebsunternehmen nach seinen Bedürfnissen bebaut oder in anderer Weise gestaltet worden ist (BFH-Urteile vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, unter 5.b, und vom 10. April 1991 XI R 22/89, BFH/NV 1992, 312, unter 2.a) bzw. künftig bebaut werden soll (BFH-Urteile vom 15. Januar 1998 IV R 8/97, BFHE 185, 500, BStBl II 1998, 478, unter II.3., und vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, unter II.B.2.b bb).
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Hier hat die GmbH das von der Klägerin angepachtete Grundstück gemeinsam mit einem deutlich kleineren, in ihrem Eigentum stehenden Grundstück überbaut; dabei erstreckt sich der Haupt-Baukörper über beide Grundstücke. Die Einnahmen der GmbH —und damit ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage— resultieren im Wesentlichen aus der Vermietung der beiden Grundstücke und der darauf errichteten Gebäude. Ohne die Überlassung des der Klägerin gehörenden Grundstücks, das sich in einer höchst begehrten Lage für Gewerbeimmobilien befindet, könnte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb nicht fortführen; das Grundstück ist daher für die Erreichung des Betriebszwecks der GmbH unmittelbar erforderlich.
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c) Der Annahme einer Betriebsaufspaltung steht nicht entgegen, wenn die Betriebs-Kapitalgesellschaft allein kraft ihrer Rechtsform als Gewerbebetrieb anzusehen ist (BFH-Entscheidungen vom 22. Januar 1988 III B 9/87, BFHE 152, 539, BStBl II 1988, 537, unter 2.b am Ende, und vom 22. Februar 2005 VIII R 53/02, BFH/NV 2005, 1624, unter II.2.c).
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2. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfüllt das Besitzunternehmen in Fällen der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nicht. Entscheidend dafür ist, dass die personelle und sachliche Verflechtung, die für eine Betriebsaufspaltung kennzeichnend ist, den Rahmen der bloßen Vermögensverwaltung überschreitet.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der BFH diesen Rechtssatz nicht nur in Bezug auf solche Sachverhalte ausgesprochen, in denen die Betriebsgesellschaft originär gewerblich tätig war. Zwar war eine solche Fallgestaltung in der Mehrzahl der entschiedenen Verfahren gegeben (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1974 I R 260/72, BFHE 114, 433, BStBl II 1975, 266, unter 3. – Fertigungsbetrieb; in BFH/NV 1992, 312, unter 2.c – Fabrikationsbetrieb, und vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347, unter 2., Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. September 1994 2 BvR 204/92 – lüftungstechnisches Unternehmen; BFH-Urteile vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134 – Hotel; vom 26. August 1993 IV R 48/91, BFH/NV 1994, 265, unter 1. – Möbel-Einzelhandel, und vom 22. Januar 2009 IV R 80/06, BFH/NV 2009, 1279, unter II.1.a – Textilhandel).
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Im Urteil in BFH/NV 2005, 1624 (unter II.1.) hat der BFH einem Besitzunternehmen die erweiterte Kürzung aber auch in einem Sachverhalt versagt, der dadurch gekennzeichnet war, dass die Betriebs-GmbH sich auf die reine Vermietung von Grundbesitz beschränkte; ergänzend wickelte sie noch die Pensionen ihrer früheren Arbeitnehmer als Trägerin einer Unterstützungskasse ab. Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, das Besitzunternehmen betätige sich wegen der Möglichkeit, über den einheitlichen Betätigungswillen der Gesellschafter Einfluss auf die Betriebsgesellschaft zu nehmen, eigengewerblich. Diese Entscheidung zeigt, dass es für die —von den Ertragsteuersenaten des BFH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochene— Versagung der erweiterten Kürzung in Fällen der Betriebsaufspaltung nicht darauf ankommt, ob die Betriebsgesellschaft als Gewerbebetrieb kraft Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 GewStG) oder als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) anzusehen ist. Damit steht in Einklang, dass auch das Vorliegen des Grundtatbestands der Betriebsaufspaltung nicht davon abhängig ist, dass die Betriebsgesellschaft eine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt. Vielmehr genügt auch das Vorhandensein eines Gewerbebetriebs kraft Rechtsform (vgl. hierzu die Nachweise unter 1.c).
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Diese Beurteilung wird noch dadurch gestützt, dass gerade in den beiden ausführlich begründeten Leitentscheidungen des BFH, die zu dieser Thematik ergangen sind, gar keine Angaben zur konkreten Tätigkeit der Betriebsgesellschaft mitgeteilt werden (BFH-Urteile vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686, unter 2.a, und vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688). In beiden Fällen wurde zwar u.a. ein "Fabrikgebäude" überlassen. Ob die Betriebsgesellschaft das Fabrikgebäude zu eigengewerblichen Zwecken nutzt oder aber das überlassene Grundstück in einer an sich vermögensverwaltenden Weise an Dritte weiterüberlässt —wie die GmbH im vorliegenden Verfahren oder auch im Falle des BFH-Urteils in BFH/NV 2005, 1624—, kann den genannten Urteilen nicht entnommen werden. Dies zeigt, dass es für den BFH auf eine solche —von der Klägerin gewünschte— Differenzierung von vornherein nicht ankommt.
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Das Besitzunternehmen kann die erweiterte Kürzung in Fällen der Betriebsaufspaltung nur dann in Anspruch nehmen, wenn es selbst die Rechtsform der Kapitalgesellschaft hat ("kapitalistische Betriebsaufspaltung") und die Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft nicht der Besitz-Kapitalgesellschaft als solcher, sondern deren Gesellschaftern zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 1. August 1979 I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77), weil ein Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht zulässig ist. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Besitz-Kapitalgesellschaft selbst Inhaberin der Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft ist und als solche selbst die die Betriebsaufspaltung kennzeichnende Beherrschung ausübt. Hier kommt die Gewährung der erweiterten Kürzung nicht in Betracht (BFH-Entscheidungen vom 24. Januar 2012 I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176, und vom 28. Januar 2015 I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109, unter II.1.).
26
Die Literatur hat sich zu dieser Rechtsprechung überwiegend zustimmend geäußert (z.B. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 62 f.; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz 26; Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 1 GewStG Rz 106, 150 ff.; kritisch Nöcker in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz 1279).
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3. Eine Übertragung gewerbesteuerrechtlich günstiger Merkmale der Betriebs-Kapitalgesellschaft —selbst wenn diese im Streitfall die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllen sollte— kommt bei der erweiterten Kürzung nicht in Betracht.
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a) Der erkennende Senat hat entschieden, dass eine nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG (bestimmte Altenheime) bestehende Gewerbesteuerbefreiung der Betriebs-Kapitalgesellschaft sich bei einer Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitz-Personenunternehmens erstreckt (Urteil in BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661). Dem hat sich der IV. Senat des BFH für die Verpachtung an eine Betriebs-Kapitalgesellschaft, die gemäß § 3 Nr. 6 GewStG wegen Gemeinnützigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist (Urteil vom 19. Oktober 2006 IV R 22/02, BFHE 215, 268, unter II.2.) sowie an eine gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG steuerbefreite Krankenhaus-Betriebs-Kapitalgesellschaft (Urteil vom 20. August 2015 IV R 26/13, BFHE 251, 53, BStBl II 2016, 408) angeschlossen.
29
Der Senat hat zwar zur Begründung seines Urteils in BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661 zunächst darauf abgestellt, dass der gewerbliche Charakter der an sich vermögensverwaltenden Betätigung des Besitzunternehmens nicht in einer isolierenden Sichtweise ausschließlich aus Merkmalen abgeleitet werden könne, die allein dem Besitzunternehmen anhafteten (unter II.3.c). Ferner heißt es (unter II.3.d), es verstoße gegen das Gebot der Folgerichtigkeit, wenn einerseits für den "Belastungsgrund" der Gewerblichkeit maßgebend auf die wirtschaftliche Verflochtenheit und andererseits für den "Entlastungsgrund" der Gewerbesteuerbefreiung auf den Aspekt der rechtlichen Trennung abgestellt werde.
30
Anschließend (unter II.3.e) hat der Senat aber ausgeführt, es bedürfe "zur schlüssigen Begründung einer dahin gehenden weiten Auslegung des § 3 Nr. 20 GewStG" keiner Aufgabe der seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden Vorstellung von der zivil- und steuerrechtlichen Selbständigkeit des Besitz- und Betriebsunternehmens in Fällen der Betriebsaufspaltung. Vielmehr folge die weite Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift schon aus ihrem sozial- und wirtschaftspolitisch motivierten Zweck, der darin liege, die bestehenden Strukturen bei der Pflege zu verbessern (Kostenentlastung der Träger der Einrichtungen, Anreiz für die Vornahme entsprechender Investitionen). Dieser Normzweck würde ohne eine Merkmalsübertragung nur unvollständig erreicht. Denn die Ausschüttungen der Betriebs-Kapitalgesellschaft —und damit letztlich sämtliche im Betriebsunternehmen erwirtschafteten Gewinne— wären im Besitzunternehmen gewerbesteuerpflichtig, weil § 9 Nr. 2a GewStG nur die Ausschüttungen vonnichtsteuerbefreiten Kapitalgesellschaften steuerfrei stelle, im Fall einer steuerbefreiten Betriebs-Kapitalgesellschaft also nicht anwendbar sei.
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b) Danach ist mit diesen Entscheidungen des erkennenden und des IV. Senats —anders als die Klägerin meint— keine grundlegende Neuausrichtung der systematischen Betrachtung des Instituts der Betriebsaufspaltung verbunden gewesen. Im Gegenteil haben auch diese Entscheidungen ausdrücklich an der Vorstellung des Großen Senats des BFH von der zivil- und steuerrechtlichen Selbständigkeit der beiden Unternehmen festgehalten.
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Die im Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen gemäß § 3 Nr. 6 sowie § 3 Nr. 20 Buchst. b, c GewStG vorgenommenen Merkmalsübertragungen sind vielmehr tragend mit den Besonderheiten und den Zwecksetzungen dieser —in Bezug auf die zur Entscheidung gestellten Sachverhalte "weit ausgelegten"— Befreiungsvorschriften begründet worden (so auch Wüllenkemper in seiner Anmerkung zur vorinstanzlichen Entscheidung in EFG 2014, 2073). Insoweit unterscheidet sich die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aber in entscheidungserheblicher Weise von den genannten Regelungen des § 3 GewStG.
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aa) Zum einen hat der erkennende Senat ausdrücklich darauf abgestellt, dass es sich bei § 3 Nr. 20 GewStG um eine Sozialzwecknorm handelt, die zum Wirtschaftsrecht gehört (Urteil in BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661, unter II.3.i). Demgegenüber ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG —nicht anders als § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG— als Fiskalzwecknorm anzusehen. Diese Regelung dient dazu, Gewerbebetriebe kraft Rechtsform bei Ausübung einer rein vermögensverwaltenden Tätigkeit mit natürlichen Personen und Personengesellschaften gleichzustellen, die bei Ausübung derartiger Tätigkeiten von vornherein nicht als Steuergegenstand anzusehen sind (BFH-Entscheidungen in BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686, unter 2.a; in BFH/NV 2012, 1176, unter II.a; BFH-Urteil vom 17. Mai 2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659, unter II.2.b aa). Dabei handelt es sich aber um einen in der gewerbesteuerrechtlichen Systematik selbst angelegten Fiskalzweck; die Verfolgung eines besonderen außersteuerlichen Lenkungs- oder Subventionszwecks ist nicht erkennbar.
34
bb) Vor allem aber ist die Rechtslage hinsichtlich der Gewerbesteuerbelastung der Ausschüttungen, die das Besitzunternehmen von der Betriebs-Kapitalgesellschaft erhält und auf die der Senat in seiner Rechtsprechung zur "Merkmalsübertragung" entscheidend abgestellt hat, in den Fällen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genau gegenteilig zu § 3 Nr. 6, 20 GewStG: In den zuletzt genannten Fällen ist die Betriebs-Kapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer befreit (vgl. den Einleitungssatz des § 3 GewStG). Der Gewerbeertrag des Besitzunternehmens kann daher nicht gemäß § 9 Nr. 2a GewStG um die Gewinnausschüttung, die das Besitzunternehmen erhält, gekürzt werden, da diese Kürzungsvorschrift ausschließlich für Gewinne aus Anteilen an einer "nicht steuerbefreiten ... Kapitalgesellschaft" gilt. Vor diesem Hintergrund ist die vom erkennenden Senat in seinem Urteil in BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661 vorgenommene Würdigung zu sehen, dass die Steuerbefreiung der Betriebs-Kapitalgesellschaft letztlich leer liefe —bzw. allenfalls eine vorläufige wäre—, wenn ihr Gewinn mittels einer Erfassung der Dividende beim Besitzunternehmen wirtschaftlich letztlich doch in vollem Umfang der Gewerbesteuer unterläge.
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Gerade umgekehrt stellt es sich jedoch in den Fällen der erweiterten Kürzung dar: Diese ist rechtstechnisch nicht als Steuerbefreiung anzusehen, sondern —entsprechend der amtlichen Überschrift des § 9 GewStG— als "Kürzung", d.h. als bloßer Abzugsposten im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags. Folglich steht sie der Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG auf die Ausschüttung der Betriebs-Kapitalgesellschaft an das Besitzunternehmen nicht entgegen. Der ausgeschüttete Gewinn der Betriebs-Kapitalgesellschaft wird daher, soweit er auf der Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz beruht, auch im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig von der Gewerbesteuer freigestellt. Es lässt sich daher —anders als bei der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG— nicht sagen, dass diese Steuerbefreiung durch eine an anderer Stelle ersatzweise eintretende Steuerpflicht in vollem Umfang konterkariert wird.
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Vielmehr kommt es bei der im Streitfall verwirklichten wirtschaftlichen Gestaltung nur insoweit zu einer Gewerbesteuerbelastung, als das Besitzunternehmen Gewinne aus der —im Wege sachlicher und personeller Verflechtung vorgenommenen— Überlassung des Grundstücks an die Betriebs-Kapitalgesellschaft erzielt. Die Erträge der Betriebs-Kapitalgesellschaft aus der Überlassung eigenen Grundbesitzes bleiben hingegen auf beiden Ebenen in vollem Umfang gewerbesteuerfrei, sofern man unterstellt, dass die GmbH die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung erfüllt. Dass es sich hierbei um erhebliche Beträge handelt, zeigt sich im Streitfall schon daran, dass die Höhe der Ausschüttungen, die die Klägerin von der GmbH erhalten hat, ihren verbleibenden Gewerbeertrag in mehreren Streitjahren —teils um ein Vielfaches— überschritten hat.
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cc) Dem steht der Hinweis der Klägerin auf das BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 IV R 9/05 (BFH/NV 2007, 2197) nicht entgegen. Der BFH hat dort entschieden, dass die Regelung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG, die die erweiterte Kürzung in Fällen der Überlassung des Grundbesitzes an einen Gesellschafter oder Genossen ausschließt, im Wege der teleologischen Reduktion "nur dann" (so ausdrücklich unter II.5.e des angeführten Urteils) nicht anzuwenden sei, wenn die gesamten (positiven oder negativen) Einkünfte des nutzenden Unternehmens von der Gewerbesteuer befreit seien. Vorliegend sind aber —selbst wenn man der Klägerin noch darin folgen wollte, dass die Betriebs-GmbH die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt— nicht die gesamten Einkünfte dieser GmbH von der Gewerbesteuer befreit. Vielmehr bleibt es hinsichtlich der Einkünfte aus der Verwaltung und Nutzung von eigenem Kapitalvermögen sowie hinsichtlich der weiteren in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten, zwar unschädlichen, aber nicht selbst steuerbegünstigten Tätigkeiten bei der Belastung mit Gewerbesteuer. Die genannte Regelung stellt —wie unter bb) bereits ausgeführt— in systematischer Hinsicht keine Steuerbefreiung dar, sondern gewährt einen Abzugsposten im Rahmen der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage.
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dd) Die Klägerin verweist ferner darauf, dass die Betriebsaufspaltung sie hier benachteilige, wenn keine Merkmalsübertragung vorgenommen werde. Denn sowohl bei der Alternativgestaltung, dass sie als natürliche Person ein (bebautes) Grundstück einheitlich vermiete, als auch wenn die GmbH Eigentümerin sowohl des Grund und Bodens als auch des Gebäudes gewesen wäre und dieses vermiete, wäre im Ergebnis keine Gewerbesteuer angefallen.
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Hierauf ist indes zu entgegnen, dass ein solcher Sachverhalt (einheitliches Eigentum von Grund und Boden sowie Gebäude) im Streitfall gerade nicht verwirklicht worden ist und daher auch nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Im Übrigen ist die Annahme einer Betriebsaufspaltung —und die damit verbundene Gewerblichkeit der Vermietungstätigkeit der Klägerin— durchaus nicht ausschließlich nachteilig. So vermeidet dieses Institut etwa die Aufdeckung der —hier sehr hohen— stillen Reserven im Wertansatz des schon seit langer Zeit im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücks. Ferner besteht infolge der Zuordnung des Grundstücks zum Betriebsvermögen die Möglichkeit, bei Verwirklichung eines Sachverhalts, der der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegt, hohe Steuervergünstigungen zu erlangen.
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4. Danach kann offen bleiben, ob die Auffassung des FG zutrifft, die GmbH habe die Begünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu Recht in Anspruch genommen. Hiergegen hegt der Senat insofern Bedenken, als die genannte Regelung zur Voraussetzung hat, "ausschließlich eigenen Grundbesitz" zu verwalten und nutzen. Der Grund und Boden, den die GmbH von der Klägerin angepachtet hat und an verschiedene Mieter weiter überlässt, könnte aus Sicht der GmbH aber fremden Grundbesitz darstellen. Er dürfte angesichts der guten Lage des Grundstücks sowie des Bedarfs des Hauptmieters an großen Stell- und Rangierflächen für LKW auch im Verhältnis zu den darauf errichteten Gebäuden nicht von vollkommen untergeordneter Bedeutung sein.
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5. Die Klage ist allerdings insoweit begründet, als das FA der Klägerin für die Streitjahre 2002 bis 2005 auch die einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG versagt hat.
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a) Die Voraussetzungen dieser Vorschrift —zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörender Grundbesitz— liegen offensichtlich vor. Ist zum maßgebenden Stichtag (§ 20 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung) Grundbesitz im Betriebsvermögen vorhanden, ist entweder die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG oder diejenige nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ("An Stelle der Kürzung nach Satz 1 ...") zu gewähren; ein vollständiges Außerachtlassen kommt nicht in Betracht.
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b) Der Höhe nach beläuft sich der Kürzungsbetrag auf 1,2 % des auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Ende des jeweiligen Erhebungszeitraums festgestellten Einheitswerts, wobei der Einheitswert um 40 % zu erhöhen ist (§ 121a des Bewertungsgesetzes).
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Die Ermittlung der festzusetzenden Messbeträge wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO dem FA übertragen.
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6. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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Die Kostenentscheidung nach dem geschätzten Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.