08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 20.06.2001 – I 468/98
Eine Wohnung im Inland ist auch dann aufgegeben, wenn die bisherige Wohnung zeitlich begrenzt untervermietet und für die Zukunft eine Rückkehr ins Inland geplant wird.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Kläger in 1992 und 1993 unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig waren.
Unstreitig waren die Kläger bis einschließlich 1991 und ab 1994 im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. In den Veranlagungszeiträumen 1992 und 1993 hielten sich die Kläger sowohl im Inland als auch im Ausland auf. Der Kläger nahm ab 01. Juli 1992 eine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt in London auf, die er bis 31. Juli 1993 ausübte. Im Anschluss daran kehrten die Kläger wieder nach Hamburg in ihre alte Wohnung zurück, die sie während ihres Aufenthaltes in London vermietet hatten. Im Mietvertrag war bereits eine Regelung über die Rückkehr der Kläger getroffen. Durch Umbauten wurde die sich über zwei Stockwerke erstreckende Wohnung derart umgestaltet, dass zwei voneinander unabhängige Wohneinheiten entstanden sind, diese wurden jeweils untervermietet und zwar möbliert. Die Kläger haben sich nicht in Deutschland abgemeldet.
Die Einkünfte des Klägers zu 1) aus seiner Tätigkeit in London sind in England versteuert worden. Der Beklagte sieht den Kläger als unbeschränkt steuerpflichtig an, weil er seinen Wohnsitz in Hamburg nur vorübergehend nicht benutzt habe.
Mit Bescheid vom 01. Dezember 1995 setzte der Beklagte die ESt für 1992 auf ... DM fest, wobei die ausländischen Einkünfte in Höhe von ... DM in die Berechnung des Steuersatzes mit einbezogen wurden. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben 12. Dezember 1995, beim Beklagten eingegangen am 13.12.1995, Einspruch ein.
Mit Bescheid vom 29. Januar 1997 setzte der Beklagte die ESt für 1993 auf ... DM fest. Hierbei wurden die ausländischen Einkünfte zu den inländischen Einkünften addiert. Unter dem 28.02.1997 legten die Kläger auch hiergegen Einspruch ein. Zur Begründung beider Einsprüche trugen die Kläger vor, sie hätten in der Zeit vom 01. Juli 1992 bis 31. Juli 1993 ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben, um in diesem Zeitraum ihren Wohnsitz in Großbritannien zu begründen. Die Wohnung sei für die Zeit des Auslandsaufenthaltes nicht beibehalten worden. Sie sei untervermietet worden. Die Kläger hätten in diesem Zeitraum keinerlei Verfügungsrecht über die Wohnung gehabt.
Mit Schreiben vom 23. Februar und vom 09. Juni 1998 wies der Beklagte darauf hin, dass der Wohnsitz durch eine vorübergehende Unterbrechung des Innnehabens einer Wohnung nicht beendet würde, wenn Umstände vorlägen, die auf das Beibehalten der Wohnung schließen ließen. Dies sei bei den Klägern wegen der Befristung der Mietverhältnisse als auch im Hinblick auf die Nutzungsbeschränkungen der Fall. Im Hinblick auf eine bei den Mieteinnahmen aufgetretene Differenz von 6.000 DM beabsichtige der Beklagte diesen Betrag den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. August 1998 setzte der Beklagte die ESt für 1992 auf ... DM herauf und für 1993 auf ... DM herab und wies im Übrigen die Einsprüche unter Hinweis auf die Schreiben vom 23. Februar 1998 und vom 09. Juni 1998 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhoben die Kläger mit Schriftsatz vom 17. September 1998 Klage mit dem Ziel, die Kläger für 1992 und 1993 als beschränkt steuerpflichtig anzusehen. Zur Begründung wiederholten sie im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Einspruchsverfahren. Ferner wiesen die Kläger darauf hin, das Hauptkriterium für den Wohnsitz gem. § 8 AO sei, dass den Klägern die Verfügungsmöglichkeit zugestanden habe und die Wohnung durch die Kläger aufgesucht worden sei. Keines dieser Kriterien sei von den Klägern erfüllt. Vielmehr hätten sie ihren Wohnsitz aufgegeben.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 01. Dezember 1995 und der Einspruchsentscheidung vom 14. August 1998 und unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1993 vom 29.01.1997 und der Einspruchsentscheidung vom 14. August 1998 wird der Beklagte verpflichtet, die Einkommensteuer der Kläger für 1992 und 1993 neu festzusetzen und dabei zu berücksichtigen, dass die Kläger in der Zeit vom 01.07.1992 bis 31.07.1993 beschränkt steuerpflichtig waren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet, da die Kläger unbeschränkt steuerpflichtig seien, weil der Wohnsitz in Hamburg nicht aufgegeben worden sei, sondern vielmehr nur vorübergehend nicht mehr benutzt worden sei. Hierfür spreche, dass die Kläger sich weder beim Einwohnermeldeamt abgemeldet hätten noch den PKW der Klägerin in England zugelassen hätten. Im Übrigen verweist er auf seine Ausführungen in den Schreiben vom 23. Februar 1998 und vom 09.06.1998.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Einkommensteuerakte und die RB-Akte zur Steuer-Nr. ... haben dem Senat vorgelegen.
Gründe
Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
I.
Bei der Klage handelt es sich um eine Anfechtungsklage gem. § 40 Abs. 1 FGO, da die Kläger die Abänderung der streitbefangenen Steuerbescheide unter Berücksichtigung ihrer beschränkten Steuerpflicht im Zeitraum vom 01. Juli 1992 bis 31. Juli 1993 begehren.
II.
1. Der Einkommensteuerbescheid 1992 vom 01.12.1995 und der Einkommensteuerbescheid 1993 vom 29.01.1997 jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 14. August 1998 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten soweit für die Veranlagungszeiträume 1992 und 1993 die Kläger als unbeschränkt steuerpflichtig angesehen wurden und die vom Kläger vom 01. Juli 1992 bis 31. Juli 1993 erzielten Einkünfte in Großbritannien bei der Festsetzung der ESt berücksichtigt wurden.
Gem. § 1 Abs. 1 EStG sind Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig, mit der Folge, dass ihre sämtlichen Einkünfte, wo sie auch erzielt worden sein mögen, der inländischen Steuerpflicht unterworfen sind. Demgegenüber sind natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne von § 49 EStG haben; dies bedeutet, dass lediglich die inländischen Einkünfte der Steuerpflicht unterliegen und die nicht im Inland erzielten Einkünfte auch nicht im Wege des Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG) Berücksichtigung finden.
2. Nach Auffassung des Senats hatten die Kläger in der Zeit vom 01. Juli 1992 bis zum 31. Juli 1993 weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
a) Wohnsitz ist der räumliche Schwerpunkt des gesamten Lebensinteresses einer natürlichen Person. Damit ist der geographische Ort gemeint, an dem sich die Wohnung befindet. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Definition (§ 8 AO) hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Zu den Merkmalen des Wohnsitzbegriffes gehören neben den Räumlichkeiten auch das Innehaben der Wohnung; d.h. der Steuerpflichtige muss tatsächlich über die Wohnung verfügen können und sie als Bleibe entweder ständig nutzen oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufsuchen (ständige Rechtsprechung des BFH, vergl. BFH, Urteil vom 17. Mai 1995 I R8/94; BStBl. II 1996 Seite 2 f.). Maßgeblich ist der objektive Zustand, nämlich das Innehaben der Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass ihr Inhaber die Wohnung für seine eigenen Zwecke beibehalten und nutzen wird (BFH, Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BStBl. II 1997 447 f.).
Die Kläger sind zum 01. Juli 1992 nach England gezogen, da der Kläger dort als angestellter Rechtsanwalt in einem Rechtsanwaltsbüro tätig war. Diese Tätigkeit war zeitlich nicht befristet. Insoweit weicht bereits hier der Sachverhalt von demjenigen im Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 07. Februar 1998 (Az.: III 070/97) ab, wo der Aufenthalt der dortigen Steuerpflichtigen von vorn herein auf höchstens ein Jahr in den USA begrenzt war. Die sich über zwei Stockwerke erstreckende Wohnung in Hamburg haben die Kläger durch Umgestaltung in zwei voneinander getrennte Wohnungen verändert und diese jeweils für ein Jahr untervermietet. Während dieser Zeit haben die Kläger über diese Räumlichkeiten nicht verfügen können. In einem verbliebenen Raum, der nicht untervermietet war, bewahrten die Kläger Bücherkisten und Möbel auf. Nach ihrer glaubhaften Erklärung war der Raum nicht zum Wohnen geeignet, da der Raum lediglich als Lager diente und sich die Gegenstände bis zur Decke stapelten.
b) Eine Vermietung bzw. Untervermietung der Wohnung spricht gegen eine künftige regelmäßige Benutzung durch den Steuerpflichtigen und für eine Aufgabe der Wohnung. Eine zeitlich begrenzte Untervermietung sowie eine geplante, für die Zukunft vorgesehene Rückkehr ändert an der vorherigen Aufgabe des Wohnsitzes nichts. Insoweit ist auch eine zeitliche Begrenzung von Mietverträgen unschädlich. Die restriktiven Bestimmungen der Mietverträge waren nach Bekundung der Kläger nur ein Mittel, sicherzustellen, dass die Wohnung der Familie nach ihrer Rückkehr wieder zur Verfügung stehe. Ein Innehaben der Wohnung währen des Aufenthaltes in Großbritannien wird dadurch nicht gestützt. Entscheidend ist die Verfügungsgewalt über die Wohnung dahingehend, das sie dem Steuerpflichtigen jederzeit als Bleibe dienen kann. Dies war dem Kläger während der Untervermietungszeit nicht möglich.
Die fehlende Abmeldung im Inland und die Beibehaltung eines im Inland zugelassenen PKW stellen lediglich Indizien dar, haben jedoch keine konstitutive Auswirkung.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände ist deshalb von einer Aufgabe des Wohnsitzes auszugehen. Umstände für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland liegen bei den Klägern im streitbefangenen Zeitraum Juli 1992 bis Juli 1993 nicht vor. Somit sind die Kläger vom 01. Juli 1992 bis 31. Juli 1993 als beschränkt steuerpflichtig anzusehen mit der Folge, dass die während dieser Zeit in Großbritannien erzielten Einkünfte des Klägers bei der Festsetzung der ESt keine Berücksichtigung finden, auch nicht im Wege des Progressionsvorbehalts, da dieser im streitbefangenen Zeitraum nur für unbeschränkt Steuerpflichtige gilt.
3. Unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Grundsätze sind die angegriffenen Einkommensteuerbescheide für 1992 und 1993 abzuändern und die Einkommensteuer, die Kirchensteuer und der Solidaritätsbeitrag den Klägern gegenüber wie folgt festzusetzen:
a) Für 1992 unterliegen die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung, soweit sie aus der Untervermietung X-Straße resultieren, in Höhe von je 7.078 DM und die Einkünfte der Klägerin aus dem Nachlass A zu 1/2 (3.702 DM) der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG)
Dadurch vermindert sich das gemeinsam zu versteuernde Einkommen von bisher ... DM auf ... DM. Hieraus resultiert eine Einkommensteuer von ... 34 DM. Diese ist um die Steuer für ausländische Einkünfte nach § 34c Abs. 1 EStG zu reduzieren, allerdings nach § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG nur insoweit, als sie auf im Veranlagungszeitraum bezogene Einkünfte entfällt. Dieses sind hier laut Erklärung für 1992 sechs Monate, also 50 %, was dem Betrag von ... DM entspricht. Um diesen Betrag vermindert sich die Einkommensteuer, so dass diese auf ... DM festzusetzen ist.
Infolge dieser Änderung ist die Kirchensteuer auf ... DM (= ... DM ./. 600 DM x 8 %) und der Solidaritätsbeitrag auf ... DM (... DM x 3,75 %) festzusetzen.
Ferner ergeben sich Einkünfte des Klägers, soweit er beschränkt steuerpflichtig ist, in Höhe von ... DM. Hierauf ist die Einkommensteuer in Höhe von 25 vom Hundert (§ 50 Abs. 3 Satz 2 EStG) festzusetzen, was dem Betrag von ... DM entspricht.
Der Sonderfreibetrag gem. § 50 Abs. 3 EStG ist nicht zu berücksichtigen, da dieser nur bei der Ermittlung der Einkommensteuer nach § 32a Abs. 1 EStG abzuziehen ist.
Die Klägerin hat, soweit sie beschränkt steuerpflichtig ist, weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.078 DM und 3.702 DM (insgesamt 10.780 DM). Hierauf ist die Einkommensteuer in Höhe von 25 vom Hundert gem. § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG von 2.695 DM festzusetzen.
Die Berücksichtigung des Sonderfreibetrages kommt hier aus den o.g. Gründen ebenfalls nicht in Betracht.
Der auf diese Einkünfte entfallende Solidaritätsbeitrag ist für den Kläger auf ... DM und für die Klägerin auf ... DM festzusetzen.
Kirchensteuer ist gem. § 2 HmbgKirchenStG auf diese Einkünfte nicht zu entrichten.
b) Für 1993 gilt hinsichtlich der Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung, soweit sie aus der Untervermietung X-Straße (je 7.077 DM) und dem Nachlass A zu 7/12 (= 5.725 DM) resultieren, das Gleiche. Auch mit diesen Einkünften unterliegen die Kläger der beschränkten Steuerpflicht.
Dadurch vermindert sich das nach der Splittingtabelle gemeinsam zu versteuernde Einkommen von bisher ... DM auf ... DM. Hieraus resultiert eine Einkommensteuer von ... DM, die reduziert um den Steuerabzug für ausländische Einkünfte in Höhe von ... DM (5/12 von ... DM) und ... DM (insgesamt ... DM) auf ... DM festzusetzen ist.
Infolge dieser Änderung ist die Kirchensteuer auf ... DM (9.307 ./. 600 DM x 8 %) festzusetzen.
Der Solidaritätsbeitrag ist für 1993 nicht zu entrichten.
Ferner ergeben sich Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.077 DM, worauf eine Einkommensteuer von 1.769 DM (§ 50 Abs. 3 Satz 2 EStG) festzusetzen ist.
Die Klägerin hat weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.077 DM und 5.725 DM, insgesamt 12.802 DM, worauf die Einkommensteuer von 3.200 DM festzusetzen ist.
Im Hinblick auf den Sonderfreibetrag gem. § 50 Abs. 3 EStG gelten die unter 3a o.g. Ausführungen ebenso.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte (§ 135 FGO)
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen gem. § 115 FGO hierfür nicht vorliegen.