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  • 13.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080814

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.12.2007 – VIII R 14/06

    Auch eine schuldrechtliche Option auf den Erwerb einer Beteiligung (Call-Option) kann eine Anwartschaft sein, deren Veräußerung unter den sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen zu einem steuerbaren Gewinn nach § 17 EStG führt, wenn und soweit sie die wirtschaftliche Verwertung des bei der Kapitalgesellschaft eingetretenen Zuwachses an Vermögenssubstanz ermöglicht.


    Gründe:

    I.

    In der Sache ist streitig, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Kauf-Optionsrechts auf den Erwerb von GmbH-Anteilen nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtig ist.

    Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war seit 1993 Mehrheitsgesellschafter der A-GmbH (seit dem 30. August 1994 betrug sein --im Privatvermögen gehaltener-- Anteil am Stammkapital 75 %).

    Am 20. Oktober 1993 wurde das Stammkapital der A-GmbH von 2 Mio. DM auf 2,7 Mio. DM erhöht. Die neuen Stammeinlagen übernahm im Wesentlichen die B-GmbH, eine Tochter der X-Bank, und zwar in Höhe des anteiligen Nennwerts von 675 000 DM, entsprechend 25 % des gesamten Stammkapitals. Zudem leistete die B-GmbH ein Aufgeld von 4 325 000 DM, mithin insgesamt 5 Mio. DM.

    Ebenfalls am 20. Oktober 1993 gab der Kläger im Rahmen eines notariellen Vertrags (Optionsvertrag 1) das unwiderrufliche Angebot ab, den Geschäftsanteil der B-GmbH an der A-GmbH zu kaufen, wobei die Annahme dieses Angebots bis zum Ablauf des Jahres 2000 befristet war (sog. Put-Option).

    Für den Fall der Optionsausübung war u.a. bestimmt, dass der Kläger auch eine Übertragung des Geschäftsanteils an einen Dritten verlangen konnte, sofern dessen Bonität der B-GmbH gegenüber nachgewiesen war. Der Kaufpreis für den Geschäftsanteil sollte sich nach dem Wert des Unternehmens richten, errechnet aus dem durchschnittlichen Jahresergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, multipliziert mit dem Faktor 6,5, begrenzt auf jährlich 20 % auf das von der B-GmbH investierte Kapital von 5 Mio. DM. Der dingliche Übergang des Geschäftsanteils sollte zum Jahreswechsel 2000/2001 erfolgen. Der Kläger war verpflichtet, jeweils mindestens das Doppelte des Geschäftsanteils der B-GmbH an der A-GmbH zu halten. In der Folgezeit übernahm eine neu gegründete Aktiengesellschaft (AG) das operative Geschäft der A-GmbH, die fortan als Holding fungierte.

    In einem Vertrag vom 7. Juli 1995 (Optionsvertrag 2) änderten die Vertragspartner den Optionsvertrag 1 und vereinbarten, dass sich der Kaufpreis für den Geschäftsanteil nunmehr unter Berücksichtigung des konsolidierten Gewinns von A-GmbH und Aktiengesellschaft errechnete bei einem Mindestkaufpreis von 5 Mio. DM. Die im Optionsvertrag 1 bestimmte Höchstgrenze wurde beibehalten. Ferner machte die B-GmbH dem Kläger das unwiderrufliche, bis zum 30. Juni 2000 befristete Angebot, ihren Geschäftsanteil an der A-GmbH an den Kläger zu verkaufen und abzutreten (sog. Call-Option). Der Übergang des Geschäftsanteils sollte bei Ausübung dieser Option zum 1. Juli 2000 erfolgen, dem Kläger sollte das Gewinnbezugsrecht auch erst ab diesem Zeitpunkt zustehen. Im Übrigen --etwa hinsichtlich der Möglichkeit der Benennung eines Dritterwerbers und der Kaufpreisbestimmung-- waren Vereinbarungen getroffen, die denen des Optionsvertrags 1 entsprachen.

    Nach den Bestimmungen des im Streitjahr (1998) geltenden Gesellschaftsvertrags der A-GmbH bedurfte die Abtretung eines Geschäftsanteils der Zustimmung aller übrigen Gesellschafter, denen zudem ein Vorkaufsrecht zustand.

    Am 29. Dezember des Streitjahres veräußerte der Kläger (im Rahmen eines notariell beurkundeten Vertrags) im Einverständnis der B-GmbH sein Optionsrecht aus dem Optionsvertrag 2 mit sofortiger Wirkung an die Y-AG zu einem mit Vertragsabschluss fälligen Kaufpreis von 20 Mio. DM. Dabei trat die Y-AG in die im Optionsvertrag 2 geregelten Rechte und Pflichten ein. Die Rechte und Pflichten aus dem Optionsvertrag 1 betreffend die Put-Option übernahm sie nicht. Am selben Tag vereinbarten die B-GmbH und die Y-AG eine Neufassung der Optionsvereinbarung, wobei der Kaufpreis für die Geschäftsanteile an der A-GmbH auf 10 Mio. DM festgelegt wurde. Die Y-AG erwarb diese Anteile sodann am 28. Mai 1999.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unterzog den Gewinn aus der Veräußerung des Optionsrechts der Besteuerung nach § 17 Abs. 1 EStG.

    Einspruch und Klage blieben erfolglos.

    Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1056 veröffentlichten Urteil die Auffassung, dass der Kläger aufgrund des Optionsrechts eine gesicherte Rechtsstellung bezüglich des Erwerbs der von der B-GmbH gehaltenen Geschäftsanteile an der A-GmbH und damit eine Anwartschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG gehabt habe.

    Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG habe der Kläger keine Anwartschaft auf den Erwerb von Geschäftsanteilen erlangt. Ein dingliches Anwartschaftsrecht sei nicht entstanden. Anwartschaft könne im Übrigen nur eine solche Rechtsposition sein, die sich --als sog. vertikale Anwartschaft-- direkt gegen die Gesellschaft richte. Werde hingegen doch von einer Anwartschaft ausgegangen, seien die hierauf entfallenen Anschaffungskosten festzustellen.

    Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer abweichend vom Einkommensteuerbescheid 1998 vom 11. Dezember 2002 nach einem um 20 Mio. DM verminderten Gesamtbetrag der Einkünfte festzusetzen, hilfsweise, das Urteil des FG vom 15. Februar 2006 2 K 2393/02 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    Im Ergebnis zutreffend hat das FG den erzielten Gewinn des Klägers aus der Veräußerung des Optionsrechts als nach § 17 EStG steuerpflichtig erkannt. Der Ansatz dieses Gewinns mit 20 Mio. DM ist nicht zu beanstanden.

    1. Nach dem System des deutschen Einkommensteuerrechts sind Gewinne aus der Veräußerung privater Wirtschaftsgüter --nach derzeitiger Rechtslage und ungeachtet künftiger Änderungen, insbesondere durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008-- grundsätzlich nicht steuerbar. Ausnahmen hiervon sind in § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG (sog. Spekulationseinkünfte) und in dem hier maßgeblichen § 17 EStG geregelt. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Gesellschaftskapital wesentlich, d.h. zu mehr als einem Viertel, unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Diese Beteiligungsvoraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.

    Zweck der Vorschrift ist es, die Realisierung des in der Gesellschaft erzielten Substanzzuwachses zu besteuern (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Februar 1975 IV R 15/71, BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 509). Es soll der durch die Veräußerung des Anteils an einer Kapitalgesellschaft eingetretene Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfasst werden (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Urteile vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870, 872; vom 13. Juli 1999 VIII R 72/98, BFHE 190, 87, BStBl II 1999, 820; vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171, m.w.N.). Der an einer Kapitalgesellschaft maßgeblich beteiligte Gesellschafter soll auf der Vermögensebene so behandelt werden, als gehörte seine Beteiligung zu einem Betriebsvermögen, vergleichbar der Besteuerung bei einem Mitunternehmer. Dieser letztere Gesichtspunkt kann jedenfalls Gültigkeit beanspruchen für den auch das Streitjahr umfassenden Zeitraum vor der Herabsetzung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf zunächst 10 % und sodann 1 % durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) und der damit einhergehenden konzeptionellen Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und Veräußerung (s. BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 64/05, BStBl II 2007, 639, m.w.N.; vgl. zur Rechtsentwicklung auch Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 6; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 17 Rz 3).

    Als Anteile und damit als Veräußerungsobjekt im Rahmen des § 17 EStG benennt Abs. 1 Satz 3 der Vorschrift Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen sowie auch "Anwartschaften auf solche Beteiligungen". Bereits in dem Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 508 hat der BFH anhand von Bezugsrechten auf neue GmbH-Anteile entschieden, dass auch schuldrechtliche Ansprüche Anwartschaften in diesem Sinne sein können. Der Senat sieht insbesondere vor dem Hintergrund des seither unveränderten Normzwecks keinen Grund, den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG einschränkend auszulegen. Vielmehr kann auch die schuldrechtliche, auf den Erwerb bereits bestehender Gesellschaftsanteile bzw. anderer dort benannter Beteiligungen gerichtete Rechtsposition aus einer Kaufoption Anwartschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sein. Die von den Klägern gegen diese Auslegung erhobenen Einwände greifen nicht durch.

    Im Streitfall hat der Kläger mit dem Optionsrecht eine Anwartschaft auf die Beteiligung im Sinne der Aufzählung in Satz 3 erlangt (s. unter II.1.c der Entscheidungsgründe). Der Besteuerung des erzielten Gewinns steht deshalb nicht entgegen, dass der Kläger kein wirtschaftliches Eigentum an dem Gesellschaftsanteil erworben hatte, auf den sich sein Kauf-Optionsrecht bezog (s. unter II.1.a der Entscheidungsgründe) und dass das Optionsrecht entgegen der Auffassung des FG auch kein Anwartschaftsrecht auf Erwerb dieses Anteils begründete (s. unter II.1.b der Entscheidungsgründe).

    a) Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Unter diesen Voraussetzungen können auch Rechte und also auch Kapitalgesellschaftsanteile Gegenstand wirtschaftlichen Eigentums sein (s. dazu des Näheren Urteil des Senats vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296, 298, m.w.N.). Die Voraussetzungen hierfür lagen im Streitfall aber unstreitig nicht vor. Nach den Inhalten der Optionsverträge standen dem Kläger vor der Optionsausübung weder Stimmrecht noch Gewinnbezugsrecht zu. Da zudem wegen der Ausgestaltung der Formel zur Kaufpreisermittlung Chance und Risiko einer Wertänderung der Anteile zu einem unabgrenzbaren Teil bei der B-GmbH verblieben, kann deshalb in der Schwebephase vor Ausübung der Option nicht von einem wirtschaftlichen Ausschluss der zivilrechtlich berechtigten B-GmbH gesprochen werden.

    Dass im Streitfall bei einer Zusammenschau der Optionsverträge 1 und 2 eine sog. Doppeloption (Kombination aus Kauf- und Verkaufsoption) vorlag, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dem Senatsurteil in BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296 lag eine Doppeloption mit von vornherein fest vereinbartem Kaufpreis zugrunde. Aus diesem besonderen Umstand hat der Senat gefolgert, dass die Optionsausübung durch einen der Vertragsbeteiligten dem typischerweise zu prognostizierenden Geschehensablauf entspreche (kritisch hierzu Schmidt/v. Busekist/Drescher, Finanz-Rundschau --FR-- 2007, 1, 10 f.) und damit zugleich Chance und Risiko der Wertänderung bereits mit der Optionsrechtsbegründung (allein) auf den Inhaber der Kaufoption übergegangen seien mit der weiteren Folge des Übergangs auch des wirtschaftlichen Eigentums. Der Sachverhalt des vorliegenden Rechtsstreits ist entscheidungserheblich anders gelagert, da der Kaufpreis bei Vertragsabschluss noch nicht feststand und erfolgsabhängig war.

    b) Durch den Optionsvertrag 2 hat der Kläger auch kein (dingliches) Anwartschaftsrecht erworben.

    Ein steuerrechtlich eigenständiges Verständnis der im Zivilrecht entwickelten Figur des Anwartschaftsrechts besteht nicht. Unter dem unbestimmten, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht verwendeten Begriff (vgl. BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 508) der Anwartschaft versteht man nach der Zivilrechtsdogmatik "eine rechtlich bereits mehr oder weniger gesicherte Aussicht auf den Anfall eines subjektiven Rechts, insbesondere einer Forderung oder eines dinglichen Rechts, die darauf beruht, dass der normale Erwerbstatbestand eines solchen Rechts schon teilweise verwirklicht ist und seine Vollendung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann" (Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Aufl., S. 175, zitiert vom BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505; s. auch Larenz/Wolf, 9. Aufl., S. 275; ähnlich Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 17 Rz 27: Verwirklichung kann mit aller Wahrscheinlichkeit erwartet werden). Zum Anwartschaftsrecht verdichtet sich die Anwartschaft aber erst, indem von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer weitgehend gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag (s. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., vor § 158 Rz 9, m.w.N.; s. auch Eilers/ R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 17 EStG Rz 150). Wesensmerkmal ist die grundsätzlich bestehende Übertragbarkeit, Vererbbarkeit und Pfändbarkeit (s. Palandt/Heinrichs, a.a.O., vor § 158 Rz 9). Das Anwartschaftsrecht ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass aus ihm bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen ipso iure das Vollrecht entsteht (Palandt/Heinrichs, a.a.O., vor § 158 Rz 9), so etwa beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt vor vollständiger Zahlung der Kaufpreisraten oder beim Erwerb eines Grundstücks nach Auflassung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 929 Rz 26 ff., 37; § 925 Rz 23).

    Wegen der vorstehend genannten Voraussetzungen und Eigenarten eines Anwartschaftsrechts ist der Auffassung des FG (und daran anschließend Schmidt/v. Busekist/Drescher, FR 2007, 1, 13, unter unzutreffender Berufung auf das BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 IV R 209/74, BFHE 118, 26, BStBl II 1976, 288) nicht zu folgen, dass der Kläger ein dingliches Anwartschaftsrecht an dem der Option zugrunde liegenden Gesellschaftsanteil erlangt hätte. Denn ein wesentlicher Punkt der zum Erwerb des Gesellschaftsanteils erforderlichen rechtlichen Teilakte war noch nicht vollzogen und als solcher auch noch nicht in die Wege geleitet: der Kläger hatte zwar mit dem Optionsrecht ein Instrument zur Bestimmung des weiteren Geschehensablaufs in der Hand. Dieses war aber zunächst nur auf den Abschluss eines weiteren (Übertragungs-)Vertrags gerichtet (vgl. zur sog. Zweivertragstheorie Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 144, m.w.N.). Ohne die aus objektiver Sicht noch ungewisse Abgabe zumindest einer weiteren Willenserklärung des Klägers (Optionsausübung) konnte das Optionsrecht aus dem Optionsvertrag 2 nicht "wesensgleiches minus" (s. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 24. Juni 1958 VIII ZR 205/57, BGHZ 28, 16, 21, m.w.N.) des Gesellschaftsanteils sein und ohne die Ausübung der Option als weiterer Rechtshandlung hatte der Kläger auch keine Position inne, die ipso iure zum Übergang des von der B-GmbH gehaltenen Gesellschaftsanteils auf ihn hätte führen können.

    c) Die Verneinung eines beim Kläger entstandenen Anwartschaftsrechts schließt aber nicht aus, dass er eine "Anwartschaft" in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG erlangt hat. Anwartschaftsrecht und Anwartschaft sind nach ihrem Wortsinn nicht deckungsgleich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 508), auch wenn die Anwartschaft zuweilen unkritisch mit dem (davon umfassten) Anwartschaftsrecht synonym verwendet wird (s. etwa BFH-Beschluss vom 29. Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726; Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 77). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff angesichts dessen außersteuerlicher Herkunft und der diesbezüglichen zivilrechtlichen Terminologie (nur) im Sinne eines Anwartschaftsrechts verwenden wollte (vgl. auch Schweyer/Dannecker, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 1732, 1735), was anderenfalls durch eine Präzisierung des Gesetzeswortlauts ohne weiteres möglich gewesen wäre.

    Entgegen einzelnen, nicht näher begründeten Äußerungen im Schrifttum (vgl. HHR/Eilers/R. Schmidt, § 17 EStG Rz 151; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 17 Rz 50) lässt sich unmittelbar aus dem Begriff oder aus seinem Wesen nichts Konkretes für seine Auslegung und für die Lösung konkreter Rechtsfragen herleiten (s. zutreffend Jäschke in Lademann, EStG, § 17 EStG Rz 144). Vielmehr ist der Begriff auslegungsbedürftig. Da es insoweit weder in den Steuergesetzen noch in der Steuerrechtsdogmatik eine eigenständige Definition gibt und der Zweck des Steuergesetzes keine andere Auslegung gebietet, ist vom zivilrechtlichen Verständnis der Anwartschaft auszugehen (s. dazu oben unter II.1.b der Entscheidungsgründe).

    Dementsprechend genügte die Stellung des Klägers als Optionsberechtigter zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "Anwartschaft" i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Der Übergang der Anteile auf den Kläger oder einen von ihm zu benennenden Dritten durch das eingeräumte Optionsrecht und durch das damit einhergehende, bereits bei Vertragsschluss erklärte unwiderrufliche dingliche Übertragungsangebot der B-GmbH war weitgehend gesichert und damit der Erwerbsvorgang auch bereits durch Abschluss eines von zwei hierzu erforderlichen Verträgen teilverwirklicht. Zudem bestand auch einige Wahrscheinlichkeit für die Vollverwirklichung wegen der seit Abschluss des Optionsvertrags 2 bestehenden Doppeloption und der offenbar seitdem angewachsenen Werthaltigkeit des Optionsrechts.

    Zwar gilt keine generelle Vermutung, dass ein dem Zivilrecht entlehntes Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren sei; auch wenn ein Steuergesetz Begriffe enthält, die einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Steuerrecht insoweit den Wertungen des jeweiligen Rechtsgebiets folgt oder aber mit Hilfe der entlehnten Begriffe eigenständige steuerrechtliche Tatbestände bildet (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, 213). Es gibt aber auch keine gegenteilige Vermutung eines abweichenden steuerrechtlichen Verständnisses (BVerfG-Beschluss in BStBl II 1992, 212, m.w.N.). Gefordert wird die an den spezifischen steuerrechtlichen Regelungszielen auszurichtende Beurteilung, ob der bewirkte wirtschaftliche Erfolg einer (zivilrechtlichen) Gestaltung einen Steuertatbestand erfüllt. Im Streitfall entspricht das zivilrechtliche Verständnis dem steuerlichen Regelungsziel (s. zum Gesetzeszweck oben unter II.1. der Entscheidungsgründe).

    Der BFH hat es in seinem Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 508 dahinstehen lassen, ob der im EStG verwendete Begriff der Anwartschaft vom allgemeinen Sprachgebrauch oder vom Zivilrecht geprägt ist. Da der nicht festgefügte allgemeine Sprachgebrauch den Begriff umfassender verwendet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 508, im Anschluss an Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 1 (1854, 515), kann hieraus jedenfalls keine zugunsten der Kläger wirkende einschränkende Auslegung hergeleitet werden.

    d) Der Charakter des Optionsrechts als schuldrechtliches Gestaltungsrecht auf Abschluss eines Übertragungsvertrags steht der Subsumtion unter § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht entgegen. Dass auch bloß schuldrechtliche Rechtspositionen unter das Tatbestandsmerkmal "Anwartschaft" fallen können (s. BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 508; vgl. oben zu II.1. der Entscheidungsgründe), entspricht im Grundsatz auch ganz herrschender Meinung im Schrifttum (s. statt vieler Gosch in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 17 Rz 43; Zenthöfer/Schulze zur Wiesche, Einkommensteuer, 9. Aufl., S. 680). Das Urteil des Senats vom 14. Juni 2005 VIII R 73/03 (BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861), in dem er zwischen Genussrechten mit Beteiligungscharakter und solchen nur mit Obligationscharakter unterscheidet und Letztere nicht unter § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG subsumiert, bleibt ohne entscheidungserhebliche Bedeutung für den Streitfall. Die Entscheidung gründet auf die fehlende Beteiligung eines einfachen Genussrechts am Kapital (Liquidationsgewinn), der Anspruch aus dem Recht geht nur auf Beteiligung am Gewinn. Zwar begründet auch das streitbefangene Kauf-Optionsrecht unmittelbar noch keine Kapitalbeteiligung, wohl aber eine Anwartschaft auf eine solche Beteiligung am Kapital; es bildet also eine Vorstufe zum Vollrecht, zu dem das Genussrecht mit Obligationscharakter nicht führen kann. Die Auffassung schließlich, dass der Anspruch bei einem Anwartschaftsrecht auf den Erwerb des Vollrechts gehe, weshalb die Veräußerung schuldrechtlicher Ansprüche zur Übertragung bereits bestehender Vollrechte nicht steuerbar sei (s. Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 77, m.w.N.), hat zur unausgesprochenen --vom Senat bereits verneinten-- Prämisse, dass unter "Anwartschaft" jedenfalls nur ein Anwartschaftsrecht zu verstehen sei.

    e) Eine Anwartschaft ist im Streitfall nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Optionsrecht gegenüber der Mitgesellschafterin B-GmbH bestand. Allerdings will die herrschende Meinung im Schrifttum schuldrechtliche Rechtspositionen (Ansprüche), die sich nicht gegen die Gesellschaft selbst, sondern gegen deren Gesellschafter richten, aus dem Kreis der Anwartschaften ausschließen (s. etwa Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rz 43; Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 77; Strahl in Korn, § 17 EStG Rz 34; HHR/Eilers/R. Schmidt, § 17 EStG Rz 150; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 17 Rz 50; Schweyer/ Dannecker, BB 1999, 1732, 1734 f.; offengelassen in BFH-Beschluss in BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726 in einem Verfahren wegen vorläufigen Rechtsschutzes; a.A. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz 28; wohl auch Jäschke in Lademann, a.a.O., § 17 Rz 144; differenzierend Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 17 Rz 27 und 31a, je nachdem, ob bei Einräumung einer Kaufoption der Kaufpreis bereits fest vereinbart war oder nicht).

    Als gesetzessystematischer Gesichtspunkt wird in diesem Zusammenhang angeführt, dass die Norm neben der Anwartschaft nur Rechte gegenüber der Gesellschaft aufführe und auch das unter die Anwartschaft subsumierte Bezugsrecht der vertikalen Ausrichtung der Norm entspreche. Damit verstoße die Erfassung von Ansprüchen gegen Gesellschafter gegen die Systematik und den Sinn und Zweck der Norm, die ("horizontale") Rechte zwischen Gesellschaftern nicht erfassen wolle (s. Schweyer/Dannecker, BB 1999, 1732, 1735 und ihnen folgend Strahl in Korn, § 17 EStG Rz 34); horizontale Anwartschaften seien nicht in den Kreis der Anteile gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG einzubeziehen, weil sie keine kapitalbezogenen Rechte gegenüber der Gesellschaft vermittelten und somit nicht dem Telos der Vorschrift entsprächen, Beteiligungen an den in der Gesellschaft erwirtschafteten Vermögenszuwächsen zu erfassen (Strahl in Korn, § 17 EStG Rz 34, m.w.N.).

    Der Senat schließt sich dieser herrschenden Meinung in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall des Kauf-Optionsrechts nicht an. Weder der Gesetzeswortlaut (s. unter II.1.b, c der Entscheidungsgründe) noch die Gesetzessystematik rechtfertigen eine derart einschränkende Gesetzesauslegung.

    Die Übertragung einer Anwartschaft bewirkt noch nicht den Übergang der Beteiligung und folglich noch keine Kapitalbeteiligung des Anwärters. Damit ist von vornherein ein wesensmäßiger Unterschied zu den anderen in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG aufgezählten Begriffen gegeben. Angesichts dieser Ungleichartigkeit gibt es keinen zwingenden systematischen Grund, auch die "Anwartschaft" den anderen Begriffen gleichzustellen und auf ein "Recht gegen die Gesellschaft" zu beschränken. Zudem spricht die weit gefasste Aufzählung in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG --unter Einschluss "ähnlicher Beteiligungen" und eben auch "Anwartschaften"-- unter Berücksichtigung des Normzwecks gegen ein restriktives gesetzgeberisches Verständnis der Vorschrift.

    Dass die Anwartschaft im Gesetz gleichwohl als "Anteil" definiert wird, ist ein gesetzlicher Nachvollzug vorausgegangener Rechtsprechung (vgl. Darstellung in BFH-Urteil in BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171, 172). Dieser Rechtsprechung ging es um die Erfassung von realisierten Wertsteigerungen der Gesellschaftsanteile, zu der es bei der Veräußerung eines Bezugsrechts wegen eines Substanztransfers (Substanzabspaltung) von der Altaktie auf das Bezugsrecht kommt. So heißt es im BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 509: "... da der Zweck des § 17 EStG darauf gerichtet ist, die Realisierung des Zuwachses an Substanz der Kapitalgesellschaft beim Anteilseigner zu besteuern, wenn diese Realisierung auf andere Weise als durch Ausschüttung eintritt, wäre es ungereimt, ...daß nur die durch die Veräußerung von einzelnen Aktien oder GmbH-Geschäftsanteilen bewirkte Realisierung der Substanz, nicht hingegen die wirtschaftlich in gleicher Weise bewirkte Realisierung der Substanz durch Veräußerung von Bezugsrechten besteuert wird."

    Dabei ist aber zu beachten, dass der Substanztransfer bzw. die auch sog. Substanzabspaltung zu keiner rechtlichen Aufteilung bisher bestehender Anteile führt. Vielmehr ist der Wertübergang von Altanteilen auf Bezugsrechte (auf neue Aktien bzw. neue GmbH-Anteile) wirtschaftlicher Natur. Ein vergleichbarer Wertetransfer kann in Fällen wie dem vorliegenden auch auf der Grundlage einer schuldrechtlichen Erwerbsoption erfolgen. Mit dem von der Beteiligung selbst auf das Optionsrecht übergegangenen Verwertungspotential wird eine wirtschaftliche Teilhabe an den in der Gesellschaft erwirtschafteten Vermögenszuwächsen (s.o. unter II.1. der Entscheidungsgründe) ermöglicht.

    Dass der Kläger das wirtschaftliche Verwertungspotential des Anteils der B-GmbH an der A-GmbH nicht durch unmittelbare Ausübung des Optionsrechts (und ggf. anschließende Anteilsveräußerung) realisierte, sondern --im Umfang des von der Y-AG an ihn geleisteten Kaufpreises-- durch anderweitige Verfügung über das Optionsrecht, ist unbeachtlich. Denn zum Anteilserwerb selbst und gerade in der Person des Anwärters muss es tatsächlich nicht (mehr) kommen, um den Besteuerungstatbestand zu erfüllen; dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, das auch den Gewinn aus der Veräußerung (nur) der Anwartschaft erfasst. Auch die Veräußerung von Bezugsrechten führt nur zu einer mittelbaren Verwertung eines Anteils am Gesellschaftskapital. Dabei ist der Bezug zwischen Altanteil und Gewinn noch weiter gelockert in den Fällen, in denen das Bezugsrecht eines potentiell bezugsberechtigten Gesellschafters im Wege eines Gesellschaftsbeschlusses von vornherein zugunsten eines Dritten ausgeschlossen wird, was die Annahme einer Veräußerung i.S. von § 17 EStG gleichwohl nicht ausschließt (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477, 478, m.w.N.; vom 19. April 2005 VIII R 68/04, BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762, 763 f., m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz 27).

    f) Die in der Literatur geäußerte Befürchtung, die Erfassung schuldrechtlicher Ansprüche gegen Gesellschafter im Rahmen des § 17 EStG könne zur Doppelerfassung von Kapitalanteilen bei der Ermittlung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze bzw. zu schwerwiegenden Systembrüchen führen (s. etwa Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz B 110; Schweyer/ Dannecker, BB 1999, 1732, 1735, unter IV.), wird vom Senat nicht geteilt. Durch die Rechtsprechung ist mittlerweile geklärt, dass Anwartschaften bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, ungeachtet ihrer Eigenschaft als möglicher Gegenstand der Veräußerung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG (BFH-Urteil vom 14. März 2006 VIII R 49/04, BFHE 213, 307, BStBl II 2006, 746, 748).

    Dass die Besteuerung des Gewinns bei mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalten zu unbilligen Ergebnissen führe (so etwa Schweyer/Dannecker, BB 1999, 1732, 1735 f.), ist nicht nachvollziehbar. Es soll in diesem Zusammenhang bei dem Hinweis verbleiben, dass gerade die Einräumung einer Kaufoption anstelle eines Direktverkaufs zu einer Verlagerung des zu zahlenden Entgelts weg vom Anteil und hin zum Optionsrecht führen könnte und damit zu einer Steuerentstrickung des bei der Gesellschaft entstandenen Substanzzuwachses (bzw. Verwertungspotenzials), falls der Gewinn aus der Optionsveräußerung nicht erfasst würde. Dass ein solches Ergebnis einer sachlichen Rechtfertigung entbehren würde und --im Vergleich zur steuerlichen Behandlung des den Anteil direkt veräußernden Gesellschafters-- zudem unbillig erschiene, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

    Die sinngemäß geäußerte Auffassung, die Erstreckung der Anwartschaft auf "horizontale" Rechte habe eine massive Rechtsunsicherheit zur Folge und jede Vereinbarung zwischen Gesellschaftern könne dann zu einer wesentlichen Beteiligung führen (s. Schweyer/Dannecker, BB 1999, 1732), trifft nicht zu, wie das in diesem Zusammenhang mehrfach angeführte Beispiel des Vorkaufsrechts (s. etwa Strahl in Korn, § 17 EStG, Rz 34; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 17 Rz 50; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rz 43) zeigt: da die Ausübung des Vorkaufsrechts voraussetzt, dass es einen (Anteils-)Kaufvertrag zwischen dem veräußernden Gesellschafter und einem Dritten gibt, hat der Inhaber des Vorkaufsrechts keine gesicherte Erwerbsposition, solange ein solcher Kaufvertrag nicht existiert, also keine Anwartschaft. Im Übrigen ist bereits fraglich, ob dieser gedachte Fall eines entgeltlich und mit Gewinn weiterveräußerten obligatorischen Vorkaufsrechts zum Erwerb eines Gesellschaftsanteils überhaupt praktische Bedeutung hat.

    g) Aus der Entstehungsgeschichte des § 17 EStG lassen sich keine im Streitfall entscheidungserheblichen Gesichtspunkte gewinnen. Es gibt kein historisches Argument, das der Auslegung des Senats entgegensteht. Das Tatbestandsmerkmal "Anwartschaften" findet sich erstmals in § 30 Abs. 3 EStG 1925 (der Vorgängervorschrift zu § 17 EStG), ohne dass die Begründung zum Gesetzesentwurf des EStG 1925 hierzu eine Aussage getroffen hätte (s. hierzu die Darstellungen bei Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 17 Rz B 110 f.; ferner bei BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 507). Den Versuch einer Inhaltsbestimmung haben deshalb die Kommentarliteratur und die Rechtsprechung unternommen. Die Definition der Anwartschaft durch den BFH in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505 als "begründete Aussicht auf den Erwerb einer tatsächlichen oder rechtlichen Position" an der Kapitalgesellschaft schließt das Optionsrecht nicht aus. Wenn auch insbesondere Bezugsrechte auf GmbH-Geschäftsanteile bzw. Aktien im Rahmen von Kapitalerhöhungsmaßnahmen als Anwendungsfälle dieses Tatbestandsmerkmals angesehen wurden (s. BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 507: "... auch Bezugsrechte..."; BFH-Urteil in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477; Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 17 Rz B 111, m.w.N.; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 17 Rz 49), so findet sich doch keine Aussage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach das Bezugsrecht den Begriff der Anwartschaft in § 17 EStG restlos ausfüllen würde.

    h) Aus den vorstehenden Gründen stimmt die Entscheidung des FG im Ergebnis mit dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck des § 17 Abs. 1 EStG überein. Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit durch Verwertung des bei der A-GmbH eingetretenen Substanzzuwachses bzw. des dort entstandenen wirtschaftlichen Verwertungspotentials ist überwiegend beim Kläger eingetreten durch die Veräußerung der auf den Anteilsverkauf gerichteten Kauf-Option, nur zum geringeren Teil auch bei der Verkäuferin der GmbH-Anteile. Der Wert des Optionsrechts leitete sich aus dem Wert der Anteile ab. Das Optionsrecht berechtigte zum Erwerb der Anteile zu einem bestimmbaren, nach oben begrenzten Preis. Bei einem Wertzuwachs der Anteile über die formelhaft zu ermittelnde Preisobergrenze hinaus wuchs das wirtschaftliche Verwertungspotential insoweit nur noch dem Kläger als Optionsinhaber zu und nicht mehr der B-GmbH, die die optionsunterworfenen Anteile hielt. Da der Y-AG der Erwerb der Anteile an der A-GmbH insgesamt 30 Mio. DM wert war, von denen 20 Mio. DM der Kläger erhielt, hat der Kläger in Höhe dieser 20 Mio. DM den Wertzuwachs der Anteile realisiert. Das FG hat den Veräußerungsgewinn zutreffend in Höhe dieser 20 Mio. DM angesetzt.

    In diesem Zusammenhang muss nicht der Frage nachgegangen werden, ob der seitens der Y-AG geleistete Gesamtbetrag von 30 Mio. DM auf einem objektivierbaren Wert der Anteile nach Maßgabe wirklicher Substanzwerte und/oder realistischer Gewinnerwartungen beruhte. Auch wenn der BFH in seiner Entschei-dung in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, 509 von der Besteuerung des realisierten Substanzzuwachses spricht, kommt es für die Besteuerung nach § 17 EStG gemäß dessen Abs. 2 auf den tatsächlich geleisteten Veräußerungspreis an, gleich, welche Kriterien der konkreten Kaufpreisfindung zugrunde lagen.

    2. Auch soweit die Kläger hilfsweise mangelnde Sachaufklärung rügen, weil das FG keine Anschaffungskosten des Klägers für das Optionsrecht ermittelt habe, kann die Revision keinen Erfolg haben. Da die Beteiligten diesen Gesichtspunkt anteiliger Anschaffungskosten im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht haben, war das FG nach Maßgabe seiner materiell-rechtlichen Auffassung nicht gehalten, den Sachverhalt weiter aufzuklären, um die Spruchreife herbeizuführen (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 14, m.w.N.).

    Das FG hatte auch keinen Grund, den Gesichtspunkt wegen offensichtlicher Entscheidungserheblichkeit von sich aus aufzugreifen. Das materielle Recht ist nicht falsch angewendet worden. Der Kläger selbst hat keine Anschaffungskosten für das Optionsrecht gehabt und auch nicht in anderer Weise wirtschaftlich getragen. Eine gedankliche Aufspaltung des von der B-GmbH für die Anteile gezahlten Entgelts einschließlich des Agios und anteilige Zuordnung zum --erst später geschaffenen-- Optionsrecht musste nicht erfolgen. Da einander nicht nahestehende Personen gegenseitig nichts zu verschenken haben, gilt die Vermutung der Entgeltlichkeit der zwischen ihnen erfolgenden Vermögensübertragungen (BFH-Urteil in BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762, 764, m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Deshalb ist davon auszugehen, dass die Vertragsbeteiligten beim --mehrere Jahre vor der Optionsverwertung-- erfolgten Abschluss des Optionsvertrags 2 von der wirtschaftlichen Angemessenheit der Vereinbarung ausgegangen sind. Seinem Sinn und Zweck nach kommt § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG daher nicht zur Anwendung. Zum Zeitpunkt der Bestellung des Optionsrechts mit Abschluss des Optionsvertrags 2 hat auch keine Substanzabspaltung aus den Gesellschaftsanteilen auf das Optionsrecht stattgefunden --im Unterschied etwa zur Gewährung kostenloser Bezugsrechte im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung (vgl. etwa BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345)--, die eine Aufteilung der von der B-GmbH getragenen Anschaffungskosten für die Anteile an der A-GmbH gebieten würde.

    RechtsgebieteEStG, AOVorschriftenEStG § 17 Abs. 1, EStG § 17 Abs. 2, AO § 39 Abs. 2 Nr. 1