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  • 06.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101481

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 03.02.2010 – I R 23/09

    1. Der Senat hält auch für Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg daran fest, dass Deutschland für Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in Luxemburg befindlichen Betriebsstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (ständige Rechtsprechung).

    2. Von der in § 2 Abs. 1 Satz 3 AuslInvG bestimmten Nachversteuerung negativer ausländischer Betriebsstätteneinkünfte, welche in einem vorangegangenen Veranlagungszeitraum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslInvG bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen worden sind, kann nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Satz 4 AuslInvG nur dann abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht werden kann. An einem derartigen "allgemeinen" Ausschluss des Verlustabzugs fehlt es, wenn sich der Abzugsausschluss lediglich aus Gründen der verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalles verbietet (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 29. November 2006 I R 45/05, BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398).

    3. Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV) steht einer nationalen Steuerregelung wie jener in § 2 Abs. 1 AuslInvG nicht entgegen, nach der der Verlust einer Betriebsstätte, die in einem ausländischen Staat belegen ist, bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden kann, später aber, sobald die Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet, steuerlich wieder hinzugerechnet werden muss, wenn der Betriebsstättenstaat nur einen zeitlich begrenzten Vortrag von Verlusten zulässt und wenn nach einem zwischen den beiden Staaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte der Betriebsstätte von der Steuer befreit sind (Anschluss an EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07 "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt", IStR 2008, 769).


    Gründe

    I.

    1

    Die inländische WM-GmbH war seit 1986 Kommanditistin der R-KG, einer luxemburgischen KG, für deren deutsche Gesellschafter die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --die deutsche Zweigniederlassung einer luxemburgischen Société Anonyme (S.A.)-- gemeinsame Empfangsbevollmächtigte i.S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist.

    2

    In den Jahren 1986 bis 1989 hatte die WM-GmbH aus ihrer Beteiligung anteilige Verluste von 21.717.232 DM erlitten. Diese Verluste blieben im Rahmen der inländischen Besteuerung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) vom 23. August 1958 (BGBl. II 1959, 1270) im Grundsatz unberücksichtigt; sie wurden jedoch auf Antrag der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft --AuslInvG-- (BGBl. I 1969, 1211, 1214, BStBl I 1969, 477, 480) abgezogen.

    3

    Ab 1990 fielen für die WM-GmbH aus der Beteiligung an der Klägerin anteilige Gewinne an, die für 1990 bis 1994 insgesamt 2.806.651 DM und von 1995 bis 1998 insgesamt 963.865 DM betrugen. Im Streitjahr 1999 wurde ein Gewinn von 449.076 DM erwirtschaftet. Diesen Gewinn stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) --nach § 2 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 8 AuslInvG unter Hinzurechnung der zuvor nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslInvG abgezogenen Verluste-- einheitlich und gesondert fest. Der Feststellungsbescheid erging gegenüber der Klägerin. Gleichermaßen war in den Jahren 1990 bis 1994 verfahren worden; in den Jahren 1995 bis 1998 erfolgte keine Hinzurechnung der in Luxemburg erzielten Gewinne.

    4

    Die gegen den für das Streitjahr ergangenen Feststellungsbescheid gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Köln wies sie mit Urteil vom 5. Februar 2009 9 K 654/03 als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1754 abgedruckt.

    5

    Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass der mit 449.076 DM festgestellte Anteil der WM-GmbH auf 0 DM herabgesetzt wird, hilfsweise die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (ab 1. Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union) --EuGH-- zur Vorabentscheidung vorzulegen.

    6

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    7

    Das dem Revisionsverfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat sich in der Sache dem FA angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.

    II.

    8

    Die Revision ist unbegründet.

    9

    1.

    Die im Inland ansässige und hier mit ihren sämtlichen Einkünften (vgl. § 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) unbeschränkt steuerpflichtige WM-GmbH erwirtschaftete aus ihrer Beteiligung an der luxemburgischen R-KG seit 1989 bis zum Streitjahr 1999 Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen i.S. von Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg. Da es sich bei der R-KG um eine Personengesellschaft handelt, vermittelte diese ihren Gesellschaftern und damit auch der WM-GmbH jeweils Betriebsstätten, die in Luxemburg belegen sind. Die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten dürfen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 DBA-Luxemburg in Luxemburg besteuert werden und sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg). Die insoweit anzustellende Einkünfteermittlung richtet sich nach deutschem Recht.

    10

    2.

    Da sich der Begriff der Betriebsstätteneinkünfte auf einen Nettobetrag bezieht, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind; das gilt auch für die mit Luxemburg vereinbarte Abkommenslage. Auf das Senatsurteil vom 17. Juli 2008 I R 84/04 (BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630) und die dort gegebenen weiteren Nachweise wird verwiesen.

    11

    3.

    Allerdings wirkt sich die geschilderte Abkommenslage für gewerbliche Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 5 AuslInvG (hier und im Folgenden: i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht aus, falls der Steuerpflichtige beantragt, einen Verlust nach Maßgabe dieser Vorschriften bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen. Ein solcher Antrag wurde im Streitfall gestellt; das FA ist dementsprechend verfahren.

    12

    4.

    Der abgezogene Betrag ist aber, soweit sich in einem der folgenden Veranlagungszeiträume bei den nach dem betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen zu befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus in diesem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt, nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AuslInvG in dem betreffenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen. Davon ist nach § 2 Abs. 1 Satz 4 AuslInvG (nur dann) abzusehen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht werden kann.

    13

    a)

    Die vorbezeichneten Nachversteuerungsvorschriften des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AuslInvG sind im Streitfall und für die hier in Rede stehenden (Alt-)Verluste aus den Jahren 1986 bis 1989 (noch) anzuwenden. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 5 AuslInvG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 (BGBl. I 2008, 2794).

    14

    b)

    Die WM-GmbH hat u.a. im Streitjahr positive Einkünfte aus ihrer Beteiligung in Luxemburg und ihrer dort belegenen Betriebsstätte erzielt. Der Nachversteuerungstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 3 AuslInvG ist sonach erfüllt.

    15

    c)

    Fraglich und unter den Beteiligten streitig ist jedoch, ob die WM-GmbH nach Satz 4 dieser Vorschrift von der Nachversteuerung zu verschonen ist. Das ist mit dem FG zu verneinen. Denn davon, dass die WM-GmbH einen Abzug ihrer Betriebsstättenverluste in Luxemburg "allgemein" nicht hätte beanspruchen können, kann keine Rede sein. Nach dem einschlägigen luxemburgischen Steuerrecht (Art. 114 Abs. 2 Nr. 1 des dortigen Loi sur l'impôt sur le revenue --L.I.R.-- in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung) konnte sie dies nach den insoweit bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) Feststellungen des FG nur deswegen nicht, weil das luxemburgische Steuerrecht einen auf fünf Jahre begrenzten Verlustvortrag vorsah und dieser Zeitraum für die Verluste aus den Jahren 1986 bis 1989 spätestens im Jahre 1994 abgelaufen war. "Allgemein" stand ihr der Verlustabzug also in anderen Jahren als dem Verlustjahr zu, er verbot sich lediglich konkret aus Gründen der verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalles. Das aber reicht nicht aus, um eine "allgemeine" Versagung des Verlustabzugs i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 4 AuslInvG annehmen zu können. Der Gefahr einer doppelten Beanspruchung von Verlustabzügen soll hierdurch abstrakt, nicht aber konkret vorgebeugt werden.

    16

    Der Regelungswortlaut ist insoweit eindeutig. Er begrenzt etwaige Auslegungsmöglichkeiten und belässt in diesem Punkt keine Auslegungsspielräume. Das entspricht dem Regelungsverständnis des Senats im Beschluss vom 29. November 2006 I R 45/05 (BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398, m.w.N., dort bezogen auf die österreichische Rechtslage), und daran ist festzuhalten (ebenso z.B. Probst in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 2a EStG Rz 550 ff.; Mössner in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2a Rz E 39; Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 2a Rz 95). Dass das FA in den Jahren 1995 bis 1998 gleichwohl von Hinzurechnungen der in Luxemburg erzielten Gewinne abgesehen hat, ändert daran schon angesichts des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nichts.

    17

    5.

    Die so verstandene Regelungslage widerspricht gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen und hierbei der in Art. 43 i.V.m. Art. 48 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG), sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1), jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01) verbürgten freien Wahl der Niederlassung nicht. Das ergibt sich aus dem EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07 "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt" (Internationales Steuerrecht --IStR-- 2008, 769). Der EuGH hat sich in diesem Urteil für einen vergleichbaren Nachversteuerungsfall und im Hinblick auf den insoweit mit Art. 43 EG inhaltlich übereinstimmenden Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) --im 2. Leitsatz der Entscheidung-- wie folgt geäußert:

    18

    "Art. 31 (des EWR-Abkommens) steht einer nationalen Steuerregelung nicht entgegen, nach der die Verluste einer Betriebsstätte, die in einem anderen Staat als dem Ansässigkeitsstaat ihres Stammhauses belegen ist, bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Stammhauses berücksichtigt werden können, später aber, sobald die Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet, steuerlich wieder hinzugerechnet werden müssen, wenn der Betriebsstättenstaat keinen Vortrag von Verlusten einer Betriebsstätte einer in einem anderen Staat ansässigen Gesellschaft zuläßt und wenn nach einem zwischen den beiden betreffenden Staaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte einer solchen Einheit im Ansässigkeitsstaat ihres Stammhauses von der Steuer befreit sind.

    19

    Eine solche Steuerregelung führt zwar zu einer Beschränkung des Rechts aus Art. 31 des EWR-Abkommens, da die steuerliche Situation einer Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einem Mitgliedstaat hat und eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat besitzt, weniger günstig ist als die, in der sie sich befände, wenn die Betriebsstätte im erstgenannten Mitgliedstaat belegen wäre. Auch wenn nämlich in einem ersten Schritt bei der Veranlagung des Stammhauses im erstgenannten Mitgliedstaat die gesamten Verluste aus der in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von den Gewinnen des Stammhauses abgezogen werden und der erstgenannte Mitgliedstaat damit einen Steuervorteil in der gleichen Weise gewährt, wie wenn die Betriebsstätte im Inland belegen wäre, entzieht die nationale Steuerregelung, indem in einem zweiten Schritt die Verluste der Betriebsstätte zum zu versteuernden Einkommen ihres Stammhauses wieder hinzugerechnet werden, sobald die Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet, diesen Steuervorteil doch wieder und behandelt damit gebietsansässige Gesellschaften mit Betriebsstätten in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich ungünstiger als gebietsansässige Gesellschaften mit Betriebsstätten im Inland. Aufgrund dieses Unterschieds in der steuerlichen Behandlung könnte eine gebietsansässige Gesellschaft davon abgehalten werden, ihre Tätigkeiten weiterhin über eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte auszuüben.

    20

    Eine solche Beschränkung ist jedoch durch das Erfordernis, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt. Die von der fraglichen Steuerregelung vorgesehene Hinzurechnung der Verluste darf nicht von der vorangegangenen Berücksichtigung dieser Verluste getrennt werden. Die Hinzurechnung folgt nämlich im Fall einer Gesellschaft mit einer in einem anderen Staat belegenen Betriebsstätte, für die dem Ansässigkeitsstaat dieser Gesellschaft kein Besteuerungsrecht zusteht, einer spiegelbildlichen Logik. Somit besteht ein direkter, persönlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten der fraglichen Steuerregelung, da die Hinzurechnung das logische Pendant zum vorher gewährten Abzug darstellt. Diese Beschränkung ist auch für die Erreichung eines solchen Ziels geeignet, da sie vollkommen symmetrisch vorgeht, indem nur die in Abzug gebrachten Verluste wieder hinzugerechnet werden. Zudem ist die Beschränkung in Bezug auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig, denn die Verluste werden nur bis zur Höhe der erwirtschafteten Gewinne wieder hinzugerechnet.

    21

    Diese Beurteilung kann nicht durch das Zusammenwirken der vorgenannten Steuerregelung mit den Steuervorschriften des Betriebsstättenstaats in Frage gestellt werden. In Ermangelung gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen bleiben die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Kriterien für die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung gegebenenfalls im Vertragswege zu beseitigen. Diese Zuständigkeit beinhaltet auch, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein kann, die eventuell ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen, die auf eine Betriebsstätte anwendbar ist, die in diesem Staat belegen ist und zu einer im erstgenannten Staat ansässigen Gesellschaft gehört. Selbst wenn man unterstellt, dass das Zusammenwirken der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses der betreffenden Betriebsstätte mit der Besteuerung im Betriebsstättenstaat zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen kann, ist eine solche Beschränkung ausschließlich dem letztgenannten Staat zuzurechnen, da sich die Beschränkung nicht aus der fraglichen Steuerregelung ergäbe, sondern aus der Aufteilung der Steuerhoheit durch das zwischen den beiden betreffenden Staaten abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.

    22

    Die Wertung, dass die sich aus der fraglichen Steuerregelung ergebende Beschränkung durch das Erfordernis, die Kohärenz dieser Regelung zu gewährleisten, gerechtfertigt ist, kann auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt werden, dass die betreffende Betriebsstätte von ihrem Stammhaus aufgegeben wurde und die Gewinne und Verluste, die die Betriebsstätte, solange sie bestand, erzielt hatte, insgesamt zu einem Negativsaldo führten. Die Hinzurechnung der Betriebsstättenverluste zu den Einkünften des Stammhauses ist nämlich das untrennbare und logische Pendant der vorangegangenen Berücksichtigung dieser Verluste."

    23

    Genau diese Beurteilung des EuGH greift auch im Streitfall: Indem Art. 114 Abs. 2 Nr. 1 L.I.R. den Abzug von Verlustvorträgen in Luxemburg auf fünf Jahre begrenzt, verhindert diese Vorschrift zwar den Verlustabzug im Ergebnis endgültig. Deutschland als Ansässigkeitsstaat ist indes angesichts des derzeitigen Standes der gemeinschaftlichen Harmonisierung nicht verpflichtet, diesen Nachteil auszugleichen. Dass Luxemburg seinerseits mit der beschriebenen Verlustabzugsbeschränkung nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen haben dürfte, tut insofern nichts zur Sache. Über die Frage des Gemeinschaftsrechtsverstoßes durch den Quellenstaat war zwar --dort in Bezug auf Österreich-- vom EuGH in IStR 2008, 769 zu urteilen; darauf war die zweite, hilfsweise formulierte Vorlagefrage des Senats in dessen vorangegangenen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH durch Beschluss in BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398 gerichtet. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass die Entscheidung des EuGH darauf zu verengen wäre. Der EuGH hat die zweite (Hilfs-)Rechtsfrage im Gegenteil nicht mehr beantwortet, nachdem er bereits die erste und weiter gehende Frage nach der Nachversteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaates im Gewinnfall bejaht hatte (im Ergebnis ebenso z.B. Hohenwarter, Verlustverwertung im Konzern, 2010, S. 327 f.; Lamprecht, IStR 2008, 766; Schulz-Trieglaff, Steuer und Bilanzen 2009, 260, 263; Herkenroth/Striegel in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 2a Rz 10; Gosch, BFH/PR 2009, 18; Cordewener, Internationale Wirtschafts-Briefe Fach 11, Gruppe 2, 989; Wagner, Der Konzern 2009, 235, 240; Lühn, Betriebs-Berater 2009, 90, 92; Lavrelashvili/Müller, Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht 2009, 164, 167; anders z.B. FG Hamburg, Urteil vom 18. November 2009 6 K 147/08, IStR 2010, 109; Knipping, IStR 2009, 275; Breuninger/Ernst, Deutsches Steuerrecht 2009, 1981; Ditz/Plansky, Der Bertrieb 2009, 1669, 1671; zweifelnd Jü. Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/ Brink [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 181 f.; Haslehner, Steuer und Wirtschaft International 2008, 561).

    24

    Der Senat erachtet die aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage in Anbetracht der zitierten Ausführungen des EuGH jedenfalls für eine "asymmetrische" Verlustberücksichtigung durch Abzug und Nachbesteuerung bei späterer Gewinnerzielung, wie sie im Streitfall in Rede steht, als eindeutig. Einer (abermaligen) Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415).

    VorschriftenAuslInvG § 2 Abs. 1, AuslInvG i.d.F. des JStG 2009 § 8 Abs. 5, EG Art. 43 (= Art. 49 AEUV)