13.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093647
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 15.10.2009 – C-35/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
15. Oktober 2009(*)
„Freier Kapitalverkehr – Immobilien – Einkommensteuer – Abzugsfähigkeit der Verluste aus Vermietung von den zu besteuernden Einkünften eines Steuerpflichtigen – Anwendung einer degressiven Abschreibung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten – Günstigere steuerliche Behandlung nur für im Inland belegene Immobilien“
In der Rechtssache C‑35/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2008, in dem Verfahren
Grundstücksgemeinschaft Busley und Cibrian Fernandez
gegen
Finanzamt Stuttgart-Körperschaften
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Grundstücksgemeinschaft Busley und Cibrian Fernandez, vertreten durch Rechtsanwalt R. Busley,
– des Finanzamts Stuttgart-Körperschaften, vertreten durch H. Henzler als Bevollmächtigten,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
– der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch P. Bjørgan und L. Armati als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 EG und 56 EG.
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Busley und Herrn Cibrian Fernandez als Erbengemeinschaft und dem Finanzamt Stuttgart-Körperschaften (im Folgenden: Finanzamt) über die von diesem für die Jahre 1997 bis 2003 gewährte steuerliche Behandlung der Einnahmen aus einem in Spanien belegenen Haus, das die Kläger von ihren Eltern geerbt hatten.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] (ABl. L 178, S. 5) bestimmt:
„Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.“
Zu dem in Anhang I der Richtlinie 88/361 aufgeführten Kapitalverkehr gehört unter Rubrik XI der Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter, der auch Erbschaften und Vermächtnisse umfasst.
Nationales Recht
Nach § 2a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Jahren 1997 bis 2003 gültigen Fassung (im Folgenden: EStG) dürfen bestimmte Kategorien negativer Einkünfte mit Auslandsbezug nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art und aus demselben Staat wie diese negativen Einkünfte ausgeglichen werden. Soweit die negativen Einkünfte nicht in dieser Weise ausgeglichen werden können, mindern sie die positiven Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Die Minderung ist nur insoweit zulässig, als die negativen Einkünfte in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht berücksichtigt werden konnten. Zu diesen Kategorien zählen nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG negative Einkünfte aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem ausländischen Staat belegen sind.
§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sieht für Gebäude, die zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist, als Absetzung für Abnutzung bis zur vollen Absetzung einen jährlichen Abzug von 3 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG regelt die jährliche Absetzung bei Gebäuden, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, und sieht insbesondere einen jährlichen Abzug von 2 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für solche Gebäude vor, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind.
Abweichend von § 7 Abs. 4 kann nach § 7 Abs. 5 Satz 1 EStG bei im Inland belegenen Gebäuden, die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, eine degressive Abschreibung vorgenommen werden. Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a können bei Gebäuden im Sinne des Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, die vom Steuerpflichtigen aufgrund eines nach dem 28. Februar 1989 und vor dem 1. Januar 1996 gestellten Bauantrags hergestellt oder nach dem 28. Februar 1989 aufgrund eines nach dem 28. Februar 1989 und vor dem 1. Januar 1996 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags angeschafft worden sind, soweit sie Wohnzwecken dienen, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen werden:
– im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden drei Jahren jeweils 7 %,
– in den darauf folgenden sechs Jahren jeweils 5 %,
– in den darauf folgenden sechs Jahren jeweils 2 %,
– in den darauf folgenden 24 Jahren jeweils 1,25 %.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Kläger des Ausgangsverfahrens, die Geschwister sind, besitzen die spanische Staatsangehörigkeit und sind seit ihrer Geburt in Deutschland ansässig. In den Jahren 1997 bis 2003 bezogen sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und waren in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
Die Eltern der Kläger des Ausgangsverfahrens – ebenfalls spanische Staatsangehörige – begannen 1990 mit dem Bau eines Hauses in Spanien, das 1993 fertiggestellt wurde. Die Mutter starb 1995, der Vater 1996. Mit Eintritt des Erbfalls im November 1996 wurden die Kläger des Ausgangsverfahrens im Wege einer Erbengemeinschaft Eigentümer des Hauses, nutzten es jedoch nie selbst. Ab 1. Januar 2001 wurde das Haus vermietet, und 2006 wurde es verkauft.
In ihren beim Finanzamt eingereichten Steuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2003 beantragten die Kläger in Bezug auf das Haus zum einen die degressive Abschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG und zum anderen die Nichtanwendung des eingeschränkten Verlustausgleichs nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG. Das Finanzamt entsprach dem nicht und wandte die letztgenannte Vorschrift sowie die lineare Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG an, weil das Haus nicht im Inland belegen sei.
Die dagegen rechtzeitig eingelegten Einsprüche beschied das Finanzamt nicht, woraufhin die Kläger des Ausgangsverfahrens Klage zum vorlegenden Gericht erhoben, mit der sie geltend machen, dass die steuerliche Behandlung der Einkünfte aus ihrem in Spanien belegenen Haus gegen die Art. 39 EG und 43 EG verstoße.
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass der Klage nach deutschem Recht nicht stattgegeben werden könne, da sich das Haus nicht in Deutschland befinde. Es hat jedoch Bedenken, ob § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a und § 7 Abs. 5 EStG mit Art. 56 EG vereinbar sind; sollte der Gerichtshof feststellen, dass der EG-Vertrag derartigen nationalen Bestimmungen entgegenstehe, müsste der Klage nach Ansicht des Gerichts stattgegeben werden.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Baden-Württemberg das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:
1. a) Widerspricht es Art. 56 EG, wenn eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegenen Immobilie bei der Einkommensermittlung in Deutschland im Verlustentstehungsjahr – im Gegensatz zu dem Verlust aus einer Inlandsimmobilie – nicht abziehen kann?
b) Spielt es dabei eine Rolle, ob die natürliche Person die Immobilieninvestition selbst vorgenommen hat, oder ist ein Verstoß auch zu bejahen, wenn die natürliche Person im Wege der Erbfolge Eigentümer der im anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie geworden ist?
2. Widerspricht es Art. 56 EG, wenn eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegenen Immobilie lediglich die Normal-Abschreibung ansetzen kann, während sie hingegen bei inländischen Immobilien die erhöhte degressive Abschreibung ansetzen könnte?
3. Falls die Fragen 1 und 2 zu verneinen sind: Verstoßen die streitigen nationalen Bestimmungen gegen die Freizügigkeit des Art. 18 EG?
In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Gerichtshof erklärt, dass das Finanzamt ihnen eine Mitteilung übersandt habe, wonach ihrem Antrag auf Berücksichtigung der Verluste aus der Vermietung ihres in Spanien belegenen Hauses stattgegeben worden sei. Dieser Antrag ist Gegenstand der ersten Vorlagefrage. Da das vorlegende Gericht dem Gerichtshof jedoch nicht mitgeteilt hat, dass es diese Frage zurücknehme, ist sie zu beantworten.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 EG Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Einkommensteuer entgegensteht, wonach das Recht gebietsansässiger und unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus einer Immobilie im Verlustentstehungsjahr von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen und bei der Ermittlung der Einkünfte aus einer Immobilie eine degressive Abschreibung anzusetzen, von der Voraussetzung abhängt, dass die Immobilie im Gebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist.
Das vorlegende Gericht möchte außerdem wissen, ob Art. 56 EG auf eine Situation wie diejenige des Ausgangsrechtsstreits anwendbar ist, in der die Betroffenen im Wege der Erbfolge Eigentümer der betreffenden Immobilie geworden sind.
Insoweit entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass mangels einer Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG im EG-Vertrag die Nomenklatur des Anhangs I der Richtlinie 88/361 – auch wenn diese Richtlinie auf die Art. 69 und 70 Abs. 1 EWG-Vertrag (später Art. 69 und 70 Abs. 1 EG-Vertrag, aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) gestützt ist – Hinweischarakter behält; dabei ist nach dem dritten Absatz der Einleitung dieses Anhangs die darin enthaltene Nomenklatur aber keine erschöpfende Aufzählung zur Definition des Begriffs des Kapitalverkehrs (vgl. u. a. Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, Slg. 2006, I‑8203, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Februar 2009, Block, C‑67/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 19).
Der Gerichtshof hat u. a. festgestellt, dass Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, unter die Rubrik XI des Anhangs I („Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“) der Richtlinie 88/361 fallen und dass es sich beim Erwerb von Todes wegen, auch wenn er unbewegliche Güter betrifft, um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 56 EG handelt; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (vgl. u. a. Urteile vom 23. Februar 2006, van Hilten-van der Heijden, C‑513/03, Slg. 2006, I‑1957, Randnrn. 40 bis 42, vom 11. September 2008, Arens-Sikken, C‑43/07, Slg. 2008, I-6887, Randnr. 30, vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, Slg. 2009, I-0000, Randnrn. 26 und 27, und Block, Randnr. 20).
Eine Situation, in der in Deutschland ansässige und unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen ein Haus in Spanien erben, fällt damit unter Art. 56 EG. Daher braucht die Anwendbarkeit der Art. 39 EG und 43 EG, auf die sich die Kläger des Ausgangsverfahrens berufen, nicht geprüft zu werden.
Was das Vorliegen von Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG betrifft, ist daran zu erinnern, dass zu den Maßnahmen, die durch diese Vorschrift verboten sind, solche gehören, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (vgl. Urteile vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, Slg. 2007, I‑1129, Randnr. 24, vom 18. Dezember 2007, A, C‑101/05, Slg. 2007, I‑11531, Randnr. 40, und vom 22. Januar 2009, STEKO Industriemontage, C‑377/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 23).
Als derartige Beschränkungen können nicht nur nationale Maßnahmen angesehen werden, die geeignet sind, den Erwerb von in anderen Mitgliedstaaten belegenen Immobilien zu verhindern oder zu beschränken, sondern auch Maßnahmen, die davon abhalten können, solche Immobilien zu behalten (vgl. entsprechend Urteil STEKO Industriemontage, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Aus dem Vorlagebeschluss geht erstens hervor, dass u. a. Verluste bei den Einkünften aus der Vermietung einer in Deutschland belegenen Immobilie in vollem Umfang im Jahr der Entstehung des Verlustes bei der Einkommensteuerveranlagung eines in Deutschland Steuerpflichtigen berücksichtigt werden können. Dagegen können Verluste aus der Vermietung einer ausländischen Immobilie nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG nur von späteren positiven Einkünften aus der Vermietung dieser Immobilie in Abzug gebracht werden.
Zweitens kann ein in Deutschland Steuerpflichtiger gemäß § 7 Abs. 5 EStG unter den dort genannten Bedingungen bei einer inländischen Immobilie eine degressive Abschreibung in Anspruch nehmen. Diese Abschreibung kann in den ersten Jahren zu einem deutlich höheren Verlust aus der Vermietung und damit zu einer deutlich geringeren Steuerbelastung für diesen Steuerpflichtigen führen als die lineare Abschreibung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, die als einzige Abschreibung auf die in dieser Vorschrift genannten Immobilien angewandt werden kann, wenn diese außerhalb Deutschlands belegen sind.
Zwar könnten die negativen Einkünfte eines in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen aus der Vermietung einer Immobilie in einem anderen Mitgliedstaat letztlich in Deutschland berücksichtigt werden, sofern mit dieser Immobilie später positive Einkünfte erzielt werden sollten. Darüber hinaus bewirkt eine degressive Abschreibung, wie das Finanzamt ausführt, lediglich eine Steuerstundung durch Vorverlagerung von Abschreibungen.
Doch selbst wenn der Steuerpflichtige eine solche Immobilie lange genug behält, um die gesamten Verluste mit späteren positiven Einkünften zu verrechnen und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Immobilie vollständig abzuschreiben, ändert dies nichts daran, dass er im Unterschied zu einem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen, der in eine Immobilie in diesem Mitgliedstaat investiert hat, weder in den Genuss einer sofortigen Berücksichtigung dieser Verluste noch eines höheren anfänglichen Abschreibungssatzes kommen kann, so dass ihm, wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hervorhebt, ein Liquiditätsvorteil vorenthalten wird (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑446/04, Slg. 2006, I‑11753, Randnrn. 84 und 153, und vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz, C‑347/04, Slg. 2007, I‑2647, Randnr. 29).
Daraus folgt, dass die steuerliche Situation einer in Deutschland ansässigen und unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person, die wie die Kläger des Ausgangsverfahrens über eine Immobilie in einem anderen Mitgliedstaat verfügt, weniger günstig ist, als sie es wäre, wenn sich die Immobilie in Deutschland befände.
Dieser steuerliche Nachteil ist geeignet, eine solche Person sowohl davon abzuhalten, in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie zu investieren, als auch davon, eine solche in ihrem Eigentum stehende Immobilie zu behalten. Daraus ergibt sich, dass nationale Maßnahmen wie diejenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, Beschränkungen des Kapitalverkehrs darstellen, die nach Art. 56 EG grundsätzlich verboten sind.
Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Beschränkungen – wie das Finanzamt und die deutsche Regierung geltend machen – gerechtfertigt sind, so dass sie zulässig sein könnten, sofern sie zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Oktober 2007, ELISA, C‑451/05, Slg. 2007, I‑8251, Randnr. 79, vom 17. Januar 2008, Kommission/Deutschland, C‑152/05, Slg. 2008, I‑39, Randnr. 26, und vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, C‑110/05, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 59).
In Bezug auf § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG macht das Finanzamt geltend, diese Bestimmung entspreche dem Territorialitätsprinzip, wie es vom Gerichtshof in Randnr. 22 des Urteils vom 15. Mai 1997, Futura Participations und Singer (C‑250/95, Slg. 1997, I‑2471), anerkannt werde.
Nach diesem Prinzip, das die Funktion hat, bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen, dass die Grenzen der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Besteuerung berücksichtigt werden, ist es dem in einem Mitgliedstaat unbeschränkt Steuerpflichtigen jedoch nicht verwehrt, negative Einkünfte aus einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie geltend zu machen (vgl. entsprechend Urteil Rewe Zentralfinanz, Randnr. 69). Folglich kann § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG, wonach die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger des Ausgangsverfahrens die Verluste aus ihrem in Spanien belegenen Haus nicht geltend machen können, nicht als eine Umsetzung des Territorialitätsprinzips angesehen werden.
Zu § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG tragen das Finanzamt und die deutsche Regierung vor, Ziel dieser Bestimmung sei es, einen Anreiz zum Bau von Mietwohnungen zu schaffen, um den Bedarf der deutschen Bevölkerung an solchen Wohnungen zu decken. Dieses Ziel sei sozialpolitischer Natur und stelle einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Auf die vom Gerichtshof in der Sitzung gestellten Fragen hat die deutsche Regierung zudem erklärt, dass nur zur Vermietung bestimmte Wohnungen für die degressive Abschreibung nach dieser Bestimmung in Betracht kämen, die erlassen worden sei, um einem allgemeinen Mangel an derartigen Wohnungen in Deutschland zu begegnen.
Selbst wenn das genannte Ziel eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich, dass eine derartige nationale Maßnahme, die klar danach unterscheidet, ob die Mietwohnungen im Inland belegen sind oder nicht, geeignet wäre, seine Erreichung zu gewährleisten. Anstatt nämlich Orte festzulegen, an denen der Mangel an Mietwohnungen besonders ausgeprägt wäre, lässt § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG, wie die Kläger des Ausgangsverfahrens und die Kommission in der Sitzung bemerkt haben, den in Deutschland von Region zu Region unterschiedlichen Bedarf unberücksichtigt. Zudem kann für alle Kategorien von Mietwohnungen – von der einfachsten bis zur luxuriösesten – eine degressive Abschreibung in Anspruch genommen werden. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass private Investoren, die sich in erster Linie von finanziellen Erwägungen leiten lassen, das angeblich sozialpolitische Ziel dieser Bestimmung erfüllen.
Auf die erste und die zweite Frage ist daher zu antworten, dass Art. 56 EG Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Einkommensteuer entgegensteht, wonach das Recht gebietsansässiger und unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, Verluste aus Vermietung und Verpachtung einer Immobilie im Verlustentstehungsjahr von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen und bei der Ermittlung der Einkünfte aus einer Immobilie eine degressive Abschreibung anzusetzen, von der Voraussetzung abhängt, dass die Immobilie im Gebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist.
Zur dritten Frage
Angesichts der Antwort auf die erste und die zweite Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 56 EG steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Einkommensteuer entgegen, wonach das Recht gebietsansässiger und unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, Verluste aus Vermietung und Verpachtung einer Immobilie im Verlustentstehungsjahr von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen und bei der Ermittlung der Einkünfte aus einer Immobilie eine degressive Abschreibung anzusetzen, von der Voraussetzung abhängt, dass die Immobilie im Gebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg