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  • 11.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197091

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 30.06.2017 – 2 V 687/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln

    2 V 687/17

    Tenor:

    Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

    1

    Gründe:

    2

    I.

    3

    Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Frage, ob der Antragsgegner Auskünfte der bayrischen Landesbehörde – auf ein britisches Auskunftsersuchen hin – an die britische Finanzverwaltung weiterleiten darf.

    4

    Der Antragsteller ist britischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Großbritannien. Im Zeitraum 1999-2008 war darüber hinaus in der Bundesrepublik Deutschland polizeilich gemeldet.

    5

    Der Antragsteller war in den Jahren 1999-2007 als selbstständiger Softwareingenieur für die Firma A in Deutschland tätig. Die Abrechnung seiner Leistungen erfolgte über verschiedene ausländische Abrechnungsagenturen, wobei nur ein Teil der Honorare auf ein inländisches Konto des Antragstellers überwiesen wurde und ein weiterer Teil auf dem Konto der Agentur im Ausland verblieb.

    6

    Im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen kam das Finanzamt D zu dem Ergebnis, dass – da die auf dem ausländischen Konto verbliebenen Einnahmen in Deutschland nicht der Besteuerung unterworfen worden seien – Einkommensteuer i.H.v. 241.156 Euro in den Jahren 2001-2005 hinterzogen worden sei. Daraufhin änderte das Finanzamt D die Steuerbescheide der Jahre 2001-2005. Der Antragsteller wandte sich hiergegen mit einer Klage. Derzeit ist eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers gegen die die Besteuerung betreffenden Urteile des Finanzgerichts München anhängig.

    7

    Am 21.11.2013 hat die britische Finanzverwaltung an den Antragsgegner ein Auskunftsersuchen basierend auf der Richtlinie 2011/16/EU und Art. 27 DBA Großbritannien übermittelt.

    8

    In der Anfrage teilt die britische Finanzverwaltung mit, dass der Antragsteller seit Juli 2006 arbeitslos gewesen sei, aber nach eigenen Angaben bis zum 27.11.2008 in Deutschland gewohnt habe. Im März 2008 habe er eine Bonuszahlung i.H.v. 440.000 € direkt auf ein Bankkonto außerhalb Großbritanniens bei der H-Bank erhalten. Diese Zahlung habe der Antragsteller den britischen Finanzbehörden gegenüber nicht erklärt und auch keine Nachweise darüber vorgelegt, dass die entsprechende Zahlung in Deutschland versteuert worden sei. Vor diesem Hintergrund stellte die britische Finanzverwaltung folgende Fragen (Übersetzung: Bl. 19 Verwaltungsakte):

    9

    Für welche Zeiträume galt Herr P als in Deutschland steueransässig und aus welchen Gründen - welche Informationen reichte er im Hinblick auf die Situation seiner Steueransässigkeit und zukünftige Absichten ein?

    10

    Welche Informationen reichte er im Hinblick auf die Beendigung seiner Steueransässigkeit in Deutschland ein?

    11

    War er in diesen Zeiträumen zur Einreichung von Steuererklärungen in Deutschland verpflichtet?

    12

    Sind auf den von ihm eingereichten Steuererklärungen die Gehaltseingänge von Firma A oder K ausgewiesen und unterlag er dafür in Deutschland der Besteuerung?

    13

    Hat er den Erhalt des Bonus von 440.000 € im März 2008 zur Besteuerung in Deutschland angegeben und wenn ja, wurde davon Einkommensteuer in welcher Höhe veranlagt?

    14

    Darüber hinaus bat die britische Finanzverwaltung um Übersendung des Schriftverkehrs mit entsprechenden Erklärungen im Hinblick auf den Steueransässigkeitsstatus des Antragstellers.

    15

    Am 31.1.2014 teilte das Finanzamt K, dem Antragsteller mit, dass beabsichtigt sei, den britischen Finanzbehörden Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen der Anhörung machte der Antragsteller Einwendungen geltend. Er befürchte die Nutzung der zu erteilenden Informationen zu abkommenswidrigen Zwecken, insbesondere zur Vornahme einer Doppelbesteuerung durch Großbritannien.

    16

    Daraufhin teilte der Antragsgegner am 16.01.2017 mit, dass die britischen Behörden aufgrund der Richtlinie 2011/16/EU einen Anspruch auf die Beantwortung ihres Ersuchens hätten. Die beabsichtigte Antwort selbst enthielte nur Informationen, die der Antragsteller der britischen Finanzverwaltung ohnehin hätte geben müssen.

    17

    Daraufhin hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag vom 13.03.2017 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit welchem verhindert werden soll, dass die Antwort der bayrischen Landesbehörde auf das britische Auskunftsersuchen an die britische Steuerverwaltung weitergeleitet wird.

    18

    Die von der britischen Finanzverwaltung in der Anfrage genannten Einnahmen seien dem Antragsteller für die Veranlagungszeiträume 1999-2005 durch das Finanzamt D bereits zugerechnet worden. Ein hiergegen angestrengtes Klageverfahren liege derzeit mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH. In diesem Zusammenhang sei beantragt worden, den Rechtsstreit wegen Vorrangigkeit des bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens 2 BvR 1252/15 auszusetzen.

    19

    Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch im Hinblick auf eine Sicherungsanordnung, um zu verhindern, dass entgegen dem Steuergeheimnis steuerliche Verhältnisse unbefugt offenbart würden.

    20

    Dieser Unterlassungsanspruch resultiere daraus, dass die Informationsübermittlung erheblichen formellen und materiellen Einwendungen begegne.

    21

    So sei das Auskunftsersuchen der britischen Finanzverwaltung bislang nicht dem Antragsteller vorgelegt worden, so dass kein rechtliches Gehör gemäß § 117 Abs. 4 S. 3 AO gewährt worden sei.

    22

    Darüber hinaus sei dem Antragsteller die Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Informationsübermittlung an die britische Steuerverwaltung erfolgen solle, bislang nicht genannt worden.

    23

    Schließlich sei die britische Finanzverwaltung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 EUAHiG verpflichtet, vor Informationsersuchen ins Ausland eigene Informationsquellen auszuschöpfen. Dem Antragsteller sei bislang nicht mitgeteilt worden, ob und inwieweit der Grundsatz der Subsidiarität der Amtshilfe gewahrt worden sei.

    24

    Weiterhin sei die Beantwortung des Auskunftsersuchens ermessensfehlerhaft, da neben dem Antragsteller auch dessen Steuerberater im Rahmen von Haftungsbescheiden in Anspruch genommen worden seien und nicht erkennbar sei, inwieweit sich der Antragsgegner bzw. die bayerische Verwaltung im Rahmen ihrer Ermittlungen mit den Steuerberatern auseinandergesetzt habe.

    25

    Darüber hinaus sei die Beantwortung des Auskunftsersuchen nicht mehr zulässig, da es nach § 5 Abs. 1 S. 1 EUAHiG innerhalb von sechs Monaten zu beantworten sei. Der Antragsgegner habe den Fall jedoch seit drei Jahren nicht bearbeitet.

    26

    Neben diesen formellen Einwänden stünde einer Beantwortung materiell der Umstand entgegen, dass das Informationsersuchen erkennbar auf eine abkommenswidrige Besteuerung abziele. Die in der Anfrage benannten Einkünfte seien bereits dem Antragsteller für die Veranlagungszeiträume 1999-2005 zugerechnet worden. Es sei nicht auszuschließen, dass die britische Finanzverwaltung die Zurechnung in einem anderen Veranlagungszeitraum vorzunehmen versuche. Dies würde eine abkommenswidrige Besteuerung entgegen Art. 6 und 11 DBA GB implizieren.

    27

    Darüber hinaus bestehe auch ein Anordnungsgrund, dieser folge aus der drohenden Gefahr der Verletzung des Steuergeheimnisses durch die Beantwortung der Anfrage aus Großbritannien.

    28

    Der Antragsteller beantragt,

    29

    dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu untersagen, die Antwort der bayrischen Landesbehörde auf das britische Auskunftsersuchen hin an die britische Steuerverwaltung weiterzuleiten.

    30

    Der Antragsgegner beantragt,

    31

    den Antrag abzulehnen.

    32

    Der Antragsgegner vertritt zunächst die Auffassung, dass kein Anordnungsgrund vorläge, da keine wesentlichen Nachteile im Sinne von § 114 Abs. 1 FGO glaubhaft gemacht worden seien, die nur durch den Erlass der Anordnung abgewendet werden könnten. Bei solchen Gründen müsse es sich um die Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Betroffenen handeln.

    33

    Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass die britische Finanzverwaltung die vom Antragsgegner übermittelten Daten nutzen könnte, um zu seinen Lasten eine völkerrechtswidrige Besteuerung zu veranlassen. Im Gegenteil zeige das Auskunftsersuchen den Willen der britischen Finanzverwaltung, die ihr nachträglich bekannt gewordenen Einkünfte unter Berücksichtigung vorrangiger Besteuerungsrechte anderer Staaten in die eigene Steuerfestsetzung einzubinden. Ein solches Vorgehen entspreche in vollem Umfang dem Normzweck der Vorschriften über Auskunftsersuchen.

    34

    Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsanspruch gegeben.

    35

    Die Ermächtigung zur zwischenstaatlichen Amtshilfe ergebe sich aus § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 27 DBA GB. Die Voraussetzungen für den Auskunftsaustausch lägen auch vor.

    36

    Die angefragten Informationen seien auch erforderlich, da im Rahmen der laufenden Prüfung durch die britische Finanzverwaltung der Antragsteller um Aufklärung eines Sachverhaltes gebeten worden sei, der Antragsteller dieser Bitte aber nur unzureichend nachgekommen sei, weshalb sich die britische Finanzverwaltung zulässigerweise an den Antragsgegner gewandt habe. Nur die deutsche Finanzverwaltung sei in der Lage, maßgebliche Teile der erforderlichen Informationen der britischen Finanzverwaltung zu übermitteln. Diese Angaben seien auch erforderlich und erheblich, um die britische Finanzverwaltung in die Lage zu versetzen, eine ordnungsgemäße steuerliche Einbindung der Einkünfte vornehmen zu können.

    37

    Die angefragten Informationen seien auch steuerlich erheblich, da der Antragsteller zumindest Teile seiner Einkünfte über mehrere Jahre nicht bei den für ihn jeweils zuständigen Finanzbehörden deklariert habe.

    38

    Soweit der Antragsteller die fehlende Übersendung des Auskunftsersuchens rüge, so sei darauf hinzuweisen, dass der Sachinhalt bereits am 31.1.2014 vollständig übermittelt worden sei.

    39

    Darüber hinaus erschließe sich nicht, welchen Mehrwert der Antragsgegner aus der Befragung der Steuerberater des Antragstellers ziehen soll.

    40

    Weiterhin könne auch die Besorgnis des Antragstellers in Bezug auf eine wegen der Verfahrensdauer gegebenenfalls eingetretene Verfristung des laufenden Auskunftsverfahrens ausgeräumt werden. Bei der vom Antragsteller angeführten Sechsmonatsfrist handele es sich nicht um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Der Antragsgegner habe zuletzt im Dezember 2016 Kontakt mit der britischen Behörde gehabt, die ihr anhaltendes Interesse an den erbetenen Auskünften zum Ausdruck gebracht hätte.

    41

    II.

    42

    Der Antrag ist unbegründet.

    43

    I. Der Antragsgegner ist berechtigt, die Antworten der bayrischen Landesbehörde an die britische Finanzverwaltung weiterzuleiten.

    44

    1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der im Hauptverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

    45

    2. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer Sicherungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte sie verhindern, dass der Antragsgegner sie betreffende steuerliche Verhältnisse an eine ausländische Steuerbehörde im Wege der Auskunftserteilung und des Auskunftsersuchens mitteilt. Sie möchte damit die Veränderung eines bestehenden Zustandes verhindern (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 28. Oktober 1997 – VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424).

    46

    a. Diesbezüglich fehlt es an einem Anordnungsanspruch.

    47

    Ein solcher ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. § 30 AO im Hinblick auf die Weiterleitung von Informationen, denn die Antragstellerin hat eine entsprechende Informationsweitergabe gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden.

    48

    § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO erlaubt die Offenbarung der Verhältnisse eines Steuerpflichtigen, soweit sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Zu diesen Gesetzen gehören auch die Rechtsgrundlagen der Auskunftserteilung (Bozza-Bodden, DStJG Band 36, 2013, 133, 154).

    49

    b. Gemäß § 117 Abs. 2 AO können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen, innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte der europäischen Union sowie des EU- Amtshilfegesetzes (EUAHiG, basierend auf der Richtlinie 2011/16) leisten. Gemäß Abs. 4 richten sich bei der Durchführung der Amtshilfe die Befugnisse der Finanzbehörden sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten und anderer Personen nach den für Steuern im Sinne von § 1 Abs. 1 AO geltenden Vorschriften. Gemäß S. 3 gilt bei der Übermittlung von Auskünften und Unterlagen für inländische Beteiligte § 91 AO entsprechend. Soweit die Amtshilfe Steuern betrifft, die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, hat eine Anhörung des inländischen Beteiligten abweichend von § 91 Abs. 1 AO stets stattzufinden, es sei denn es findet ein Informationsaustausch aufgrund des EUAHiG statt.

    50

    c. Gemäß Art. 27 Abs. 1 DBA UK tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen aus, die zur Durchführung des DBA oder zur Verwaltung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind. Dies gilt insbesondere zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und zur besseren Handhabung gesetzlicher Vorschriften gegen Steuergestaltung, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht.

    51

    d. Gemäß § 4 Abs. 1 EUAHiG erhält die zuständige Finanzbehörde auf Ersuchen alle Antworten, die für die Festsetzung von Steuern nach § 1 voraussichtlich erheblich sind.

    52

    e. Mit dem Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ wurde der OECD-Standard (vgl. Art. 26 OECD-MA) im EUAHiG sowie DBA UK übernommen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet (Schwarz in Schwarz/Pahlke, § 1 EUAHiG, Rn. 3). Zugleich soll klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen ("Fishing Expeditions") zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind (vgl. Begründung zum Entwurf des EU-Amtshilfegesetz der Bundesregierung vom 25. Mai 2012, BR-Drucks. 302/12, S. 66 f.; FG Köln, Beschluss vom 07. September 2015, 2 V 1375/15, EFG 2015, 1769; FG Köln Beschluss vom 23.5.2017, 2 V 2498/16, zur Veröffentlichung vorgesehen; EuGH vom 15.5.2017, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373).

    53

    Das Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ verlangt, dass zum Zeitpunkt des Ersuchens und der Informationsweitergabe eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die begehrte Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird (vgl. EuGH vom 15.5.2017, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373; FG Köln, Beschluss vom 07. September 2015, 2 V 1375/15, EFG 2015, 1769; FG Köln Beschluss vom 23.5.2017, 2 V 2498/16, zur Veröffentlichung vorgesehen; Hendricks in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29; Czakert in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 55). Die Daten müssen für die Subsumtion unter Besteuerungstatbestände des ersuchenden Vertragsstaates von Bedeutung sein (Hendricks in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29). Darauf, ob die Information nach ihrer Übermittlung tatsächlich relevant ist, kommt es nicht an (Hendricks in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29; Czakert in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 55).

    54

    f. Die um eine Information ersuchende Behörde hat hinsichtlich der Frage, welche Informationen für die Besteuerung voraussichtlich erheblich sind, einen Beurteilungsspielraum. Die ersuchte Behörde muss – ebenso wie ein angerufenes Gericht – nur prüfen, ob dem mit dem Prüfungsersuchen verfolgten Zweck die voraussichtliche Erheblichkeit nicht offenkundig völlig fehlt (EuGH vom 15.5.2017, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373).

    55

    3. Die Beantwortung des Informationsersuchens ist sowohl vor dem Hintergrund von Art. 27 DBA UK als auch vor dem Hintergrund von § 4 Abs. 1 EUAHiG nicht zu beanstanden.

    56

    a. Die britische Finanzverwaltung ersucht um Informationen, die für die Besteuerung voraussichtlich erheblich sind.

    57

    Im Rahmen der nach der skizzierten Rechtsprechung des EuGH gebotenen Prüfungstiefe sind die erbetenen Informationen nicht offenkundig voraussichtlich steuerlich unerheblich. Die britische Finanzverwaltung ersucht die deutsche Finanzverwaltung um Informationen zur steuerlichen Behandlung von empfangenen Zahlungen des Antragstellers. Vor dem Hintergrund des Wohnsitzes des Antragstellers in Großbritannien ist nicht auszuschließen, dass diese Informationen steuerliche Erheblichkeit haben können. Weitere Ermittlungen – insbesondere zur britischen Rechtslage – hat der Antragsgegner nicht anzustellen.

    58

    Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH muss der Antragsgegner auch nicht dezidiert nachweisen, dass die britische Finanzverwaltung sämtlich inländische Ermittlungsmaßnahmen ausgeschöpft hat, bevor sie das Informationsersuchen gestellt hat. Vielmehr genügt die Feststellung, ob inländische Ermittlungsmöglichkeiten nicht offenkundig überhaupt nicht ausgeschöpft worden. Diesbezüglich hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass die britische Finanzverwaltung mit dem Informationsersuchen nur solche Informationen von der deutschen Finanzverwaltung begehrt, die die deutsche Finanzverwaltung oder der Antragsteller selbst hatten. Dementsprechend ist das Informationsersuchen überhaupt nur deshalb notwendig, da der Antragsteller offenbar die entsprechenden Informationen nicht an die britische Finanzverwaltung weitergegeben hat.

    59

    b. Anhand der weitergegebenen Informationen wird die britische Finanzverwaltung in die Lage versetzt, zu prüfen, wie und in welchem Veranlagungszeitraum die streitgegenständlichen Einkünfte steuerlich zu erfassen sind und wie das Verhältnis zur Besteuerung in Deutschland zu beurteilen ist. Damit steht im Gegensatz zu der Auffassung des Antragstellers nicht fest, dass die Weitergabe der Informationen eine abkommenswidrige Doppelbesteuerung zum Ziel hat, vielmehr lässt das Informationsersuchen deutlich erkennen, dass die britische Finanzverwaltung sich auch dafür interessiert, wie die streitgegenständlichen Zahlungen von der deutschen Finanzverwaltung steuerlich beurteilt wurden. Durch das Instrument des Informationsersuchens wird das Ziel verfolgt, trotz der Zunahme der Mobilität von Steuerpflichtigen eine ordnungsgemäße Steuerfestsetzung sicherzustellen und Doppelbesteuerung gerade zu vermeiden (Erwägungsgrund 1 und 2 der Richtlinie 2011/16). Dass tatsächlich eine Doppelbesteuerung überhaupt droht, ist derzeit darüber hinaus bereits auch vor dem Hintergrund noch zweifelhaft, dass die Änderungsbescheide, mit welchen die streitgegenständlichen Zahlungen steuerlich nach Auffassung des Antragstellers erfasst werden sollten, aufgrund anhängiger Gerichtsverfahren noch nicht bestandskräftig sind.

    60

    4. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller rechtliches Gehör gewährt, insbesondere hat er ihm auch den Inhalt des britischen Auskunftsersuchens zur Kenntnis gegeben. Darüber hinaus hatte der Antragsteller im Rahmen der gewährten Akteneinsicht die Möglichkeit, die von der britischen Stadtverwaltung übersandten Dokumente einzusehen.

    61

    Damit wäre eine fehlende Anhörung nach § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO jedenfalls im finanzgerichtlichen Verfahren geheilt worden.

    62

    Ein Verstoß gegen § 117 Abs. 4 S. 3 AO liegt also nicht vor.

    63

    5. Weiterhin hat der Antragsgegner klargestellt, dass aus seiner Sicht die Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch Art. 27 DBA UK darstellt. Die britische Finanzverwaltung darüber hinaus hat als Rechtsgrundlage Art. 27 DBA UK und die Richtlinie 2011/16 benannt.

    64

    Die Zulässigkeit der Beantwortung des Informationsersuchens scheitert somit jedenfalls auch nicht an der konkreten Nennung einer Rechtsgrundlage.

    65

    6. Der Auffassung des Antragstellers, die Beantwortung des Informationsersuchens sei ermessensfehlerhaft, da der Antragsgegner zuvor keine Ermittlungen bei den früheren Steuerberatern des Antragstellers angestellt hat, ist völlig fernliegend. Die Behörde ist jedenfalls nicht verpflichtet, Ermittlungen zu Umständen anzustellen, von denen sie bereits Kenntnis hat.

    66

    7. Schließlich hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass die in § 5 Abs. 1 EUAHiG geregelte Halbjahresfrist zur Beantwortung eines Informationsersuchens den reibungslosen Informationsaustausch zwischen den beteiligten Vertragsstaaten sicherstellen soll, jedoch nicht dazu dient, im Falle des Fristablaufs das Informationsersuchen gegenstandslos werden zu lassen. Damit scheitert die Rechtmäßigkeit der Beantwortung des Informationsersuchens auch nicht am Zeitablauf.

    67

    II. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.