21.08.2008
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 18.06.2008 – I B 152/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Besteuerung einer Abfindung.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1989) im Inland wohnten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der B-GmbH. In dieser Eigenschaft oblag es ihm, in insgesamt acht Ländern in der B-GmbH sowie in einer weiteren Gesellschaft den Bereich ... zu leiten. Nach einem mit der B-GmbH geschlossenen Dienstvertrag befand sich der Dienstsitz des Klägers prinzipiell in L (Inland); da aber für 1988 die Schwerpunktfunktion des Klägers die Integration italienischer Tochtergesellschaften war, sollte für diese Zeit sein Dienstsitz X (Italien) sein. Zudem hatte der Kläger ausweislich einer von der B-GmbH erteilten Bescheinigung einen weiteren Dienstsitz in Y (Italien).
Im Rahmen seines Dienstverhältnisses hatte der Kläger Anspruch auf ein Gehalt und auf eine Erfolgsbeteiligung. Dazu war vereinbart, dass der Arbeitgeber die Vereinbarung über die Erfolgsbeteiligung jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen durfte, wenn der Dienstvertrag von dem Kläger gekündigt wurde oder aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden Gründen von dem Arbeitgeber gekündigt werden durfte.
Im Juni 1989 wurde der Kläger als Geschäftsführer der B-GmbH abberufen. In diesem Zusammenhang erklärte sich die B-GmbH bereit, über eine Aufhebung des Dienstverhältnisses zu verhandeln; für den Fall, dass nicht kurzfristig eine Einigung erzielt werden konnte, drohte sie dem Kläger eine fristlose Kündigung an. Daraufhin wurde am 3. Juli 1989 eine Vereinbarung geschlossen, nach der das Geschäftsführerdienstverhältnis einschlie ßlich aller vorausgegangenen Anstellungsverhältnisse und der im Rahmen von Abordnungen übertragenen Mandatsverhältnisse mit Wirkung zum 30. Juni 1989 auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wurden. Anlässlich der vorzeitigen Beendigung sollte der Kläger eine einmalige Abfindung in Höhe von (brutto) ... DM erhalten. Die B-GmbH zahlte dem Kläger diesen Betrag im Streitjahr aus und versteuerte die Zahlung nach Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 24 000 DM zum halben Steuersatz.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr behandelten die Kläger den nicht von der B-GmbH steuerfrei belassenen Teil der Abfindung (... DM) sowie den laufenden Arbeitslohn zu 80 % als steuerfrei. Sie legten dazu eine Bescheinigung der B-GmbH vor, die besagt, dass der Kläger im Streitjahr von 105 Arbeitstagen 81 in Italien verbracht habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) unterwarf demgegenüber die Abfindung insgesamt der deutschen Besteuerung. Die deshalb erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Beschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist der Fall, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
a) Nach den Feststellungen des FG, die insoweit von den Klägern nicht angegriffen werden, hat der Kläger im Streitjahr im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung seines Dienstvertrags mit der B-GmbH eine Entschädigung erhalten. Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist geklärt, dass eine solche Entschädigung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zählt (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1978 VI R 91/77, BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155). Diese Regel greift --und zwar ersichtlich auch nach Einschätzung der Kläger-- im Streitfall ein. Die von der B-GmbH gezahlte Abfindung zählt daher nach deutschem Recht zu den steuerpflichtigen Einkünften des Klägers.
b) Nach Art. 7 Abs. 1 des --im Streitjahr noch geltenden-- Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 (RGBl II 1925, 1146) --DBA-Italien 1925-- sind Einkünfte aus Arbeit in Deutschland steuerfrei, soweit die Arbeit in Italien ausgeübt wird. Dabei zählen zu den "Einkünften aus Arbeit" i.S. des Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien 1925 die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG (Senatsurteil vom 29. Januar 1986 I R 22/85, BFHE 146, 132, BStBl II 1986, 479). Indessen hat der Senat für vergleichbare Abkommensregelungen wiederholt entschieden, dass das für die Besteuerung von Arbeitslöhnen geltende abkommensrechtliche Arbeitsortprinzip nicht für Abfindungen gilt, die anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden (Senatsurteile vom 18. Juli 1973 I R 52/69, BFHE 110, 43, BStBl II 1973, 757; vom 10. Juli 1996 I R 83/95, BFHE 181, 155, BStBl II 1997, 341, m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt in Bezug auf Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien 1925 gleichermaßen. Ein Klärungsbedürfnis besteht insoweit nicht und wird auch von den Kl ägern nicht geltend gemacht.
c) Die Kläger halten jedoch für klärungsbedürftig, ob Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien 1925 bei der Zahlung einer Abfindung eingreift, wenn und soweit in der Abfindungssumme ein Entgelt für eine in Italien ausgeübte Tätigkeit enthalten ist. Ob diese Frage (zu ihr z.B. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz 144; Vogelgesang in Gosch/Kroppen/ Grotherr, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 OECD-MA Rz 89) der Klärung durch den BFH bedarf, kann indessen offenbleiben. Denn jedenfalls kann die genannte Frage im Streitfall nicht geklärt werden, da auf Grund des erstinstanzlichen Urteils davon auszugehen ist, dass ein konkreter Zusammenhang zwischen der vom Kläger vereinnahmten Abfindung und dessen früherer Tätigkeit in Italien nicht besteht.
aa) Das FG ist in dem angefochtenen Urteil von der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen (S. 9 des FG-Urteils). Es hat auf dieser Basis angenommen, dass die streitige Zahlung der inländischen Besteuerung unterliege, da sie kein zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit des Klägers darstelle und nicht für eine konkrete Tätigkeit im In- oder Ausland gezahlt worden sei (S. 10 des FG-Urteils). Vielmehr sei nach dem Vortrag der Kläger für die Höhe der Abfindung das Interesse des Arbeitgebers maßgebend gewesen, Aktien einer anderen Gesellschaft günstig zu erwerben, was durch das Bekanntwerden von Differenzen mit dem Kläger hätte gefährdet werden können (S. 7 und 11 des FG-Urteils). Diese Ausführungen bringen hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass nach der Einschätzung des FG durch die Abfindung nicht die vorangegangenen Leistungen des Klägers und insbesondere nicht dessen Tätigkeit in Italien honoriert werden sollten. An diese Würdigung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden, weshalb dort kein Raum für Überlegungen dazu wäre, welche abkommensrechtlichen Folgen sich aus einem Zusammenhang zwischen der Abfindung einerseits und der Tätigkeit des Klägers in Italien andererseits ergäben.
bb) Zu einer abweichenden Beurteilung führt nicht die von den Klägern zitierte Aussage des FG, ein etwa bestehender Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung sei "offensichtlich einverständlich in der Aufhebungsvereinbarung mit abgegolten worden" (S. 11 des FG-Urteils). Diese Wendung soll ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen, dass ein abgrenzbarer Teil der Abfindungssumme auf die dem Kläger zugesagte Erfolgsbeteiligung entfalle; das gilt schon deshalb, weil das FG das Vorliegen eines zusätzlichen Entgelts für die Tätigkeit in Italien ausdrücklich verneint hat (S. 10 des FG-Urteils). Vielmehr besagt sie nur, dass nach der Einschätzung des FG die B-GmbH u.a. deshalb zur Zahlung einer Abfindung in der vereinbarten Höhe bereit war, weil sie einen weiteren Streit über etwa bestehende Ansprüche des Klägers aus dessen bisheriger Tätigkeit vermeiden wollte. Selbst wenn das aber die Motivationslage der B-GmbH oder sogar die übereinstimmende Vorstellung der Vertragsparteien war, wird dadurch die Abfindung weder in Gänze noch zu einem abgrenzbaren Teil zu einer nachträglichen Entlohnung für die frühere Tätigkeit. Sie bleibt vielmehr in vollem Umfang ein Entgelt für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, das abkommensrechtlich nicht der Besteuerung durch den Tätigkeitsstaat unterliegt, sondern vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden darf. Das bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO keine Zulassung der Revision ermöglicht.
2. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erlaubt die Zulassung der Revision wegen eines dem FG unterlaufenen Verfahrensmangels, auf dem das Urteil des FG beruhen kann. Einen solchen Verfahrensmangel sehen die Kläger darin, dass das FG nicht den Hauptgeschäftsführer der B-GmbH dazu befragt habe, "in welchem Umfang die Abfindung zur Abgeltung der" dem Kläger vertraglich zugesicherten "Erfolgsbeteiligung erfolgt ist". Dazu sei das FG von Amts wegen verpflichtet gewesen, nachdem es ausweislich des angefochtenen Urteils davon ausgegangen sei, dass mit der Abfindung die vom Kläger bereits erdiente Erfolgsbeteiligung habe abgegolten werden sollen. Diese Rüge geht indessen fehl.
Denn das FG hat --wie dargelegt-- nicht angenommen, das ein Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung in konkreter und abgrenzbarer Weise in die Abfindungsvereinbarung eingeflossen sei. Es hatte daher keine Veranlassung, von sich aus der Frage nachzugehen, in welcher Höhe im Zeitpunkt der Vertragsauflösung ein Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung entstanden war oder welche Vorstellungen die Vertragsparteien dazu hatten. Die Verletzung einer etwa bestehenden Sachaufklärungspflicht könnte vielmehr allenfalls darin gesehen werden, dass das FG einem dahin gehenden Beweisantrag der Kläger nicht nachgekommen ist. Dieser Punkt kann jedoch, was gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO keiner weiteren Begründung bedarf, schon deshalb nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein, weil die Rüge erst nach Ablauf der Begründungsfrist erhoben wurde.