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  • 10.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197008

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 13.07.2017 – 3 K 1989/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 13.07.2017

    Az.: 3 K 1989/15

    In dem Finanzrechtsstreit
    Kl
    - Klägerin -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2005

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 13. Juli 2017 durch
    Vorsitzende Richterin am Finanzgericht
    Richter am Finanzgericht
    Ehrenamtliche Richterin
    Ehrenamtlichen Richter
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Von den bis zum Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids vom 13. Dezember 2016 angefallenen Kosten tragen die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3. Die danach angefallenen Kosten werden der Klägerin auferlegt.
    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 €, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 € kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.
    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Austrittsleistung (Obligatorium) nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a des Schweizer Bundesgesetzes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 17. Dezember 1993 (--FZG--, Systematische Sammlung des Bundesrechts [SR] 831.40, www.admin.ch) nach § 3 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2005 geltenden Fassung (EStG 2005) steuerfrei ist.

    Die am xx.xx. 1947 geborene Klägerin wurde im Veranlagungszeitraum 2005 (Streitjahr) allein zur Einkommensteuer veranlagt. Sie verfügte über einen inländischen Wohnsitz (§ 1 Abs. 1 EStG 2005, § 8 der Abgabenordnung --AO--) und unterlag mit ihren Einkünften aus nicht- bzw. unselbständiger Arbeit der Grenzgängerregelung nach Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) --DBA-Schweiz--.

    Seit 1988 war die Klägerin in der Schweiz zunächst bei der Y AG und nach deren Übernahme durch die D ab 2004 bei letzterer nichtselbständig beschäftigt. Zum 31. Juli 2005 wurde der Klägerin von ihrer Arbeitgeberin aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß gekündigt (Schreiben vom 22. April 2005, ESt-Akten Bl. 64). Ab 1. August 2005 war sie arbeitslos und erhielt ab 1. September 2005 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit (ESt-Akten Bl. 90).

    Aufgrund des seit 1988 bestehenden Arbeitsverhältnisses war die Klägerin Pflichtmitglied in der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der schweizerischen Invaliditätsversicherung (IV; vgl. Bescheinigung der Schweizerischen Ausgleichskasse, Gerichtsakten Bl. 123-126). Zudem war sie seit 1988 Mitglied der Pensionskasse der Y AG und ab 1. Januar 2004 der Y Versicherung (im Folgenden: Pensionskasse; vgl. Versicherungsausweise der Pensionskasse, Gerichtsakten Bl. 129-133). Die Pensionskasse wurde bis zu ihrer Umwandlung in eine Stiftung [ ... ] in der Rechtsform einer privatrechtlichen Genossenschaft gemäß Art. 828 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (--OR--, Systematische Sammlung des Bundesrechts [SR] 220, www.admin.ch) geführt (vgl. Art. 1 des Reglements der Pensionskasse in der im Streitjahr gültigen Fassung vom 22. Oktober 2004, Gerichtsakten Bl. 173-218). Die Pensionskasse ist eine privatrechtliche Schweizer Pensionskasse. Diese bezweckt, die Mitarbeitenden der Kollektivmitglieder sowie ihre Angehörigen und Hinterbliebenen gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod zu versichern (Art. 2 des Reglements). Sie ist gemäß Art. 48 des am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 (--BVG--, Systematische Sammlung des Bundesrechts [SR] 831.40, www.admin.ch) im Register für die berufliche Vorsorge eingetragen und führt die obligatorische Versicherung nach BVG durch, kann aber auch überobligatorische Leistungen der beruflichen Vorsorge erbringen (sog. umhüllende Vorsorgeeinrichtung; vgl. Art. 3 des Reglements). Beginn und Ende der Mitgliedschaft der Klägerin in der Pensionskasse hingen von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses mit einem der Kollektivmitglieder der Pensionskasse ab (vgl. Art. 5, 9, 11 des Reglements).

    Das Reglement regelt Ansprüche und Beitragspflichten im Verhältnis der Mitglieder zur Pensionskasse sowie die innere Verfassung. Ergänzend finden die Vorschriften des BVG, FZG und Art. 331 bis Art. 331f OR Anwendung.

    Die betriebliche Vorsorge für Arbeitnehmer über eine Pensionskasse steht im schweizerischen System der Altersvorsorge neben der Absicherung in der AHV/IV. Die AHV/IV ist mit einer gesetzlichen paritätischen Beitragspflicht des Arbeitnehmers und -gebers ausgestaltet und stellt die Basisversorgung dar (sog. Säule 1). Die betriebliche Altersvorsorge bildet die sog. Säule 2. Innerhalb der betrieblichen Altersvorsorge durch den Arbeitgeber ist zwischen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherung nach BVG (dem "Obligatorium" --Säule 2a--) und einer weitergehenden freiwilligen Vorsorge (dem "Überobligatorium" --Säule 2b--) zu unterscheiden. Im Streitfall wurden sowohl die obligatorische Vorsorge nach dem BVG als auch die überobligatorische Vorsorge einheitlich durch die (umhüllende) Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers, die Pensionskasse, gewährleistet.

    Die Versicherung über die Pensionskasse ist für den Arbeitnehmer verpflichtend (vgl. Art. 2 Abs. 1, 7, 10 BVG). Jedem Versicherten wird jährlich ein gesetzlich festgelegter Prozentsatz seines koordinierten Lohns (Art. 8 BVG) für die Vorsorge im Alter gutgeschrieben. Dieser Vorsorgebetrag ist die Altersgutschrift (Art. 16 BVG). Finanziert wird die Altersgutschrift durch im Reglement der Pensionskasse festgelegte Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Art. 66 BVG). Die jährlichen Altersgutschriften sind von der Vorsorgeeinrichtung zu einem vom Bundesrat festgelegten Mindestsatz zu verzinsen. Die verzinsten Altersgutschriften ergeben das Altersguthaben (Art. 15 BVG). Die Höhe der Altersrente bemisst sich durch Multiplikation des zu Beginn des Rentenbezugs vorhandenen Altersguthabens mit dem reglementarisch festgelegten Umwandlungssatz (Art. 28 des Reglements). Der anzuwendende Mindestumwandlungssatz ist in Art. 14 BVG bestimmt. Leistungsansprüche können vor Fälligkeit weder abgetreten noch verpfändet werden (Art. 39 BVG). Ausnahmen gelten bei dem Erwerb von Wohneigentum (Art. 47, 48 des Reglements, Art. 30 a ff. BVG).

    Nach Art. 27 des Reglements ("Rücktrittsalter") wird die Altersrente an alle versicherten Personen gezahlt, die ihr Arbeitsverhältnis zwischen dem vollendetem 59. und dem 65. Altersjahr beenden und nicht die Überweisung ihrer Freizügigkeitsleistung an die Vorsorgeeinrichtung eines neuen Arbeitgebers verlangen (vgl. auch Art. 13 BVG). Unter bestimmten Voraussetzungen können bei Alterspensionierung Kapitalleistungen anstelle von Renten gezahlt werden. Dies ist bei geringen Altersrenten, die 10% der einfachen maximalen AHV-Rente nicht übersteigen, und Teilbeträgen von höchstens der Hälfte des Altersguthabens vorgesehen (vgl. Art. 26 des Reglements). Für das Obligatorium gilt nach Art. 37 BVG, dass ein Viertel des Altersguthabens als einmalige Kapitalabfindung geleistet werden kann. Der Bezug von Altersleistungen in Form einer Kapitalabfindung ist bis spätestens zum vollendeten 57. Lebensjahr schriftlich bei der Pensionskasse anzumelden.

    Das FZG regelt die Ansprüche der Versicherten im sog. Freizügigkeitsfall, d.h. dem Austritt aus einer Pensionskasse vor Eintritt eines Vorsorgefalls, beispielsweise infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Danach haben Personen, deren Arbeitsverhältnis vor dem 59. Geburtstag aus einem anderen Grund als Invalidität oder Tod zu Ende geht, einen Anspruch auf Freizügigkeitsleistung/Austrittsleistung (im Folgenden Austrittsleistung; vgl. Art. 42 des Reglements, Art. 2 FZG, Art. 27 BVG). Die Austrittsleistung entspricht dem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorhandenen Altersguthaben (Art. 43 des Reglements).

    Üblicherweise wird die Austrittsleistung an die Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers überwiesen (Art. 44 Abs. 3 des Reglements, Art. 3 FZG). Wenn kein neues Arbeitsverhältnis eingegangen wird, kann eine Freizügigkeitspolice abgeschlossen oder ein Freizügigkeitskonto eröffnet werden (Art. 44 Abs. 4 des Reglements). Im Streitjahr konnte eine Barauszahlung sowohl des Obligatoriums als auch des Überobligatoriums des Altersguthabens bei endgültigem Verlassen der Schweiz verlangt werden (Art. 45 Abs. 1 des Reglements, Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a FZG; Hinweis auf Art. 25f FVG: Ab dem 1. Juni 2007 ist bei EU/EWR-Bürgern eine Barauszahlung des Obligatoriums verboten, wenn die versicherte Person die Schweiz endgültig verlässt, jedoch weiterhin in der Sozialversicherung pflichtversichert ist.).

    Die Zugehörigkeit der Klägerin zur Pensionskasse endete mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Art. 9 des Reglements). Da die Klägerin kein neues Arbeitsverhältnis in der Schweiz begründete, sondern die Schweiz endgültig verließ (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a FZG), erhielt sie am 30. September 2005 eine Austrittsleistung in Gestalt einer Barauszahlung in Höhe von xxx.xxx CHF (Art. 45 Ziff. 1 Buchst. a des Reglements). Hiervon entfielen xx.xxx CHF auf das Obligatorium nach BVG (vgl. Austrittsmeldung, Gerichtsakten Bl. 147; Abrechnung der Pensionskasse, Gerichtsakten Bl. 151). Die Austrittsleistung inkl. Zinsen wurde nach Abzug von Quellensteuer (vgl. Bescheinigung der Pensionskasse vom 21. September 2005, ESt-Akten Bl. 69) am 30. September 2005 in Höhe von xxx.xxx CHF dem Konto der Klägerin gutgeschrieben (Kontoauszug per 30. September 2005, Gerichtsakten Bl. 148 ff.). Die einbehaltene Quellensteuer in Höhe von xx.xxx € wurde der Klägerin auf ihren Antrag vom 16. November 2005 hin (ESt-Akten Bl. 70) am 2. Dezember 2005 erstattet (Kontoauszug per 31. Dezember 2005, Gerichtsakten Bl. 172). Mit der Barauszahlung der Austrittsleistung erloschen sämtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Pensionskasse (Schreiben der Pensionskasse vom 25. August 2015, Gerichtsakten Bl. 154). Die Klägerin verwendete die Barauszahlung zur Finanzierung verschiedener Anschaffungen (vgl. Aufstellung der Klägerin, Gerichtsakten Bl. 153).

    Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 9. November 2006 (ESt-Akten Bl. 103) besteuerte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) die gesamte Austrittsleistung als Leibrente/andere Leistung aus einer gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2005 mit einem Besteuerungsanteil von 50%. Die Einkommensteuer wurde auf xx.xxx € festgesetzt. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 2009).

    Hiergegen wendet sich die fristgerecht erhobene Klage.

    Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten ruhte das Verfahren gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) im Hinblick auf verschiedene beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren (Gerichtsakten Bl. 59 ff.). Nach Wiederaufnahme des Verfahrens erließ das FA in Anwendung des Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 27. Juli 2016 IV C 3 - S 2255/07/10005:004, IV C 5 - S 2333/13/10003 (BStBl I 2016, 759) am 13. Dezember 2016 einen Teilabhilfebescheid, der nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde (Gerichtsakten Bl. 249 f.). Der Arbeitslohn der Klägerin wurde um darin enthaltene Tagegelder aus Versicherungen ermäßigt (vgl. Aufklärungsanordnung des damaligen Berichterstatters vom 21. Juli 2015, Gerichtsakten Bl. 82 ff.; Schreiben des FA vom 2. Dezember 2016, Gerichtsakten Bl. 244). Die Besteuerung der Austrittsleistung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2005 wurde auf den auf dem Obligatorium beruhenden Teil der Austrittsleistung in Höhe von xx.xxx CHF (xx.xxx €; Besteuerungsanteil xx.xxx €) beschränkt und nach § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG 2005 ermäßigt besteuert. Die Einkommensteuer ermäßigte sich auf 7.171 €.

    Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass die Austrittsleistung vollumfänglich steuerfrei sei. Bei der Barauszahlung handele es sich um eine Abfindung im Sinne von § 3 Nr. 3 EStG 2005, da die Klägerin bereits Ansprüche gegen die Vorsorgeeinrichtungen auf Altersleistungen erworben hatte. Der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 3 EStG 2005 sei nicht auf Kapitalabfindungen, die nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters in der Schweiz gezahlt würden, zu beschränken. Für eine privatrechtliche Pensionskasse sei dies noch nicht höchstrichterlich entschieden worden.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einkommensteueränderungsbescheid 2005 vom 13. Dezember 2016 dahingehend zu ändern, dass der Besteuerungsanteil aus dem Obligatorium der Austrittsleistung der Pensionskasse in Höhe von xx.xxx € nicht als sonstige Einkünfte/Leibrente der Besteuerung unterworfen wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es ist der Auffassung, dass § 3 Nr. 3 EStG nur dann Anwendung finde, wenn ein bestehender Rentenanspruch abgefunden werde. Dies sei dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Bezugs das gesetzliche Rentenalter in der Schweiz bereits erreicht hatte. Die Klägerin habe jedoch am 31. September 2005 erst das 57. Lebensjahr vollendet und somit die gesetzliche Altersgrenze noch nicht erreicht gehabt.

    Die Streitsache wurde von dem damaligen Berichterstatter mit den Beteiligten am 3. September 2015 sowie --nach Ergehen des Teilabhilfebescheids vom 13. Dezember 2016-- noch einmal am 26. Juni 2017 erörtert. Im Termin vom 26. Juni 2017 haben beide Beteiligten erklärt, auf mündliche Verhandlung vor dem Senat zu verzichten. Auf die Niederschriften über die Erörterungstermine wird Bezug genommen (Gerichtsakten Bl. 164 ff., 266 f.).

    Dem Senat haben bei der Entscheidung 3 Bd. ESt-Akten und 1 Band Rechtsbehelfsakten vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage ist zulässig, jedoch in dem nach Ergehen des Einkommensteueränderungsbescheids 2005 vom 13. Dezember 2016 aufrecht erhaltenen Umfang unbegründet. Die auf dem Obligatorium beruhende Austrittsleistung der Pensionskasse unterliegt als Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung der deutschen Besteuerung. Sie ist keine mit einer Kapitalabfindung der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 3 Nr. 3 EStG 2005 vergleichbare Leistung.

    1. Die Klägerin war in dem Streitjahr im Inland gemäß § 1 Abs. 1 EStG 2005 unbeschränkt steuerpflichtig und ansässig gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 DBA Schweiz.

    2. Nach der Auffangnorm in Art. 21 DBA-Schweiz hat Deutschland das Besteuerungsrecht für die an die Klägerin geleistete Austrittsleistung. Diese ist, soweit sie auf das Obligatorium nach BVG entfällt, eine andere Leistung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2005.

    a) Für die Einordnung der Austrittsleistung als "andere Leistung" im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2005 ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH entscheidend, ob die ausländische Versorgungseinrichtung (hier die Pensionskasse) nach ihrer Art und Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen bei rechtsvergleichender Betrachtung der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Für die Vergleichbarkeitsprüfung ist nicht nur die ausländische Vorsorgeeinrichtung, sondern auch die von dieser ausgezahlte Leistung in den Blick zu nehmen. Da eine völlige Identität zwischen in- und ausländischen Rentenversicherungssystemen unwahrscheinlich ist, sind maßgebliche Gesichtspunkte der Vergleichbarkeitsprüfung die wesentlichen Merkmale des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, also deren Funktion und Struktur nach nationalem Verständnis (zu Schweizer Pensionskassen vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 2015 X R 43/11, BStBl II 2016, 685; 26. November 2014 VIII R 38/10, BStBl II 2016, 657; 23. Oktober 2013 X R 33/10, BStBl II 2014, 103, jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen; zur Altersrente der Vereinten Nationen BFH-Urteil vom 5. April 2017 X R 50/14, [...]).

    Prägend für Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist danach, dass sie der Basisversorgung des Versicherten dienen. Wesentliche Merkmale der Basisversorgung sind die Zahlung von Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit und die Funktion als Entgeltersatzleistung in der Grundkonzeption der Lebensunterhaltssicherung. Diese Funktion der Lebensunterhaltssicherung von Altersrenten wird nach deutschem Regelungsmodell dadurch sichergestellt, dass die Rentenversicherungsansprüche nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sind. Weitere Kennzeichen einer gesetzlichen Basisversorgung sind, dass die Beitragszahlungen auf einer gesetzlichen Anordnung beruhen, die Versicherung für den betroffenen Personenkreis obligatorisch ist und die Leistungen als Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zu erbringen sind. Kapitalleistungen aus ausländischen Altersvorsorgeeinrichtungen schließen die Vergleichbarkeit mit Leistungen aus einer inländischen gesetzlichen Rentenversicherung nicht in jedem Fall aus, selbst wenn sie in dieser Form in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht existieren. Entscheidend ist, ob sie Versorgungscharakter haben. Dies ist der Fall, wenn nach der Beendigung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit die in der Schweiz gewährte Einmalzahlung den Zweck hat, den Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz außerhalb der Schweiz im neuen Aufenthaltsstaat zu ermöglichen. Auch im deutschen Recht sind Kapitalleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unbekannt, da deutsche Versorgungswerke, die ebenfalls der Basisversorgung zuzurechnen sind, solche Einmalzahlungen gewähren, die als andere Leistungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2016, 657 m.w.N.).

    b) Nach diesen Grundsätzen ist, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, die Austrittsleistung (Obligatorium) als Kapitalauszahlung aus einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen.

    Dafür spricht insbesondere, dass im Bereich der verpflichtenden durch das BVG geregelten Absicherung der Risiken Alter, Tod und Invalidität über eine privatrechtliche Pensionskasse (Säule 2a bzw. Obligatorium) Beitragspflichten und Leistungsumfang gesetzlich festgelegt sind. Die Mitgliedschaft in der Pensionskasse ist obligatorisch. Sie beruht auch bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen und einer privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtung auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der Pensionskasse. Dem steht nicht entgegen, dass --anders als in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung-- Kapitalleistungen der Pensionskasse auch aus dem Obligatorium in bestimmten Fällen (Vorbezug für Wohneigentum, Austrittsleistung bei endgültigem Verlassen der Schweiz, teilweise Kapitalzahlung anstelle einer Rente) vorgesehen sind, da diese Regelungen Ausnahmecharakter haben und die Gewährung einer Altersrente die nach BVG und Reglement vorgegebene Regelleistung der Pensionskasse ist. Wegen weiterer Einzelheiten zu der rechtsvergleichenden Beurteilung von Schweizer privatrechtlichen Pensionskassen wird auf die auch auf den Streitfall übertragbaren Erwägungen des BFH verwiesen, denen sich der Senat anschließt (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2016, 685, [BFH 01.10.2015 - X R 43/11] BStBl II 2016, 657 und vom 26. November 2014 VIII R 39/10 BStBl II 2016, 665; s.a. BMF-Schreiben vom 27. Juli 2016 in BStBl I 2016, 759).

    c) Zu den anderen Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2005 gehören auch einmalige Kapitalleistungen (BFH-Urteil in BStBl II 2014, 103 [BFH 23.10.2013 - X R 33/10]).

    3. Die Austrittsleistung ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gemäß § 3 Nr. 3 EStG 2005 steuerfrei.

    Nach dieser Vorschrift waren Kapitalabfindungen aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung und aufgrund der Beamten-(Pensions-)Gesetze steuerfrei.

    a) Kapitalabfindungen ausländischer Versorgungsträger sind nicht grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 3 EStG 2005, der keine Beschränkung auf die Leistungen eines inländischen Versorgungsträgers enthält, auszunehmen.

    Die Anwendung des § 3 Nr. 3 EStG 2005 auf eine Kapitalleistung einer der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entsprechenden ausländischen Rentenversicherung ist nach der Rechtsprechung des BFH jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn sich bei rechtsvergleichender Betrachtung die Leistungen im Wesentlichen entsprechen und demselben Zweck dienen.

    Die Kapitalabfindung eines Rentenanspruchs bei endgültigem Verlassen des Hoheitsgebiets ist dem deutschen Rentenversicherungssystem fremd.

    Kapitalabfindungsansprüche der deutschen Versorgungssysteme --wie die ausnahmsweise im Fall der Wiederverheiratung von Witwern und Witwen nach § 107 Abs. 1 Satz 1 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) gewährte Kapitalabfindung-- sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Wegfall bestehender Renten- oder Versorgungsansprüche kompensieren. Auf dieser Grundlage hat der X. Senat des BFH die Barauszahlung einer Austrittsleistung nach § 5 Abs. 1 Buchst. a FZG aus einer öffentlich-rechtlichen Pensionskasse als mit den Kapitalabfindungen deutscher Versorgungssysteme nicht vergleichbar angesehen, da sie nicht den Verlust des Anspruchs auf Versorgungsleistungen kompensiert, sondern vielmehr einen besonderen Auszahlungsmodus von erworbenen Ansprüchen darstellt, wenn die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a FZG erfüllt sind (BFH in BStBl II 2014, 103, [BFH 23.10.2013 - X R 33/10] unter II. 4. der Entscheidungsgründe).

    Der VIII. Senat hat sich dieser Betrachtungsweise in Bezug auf das Obligatorium privatrechtlicher Pensionskassen angeschlossen und die Kapitalauszahlung des obligatorischen Altersguthabens nach Erreichen des im Reglement der Pensionskasse vorgesehenen Rücktrittsalters als Kapitalabfindung eines bestehenden Rentenanspruchs angesehen und als nach § 3 Nr. 3 EStG 2005 steuerfrei behandelt (BFH-Urteil in BStBl II 2016, 657 unter II. 2.). Die Leistung des auf das Obligatorium entfallenden Vorbezugs für Wohneigentum (vgl. Art. 30a bis 30g BVG) wurde hingegen nicht als Kapitalabfindung eines bestehenden Rentenanspruchs im Sinne des § 3 Nr. 3 EStG 2005 angesehen, da es sich nicht um eine Leistung aufgrund des Eintritts eines reglementarischen Vorsorgefalls gehandelt habe (BFH-Urteil in BStBl II 2016, 665 [BFH 26.11.2014 - VIII R 39/10]). Der I. Senat hat sich dieser Auffassung für den Vorbezug für Wohneigentum einer öffentlich-rechtlichen Pensionskasse angeschlossen und insbesondere auch nicht bereits eine Kürzung des künftigen Rentenbezugs aufgrund des Vorbezugs für die Qualifizierung dieser Leistung als Abfindung im Sinne des § 3 Nr. 3 EStG 2005 als ausreichend erachtet (BFH-Urteil vom 16. September 2015 I R 83/11, BStBl II 2016, 681).

    b) Der Senat folgt den Grundsätzen dieser Rechtsprechung auch für die vorliegend zu beurteilende auf das Obligatorium entfallende Austrittsleistung aus einer privatrechtlichen Pensionskasse. Die von der Klägerin bezogene Austrittsleistung ist danach keine mit einer Kapitalabfindung der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 3 Nr. 3 EStG 2005 vergleichbare Leistung.

    Die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Pensionskasse das in Art. 27 des Reglements vorgesehene Rücktrittsalter, das vollendete 59. Lebensjahr, noch nicht erreicht. Mit der Barauszahlung der Austrittsleistung wurde daher kein bestehender Anspruch der Klägerin gegen die Pensionskasse auf Altersleistungen abgegolten. Rechtliche Grundlage der Barauszahlung waren Art. 5 Abs. 1 Buchst. a FZG i.V.m. Art. 27 BVG und Art. 42 des Reglements und nicht Art. 26 des Reglements (die vollständige Ausreichung des Obligatoriums des Altersguthabens als einmalige Kapitalabfindung wäre im Übrigen nach Art. 37 Abs. 2 BVG auch nicht zulässig gewesen).

    Die Austrittsleistung ist auch bei einer privatrechtlichen Pensionskasse als ein besonderer "Auszahlungsmodus von erworbenen Ansprüchen bis zum Ausscheidenszeitpunkt" aus der Pensionskasse zu beurteilen (so auch Werth, IStR 2015, 900). Gründe im Rahmen der Auslegung des § 3 Nr. 3 EStG 2005, die Austrittsleistung aus einer privatrechtlichen Pensionskasse anders zu bewerten als die Austrittsleistung aus einer öffentlich-rechtlichen Pensionskasse, sind nicht ersichtlich. In beiden Fällen beruht der Anspruch auf Austrittsleistung auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. a FZG. Ferner fehlt es, da kein bereits bestehender Anspruch auf Altersleistungen abgelöst wird, an einer Vergleichbarkeit mit Kapitalabfindungsansprüchen deutscher Versorgungssysteme.

    II. 1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Bei Streitwertminderung während des Verfahrens ist eine nach Zeitabschnitten getrennte Kostenverteilung zulässig (Gräber/Ratschow, FGO, 8. Aufl. 2015, § 136 Rz. 5).

    2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709, § 711 der Zivilprozessordnung.

    3. Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da sie ausgelaufenes Recht betrifft und hinreichend eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen bereits vorliegt. Zwischenzeitlich wurde sowohl § 3 Nr. 3 EStG 2005 geändert und als auch die Möglichkeit der Barauszahlung der Austrittsleistung nach Art. 15 BVG durch Art. 25 f FZG für EU/EWR-Bürger eingeschränkt.

    4. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).