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  • 02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103676

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 30.06.2010 – 1 K 1319/07

    1. Ausführungen zu der Frage, ob die klagende Kapitalgesellschaft (bzw. ihr Vorstand, dessen Wissen der Gesellschaft zuzurechnen ist) wissentlich als Mittäter als inländischer „buffer” in den von einem Dritten initiierten Karussellbetrug eingebunden war (im Ergebnis bejaht, vor allem aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung sowie der Feststellungen im Rahmen des strafgerichtlichen Urteils gegen den Dritten).


    2. Ein Vorsteuerabzug des wissentlich in den Karussellbetrug eingebundenen „buffers” aus Rechnungen der inländischen „missing trader” über (angebliche) Lieferungen von Mobiltelefonen kommt nicht in Betracht.


    3. Lieferungen des „buffers” im Rahmen des Karussellbetrugs an im EU-Ausland ansässige „missing trader” sind umsatzsteuerpfichtig. Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen kann nicht gewährt werden. Die dolose Einbindung in das Umsatzsteuerhinterziehungsmodell steht auch der Anwendung des Gutglaubensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG entgegen.


    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Präsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2010
    für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Die Klägerin, eine am 29. Juli 1998 gegründete Aktiengesellschaft, betreibt ein Unternehmen zur Vermittlung von Mobilfunkverträgen sowie den Handel mit Telekommunikationsgeräten und Zubehör. Der Vorstand der Klägerin ist A. Die Klägerin wird beim Beklagten u.a. zur Umsatzsteuer veranlagt. Die Beteiligten streiten um die Einbindung der Klägerin in einen Umsatzsteuerbetrug in Form von sog. „Karussell-Geschäften” und deren steuerliche Folgen.
    Aufgrund von Ermittlungen im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung sowie von Ermittlungen der Steuerfahndungsstellen des Finanzamts München I und der Finanzämter des Saarlandes gelangte der Beklagte zu der Überzeugung, dass die Klägerin mit Scheinfirmen als Lieferanten und als Abnehmer in Geschäftsbeziehungen gestanden hat. Es handelte sich
    > als Lieferanten um die Firmen
    1. BG-GmbH, Deutschland
    2. P-GmbH, Deutschland
    > als Abnehmer um die Firmen
    3. EE, Italien,
    4. FD, Italien,
    5. B-GmbH, Österreich,
    Diese Firmen, die ihren steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen waren, waren den Ermittlungen zufolge wirtschaftlich nicht aktiv (sog. „missing trader”) und in ein „Umsatzsteuer-Karussell” eingebunden.
    Wegen Einzelheiten wird Bezug genommen auf
    > den Schlussbericht der Fahndungsstelle für die Finanzämter des Saarlandes vom 9. September 2005 nebst Vermerk über die strafrechtlichen Feststellungen
    > den steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungsbericht Bericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts München I vom 31. Mai 2001,
    > das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts X vom 9. August 2001, das den geständigen Hauptbeteiligten LF wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt hat.
    Den Ermittlungen zu Folge wurden die o.g. Unternehmen von LF als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet. Tatsächlich habe die Geschäftsführung in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an die Abnehmer-Firmen im Ausland weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein Umsatzsteuer-Karussell eingeschleust worden seien.
    Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Fahndungsstellen an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Gegen den Änderungsbescheid für 1999 hat die Klägerin am 30. November 2005 Einspruch eingelegt. Der Änderungsbescheid für 2000 wurde Gegenstand eines bereits schwebenden Einspruchsverfahrens. Durch Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.
    Am 22. Juni 2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Am 6. August 2007 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2000 und setzte die Steuer auf 1.194.163 DM (Bl. 119 ff.) fest. Die Klägerin beantragt,
    unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer
    > 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und
    > 2000 auf 116.092 DM (anstatt 1.281.253 DM bzw. zuletzt 1.194.163 DM)
    festzusetzen.
    Unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung trägt die Klägerin im Übrigen vor, sie sei nicht wissentlich in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen. Die Handys seien nicht unter dem Einkaufspreis, sondern unter dem Marktwert weiterverkauft worden. Zudem seien die Handys nicht an Endabnehmer, sondern an gewerbliche Abnehmer veräußert worden.
    Die Belege erfüllten die Anforderungen von § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a Abs. 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 UStDV. Selbst wenn dies nicht vollständig der Fall sein sollte, sei die eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit der Belege (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV) gegeben und den in Art. 28c Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG niedergelegten Zielen Genüge getan. § 17a Abs. 4 Nr. 1 UStDV sei nur eine Sollvorschrift; der Belegnachweis könne nicht allein hieran scheitern (BFH vom 30. März 2006, V R 47/03).
    Die Klägerin müsse nicht den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStDV genügen. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStDV beziehe sich nur auf die nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV mögliche Nachweisführung durch einen sonstigen Beleg und eben nicht auf den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV bezeichneten Versendungsbeleg.
    Bei den Lieferungen handele es sich ausschließlich um Versendungen. Dennoch fordere der Beklagte eine Empfangsbestätigung des Abnehmers, welche jedoch nur bei Beförderungen als (Teil des) Belegnachweises zu erbringen sei (§ 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV). Zudem fordere § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV keine Empfangsbestätigung des Abnehmers. Schließlich könne der Belegnachweis auch davon abweichend geführt werden, wenn § 17 a Abs 1 UStDV beachtet werde (BFH vom 30. März 2006, V R 47/03).
    Über Art. 22 Abs. 3 Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG hinausgehende Anforderungen dürften nicht die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH vom 14. Juli 1988 Rs. 123,330/87, Jeunehomme, Slg. 1988, 4537; Bl. 15).
    Die Klägerin habe den Buchnachweis nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17 c Abs. 1 und Abs. 2 UStDV erbracht. Hinsichtlich der Unternehmereigenschaft eines Erwerbers stelle der BFH (Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03) klar, dass eine Firma, die ihre Steuererklärungspflichten nicht erfülle, nicht bereits deshalb eine Scheinfirma bzw. eine Strohmann-Gesellschaft sei. Auch gehe die Löschung des ausländischen Abnehmers aus dem Unternehmerverzeichnis nicht zu Lasten des Lieferers.
    Da die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nach § 6a Abs. 3 UStG erbracht habe, berufe sie sich hilfsweise auf den Gutglaubensschutz des § 6a Abs. 4 UStG. An die Sorgfaltspflichten eines Lieferers seien in Abholfällen höhere Anforderungen zu stellen als (wie hier) in Versendungsfällen.
    Die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG werde vom Beklagten unter Hinweis auf die Vernehmungsprotokolle des LF und von MF nicht angewandt, da A wissentlich die falschen Abnehmer bezeichnet habe. MF sei seit dem 1. Januar 2000 als Büroservicedienstleister für die P-GmbH, deren Inhaber offensichtlich LF gewesen sei, tätig gewesen.
    MF habe bei ihrer Vernehmung vom 8. November 2000 erklärt: „Ich bin mir sicher, dass O und Klägerin nichts von den geplanten und durchgeführten Steuerbetrügereien des LF wussten.” MF sei aufgrund ihrer Sprachkenntnisse die einzige Ansprechpartnerin von A gewesen, der weder englisch noch italienisch spreche. Sie sei erst Ende April 2000 zu der Überzeugung gelangt, dass die Umsatzsteuer der P-GmbH nicht bezahlt werde. Im Übrigen sage MF aus, dass die P-GmbH die Klägerin mit Ware beliefert habe.
    LF sage auch aus, dass er ein einziges Treffen mit A gehabt habe, wobei aber keine Unterhaltung zustande gekommen sei, da A kein Englisch spreche. Der Kontakt zur P-GmbH sei ausschließlich über MF gelaufen. In seiner Vernehmung vom 18. März 2002 sage LF aus, dass A genau gewusst habe, dass die P-GmbH die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abführe; dies habe ihm MF gesagt. Selbst wenn diese Aussage von LF zutreffen sollte, könne MF aufgrund ihrer eigenen Aussagen diese Mitteilung an A frühestens Anfang Mai 2000 gemacht haben. Die letzte Lieferung der P-GmbH sei jedoch schon am 2. Mai 2000 erfolgt.
    A sei nicht der alleinige Aktionär der Klägerin. Er sei lediglich zu 41,05 % beteiligt gewesen. Vor den ersten innergemeinschaftlichen Geschäften der Klägerin habe A Herrn Paul, den Geldwäschebeauftragten des Saarlandes und den damaligen Sachgebietsleiter für Umsatzsteuer des Beklagten angesprochen. Letzterer habe ihn auf die notwendigen Maßnahmen und Unterlagen für diese Geschäfte hingewiesen, insbesondere auf die Abfrage der Umsatzsteuer-ID-Nr. beim Bundesamt für Finanzen, Zahlungen nur unbar durchzuführen und Speditionen einzuschalten, die die Existenz der Ware bestätigen könnten. A habe sich deshalb vor Beginn der Geschäftsbeziehungen mit der P-GmbH sowohl deren Umsatzsteuer-Ident-Nr. als auch eine Kopie ihres Handelsregisterauszuges geben lassen. Dieser Auszug datiere vom 9. März 2000 und sei am 20. März 2000 per Fax an A gesandt worden.
    Abschließend sei auf das Schreiben der Steuerfahndungsstelle des Saarlandes vom 27. März 2006 verwiesen, wonach auch die Steuerfahndungsstelle das Vorliegen von Erwerbs- und Veräußerungsvorgängen nicht bestreite.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage als unbegründet abzuweisen.
    Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Übrigen trägt der Beklagte vor, die Klägerin sei wissentlich in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen. Dies sei auch die Auffassung des Landgerichts München I (Urteil vom 9. August 2001 gegen LF). Dass die Klägerin die Handys an gewerbliche Abnehmer weitergegeben habe, spreche für die Beteiligung an einem „Umsatzsteuerkarussell”. Die Abgabe an nicht gewerbliche Endabnehmer sei erst erfolgt, nachdem die Handys wiederholt das Karussell durchlaufen hätten.
    Die Klägerin sei hinsichtlich der Eingangsrechnungen bestimmter – ebenfalls in das Umsatzsteuerkarussell eingebundener – Lieferanten ihrer Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen (Bl. 117).
    Die Aussagen von MF könnten die Klägerin nicht entlasten. Denn MF habe in ihrer Vernehmung vom 16. November 2000 eingeräumt, sie habe bezüglich der Verkäufe durch die P-GmbH und die Weiterverkäufe an FD mit A gesprochen; die Preise seien jedoch ausschließlich von LF verhandelt worden. Die Einbindung der Klägerin in den Betrug ergebe sich auch aus den nahtlosen Warenbewegungen, die nur aufgrund der genauen vorherigen Absprachen möglich gewesen seien, wobei sich ein Gewinn nur durch die Vorsteuererstattung ergeben habe. Zudem habe die Klägerin teilweise gefälschte CMR Frachtbriefe vorgelegt, die überdies noch die Fax-Kennung der P-GmbH enthielten.
    Zu Recht seien auch bestimmte von der Klägerin als steuerfrei behandelte innergemeinschaftliche Lieferungen der Besteuerung zugeführt worden. Denn sie habe bis heute für diese Lieferungen – entgegen § 6 a Abs. 3 S. 2 UStG i.V.m. § 17 a Abs. 1 S. 1 UStDV – keinen geeigneten Belegnachweis geführt. Die Unterlagen genügten weder den Anforderungen des § 17 a Abs. 4 UStDV, noch denen der alternativ in Frage kommenden Absätze 2 und 3. Bereits die Rechnungsdoppel seien nicht ordnungsgemäß, da sie nicht einmal den Kalendermonat der Lieferung enthielten (§ 31 Abs. 4 UStDV). Aus dem Rechnungsdatum könne nicht auf den Kalendermonat der Lieferung geschlossen werden. Die Art und Weise des Belegnachweises sei nicht in das freie Ermessen der Klägerin gestellt. Bis heute sei sie jeglichen Sachvortrag schuldig geblieben, inwieweit sich aus den Belegen ergeben solle, dass die Liefergegenstände tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet versandt worden seien. Zudem mangele es am ordnungsgemäßen Buchnachweis gem. § 17 c UStDV durch die richtigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der wirklichen Abnehmer.
    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die von den „missing-tradern” im Rahmen eines Umsatzsteuerbetruges („Karussell-Geschäfte”) in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zugelassen und die streitigen Lieferungen der Klägerin an verschiedene „missing-trader” im EG-Ausland der Umsatzsteuer unterworfen.
    1. Rechtsgrundlagen
    a. Vorsteuerabzug bei „Karussell-Geschäften”
    (1) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Rechnungen müssen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG u.a. den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers (Nr. 1) enthalten. Des Weiteren hängt der Vorsteuerabzug davon ab, ob dem ansonsten grundsätzlich bestehenden Recht auf Vorsteuerabzug eine Einbindung in einen Umsatzsteuerbetrug entgegensteht.
    (2) Der Abzug der in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmens bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden hat. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast. Nach den Umständen des Einzelfalls kann zwar auch ein „Briefkasten-Sitz” mit postalischer Erreichbarkeit ausreichen; es bedarf deshalb besonderer Feststellungen der Finanzverwaltung, um die Annahme eines „Scheinsitzes” zu rechtfertigen. Hierzu genügt beispielsweise die Feststellung, dass das leistende Unternehmen an dem in der Rechnung angegebenen Sitz keine eigenen Büroräume hatte, die Post zur Verschleierung an einen anderen Ort geleitet und dort durch eine Person mit falschem Namen abgeholt worden ist (ständige Rechtsprechung, s. BFH vom 19. April 2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315, 319 m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Feststellung, dass das die Rechnung ausstellende Unternehmen zusammen mit dem Rechnungsempfänger gemeinschaftlich eine Umsatzsteuerhinterziehung begeht.
    (3) Eine weit verbreitete Form der Umsatzsteuerhinterziehung sind die sog. „Karussell-Geschäfte”. Hierbei wird Umsatzsteuer von im Inland und EG-Ausland ansässigen Firmen, die zumeist wirtschaftlich inaktiv sind und die ihre steuerlichen Pflichten verletzen (sog. „missing-trader”), unter Einschaltung wirtschaftlich aktiver Firmen in Inland (sog. „buffer”) hinterzogen (zum Ablauf solcher Geschäfte: FG Saarland vom 13. Mai 2003 1 V 22/03, EFG 2003, 1049; Kemper, UStR 2005, 1 ff.). Ist ein „Karussell-Betrug” festgestellt, spielt es letztlich keine Rolle, ob und inwieweit es sich bei dem Rechnungssteller um eine Scheinfirma handelt. Es mag sich hierbei um die regelmäßige Erscheinungsform eines „missing-traders” handeln und diese Erscheinungsform lässt durchaus auch Rückschlüsse auf die Existenz einer Umsatzsteuerhinterziehung durch die handelnden Personen zu. Steht die Umsatzsteuerhinterziehung aber aufgrund anderer Umstände des Einzelfalls fest, so ist es nicht unbedingt erforderlich, dass es sich bei dem Rechnungssteller um eine Scheinfirma handelt. Wesentlich ist die Unterscheidung von unmittelbar in das Hinterziehungsgeschehen eingebundenen Personen und Firmen von denen, die außerhalb des „Karussells” stehen, an die die Ware letztlich nach mehrmaligem Umlauf (als Zwischenhändler oder Endverbraucher) weiterveräußert wird.
    Der EuGH hat hierzu entschieden, dass die Lieferung an einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen Betrug einbezogen war, dem Vorsteuerabzug nicht entgegen steht. Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren. Dagegen ist – selbst wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung genügt und die Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit zu beurteilen ist – der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war (Urteile vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u.a., Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144 und vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a., BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 594). Dies entspricht grundsätzlich auch der Rechtsprechung des BFH zu umsatzsteuerlichen Hinterziehungsfällen einer jeden Art (vom 19. April 2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315, 320).
    (4)§ 15 UStG schützt jedoch nicht den guten Glauben an die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs. Der Vertrauensschutz kann deshalb nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht nicht bei der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO Berücksichtigung finden (BFH vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl II 2009, 744, 748 unter Prüfung der Rechtsprechung des EuGH).
    Steuern können niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über die abweichende Festsetzung kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 163 Satz 1 und 3 AO). Das Steuerfestsetzungsverfahren und die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Verfahren, auch wenn sie miteinander verbunden werden können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH vom 13. Februar 2008 XI B 202/06, BFH/NV 2008, 1216 m.w.N.).
    b. Die Besteuerung von Lieferungen an ausländische „missing-trader”
    (1) Lieferungen eines inländischen „buffers”, die an einen „missing-trader” im EG-Ausland erfolgen, unterliegen beim Lieferanten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer. Denn wenn auch die „missing-trader” (zumeist Scheingesellschaften) nicht die wahren Abnehmer sind, so ändert dies nichts daran, dass die fraglichen Liefervorgänge – an welche im Hintergrund stehende Person auch immer – tatsächlich stattfinden. Die Waren, die in einem „Umsatzsteuer-Karussell” gehandelt werden, sind real existent und werden nach ihrer Nutzung zum Vorsteuerabzugsbetrug schließlich an außerhalb des „Karussells” stehende Endabnehmer veräußert.
    (2) Die Lieferungen von Wirtschaftsgütern – vorliegend Mobiltelefone – des inländischen „buffers” an den ausländischen „missing-trader” sind „Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt” (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).
    Befördert der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer, so gilt die Lieferung mit dem Beginn der Förderung als ausgeführt. Versendet der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer, so gilt die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten als ausgeführt (§ 3 Abs. 6 Satz 1, 3 UStG).
    (3)§ 3 Abs. 6 UStG gilt zwar vorbehaltlich des § 3c UStG (§ 3 Abs. 5a UStG). Nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG gilt die Lieferung als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet, wenn der Lieferer oder ein von ihm beauftragter Dritter den Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedsstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet. Die Vorschrift greift allerdings nur ein, wenn der Abnehmer die Anforderungen des § 3c Abs. 2 UStG erfüllt. Er darf hiernach kein Unternehmer i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG sein und muss zu den Unternehmern i.S.d. Nr. 2 gehören. Die „missing-trader” im EG-Ausland erfüllen diese Anforderungen i.a.R. nicht, so dass es grundsätzlich bei der Anwendung des § 3 Abs. 6 Satz 1, 3 UStG verbleibt.
    (4) Diese Lieferung ist nicht nach § 4 Nr. 1 b i.V.m. § 6a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Denn § 6a UStG setzt – ähnlich wie es für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG bezüglich des liefernden Unternehmers erforderlich ist r– voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (i.a.R. eine Scheingesellschaft) bezeichnet wird. Diesem Ziel dienen auch die Nachweiserfordernisse der §§ 17a ff. UStDV. Auch wenn die fraglichen Nachweise der Form nach erfüllt sein mögen, tritt in Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung keine Steuerbefreiung ein (ebenso FG Baden-Württemberg vom 12. November 2009 12 K 273/04, EFG 2010, 673, Revision beim BFH unter dem Az V R 50/09 anhängig; BGH vom 7. Juli 2009 1 StR 41/09, HFR 2009, 441 Vorlagebeschluss an den EuGH, Az. C-285/09).
    Hat ein Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei nach § 6a Abs. 1 UStG behandelt, obwohl dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, so ist die Lieferung nach § 6a Abs. 4 UStG gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn dies auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Der Umsatzsteuerhinterzieher kann sich hierauf naturgemäß nicht berufen.
    (5) Soweit im Zusammenhang mit den einzelnen Umsätzen keine Warenbewegungen stattfinden, weil die Ware in einem inländischen Lager verbleibt, greift § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG ein. Die Lieferung ist hiernach dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Auch diese Lieferungen sind nicht nach § 4 Nr. 1 b i.V.m. § 6a UStG umsatzsteuerfrei.
    2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
    Die Klägerin hat als zur Durchführung der Umsatzsteuerhinterziehung in Form von „Karussell-Geschäften” notwendiger „buffer” fungiert und war damit unmittelbar in das Hinterziehungsgeschehen eingebunden. Sie kann aus den Rechnungen der beiden „missing-trader” (BG-GmbH und P-GmbH) keine Vorsteuer geltend machen und hat ihre Lieferungen an die drei im EG-Ausland ansässigen „missing-trader” (EE, FD und B-GmbH) der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
    a. Einbindung der Klägerin in das „Umsatzsteuerkarussell” des LF
    (1) Der Senat hat keine Zweifel an der Einbindung der Klägerin als „buffer” in das von LF initiierte und organisierte „Umsatzsteuerkarussell”. Der Vorstand der Klägerin, A, ist Mittäter der von LF begangenen Steuerhinterziehung. Die Klägerin muss sich das Tun und Wissen ihres Vorstandes A zurechnen lassen. Ihr Unternehmen hat in dem „Karussellbetrug” die Rolle des zur Durchführung eines solchen Betruges notwendigen „buffers” übernommen.
    Der Senat hat sich seine Überzeugung auf Grund folgender Umstände gebildet:
    Das Landgericht X hat LF durch das rechtskräftige Urteil vom 9. August 2001, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Das Urteil stützt sich zum einen auf die im Wesentlichen geständigen Einlassungen des LF (s. S. 14 des Urteils) zur Abwicklung der „Karussell-Geschäfte” und auf die sorgfältigen und umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle München I. Es schildert im Einzelnen den Aufbau und Ablauf des von LF konzipierten und gesteuerten Umsatzsteuerbetruges (S. 6 ff. des Urteils). Für den Ablauf der „Karussell-Geschäfte” ist – neben dem „missing-trader” im Inland (hier: die BG-GmbH und die P-GmbH) und im Ausland (hier: EE, FD und die B-GmbH) die Einschaltung eines „buffers” unabdingbar. Der „buffer” ist ein inländischer Unternehmer, der auch anderweitige Umsätze erzielt und deshalb die von dem inländischen „missing-trader” in Rechnung gestellte Vorsteuer möglichst unauffällig verrechnen kann. Der „buffer” ist in das betrügerische Geschehen des Weiteren dadurch eingebunden, dass er für einen schnellen Zahlungs- und Rechnungsumlauf sorgt. Er überblickt das Betrugsgeschehen und dürfte auch am Betrugsgewinn nicht unerheblich beteiligt sein. Die „buffer” in den „Karussellgeschäften” des LF waren die Klägerin und zwei weitere Unternehmen („die weiteren Verfolgten”). Auf S. 8 f. des Urteils ist zur Einbindung der Klägerin als „buffer” nachzulesen:
    „Die P-GmbH war allein zu dem Zweck eingerichtet worden, Mobiltelephone zum Schein gegen Rechnung umsatzsteuerfrei aus dem Ausland zu erwerben und diese dann entsprechend dem zuvor zwischen dem Angeklagten und den weiteren Verfolgten gefassten Tatplan, an eine weitere Firma in Deutschland gegen Rechnung zu veräußern, wobei Abnehmer, Preis und weiteres Schicksal der jeweiligen Lieferung von Mobiltelephonen von vornherein so bestimmt waren, dass die Ware in einem von Angeklagten und den weiteren Verfolgten bestimmten Kreislauf lief. Die von der P-GmbH im Ausland zum Schein gekaufte Ware wurde bestimmungsgemäß an die Firmen der Klägerin, K und O weiterverkauft, wobei diese Firmen die erhaltene Ware nach Erhalt einer Provision von ca. 3% vereinbarungsgemäß an eine dem Angeklagten LF gehörende Firma (FD bzw. EE, beide mit Sitz in A, oder B-GmbH in Österreich, die ebenfalls dem Angeklagten zuzurechnen ist), weiterverkauften.”
    Auf S. 9 ff. des Urteils befasst sich das Gericht ausführlich mit den beiden Rechnungen der P-GmbH datierend vom 24. Februar 2000 (über 773.986 DM brutto) und vom 20. März 2000 (über 1.055.600 DM) und deren überaus prompte Zahlung durch die Klägerin (Zahlungseingang bereits am 28. Februar bzw. am 22. März 2000 auf den Konten der P-GmbH!). Des Weiteren berichtet das Urteil auf S. 10 und 12:
    „Die an die Firma der Klägerin mit Rechnung vom 24.02.2000 (Rechnungs-Nr. 0002) berechnete Ware wurde, wie von vornherein zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig verfolgten A verabredet, mit Rechnung vom 28.02.2000 der Firma der Klägerin an die dem Angeklagten gehörende Firma B-GmbH weiterveräußert und gelangte von dort in einen neuen Kreislauf.”
    „Die zum Schein veräußerte Ware wurde dann wieder ins europäische Ausland, zumeist an Firmen des Angeklagten in Italien oder England weiterveräußert, so wie es zwischen dem Angeklagten und den weiteren Verfolgten abgesprochen war.”
    Zum Verbleib der „Betrugsgewinne” führt das Gericht aus (S. 7, 9 f.):
    „Wie vom Angeklagten mit den weiteren Verfolgten abgesprochen, wurden die durch die erste Firmagemeint ist die P-GmbH vereinnahmten Rechnungsbeträge einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer unmittelbar nach dem jeweiligen Zahlungseingang nahezu vollständig auf ein Konto bei der B-S.A. bei der U-Bank in der Schweiz sowie auf Konten der FD in Italien bzw. der B-GmbH in Österreich – alles Firmen, die der Angeklagte faktisch leitete – überwiesen, wobei der Angeklagte über diese Konten jeweils einzelverfügungsberechtigt war. Der bei dieser Vorgehensweise angefallene „Gewinn” entsprach mindestens der nicht abgeführten Mehrwertsteuer von 16 Prozent abzüglich der angefallenen Unkosten und wurde in der Schweiz nach einem zwischen dem Angeklagten und den weiteren Verfolgten zuvor vereinbarten, im einzelnen nicht detailliert bekannten Schlüssel aufgeteilt.”
    „Die Firmen K, die der Klägerin und O zahlten die von der P-GmbH gestellten Rechnungen einschließlich 16 % Mehrwertsteuer auf die Konten der P-GmbH bei der Deutschen Bank in Nürnberg bzw. Reuschel Bank in München. Von diesen Konten überwies der Angeklagte umgehend nach Eingang der jeweiligen Zahlung nahezu den gesamten eingegangenen Rechnungsbetrag einschließlich der darin enthaltenen Mehrwertsteuer auf das Konto der B-S.A. bei der U-Bank in der Schweiz, ohne dass hierfür ein Rechtsgrund ersichtlich war. Teilweise wurden Beträge seitens der anderweitig Verfolgten B auf Anweisung des Angeklagten auch direkt auf die Schweizer Konten der B bei der U-Bank in der Schweiz überwiesen. Der Angeklagte hatte von vornherein nie vor, Umsatzsteuer an die deutschen Finanzbehörden abzuführen.”
    Aufgrund dieser und weiterer Ausführungen des Landgerichts München I, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, steht für den Senat außer Frage, dass A und damit die Klägerin von Anfang an als „buffer” in die Tatpläne des LF eingeweiht war und als dessen Mittäter anzusehen ist.
    Dies ergibt sich zudem auch aus den insofern unzweideutigen und glaubhaften Aussagen des LF im Zuge seiner einzelnen Vernehmungen. Dort hat er u.a. ausgesagt:
    „Frau B, Herr O und Herr K wussten mit absoluter Sicherheit von der Steuerhinterziehung Bescheid. Dies liegt schon allein in dem Grund, dass die von ihnen angekauften Mobilfunktelephone weit unter Preis erworben werden konnten.”.
    „Zu der Frage, ob A von den Unregelmäßigkeiten gewusst haben konnte, erkläre ich: In jedem Land in Europa gibt es einen offiziellen Verteiler von Handys, der z.B. das Stück für 800 DM verkauft. Warum kauft dann z.B. A für 700 DM bei FD Motorola, Nokia usw.

    Der Lieferweg:Italien – EE – FD
    P-GmbH, München
    Klägerin
    zurück nach Italien oder Österreich”.
    „Ich habe die Ware nie gesehen; ich bin Broker u. sonst nichts. Es war allgemein bekannt, dass Ware mehrmals im Karussell gekreist ist und hierdurch Vorsteuer hinterzogen wurde. Dies haben alle Beteiligten genau gewusst. Ich möchte betonen, dass A, O und B etc., dass Alle genau gewusst haben, wie der USt.-Betrug zustande kam.”.
    Allein schon die ungewöhnlich zügige Abwicklung der Geschäfte mit den von LF beherrschten „missing-tradern”, die die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 2010 im Übrigen auch selbst dokumentiert (Bl. 147 ff), zeigt zweifelsfrei die Einbindung der Klägerin in den Umsatzsteuerbetrug und die Richtigkeit der diesbezüglichen Aussagen des LF.
    Hierbei kann es sich nicht um einen bloßen Zufall handeln. Dies wird durch andere Aussagen bestätigt. Die weitere Verfolgte MF hat bei ihrer Vernehmung vom 16. November 2000 auf die Frage, für welche Firmen sie tätig geworden und gegenüber welchen Dritten sie aufgetreten sei, geantwortet:
    „Das waren die Firmen P-GmbH, B-GmbH und in wenigen Fällen für FD und T. …. Mit A habe ich sowohl bezüglich der Verkäufe durch die P-GmbH als auch der Einkäufe durch die FD gesprochen. Bezüglich der Preise habe ich mit A nicht verhandelt. Dies hat LF gemacht. In einem Fall habe ich mit A auch bezüglich eines Verkaufs von K an die B-GmbH gesprochen. In ca. 4-5 Fällen kann ich mich daran erinnern, dass ich für die P-GmbH an A telefonisch oder per Fax eine bestimmte Menge bestimmter Handytypen angeboten habe. Kurze Zeit später wurden von A gleiche Handytypen wieder mir für FD angeboten. Ich kann nicht sagen, ob es sich hier um dieselben Handys gehandelt hat. … Die Geschäftspartner wie A, B und O wussten, dass ich sowohl für die P-GmbH als auch für FD und die B-GmbH auftrat.”
    Diese Aussage lässt zweifelsfrei erkennen, dass A wusste, dass er bezüglich der hier streitigen Geschäfte sowohl auf der Lieferanten- als auch der Abnehmerseite mit denselben Personen Kontakt hatte. Die hieraus zu ziehenden Schlüsse liegen auf der Hand. Auch zum Lieferkarussell hat sich MF in eindeutiger Weise eingelassen. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang auch auf die Aussage der S über die Fälschung von Ausfuhrbescheinigungen durch die Klägerin hingewiesen, aus der sich ebenfalls die Einbindung des für die Klägerin handelnden A in das Betrugsgeschehen erkennen lässt.
    Im Übrigen hätte sich A (wäre er gutgläubig gewesen) auch fragen müssen, wieso die Klägerin überhaupt in den wirtschaftlichen Kreislauf eingeschaltet wird, wenn sein Lieferant und sein Abnehmer durch dieselben Personen repräsentiert werden (nämlich MF und LF). Hierauf hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass die Klägerin hierauf eine nachvollziehbare Antwort geben konnte.
    (2) Die Einwände der Klägerin, die ihre Einbindung in das Hinterziehungsgeschehen bestreitet, überzeugen den Senat nicht.
    (a) Hierbei ist zu beachten, dass LF in seinen Vernehmungen durch die Fahndungsstellen bis zuletzt versucht hat, seine Rolle bei diesen Betrugsgeschäften zu relativieren und die Verantwortung auf andere – angeblich im Hintergrund tätige Personen – zu verlagern. So hat er beispielsweise bei seiner Vernehmung vom 3. Mai 2001 noch ausgesagt:
    „Ich möchte hierzu anfügen, dass mir sehr wohl bewusst war, dass ich ein Bestandteil dieser Steuerhinterziehungskette war, aber ich selbst bin nicht dem KrebsgeschwürLF bezeichnet die Gesamtheit der im Hintergrund handelnden Personen als „Krebsgeschwür”. zuzurechnen. Ich habe letztlich für dieses System eine Hilfeleistung dargestellt, habe zu Beginn meiner Tätigkeit das ganze System nicht verstanden. …. Mir wurde ca. vier bis fünf Monate vor meiner Verhaftung bewusst, dass es sich hier um Steuerbetrügereien handelt.”
    Erst in der Hauptverhandlung hat er sich zur Wahrheit bekannt (s. S. 14 des Strafurteils). Entsprechend haben sich die anderen Verfolgten – u.a. MF – verhalten, soweit sie sich überhaupt zu den Beschuldigungen geäußert haben. A hat bis heute nicht durch eine eigene Aussage zu den gravierenden Vorwürfen Stellung genommen. Auch in der mündlichen Verhandlung des vorliegenden Verfahrens ist er nicht erschienen, um dem Senat seine Sicht der Vorgänge darzulegen.
    MF war ab Januar 2000 bei dem Bürodienstleister AC angestellt. Sie hatte demnach eine eher untergeordnete Funktion im Bereich der büromäßigen Umsetzung der Vorgänge. Obwohl ihr die äußeren Abläufe bekannt waren, ist nicht sicher, ob sie von Anfang an den steuerlichen Hintergrund der Vorgänge verstanden hat. Dies war – anders als bei den in das System eingebundenen „buffern” – für die Umsetzung des Umsatzsteuerbetrugs auch nicht erforderlich. Insofern ist Ihre Aussage bei der Vernehmung vom 8. November 2000
    „Ich bin mir sicher, dass O und die Klägerin nichts von den geplanten und durchgeführten Steuerbetrügereien des LF wussten.”
    entsprechend zu relativieren. Möglicherweise ist dieser Eindruck – auch aufgrund des fehlenden Überblicks über den Gesamtablauf des Umsatzsteuerbetruges – bei ihr entstanden, obwohl ihre unmittelbar vorhergehenden Aussagen eher dagegen sprechen. Denn es ist – wie gesagt – kaum vorstellbar, dass A mit ihr als Vertreterin sowohl seines Lieferanten als auch seines Käufers Kontakt aufnahm, ohne hierzu den wirtschaftlichen Hintergrund zu kennen. MF musste sich die Frage aufdrängen, weshalb die Klägerin in die Verkaufsgeschäfte zweier Firmen eingebunden ist, die von derselben Person – nämlich LF – beherrscht werden. Auch MF hat naturgemäß im Zuge ihrer Vernehmungen versucht, ihre Verstrickung in die Vorgänge möglichst geringfügig darzustellen.
    (b) Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der Einwand, die Klägerin (handelnd durch A) habe erst im März 2000 durch MF von dem Umsatzsteuerbetrug erfahren, den Senat nicht. MF war erst ab Januar 2000 bei AC angestellt. Die ersten Betrugsgeschäfte mit dem Umsatzsteuerkarussell des LF haben aber bereits 1999 stattgefunden (Rechnungen vom 26. November und 14. Dezember 1999). Dass diese Geschäfte daran gescheitert sein sollen, dass A als der Vorstand einer im internationalen Elektronikhandel tätigen Aktiengesellschaft nicht über hinreichende Englischkenntnisse verfügte, erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar, zumal diese Geschäfte 1999 kaum anders als im Jahre 2000 abgewickelt worden sein dürften.
    Immerhin hat MF auch ausgesagt, dass A stets mit LF wegen der Preise verhandelt habe. Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin hierzu – ohne weitere Nachweise zu liefern – vorgetragen, dass auch diese Verhandlungen zwischen A und LF über die Preise unter Zwischenschaltung von MF abgewickelt worden sein sollen. So war die sich aus dem Vernehmungsprotokoll ergebende Aussage der MF aber nicht zu verstehen. Selbst wenn es aber tatsächlich so gewesen sein sollte, hätte sich A – wie bereits ausgeführt – die Frage stellen müssen, weshalb die Klägerin in die Verkaufskette zweier Unternehmen eingeschaltet war, die von derselben Person beherrscht werden. Die P-GmbH hätte mit dem fraglichen Käufer unmittelbar in Kontakt treten und die Gewinnmarge der Klägerin selbst realisieren können.
    (c) Es besteht auch kein Anlass, aus dem zeitlichen Abstand zwischen den Prüfungsberichten der Fahndungsstellen in München und Saarbrücken (Fahndungsstelle für die Finanzämter des Saarlandes: 9. September 2005 / Steuerfahndungsstelle des Finanzamts München I vom 31. Mai 2001) den Schluss der fehlenden Verstrickung des A in das Betrugsgeschehen zu ziehen. Der Senat sieht hierin vielmehr einen beklagenswerten Mangel bei der Feststellung und Verfolgung steuerstrafrechtlicher Tatbestände durch die saarländische Steuerfahndung in diesem Fall. Dies geht zweifelsfrei aus dem Aktenvermerk vom 24. August 2005 hervor. Hieran ändert auch die in dem Vermerk enthaltene unsubstantiierte Behauptung nichts, „die bisher vertretene Rechtsauffassung (sei) in großen Teilen nicht gerichtsfest”. Entsprechendes gilt für die Anklageerhebung und Verurteilung des A, die unterblieben sind, obwohl der geständige Mit- und Haupttäter LF bereits am 9. August 2001 durch das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts M zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist.
    b. Kein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der P-GmbH und der BG-GmbH
    Die Klägerin war – wie gesagt – in den von LF organisierten Umsatzsteuerbetrug als inländischer „buffer” eingebunden. Sie wusste durch A, dass die P-GmbH und die BG-GmbH in diesem Betrug die Rolle der inländischen „missing-trader” übernommen hatten. Die Ermittlungen der Fahndungsstellen haben zweifelsfrei ergeben, dass es sich um in das „Umsatzsteuer-Karussell” des LF eingebundene inländische „missing-trader” handelt. Hiervon geht auch das Strafurteil des Landgerichts München I aus, dem sich der Senat aus den unter 2a enthaltenen Ausführungen anschließt.
    Der Hinweis der Klägerin auf Tz. 11 b (S. 6) des Berichts der saarländischen Steuerfahndung vom 9. September 2005, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, ist irreführend. Dort heißt es nach der Aufzählung bestimmter Lieferanten und Abnehmer der Klägerin:
    „Mit Ausnahme der Fa. BG-GmbH wurden die o.a. Liefer- und Abnehmerfirmen, sowie weitere Firmen in Deutschland und anderen europäischen Staaten von dem anderweitig Beschuldigten LF, in Deutschland ohne festen Wohnsitz, mit dem Ziel eines sogenannten Umsatzsteuerkarussells gegründet.
    Bei diesen Firmen handelt es sich um wirtschaftlich inaktive Unternehmen (missing-trader), die lediglich mit dem Ziel gegründet wurden, um unter Einschaltung weiterer aktiver Firmen Umsatzsteuer zu hinterziehen.”
    Aus dieser Passage kann nicht geschlossen werden, die BG-GmbH sei kein „missing-trader”. Es soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass dieses Unternehmen nicht von LF gegründet wurde. Denn unter derselben Tz. des Berichtes ist auf S. 8 unter „Wareneingang BG-GmbH” nachzulesen:
    „Lt. Feststellung des Finanzamtes Geilenkirchen handelt es sich bei der Firma BG-GmbH um eine „Scheinfirma”. Bei dem angegebenen Sitz handelt es sich um eine als Massendomizil bekannte Anschrift.”
    Die Mitteilung des Finanzamtes Geilenkirchen findet sich auf Bl. 42 der Strafakten III A.
    Für die P-GmbH gilt entsprechendes. Ein Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen kam damit nicht in Betracht.
    c. Umsatzsteuerpflicht der Lieferungen an EE, FD und die B-GmbH
    Für die im „Hinterziehungskarussell” ausgeführten Lieferungen der Klägerin an die vorstehend genannten „missing-trader” im EG-Ausland gilt Folgendes:
    Die Klägerin selbst behauptet, dass reale Warenlieferungsgeschäfte gegen Entgelt durch die Versendung der Geräte ins EG-Ausland stattgefunden haben. Da dies nach Überzeugung des Senats unter doloser Einbindung in ein „Umsatzsteuer-Karussell” geschehen ist, sind die fraglichen Lieferungen nicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG umsatzsteuerbefreit.
    Die unrichtige Empfängerbezeichnung führt dazu, dass diese Lieferungen nicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1b UStG von der Steuer befreit sind, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet war. Zudem handelt es sich um Vorgänge die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden haben. Schon alleine deshalb kommt eine Umsatzsteuerbefreiung nicht in Betracht, s. oben 1 b (4). Ob und inwieweit die Formalien des Versendungsgeschäfts (Frachtbriefe u.ä.) erfüllt sind, ist letztlich unerheblich. Schon alleine wegen ihrer dolosen Einbindung in das Umsatzsteuerhinterziehungsmodell kann die Klägerin auch den Gutglaubensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG nicht in Anspruch nehmen, s. oben 1 b (1)-(3).
    Auch wenn und soweit den Rechnungsläufen keine Warenbewegungen zugrunde gelegen haben sollten, und sich die Ware in einem inländischen Lager befunden haben sollte, liegen – mangels Steuerfreiheit nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 b, 6a UStG, s. dazu 1 b (5) – steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen vor.
    3. Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.
    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin gemäß § 136 Abs 1 Satz 3 FGO auferlegt. Die Klage hatte nur wegen eines Versehens des Beklagten, das er durch den Änderungsbescheid vom 6. August 2007 korrigiert hat, in – gemessen am Gesamtstreitwert – geringfügigem Umfang Erfolg.
    Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO zur Klärung der Frage zugelassen, ob und inwieweit die Lieferungen eines inländischen „buffers” an einen „missing-trader” im EG-Ausland der Umsatzsteuer unterliegen (s. oben Nr. 1 b).

    VorschriftenUStG 1999 § 4 Nr. 1 Buchst. b, UStG 1999 § 6a Abs. 1, UStG 1999 § 6a Abs. 3, UStG 1999 § 6a Abs. 4, UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1, UStDV 1999 § 17a Abs. 1, UStDV 1999 § 17a Abs. 4, UStDV 1999 § 10 Abs. 2 Nr. 2