08.01.2010
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 28.05.2003 – 11 K 335/99
- Ständiger Vertreter im Inland ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Von einem ständigen Vertreter im Inland ist auszugehen, wenn dieser aufgrund einer allgemeinen, nicht nur für den Einzelfall getroffenen Regelung der Beziehungen und für eine gewisse Dauer im Inland diese Geschäfte tätigt.
- Ein nur gelegentlicher Aufenthalt im Inland reicht nicht aus.
- Der ständige Vertreter muss keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.
Tatbestand
Streitig ist der Erlass eines Lohnsteuerhaftungsbescheides gemäß § 191 in Verbindung mit § 69 Abgabenordnung (AO).
Der Kläger war Geschäftsführer einer griechischen Gesellschaft (GmbH A), die einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung ähnlich ist. Diese Gesellschaft ist seit April 1997 aufgelöst. Gesellschaftszweck war die Reparatur, die Instandhaltung und die Reinigung von Schiffen. Die GmbH A führte ihre gewerbliche Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und in Griechenland aus und beschäftigte zu diesem Zweck griechische Arbeitnehmer. Im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seitens des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen X wurde festgestellt, dass die GmbH A Arbeitnehmer für Sandstrahl- und Reinigungsarbeiten beschäftigte, ohne dafür eine Lohnversteuerung vorzunehmen. Die Arbeitslöhne wurden wöchentlich bar an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Da eine Buchführung und auch Lohnkonten nicht vorhanden waren, ermittelte der Fahnder die baren und unbaren Einnahmen.
Als Grundlagen dafür dienten das Kontrollmaterial der Firma B, Barquittungen und die Zahlungseingänge auf dem Privatkonto des Klägers. Der Bruttolohn wurde auf 70 v.H. des Gesamtumsatzes geschätzt. Die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer berechnete das Finanzamt wegen Nichtvorlage der Lohnsteuerkarten und der Personalstandsdaten nach Steuerklasse VI. Danach ergab sich folgende Ermittlung der Lohnsteuer:
1992 | 1993 | 1994 (bis 7/94) | |
Betrag auf Grund von Barquittungen lt. Kontrollmaterial des Unternehmens B | 262.504,00 | - | - |
Unbar auf Konto des Klägers eingezahlte Beträge | 289.815,50 | 1.221.732,26 | 1.351.165,00 |
Gesamtumsatz | 552.319,00 | 1.221.732,26 | 1.351.165,00 |
Bruttolohnsumme (70 v.H. vom Gesamtumsatz) | 386.623,00 | 855.212,00 | 945.815,00 |
LSt nach Stkl. VI (19 v.H.) | 73.458,00 | 162.490,00 | 179.705,00 |
Der Gesamtumsatz der GmbH A in Deutschland in diesem Zeitraum betrug ca. 3 Mio DM. Da von der Firma GmbH A keine Lohnsteuermeldungen für die Zeiträume vom 1. Januar 1992 bis 30. November 1994 abgegeben wurden, setzte das Finanzamt die Steuerabzugsbeträge am 12. Januar 1999 durch Festsetzungsbescheide fest.
Gleichzeitig erließ das Finanzamt gegen den Kläger einen Haftungsbescheid gemäß § 191 in Verbindung mit § 69 AO wegen Lohnsteuer für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. November 1994. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 15. Januar 1999, der als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der Kläger am 27. Mai 1999 Klage.
Der Kläger trägt vor, die Festsetzungsfrist für die Lohnsteuerverbindlichkeiten sei bereits abgelaufen. Nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist hierfür vier Jahre, die gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, zu laufen beginne, so dass für die Lohnsteuer 1992 mit Ablauf 1996, für 1993 mit Ablauf 1997 und für 1994 mit Ablauf 1998 die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Eine Ablaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO komme nicht in Betracht, da hier Steuerschuldner und Erklärungspflichtiger nicht identisch seien. Steuerschuldner sei der Arbeitnehmer während der Abgabeverpflichtete der Arbeitgeber sei. In diesem Fall der Trennung komme nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) (BStBl II 1990, 526) und einem Urteil des Hessischen Finanzgerichts (Hess FG) (EFG 1996, 164) die Vorschrift nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 nicht zur Anwendung. Auch komme eine zehnjährige Festsetzungsfrist nicht in Betracht, da eine Steuerhinterziehung nicht vorliege.
Weiterhin seien die Lohnsteuerbescheide nicht wirksam zugestellt worden, da zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide am 14. Januar 1999 die GmbH A schon aufgelöst gewesen sei, denn die Lohnsteuer sei an das Finanzamt in Griechenland abgeführt worden. Damit entfalle sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand. Wegen der Akzessorietät der Haftung komme keine Inanspruchnahme in Betracht, denn bei der GmbH A sei keine Steuerschuld entstanden. Gemäß Art. 11 Abs. 3 Doppelbesteuerungsabkommen mit Griechenland (DBA Griechenland) seien die Arbeitnehmer nicht länger als 183 Tage in Deutschland tätig gewesen. Dies treffe für alle Arbeitnehmer zu. Die Unterschreitung der 183-Tage-Grenze ergebe sich auch daraus, dass die Arbeitnehmer am Wochenende nicht in Deutschland verblieben seien, sondern jeweils am Freitag nach Arbeitsende mit Billigfluglinien nach Griechenland geflogen seien und in der Nacht von Sonntag auf Montag den Rückflug nach Deutschland angetreten hätten.
Des weiteren sei auch zu beachten, dass die Voraussetzungen für eine Steuerpflicht nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorliegen. Die GmbH A sei ein ausländischer Arbeitgeber, der u.a. keinen ständigen Vertreter in Deutschland habe.
Eine Haftung nach § 69 AO setze ein Verschulden voraus, das jedoch beim Kläger nicht vorliege. Der Kläger habe sich vor Aufnahme der Tätigkeit der Firma GmbH A über die Steuerpflicht hinsichtlich der griechischen Mitarbeiter informiert. Er habe dabei die Auskunft erhalten, sowohl die Lohnsteuer wie auch die anderen Sozialabgaben seien in Griechenland zu entrichten. Es sei ihm die Auskunft erteilt worden, dass Lohnsteuer nur dann an die deutsche Finanzverwaltung abgeführt werden müsse, wenn ein Arbeitnehmer der GmbH A sich länger als 183 Tage pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Darüber sei eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt worden. Er habe daher die Steuerbeträge beim Finanzamt in Griechenland angemeldet und abgeführt.
Überdies komme eine Inanspruchnahme auch schon deshalb nicht in Betracht, weil in Höhe von 262.740,02 DM die Steuerschuld der GmbH A getilgt worden sei, denn in dieser Höhe sei ein Kontoguthaben gepfändet und auf Lohnsteuerrückstände 1992 bis 1994 der GmbH A gebucht worden. Des weiteren sei die Schätzung zu hoch. Statt 70 v.H. des Gesamtumsatzes als Lohnzahlungen anzusehen, sei es erforderlich nur 31 v.H. des Gesamtumsatzes in Anlehnung an die Richtsatzwerte für Schlossereien für Lohnaufwand zu berücksichtigen. Somit ergeben sich folgende Werte
1992 | 1993 | 01-07/1994 | |
Gesamtumsatz (in DM) | 552.319,00 | 1.221.732,00 | 1.351.265,00 |
Bruttolohnsumme (in DM 31 v.H. des Gesamtumsatzes) | 171.218,00 | 378.736,00 | 418.861,00 |
LSt nach Kl. VI (19 v.H.) | 32.531,00 | 71.959,00 | 79.583,00 |
Damit würde sich allenfalls ein Steuerabzugsbetrag von 184.073,00 DM ergeben. Eine entsprechende Reduzierung des Solidaritätszuschlages wie auch der Säumniszuschläge sei zu beachten. Aus den nunmehr vorliegenden Lohnsteuererklärungen an das Finanzamt in Griechenland ergeben sich folgende Lohnzahlungen:
1992 | 115.085,00 DM |
1993 | 262.954,00 DM |
1994 | 732.354,00 DM |
Die Summe der Löhne habe mithin nur 1.110.393,00 DM betragen. Bei Beachtung dieser Lohnsteuererklärungen und eines Lohnsteuersatzes von 19 v.H. ergebe sich ein Lohnsteuerbetrag von 210.974,00 DM statt 579.831,00 DM, wie es das Finanzamt ansetze.
Weiterhin sei zu beachten, dass der Kläger keine Wohnung in H gehabt habe. Er habe überhaupt keine Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Er sei lediglich für zwei, drei Tage, immer dann wenn es Probleme gab, nach Deutschland gekommen. Erst am 30. November 1994 habe er sich in Deutschland offiziell angemeldet. Ab dem 1. Januar 1995 habe er in Deutschland eine neue GmbH gegründet. Mit dieser neuen GmbH betreibe er die gleichen Geschäfte wie vorher mit der griechischen GmbH.
Das Privatkonto des Klägers bei der Y Bank sei von ihm treuhänderisch für die GmbH A gehalten worden. Dieses Konto sei deshalb besonders wichtig gewesen, weil es den deutschen Vertragspartnern besondere Schwierigkeiten gemacht hätte, die Zahlungen nach Griechenland zu leisten. Auf ein inländisches Konto sei der Zahlungsverkehr einfacher abzuwickeln gewesen. Die Bank sei nur bereit gewesen, auf den Namen des Klägers und nicht der GmbH ein entsprechendes Konto zu eröffnen. Das Konto sei unter der Adresse seines Bruders in H bei der Bank eröffnet worden.
Der Kläger habe sich bevor er mit der GmbH A in Deutschland tätig wurde, durch seinen Bruder bei der IHK C über die wirtschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Gegebenheiten in Deutschland informiert. Der Kläger habe sich zwar nicht selbst nach den steuerrechtlichen Gegebenheiten in der Bundesrepublik erkundigt; jedoch habe der Bruder ihn entsprechend informiert. Der Kläger habe nach einer zweimonatigen Tätigkeit in Deutschland im Jahr 1991 erst ab März 1992 für zweieinhalb Monate in Deutschland gearbeitet. Am 20. Juli 1992 habe er wieder in D begonnen für ca. eineinhalb Monate. Dann seien die Arbeiten fertiggewesen. Nach 20 Tagen sei er erneut angefordert worden, weil neue Aufträge vorlägen. Sie hätten dann bis zum 10. Dezember 1992 weitergearbeitet. Sie hätten nur kurzzeitige Aufträge gehabt. Es habe keinen Vertrag über eine längere Arbeitszeit gegeben. Des weiteren trägt der Kläger vor, dass die GmbH A zunächst hätte in Anspruch genommen werden müssen. Deshalb sei ein Mitverschulden des Beklagten zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 12. Januar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1999 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, Festsetzungsverjährung sei aus verschiedenen Gründen nicht gegeben. So sei wegen des Vorliegens einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO die zehnjährige Festsetzungsverjährung maßgeblich. Auf die Zustellung der Festsetzungsbescheide käme es nicht an, da nicht die Festsetzung selbst maßgeblich sei, sondern die Festsetzungsfrist, innerhalb derer der Haftungsbescheid erlassen werde müsste. Auch sei weiterhin nach der normalen Verjährungsfrist keine Verjährung eingetreten, da nicht nur vier Jahre, sondern wegen § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO sieben Jahre anzusetzen seien, sodass für die älteste Steuerforderung 1992 erst die Festsetzungsverjährung am 31. Dezember 1999 einsetze.
Auch sei die Ansicht des Klägers nicht zutreffend, der Erklärungspflichtige müsse auch der Steuerschuldner sein, damit § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO angewandt werden könne. Somit sei für die Festsetzung der Lohnsteuerforderungen keine Festsetzungsverjährung eingetreten und über § 191 Abs. 3 Satz 1 AO gelte dies auch für den Haftungsbescheid. Darüber hinaus stehe nunmehr fest, dass auch der BFH von einer Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO auch für den Fall ausgehe, wenn der Haftungsschuldner von Gesetzes wegen zur Abgabe einer Steueranmeldung verpflichtet sei und dieser nicht nachkomme (BFH BStBl II 2001, 13).
Wegen der Steuerpflicht in Griechenland sei vorzutragen, dass der Kläger bisher nicht nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 3 DBA Griechenland vorliegen. Nach der BFH-Rechtsprechung (BStBl II 1989, 755) treffe denjenigen die Feststellungslast, der sich auf den Ausnahmetatbestand berufe. Dies bedeute, dass der Kläger den fehlenden Nachweis erbringen müsse. Wegen des Verschuldensnachweises sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, sich in Deutschland über die Steuerpflichten zu erkundigen. Da der Kläger trotz seiner umfangreichen geschäftlichen Tätigkeit in Deutschland nicht die nötigen Auskünfte in Deutschland eingeholt habe, liege schon darin ein grob fahrlässiges Verhalten.
Darüber hinaus habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er in Griechenland beim dortigen Finanzamt entsprechende Auskünfte eingeholt habe. Auch fehle der Nachweis über die Abführung der Lohnsteuer in Griechenland. Der Kläger sei inländischer ständiger Vertreter gewesen, dieses ergebe sich aus einer Reihe von Indizien. Der Kläger sei Geschäftsführer der GmbH A gewesen und habe seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt. Auf Rechnungen stehe er als Geschäftsführer mit inländischer Adresse. Das Finanzgericht habe in seinem Urteil zum Verfahren (V 57/95) ausgeführt, dass der Kläger als Geschäftsführer der GmbH A gehandelt habe. Auch in den Entscheidungen des Finanzgerichts (8 K 242/95 und 8 K 21/98) habe das Gericht festgestellt, dass der Kläger in den Streitjahren seinen Wohnsitz in H hatte und sich dort auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befand, sodass er unbeschränkt in Deutschland einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Der erkennende Senat habe in seinem Urteil in der Sache XI 52, 94/95 den Kläger als ständigen Vertreter im Inland angesehen.
Die Kritik an der Schätzung könne nicht durchgreifen, da jede Schätzung dem Wesen nach ungenau sei. Es sei Sache des Klägers hier die Lohnunterlagen vorzulegen, um die richtigen Werte ermitteln zu können. Soweit ein Kontoguthaben gepfändet und auf die streitigen Steuerrückstände verbucht worden sei, brauche dieser Vorgang nicht berücksichtigt zu werden, da der Kläger selbst bestritten habe, es handele sich um ein Guthaben der GmbH A.
Gründe
I. Die Klage ist unbegründet.
Der Lohnsteuerhaftungsbescheid und der Einspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat den Kläger zu Recht nach §§ 191 Abs. 1, 69 und 34 Abs. 1 AO für die in den Streitjahren entstandenen Steuerabzugsbeträge der GmbH A als Haftenden in Anspruch genommen.
Nach diesen Vorschriften haften u.a. die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die GmbH A hatte die Pflichten als Arbeitgeberin zur Einbehaltung (§ 38 Abs. 1 EStG), Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer spätestens am zehnten Tag nach Ablauf des Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums (§ 41 a Abs. 1 EStG) und des Solidaritätszuschlags (§ 51 a Abs. 1, 3 EStG) zu erfüllen. Dieser steuerlichen Verpflichtung der GmbH haben innerhalb der Gesellschaft der oder die Geschäftsführer nachzukommen (§ 34 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz).
1. Im Streitfall traf diese Verpflichtung für den Haftungszeitraum den Kläger. Er war Geschäftsführer der GmbH A. Er hatte insbesondere die Pflicht, die Lohnsteuerbeträge bzw. die Solidaritätszuschläge gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. entsprechend dieser Vorschrift einzubehalten und des weiteren anzumelden und abzuführen. Die Lohnzahlungen der GmbH A unterlagen der Lohnsteuerpflicht bzw. dem Solidaritätszuschlag in Deutschland.
a. Die GmbH A war für den streitigen Zeitraum für alle im Inland beschäftigten Arbeitnehmer inländischer Arbeitgeber gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG; denn der Kläger war ständiger Vertreter im Sinne des § 13 AO im Inland.
aa. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG wird die Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der u.a. im Inland einen ständigen Vertreter im Sinne der §§ 8 bis 13 AO hat (inländischer Arbeitgeber). Ständiger Vertreter ist nach § 13 Satz 1 und 2 AO eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Ständiger Vertreter ist insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt. Von einem ständigen Vertreter im Inland ist dann auszugehen, wenn der Vertreter auf Grund einer allgemeinen, nicht nur für den Einzelfall getroffenen Regelung der Beziehungen und für eine gewisse Dauer im Inland diese Geschäfte tätigt (BFH, Urteil vom 27. November 1963 I 335/60 U,BStBl III 1964, 76 zu § 49 Nr. 2 EStG a.F.). Nur ein gelegentlicher Aufenthalt im Inland reicht nicht aus (so schon RFH, Urteil vom 29. Juni 1934 I A 56/33, RStBl 1934, 1125 zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F.; BFH, Urteil vom 27. November 1963 a.a.O.). Eine feste Geschäftseinrichtung ist dabei nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 13. Februar 1974 I R 218/71, BFHE 111, 416, 420; Kumpf in Hermann/Heuer/Raupach, EStG [Loseblatt] § 49 Rz. 227; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AOFGO [Loseblatt], § 13 Rz. 4 m.w.N.). Auch braucht der ständige Vertreter keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu haben (RFH, Urteil vom 29. Juni 1934 a.a.O.; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AOFGO [Loseblatt], § 13 Rz. 9). Die Anforderungen an eine inländische Vertretung sind hinsichtlich des zeitlichen Elements nicht zu streng zu bemessen (Kumpf in Hermann/Heuer/Raupach, EStG [Loseblatt] § 49 Rz. 227; a.A: Niedersächsisches FG, Urteil vom 4. Juli 1991 VI 480/89, RIW 1991, 1055, wonach ständige Anwesenheit erforderlich sein soll). Entscheidend ist, ob der ständige Vertreter im Inland eine Arbeitgeberfunktion innehat (Kirchof/Söhn-Trzaskalik EStG [Loseblatt], § 38 Rz. B 26).
So reicht es aus, wenn der Bautrupp eines ausländischen Unternehmens eine Aufsichtsperson im Inland hat (R 105 Abs. 3 LStR 2002; Blümich-Thürmer, EStG [Loseblatt], § 38 Rz. 74; Kirchhof, EStG 3. Aufl. 2003, § 38 Rz. 7).
bb. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Der Kläger hielt sich nicht nur gelegentlich in den Streitjahren in Deutschland auf, sondern sein Aufenthalt war stets von einer gewissen Dauer, die bis zu mehreren Monaten dauerte. Weiterhin war sie nicht auf eine kurze Zeit beschränkt, sondern zog sich über mehrere Jahre hin. Als Geschäftsführer der GmbH A übernahm er nicht nur allgemein die Stellung eines Vertreters der GmbH A im Sinne von § 13 AO ein, sondern auch die Funktion des Arbeitgebers in Deutschland. Die griechischen Mitarbeiter der GmbH A waren ihm gegenüber als Geschäftsführer weisungsgebunden. Dass der Kläger womöglich keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte - so sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung - ist für die Frage, ob er im Inland ständiger Vertreter war ebenso unerheblich, wie die Frage, ob die GmbH A in Deutschland eine Geschäftseinrichtung hatte. Überdies war nach Auffassung des Senats eine Auftragsabwicklung durch Arbeiter in Deutschland in diesem Umfang in den Streitjahren (unstreitig ca. 3 Mio DM Umsatz) nur möglich, wenn der Arbeitgeber vor Ort einen ständigen Vertreter hatte. Diese Funktion hatte der Kläger eingenommen. Bestätigt wird dies auch durch die Tatsache, dass auf Rechnungen der GmbH A der Kläger als Geschäftsführer mit seiner inländischen Adresse angegeben ist.
b. Die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer der GmbH A haben auch mit ihren inländischen Arbeitseinkünften nach innerstaatlichem Recht der Steuerpflicht unterlegen, gleich, ob sie unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sind (§§ 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG).
aa. Nach Art. 11 Abs. 2 DBA Griechenland steht der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich ein Besteuerungsrecht zu, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer Tätigkeit in der Bundesrepublik fließen. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik ist nach Abs. 3 dieser Vorschrift dann nicht gegeben, wenn die ausländischen Arbeitskräfte sich während der Streitjahre nicht länger als 183 Tage in der Bundesrepublik aufgehalten haben und noch weitere dort näher bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Schon aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt, dass die Voraussetzungen für die Annahme steuerfreier Einkünfte von demjenigen dargelegt und ggf. auch nachzuweisen sind, der sich auf die Steuerfreiheit beruft. Dies ergibt sich ebenso aus der in § 76 Abs. 1 Satz 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des § 90 Abs. 2 AO 1977 im Finanzgerichts-Prozess.
Im Streitfall beruft sich der Kläger auf die Steuerfreiheit der Einkünfte in der Bundesrepublik. Es ist deshalb seine Sache, für jeden von ihm beschäftigten Arbeitnehmer darzulegen und anhand geeigneter Beweismittel nachzuweisen, wie lange er vom Kläger im Inland beschäftigt wurde und wo er regelmäßig übernachtete. Das Gericht hat den Kläger nur aufzufordern, den entscheidungserheblichen Sachverhalt darzulegen und die Beweismittel vorzulegen. Sollte der Kläger seinen Verpflichtungen nicht nachkommen oder sollte sich das Gericht aus anderen Gründen von den Voraussetzungen steuerfreier Einkünfte nicht mit ausreichender Sicherheit überzeugen können, so treffen den Kläger die sich daraus ergebenden Nachteile. Dann ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nicht nachgewiesen sind und die Besteuerung deshalb nach dem Regeltatbestand vorzunehmen ist (BFH, Urteil vom 10. Mai 1989 I R 50/85, BStBl II 1989, 755, 758).
bb. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes wurden nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Die vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Steueranmeldungen für die Streitjahre nebst Verzeichnisse der Arbeitnehmer mit Angaben zu den Beschäftigungstagen und einzelnen Lohnsteuerzahlungen, die an das Finanzamt in Griechenland gerichtet waren, können nicht als Nachweis für die Unterschreitung der 183-Tage-Klausel herangezogen werden. Denn einerseits lassen sich aus ihnen nur allgemein die Arbeitstage und nicht die Anwesenheitstage in Deutschland entnehmen; und andererseits ist auch nicht ersichtlich, ob es sich bei den in den Anlagen genannten Arbeitnehmern nicht um Mitarbeiter in Griechenland handelte, die dort für die GmbH A an den genannten Tagen gearbeitet haben. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die GmbH A auch in Griechenland tätig geworden sei.
cc. Der Antrag in der mündlichen Verhandlung auf Beiziehung der Akten zum Strafverfahren beim Amtsgericht G (Az. ...) konnte aus zweierlei Gründen unberücksichtigt bleiben. Zunächst würde die Beiziehung nach Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, so dass gemäß § 79 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO die Beiziehung verweigert werden konnte. Der Berichterstatter hatte mit Schreiben vom 6. Mai 2003 unter Setzung einer Ausschlussfrist gemäß § 79 b Abs. 2 FGO dem Kläger auferlegt, die Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer im Inland nachzuweisen. Es war Aufgabe des Klägers gewesen, entsprechende Unterlagen bis zum 26. Mai 2003 dem Gericht vorzulegen (vgl. BFH, Urteil vom 10. Mai 1989 a.a.O.). Dies ist nicht geschehen. Zum Anderen ist substantiiert nicht vorgetragen worden, welche entscheidungsrelevanten Unterlagen sich in der Strafakte befinden sollen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (vgl. BFH, Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BStBl II 1988, 841, m.w.N.; Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757). Die Beiziehung wurde mit der Begründung beantragt, es würden sich in der Akte Originalunterlagen aus Griechenland befinden. Der Senat vermag nicht zu erkennen, welche entscheidungsrelevanten Originalunterlagen sich in dieser Akte befinden sollen. Soweit damit die Steueranmeldungen an die griechischen Finanzbehörden gemeint waren, ist darauf zu verweisen, dass diese Unterlagen dem Senat bereits vorgelegen haben und gewürdigt wurden.
c. Die Lohnsteuerforderungen, die dem Lohnsteuerhaftungsbescheid zugrunde liegen, sind nicht festsetzungsverjährt. Gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO ist die Anlaufhemmung auch für den Lohnsteuerhaftungsschuldner zu berücksichtigen. Auf eine Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen kommt es nicht an.
aa. Nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist für die Lohnsteuer vier Jahre, die nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, zu laufen beginnt. Nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist abweichend von Abs. 1, wenn eine Steueranmeldung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Im Streitfall ist danach die Festsetzungsfrist beachtet worden. Die älteste Lohnsteuerforderung aus dem Jahr 1992 ist gemäß §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO im Jahr 1999 verjährt. Der Beklagte setzte aber die Steuerabzugsbeträge am 12. Januar 1999 durch Festsetzungsbescheid fest.
bb. Die Festsetzungsfristen gelten auch für Haftungsschuldner. Der BFH hat entschieden, dass die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO über § 191 Abs. 3 Satz 1 AO für den Haftungsschuldner gilt (BFH, Urteil vom 9. August 2000 I R 95/99, BStBl II 2001, 13). Dies gilt auch, wenn Entrichtungsschuldner - hier die GmbH A - zur Abgabe einer Steueranmeldung verpflichtet ist und dieser Verpflichtung nicht nachkommt, während der Steuerschuldner ein Dritter ist - hier die Arbeitnehmer -. Denn einerseits kommt es nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf eine weitere Differenzierung an; andererseits ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb für den Anmeldungsverpflichteten die Anlaufhemmung nicht gelten soll (BFH, Beschluss vom 14. Juli 1999 I B 151/98, BFH/NV 1999, 1667 = BStBl. II 2001, 556 m.w.N.; FG Köln Urteil vom 5. Dezember 2001 2 K 4695/00, EFG 2002, 472; BFH, Urteil vom 9. August 2000 I R 95/99, BStBl II 2001, 13, 14; a.A. BFH, Beschluss vom 30.03.1994 I R 54/93, BStBl II 1994, 864, 869). Allenfalls könnte in Bezug auf den Steuerschuldner - hier die Arbeitnehmer - die Anwendung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO problematisch sein. Nur sie sind schutzwürdig, da sie häufig keine Kenntnis von der fehlenden Steueranmeldung und damit von der Anlaufhemmung der Steuerfestsetzung haben.
d. Nicht maßgeblich ist, ob die Lohnsteuer wirksam festgesetzt wurde, bevor der Kläger in Haftung genommen wurde, sodass es auf die vom Kläger geltend gemachten Zustellungsmängel nicht ankommt. Allein entscheidend ist, dass die Steuer gegenüber der GmbH A hätte festgesetzt werden können. Es ist daher nur bedeutsam, ob im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides Festsetzungsverjährung eingetreten ist (BverwG, Urteil vom 8. Mai 2002 9 C 7.01, BFH/NV Beilage 2002, 168; BFH, Beschluss vom 11. Juli 2001 VII R 28/99, BFH/NV 2001, 1467; BFH, Urteil vom 7. November 1995 VII R 26/95, BFH/NV 1996, 379, 382; Nacke, Haftung für Steuerschulden, 1999, Tz. 464) Es kommt nicht darauf an, ob die Steuerfestsetzung unwirksam war (BFH, Urteil vom 2. Februar 1994 II R 7/91, BStBl II 1995, 300, 302 m.w.N..; Nacke a.a.O. Tz. 465).
e. Die vom Kläger geltend gemachten Einwendungen gegen die Höhe der Lohnsteuerschulden sind nicht geeignet, die Schätzung des Beklagten in Frage zu stellen.
Der Beklagte schätzte 70 v.H. der unstreitig in den Streitjahren getätigten Umsätze als Bruttolohnsumme, woraus sich eine Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI (19 v.H.) in Höhe der festgesetzten Beträge ergab. Der Ansatz eines solch hohen Bruttolohnanteils am Gesamtumsatz ist nach Auffassung des Senats durch den Beklagten aufgrund der ausschließlichen Gewinnschöpfung aus der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer (durch Sandstrahl- und Reinigungsarbeiten) zu rechtfertigen. Denn weder konnte auf Grund der Richtwertsammlung noch auf Grund vorhandener Unterlagen detailliertere Berechnungen vorgenommen werden.
Die Einwendungen des Klägers, der wegen des Auslandssachverhalts der Lohnzahlungen an griechische Arbeitnehmer nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 AO darlegungspflichtig ist und die Feststellungslast trägt, konnten die Schätzung nicht erschüttern. So können nach Auffassung des Senats die Lohnzahlungen aus den oben genannten Lohnsteuererklärungen an das Finanzamt in Griechenland nicht herangezogen werden. Es ist nicht nachgewiesen worden, dass es sich bei den genannten Lohnzahlungen um Lohnzahlungen der griechischen Arbeitnehmer für Arbeitsleistungen in Deutschland handelte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, die GmbH A sei auch in Griechenland tätig gewesen. Auch kann der vom Kläger aus dem Richtsatzwert für den Rohgewinn für Schlossereien ermittelte Lohnaufwandsatz nicht berücksichtigt werden, da Schlossereiarbeiten im Vergleich zu den Tätigkeiten der GmbH A (Sandstrahl- und Reinigungsarbeiten) in Deutschland einen erhöhten Materialaufwand erfordern und damit nicht vergleichbar sind. Auch ist der Vortrag hinsichtlich der Beiziehung der Strafakten zu unsubstantiiert, als dass er in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müsste (s.o.).
f. Die Haftung umfasste gemäß §§ 69, 37 Abs. 1 u. 3 Abs. 3 AO auch die Nebenleistungen (hier die Verspätungszuschläge).
2. Die Verpflichtung zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Abzugsbeträge hat der Kläger auch grob fahrlässig verletzt. Der Kläger handelte grob fahrlässig als er trotz angeblicher Kenntnis der steuerrechtlichen Lage in Deutschland nicht die Beträge einbehalten, angemeldet und abgeführt hat bzw. den Nachweis der Steuerbefreiung geführt hat. Dem Kläger war nach seinem eigenen Vorbringen bekannt, dass die 183-Tageklausel im Streitfall zu beachten war. Er hätte daher entsprechende Aufzeichnungen und Nachweise anfertigen bzw. besorgen müssen, aus denen sich die Anwesenheitstage in Deutschland ergeben hätten.
3. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
a. Bei der Inanspruchnahme eines nach §§ 34, 69 AO Haftenden handelt es sich um eine Ermessenentscheidung (§ 191 Abs. 1 AO), die nach § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. BFH, Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75, BStBl II 1978, 508; Urteil vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BStBl II 1981, 493). Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden (vgl. § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO), andernfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist. Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen - die Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners - aus der Entscheidung erkennbar sein (BFH, Urteil vom 30. April 1987 VII R 48/84, BStBl II 1988, 170). Die Behörde muss insbesondere zum Ausdruck bringen, warum sie den Haftungsschuldner anstatt des Steuerschuldners oder anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen in Anspruch genommen hat.
b. Der Beklagte hat erkannt, dass eine Ermessensentscheidung zu treffen war, und diese im Haftungsbescheid vom 12. Januar 1999 und in der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1999 ausreichend begründet. Ausführungen zum Auswahlermessen erübrigten sich, weil der Kläger in den Abführungszeitpunkten einziger Geschäftsführer war, worauf auch der Beklagte in den Bescheiden hingewiesen hat.
c. Der Verzicht auf eine Darlegung des Auswahlermessens hinsichtlich der griechischen Arbeitnehmer als Steuerschuldner für die Lohnsteuer war nicht ermessensfehlerhaft. Die griechischen Mitarbeiter waren dem Beklagten weder namentlich mit Adresse bekannt, noch waren die einzelnen Lohnsteuerbeträge der Arbeitnehmer bekannt. Sie hatten zudem alle ihren Wohnsitz im Ausland. Allein schon aus diesen Gründen brauchten hierzu keine Ausführungen in der Ermessensentscheidung gemacht werden (vgl. BFH, Beschluss vom 13. August 1982 VI S 5/82, nv; Urteil vom 20. September 1985 VI R 45/82, BFH/NV 1986, 240; Urteil vom 29. Mai 1990 VII R 81/89, BFH/NV 1991, 283). Diese Umstände waren für den Kläger aufgrund vorangegangenen eigenen Verhaltens und aufgrund der Ergebnisses der Fahndungsprüfung ohne weiteres erkennbar (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO). Auch eine Darlegung des Auswahlermessens im Hinblick auf die GmbH A als Entrichtungsschuldnerin brauchte nicht zu erfolgen. Insoweit handelt es sich bei dieser griechischen Gesellschaft um einen beschränkt Steuerpflichtigen, sodass in der Regel der inländische Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann. Einer besonderen Darlegung der Ermessenserwägungen bedurfte es insoweit ebenfalls nicht (vgl. BFH, Urteil vom 5. November 1992 I R 41/92, BStBl II 1993, 407, 411 m.w.N.).
d. Der Kläger vertritt zu Unrecht die Auffassung, den Beklagten treffe ein Mitverschulden. Eine Berücksichtigung eigenen Verschuldens des Beklagten ist zwar im Rahmen einer Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen (vgl. BFH, Urteil vom 5. November 1992 I R 41/92, BStBl II 1993, 407, 411 m.w.N.): jedoch kommt ein Mitverschulden des Beklagten wegen fehlender vorheriger Inanspruchnahme der GmbH A nicht in Betracht. Es liegt kein Mitverschulden vor, wenn das Finanzamt über einen längeren Zeitraum von seinen Befugnissen zur Beitreibung der vollständigen Lohnabzugsbeträge keinen Gebrauch macht (BFH, Urteil vom 11. August 1978 VI R 169/75, BStBl II 1978, 683; Urteil vom 2. Oktober 1986 VII R 28/83, BFH/NV 1987, 349, 352; Beschluss vom 27. April 1998 VII B 277/97, BFH/NV 1998, 1450, 1451).
e. Die Haftungssumme war auch nicht im Rahmen der Ermessensentscheidung wegen Verbuchung des gepfändeten Betrages bei der Y Bank auf die streitigen Lohnsteuerbeträge (Beachtung des Grundsatzes der Akzessorietät der Haftung) zu reduzieren. Der Kläger selbst bestreitet, dass das gepfändete Geld der GmbH A zuzurechnen sei. Es solle sich nicht um ein Konto der GmbH A gehandelt haben. Er hat sich auch in einer Klage gegen den entsprechenden Abrechnungsbescheid vor dem Finanzgericht (Az.: ...) gegen diese Zurechnung gewandt, über die rechtskräftig noch nicht entschieden wurde. Unter diesen Umständen konnte der Beklagte diese Zahlungen unberücksichtigt lassen. Der Beklagte musste damit rechnen, dass die Steuerschuld bei der Aufhebung des Abrechnungsbescheides durch das Finanzgericht wieder auflebt (vgl. BFH, Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77, BStBl II 1981, 138, 140, der den vergleichbaren Fall einer Zahlung eines anderen Haftungsschuldners behandelt, der jedoch ebenso wie der Kläger im dortigen Fall auch seinen Haftungsbescheid angefochten hatte; BFH, Beschluss vom 4. Mai 1998 I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, der den Fall behandelt, indem ein umstrittener Schadensersatzanspruch des Steuerschuldners durch das Finanzamt gepfändet und eine Zahlung darauf an das Finanzamt unterstellt wurde; vgl. auch Nacke, a.a.O., Rz. 464 m.w.N.).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.