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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 25.01.2001 – VII 45/97

    In Fällen, in denen eine ausländische Muttergesellschaft ihrer inländischen Tochtergesellschaft Arbeitnehmer überlässt, wobei Arbeitsverträge nur zwischen der Muttergesellschaft und den Arbeitnehmern bestehen, ist die inländische Tochtergesellschaft nicht Arbeitgeberin im Sinne des Lohnsteuerrechts, wenn die Lohnzahlungen nicht auf ihren Namen und ihre Rechnung erfolgen.


    Tatbestand

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids über Lohnsteuer.

    1. Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Firma … GmbH, einer inländischen Kapitalgesellschaft, deren alleinige Gesellschafterin in den Jahren 1988 ff. eine Schweizer AG war. Mit notariellem Vertrag vom 13.09.1988 wurde Herr …, mit Wohnsitz in … in der Schweiz, der bereits für die Schweizer AG als Geschäftsführer tätig war, zum alleinigen Geschäftsführer bestellt.

    2. lm Rahmen einer von November 1992 bis Februar 1993 durchgeführten Lohnsteuer-Prüfung traf der Prüfer u.a. folgende Feststellungen:

    Die Schweizer AG hatte mit Rechnung vom 23. Januar 1989 der Rechtsvorgängerin der Klägerin für erbrachte Dienstleistungen in der Zeit vom September 1988 bis Dezember 1988 eine Lohnsumme i. H. v. SFr. 34.624,40 in Rechnung gestellt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte den entsprechenden Betrag von 38.780 DM (Buchung: Gehalt für Herrn …) an die AG überwiesen. Lohnsteuer hatte sie nicht einbehalten.

    Der Prüfer vertrat insoweit unter Hinweis auf den Beschluß des BFH vom 15.11.1971 GrS 1/71 (BStBl. II 1972, 68) die Auffassung, daß der Geschäftsführer … trotz seines Wohnsitzes in der Schweiz seine Tätigkeit für die Rechtsvorgängerin der Klägerin an deren. Sitz, d.h. im Inland ausgeübt habe, weshalb es sich bei der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gezahlten Vergütung um beschränkt steuerpflichtige inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG handele. Er ermittelte insoweit eine nachzuzahlende Lohnsteuer von 14.055 DM, für die die Rechtsvorgängerin der Klägerin hafte (vgl. Tz. 1 des Prüfungsberichts vom 13.09.1993).

    3. Mit Bescheid vom 05.01.1994 wurde die Klägerin für diesen Betrag unter Hinweis auf den Prüfungsbericht sowie § 42d EStG in Haftung genommen. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie im wesentlichen wie folgt begründete: Herr … habe die Geschäftsführung der Gesellschaft nur im Auftrag ihrer Gesellschafter, d.h. der Schweizer AG wahrgenommen. Von dieser habe er auch seine Vergütung für seine gesamte Geschäftsführertätigkeit erhalten. Sie selbst bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe Herrn … niemals entlohnt, vielmehr habe sie nur den Betrag an ihre Schweizer Muttergesellschaft gezahlt, den diese ihr für die anteiligen Geschäftsführungskosten in Rechnung gestellt habe. Eine Lohnsteuer könne unter diesen Umständen nicht anfallen.

    Der Rechtsbehelf blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung ist u.a. folgendes ausgeführt:

    Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hafte gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die sie gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG einzubehalten und abzuführen habe. Dazu gehöre auch die Lohnsteuer auf das Geschäftsführer-Gehalt, das auf die für die Klägerin geleistete Tätigkeit entfalle. Insoweit sei die Rechtsvorgängerin der Klägerin Arbeitgeberin des Geschäftsführers gewesen, mit dem ein Dienstverhältnis i.S.d. § 1 Abs. 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV- bestanden habe. Dafür spreche, daß der Geschäftsführer schon aufgrund seiner Stellung als Organ der Rechtsvorgängerin der Klägerin in deren geschäftlichen Organismus eingebunden gewesen sei. Zudem sei er auch nach dem Gesellschaftsvertrag an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden gewesen. Somit sei eine gesonderte Anstellung des Geschäftsführers bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin wohl nur aus abrechnungstechnischen Gründen unterblieben. Da auch in dem DBA-Schweiz eine Besteuerung der anteiligen Geschäftsführerbezüge des Herrn … im Inland zugelassen sei, hätte die für seine Tätigkeit gezahlte Vergütung dem Lohnsteuerabzug unterworfen werden müssen. Da die Nachforderung beim Arbeitnehmer nicht möglich sei, sei die Inanspruchnahme der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Arbeitgeberin gern. § 42d Abs. 1 Satz 1 EStG ermessensfehlerfrei.

    4. Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben, die sie im wesentlichen wie folgt begründet hat:

    Herr … habe nur in einem Arbeitsverhältnis zu der Schweizer AG gestanden. Die Bestellung zum Geschäftsführer ihrer Rechtsvorgängerin durch die AG habe daran nichts geändert, weil es nicht zum Abschluß eines Dienstvertrags zwischen Herrn ... und der GmbH gekommen sei. Der Umstand, daß Herr ... als Geschäftsführer Organ der GmbH geworden sei, ändere daran nichts.. Als Geschäftsführer habe er die Geschäfte der GmbH nach den Vorgaben und Beschlüssen der Gesellschafter und damit letztlich wieder der Schweizer AG als Alleingesellschafterin der GmbH zu führen gehabt, d.h. er sei auch unter diesem Gesichtspunkt nur der AG und nicht der GmbH gegenüber weisungsunterworfen gewesen.

    lm Ergebnis sei somit die GmbH nicht Arbeitgeberin von Herrn … gewesen und damit auch nicht verpflichtet gewesen, gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG Lohnsteuer einzubehalten. Damit scheide auch eine Haftung nach § 42 d Abs. 1 Satz 1 EStG aus.

    Die Klägerin hat beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid aufzuheben.

    Das Finanzamt hat unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung beantragt, die Klage abzuweisen.

    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Gründe

    Die Klage hat Erfolg, da die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht Arbeitgeberin ihres Geschäftsführers war und deshalb auch nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war.

    1. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 24. März 1999 I R 64/98 (BStBl. II 2000, 41) entschieden, daß in Fällen, in denen eine ausländische Muttergesellschaft einer inländischen Tochtergesellschaft Arbeitnehmer überläßt, wobei Arbeitsverträge nur zwischen der Muttergesellschaft und den Arbeitnehmern bestehen, die inländische Tochtergesellschaft nicht Arbeitgeberin i.S.d. Lohnsteuerrechts ist, wenn die Lohnzahlungen nicht auf ihren Namen und ihre Rechnung erfolgen.

    Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die auf die inländische Tätigkeit der Arbeitnehmer entfallenden Aufwendungen -wie im Streitfall - der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft in Rechnung gestellt, d.h. wirtschaftlich letztlich von der inländischen Gesellschaft getragen werden. Dies kann zwar -wie wohl im Streitfall gern. Art. 15 Abs. 5 a.F. DBA-CH (vgl. hierzu Brandis in Debatin/Wassermeyer, Rz. 101 Art. 15 DBA-CH) - dazu führen, daß die inländische Tochtergesellschaft „wirtschaftliche Arbeitgeberin” i.S.d. Abkommensrechts wird. Dieser Abkommensbegriff ist indessen für den lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeber-Begriff - z.B. i.S.d. § 42d Abs. 1 EStG - ohne Bedeutung (vgl. Urteil des BFH vom 24.03.1999 I R 64/98 a.a.O. unter II 1 a). Insoweit ist vielmehr maßgeblich, wer dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar auszahlt. Es ist dann auch davon auszugehen, daß der Arbeitnehmer den an ihn gezahlten Lohn als Frucht seiner für diesen geleisteten Tätigkeit empfindet.

    Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der überlassene Arbeitnehmer als Geschäftsführer einer GmbH und damit als deren Organ tätig wird. Aus dieser Stellung allein ergibt sich jedenfalls die Arbeitgeber-Eigenschaft der GmbH nicht, zumal der Arbeitnehmer letztlich ausschließlich von der Alleingesellschafterin der GmbH und damit wiederum von der Schweizer AG abhängig ist, mit der er allein einen Arbeitsvertrag hat (vgl. auch das Urteil des FG Nürnberg vom 6. Juni 20001280/97, EFG 2000, 939). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß es sich bei dieser - arbeitsrechtlich möglichen (vgl. Scholz/Schnei- der GmbHG 8. A., § 35 Anm. 165 ff.) - Gestaltung um einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO handelt.

    2. Im Ergebnis konnte somit das Finanzamt nicht - wie im angefochtenen Haftungsbescheid bzw. der Einspruchsentscheidung indessen geschehen - die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Arbeitgeberin „gem. § 42d Abs. 1 Satz 1 EStG in Haftung nehmen, da diese nicht Arbeitgeberin des Geschäftsführers … und damit nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war. Der BFH hat allerdings in seinem Urteil vom 24.03.1999 a.a.O. S. 43 dem Finanzgericht aufgegeben zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 42d Abs. 6 EStG vorliegen. Dabei handelt es sich um die Haftung des Entleihers, dem Arbeitnehmer im Rahmen einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG überlassen werden. In einem derartigen Fall ist auch der ausländische Verleiher gern. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zur Einbehaltung von Lohnsteuer verpflichtet. Inländischer Entleiher und ausländischer Verleiher sind gem. § 42 d Abs. 6 Satz 5 EStG Gesamtschuldner, wobei letzterer gern. § 42d Abs. 6 Satz 6 EStG sogar vorrangig in Anspruch zu nehmen ist (vgl. auch die Anmerkung in Deutsches Steuerrecht 2000, 105 sowie EFG-Beilage 17/2000 Nr. 3 a.E.).

    Im Streitfall erweist sich der angefochtene Haftungsbescheid indessen auch unter dem Gesichtspunkt einer Haftung nach § 42d Abs. 6 EStG nicht als rechtmäßig. Das Finanzamt hat nämlich keinerlei Feststellungen zu der Frage getroffen, ob es sich bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin bzw. der Schweizer Muttergesellschaft um Entleiher bzw. Verleiher i.S.d. AÜG handelte bzw. ob die AG ausländischer gewerblicher Verleiher i. S. d. § 38 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG war. Letzteres ist Voraussetzung für eine Haftung der GmbH, da deren Haftung als Entleiher akzessorisch zur Haftung des Verleihers ist. Auch hat das Finanzamt sein im Hinblick darauf, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin und deren ausländische Muttergesellschaft gern. § 42 d Abs. 6 Satz 6 EStG Gesamtschuldner sind, bestehendes Auswahlermessen (vgl. hierzu Tipke-Kruse AO, § 5 Tz. 14) nicht ausgeübt. Zumindest dieser Umstand führt als Fall der sog. Ermessensunterschreitung zur Rechtswidrigkeit i.S.d. § 102 FGO und damit zur Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheids (vgl. das Urteil des BFH vom 12. September 1989 VII R 378/87, BFH/NV 1990, 206, 207 a.E.). Ein Nachholen entsprechender Ermessenserwägungen durch das Finanzamt im Klageverfahren ist im übrigen nicht mehr möglich (vgl. Schwarz, AO, § 191 Rz. 23 m.w.N.).

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

    VorschriftenEStG § 49 Abs. 1 Nr. 4, EStG § 38 Abs. 1 Satz 1, EStG § 42d Abs. 1 Satz 1