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  • 09.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111922

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 26.11.2010 – 10 K 43/10

    1. Werden vom Steuerpflichtigen keine konkret nachprüfbare Tatsachen benannt, wo hohe Geldbeträge, die nicht alsbald benötigt werden, aufbewahrt worden sind, spricht eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass diese zins- und ertragbringend angelegt werden, so dass das FA berechtigt ist, die Höhe der Kapitaleinkünfte zu schätzen.



    2. Die Höhe der geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nicht zu beanstanden, wenn der zu Grunde gelegte Zinssatz sich an der durchschnittlichen Umlaufrendite orientiert und ein derartiger Zinssatz in etwa dem entspricht, der in den Streitjahren im Durchschnitt erzielt worden ist.


    FG Baden-Württemberg v. 26.11.2010

    10 K 43/10

    Tatbestand
    Streitig ist, ob die Kläger Geldvermögen verzinslich angelegt haben und ob das beklagte Finanzamt zu Recht Kapitaleinkünfte im Wege einer Schätzung angesetzt hat.

    Die Kläger tätigten in den Jahren 1999 und 2000 in nicht unerheblichem Umfang Wertpapiergeschäfte. In das auf die Klägerin lautende Depot Nr. xxx, A-Bank AG, X/Schweiz, wurden am 29. Juni 1999 diverse Wertpapiere eingereicht. Die Wertpapiere mit einem Kurswert von rund 213.000 DM stammen aus einer Schenkung und wurden durch den Kläger bei der A-Bank in X/Schweiz am 7. Juli 1999 eingelöst. Der Erlös in Höhe von 212.760 DM wurde dem Konto der Klägerin bei der A-Bank, X/Schweiz, gutgeschrieben. Das Konto wurde im September 2002 aufgelöst. Der Verbleib des Geldes ist ungeklärt. Die Kläger erhielten ferner im Rahmen eines Vermächtnisses im Juli 2000 Wertpapiere in einem Wert von rund 1,45 Millionen DM. Die Papiere wurden am 4. Juli 2000 veräußert. Die Gutschrift erfolgte auf dem Girokonto des Klägers bei der B-Bank mit der Kontonummer yyy. Am 31. Juli 2000 wurde ein Betrag von 1 Million DM in bar abgehoben. Ferner erfolgte eine Festgeldanlage über 400.000 DM, die zwei Monate später mit einem Wert von 401.875 DM zurückgezahlt worden ist. Mit diesem Geld wurde die fällige Erbschaftsteuer in Höhe von rund 385.000 DM beglichen. Der Verbleib der 1 Million DM ist unklar. Seit dem Jahr 1995 war der Kläger beruflich für die Z AG tätig. Ferner wirkte er bei dem Transfer und der Neuanlage von mehreren Millionen DM für die am 2. Juni 2000 verstorbene Frau K, Tante der Klägerin, mit. Die Kläger waren seit dem Jahr 1998 generalbevollmächtigt für das Vermögen von Frau K. Nach dem Tod wurde der Kläger als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Der Kläger gab als Testamentsvollstrecker am 26. April 2001 die Erbschaftsteuererklärung in der Nachlasssache von Frau K beim Finanzamt U ab. In der Anlage zur Erklärung wurde das Vermächtnis an die Klägerin in Höhe von 1.446.970 DM angegeben.

    Aufgrund eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft V gegen den Kläger wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung (Az 230 JS 45770/02) wurde die Straf- und Bußgeldsachenstelle U von der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 9. März 2006 mit den weiteren Ermittlungen betraut. Das oben genannte Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wurde am 1. Dezember 2005 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Am 21. März 2006 wurde durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle U das Strafverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung 1999 bis 2003, versuchte Einkommensteuerhinterziehung 2004 und Erbschaftsteuerhinterziehung eingeleitet. Die Bekanntgabe erfolgte am 21. April 2006. Mit Beschluss vom 10. September 2003 wurden von der Kriminalpolizei umfangreiche Unterlagen der Kläger beschlagnahmt. Der Kläger hat von einer R Stiftung in der Schweiz für die Jahre 1999 und 2000 Provisionserträge in bar erhalten und nicht versteuert. Das Strafverfahren wurde für das Jahr 1999 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil sich für dieses Jahr keine steuerliche Verkürzung ergab. In der Vernehmung der Klägerin am 1. September 2005, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, bestätigte die Klägerin die Schenkung der bei der A-Bank, X/Schweiz, eingereichten Wertpapiere von Frau K an die Kläger im Jahr 1999. Im Rahmen der persönlichen Vorsprache des Klägers bei Straf- und Bußgeldsachenstelle U am 5. Februar 2009 bestätigte dieser ebenfalls die Schenkung an beide Eheleute. Mit Bescheid vom 9. November 2007 wurde von der Erbschaftssteuerstelle die dargestellte Schenkung unter der Steuernummer… /… versteuert. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Die daraus resultierende Steuer beträgt 23.872 Euro. Die Schenkung erfolgte am 29. Juni 1999. Die Anzeige der Schenkung wurde durch die Kläger pflichtwidrig unterlassen. Eine Erklärung wurde nicht abgegeben. Nach den Feststellungen der Straf- und Bußgeldsachenstelle U sind Provisionserträge unvollständig versteuert und falsche Angaben in der Erbschaftssteuererklärung vom 26. April 2001 hinsichtlich der Vorschenkung vom 29. Juni 1999 zugunsten der Klägerin in der Nachlasssache der Frau K gemacht worden. Hierdurch kam es zu vorsätzlichen Steuerverkürzungen hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 in Höhe von 1.077 Euro und hinsichtlich der Erbschaftsteuer in Höhe von 23.872 Euro. Mit Zustimmung des Klägers vom 26. Februar 2009 war beabsichtigt, dass Strafverfahren gemäß § 153a StPO nach Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 2.000 Euro einzustellen. Nach Aktenlage ist dieser nicht vollständig bezahlt worden. Die Klägerin hat nach den Feststellungen der Straf- und Bußgeldsachenstelle U Steuerverkürzungen hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 in Höhe von 679 Euro, der Einkommensteuer 2001 in Höhe von 959 Euro und der Einkommensteuer 2002 in Höhe von 651 Euro vorgenommen. Mit Zustimmung der Klägerin sollte das Strafverfahren gemäß § 153a StPO unter der Auflage der Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 250 Euro eingestellt werden. Nachdem lediglich 50 Euro bezahlt worden sind, hat die Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts U mit Vermerk vom 12. Mai 2010 das Strafverfahren wegen Hinterziehung von Einkommensteuer von 1999 bis 2003 und versuchte Einkommensteuerhinterziehung 2004 und Erbschaftsteuerhinterziehung gegen die Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

    Die am 30. April 2008 eingereichte Steuererklärung für das Streitjahr 2007, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, enthält keine Angaben zu den Einkünften der Ehegatten. Das beklagte Finanzamt schätzte daher im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 7. Juli 2008 unter Vorbehalt der Nachprüfung in Anlehnung an die im Rahmen der Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 2000 bis 2004 festgestellten Einkünfte die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 9.500 Euro für jeden Kläger sowie Einkünfte aus Leibrenten für den Ehemann in Höhe von 3.650 Euro.

    Dem beklagten Finanzamt wurde im April 2009 durch Kontrollmaterial bekannt, dass der Kläger Verkaufsprovisionen von der Fa. C C GmbH, G, für das Jahr 2007 in Höhe von 19.768,84 Euro erhalten hatte. Auf Rückfrage des Beklagten mit Schreiben vom 30. April 2009 wurde durch die Kläger weder Stellung genommen noch eine Gewinnermittlung eingereicht. Daraufhin erfolgte die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007 mit Datum 20. Juli 2009 unter Zugrundelegung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.826 Euro (= Betriebseinnahmen 19.768,84 Euro abzüglich geschätzte Betriebsausgaben in Höhe von 25%). Der Vorbehalt der Nachprüfung, die Einkünfte aus Kapitalvermögen und die sonstigen Einkünfte blieben unverändert bestehen.

    Für den Veranlagungszeitraum 2008 erfolgte wegen Nichtabgabe der Steuererklärung durch den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 20. Juli 2009, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen, unter Vorbehalt der Nachprüfung die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Form von Einkünften aus Gewerbebetrieb von 15.000 Euro, Einkünften aus Kapitalvermögen von jeweils 9.500 Euro und Renteneinkünfte des Klägers in Höhe von 3.650 Euro.

    Gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 richten sich die am 24. August 2009 beim Beklagten eingegangenen Einsprüche des Klägers mit der Begründung, Einkünfte aus Kapitalvermögen seien nicht erzielt worden, ebenso sei kein Gewerbe betrieben worden. Seit August 2008 übe der Kläger eine nichtselbstständige Tätigkeit bei dem Arbeitgeber E GmbH aus. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden am 2. Oktober 2009 durch den damaligen steuerlich Bevollmächtigten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ohne Gewinnermittlung eingereicht. Nachweise zur Verwendung des Geldvermögens wurden nicht eingereicht. Die Klägerin hat keine Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 eingelegt.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2009, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück. Der Beklagte führte unter anderem aus, im Streitfall seien die Schätzungsgrundlagen des Beklagten nicht widerlegt worden. Der Beklagte trage zwar bei Hinzuschätzungen grundsätzlich die Feststellungslast für den Nachweis unversteuerter Einnahmen. Das Beweismaß zu Lasten des Beklagten vermindere sich jedoch, wenn das Sachaufklärungsdefizit in der Sphäre des Steuerpflichtigen liege. Dies gelte umso mehr bei untypischer Gestaltung und der allgemeinen Verkehrsanschauung und der Lebenserfahrung widersprechender Sachverhalte. Hier treffe den Steuerpflichtigen seinerseits eine erhöhte Nachweispflicht. Im Einspruchsverfahren solle der Einspruchsführer angeben, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt werde, sowie die Tatsachen, die zur Begründung dienen und entsprechende Beweismittel anführen. Im Übrigen habe die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheide, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Im Zusammenhang mit Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts H und der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts U habe sich ergeben, dass bereits in früheren Jahren Honorare aus Vermögensverwaltung in Verbindung mit der R Stiftung, Schweiz, nicht erklärt worden seien. Darüber hinaus habe die Klägerin aus einer Schenkung im Jahr 1999 Wertpapiere mit einem Kurswert in Höhe von 213.000 DM erhalten. Über den Verbleib nach der Depotauflösung im September 2002 seien keine Angaben gemacht worden. Im Juli 2000 habe die Klägerin in Erfüllung eines Vermächtnisses der verstorbenen Frau K, Tante der Klägerin, als Vermächtnis Wertpapiere im Wert von rund 1,45 Mio. DM erhalten, die zum 4. Juli 2000 veräußert worden seien. Über den Verbleib eines Teiles der Gelder in Höhe von 1 Mio. DM seien keine Angaben gemacht worden. Der Beklagte habe daher zu Recht im Wege der Schätzung Einkünfte aus Kapitalvermögen hinzugeschätzt.

    Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2010, eingegangen bei Gericht am 4. Januar 2010, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, haben die Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2009 Klage erhoben. Die Kläger tragen unter anderem vor, die Klage richte sich im Wesentlichen gegen die Hinzuschätzungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies sei eine Vermutung. Sämtliche Gelder seien in den Streitjahren verbraucht gewesen. Der Kläger habe zwischenzeitlich „Hartz IV” beantragt. Es sei zutreffend, dass im Jahr 2000 1 Million DM in bar abgehoben seien. Wie das Geld diesbezüglich verwendet worden sei, sei dem beklagten Finanzamt dargelegt worden. Nach wie vor werde bestritten, dass hiervon irgendwelche Gelder verzinslich angelegt worden seien. Das beklagte Finanzamt möge den Beweis erbringen, was nicht möglich sein werde. Im Übrigen wird vollumfänglich auf alle Schriftsätze der Kläger verwiesen.

    Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

    die hinzugeschätzten Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuerbescheiden 2007 und 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2009 sind jeweils mit 0 anzusetzen und die Einkommensteuer ist jeweils entsprechend herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt unter anderem vor, überzeugende Gründe, die gegen die Schätzung der Kapitaleinkünfte sprächen, lägen nicht vor. Der Verbleib des erheblichen Kapitalvermögens sei nicht ansatzweise dargelegt worden. Im Übrigen fehlten nach wie vor die in Aussicht gestellten Gewinnermittlungen zu dem Weinverkauf. Im Übrigen wird vollumfänglich auf alle Schriftsätze der Kläger verwiesen.

    Das gerichtliche Aufklärungsschreiben vom 26. März 2010 blieb in erheblichen Teilen unbeantwortet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird vollständig auf die Finanzamtsakten, die Gerichtsakte, die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die beigezogenen Ermittlungs- und Steuerstrafakten, die Niederschriften über die Vernehmungen, das gerichtliche Aufklärungsschreiben vom 26. März 2010, alle Bescheide des Beklagten und die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 26. Oktober 2010 nebst Anlage zu der durchschnittlichen Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen in den Streitjahren verwiesen. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Umlaufrendite für 2007 von rund 4,23% und für 2008 von rund 3,99%. Trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens der Kläger erschienen weder die Kläger noch der Klägervertreter im Erörterungstermin. Darüber hinaus wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. November 2010 Bezug genommen. Der Prozessbevollmächtigte hat das Empfangsbekenntnis für die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 26. Oktober 2010 unterzeichnet; beide Kläger wurden mit Postzustellungsurkunde durch Einwurf der Ladungen in den Briefkasten geladen. Von Klägerseite ist niemand erschienen.



    Entscheidungsgründe
    1. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags der Klägerin unzulässig. Der Klageantrag des Klägers ist zwar zulässig, aber unbegründet.

    a) Der Klageantrag der Klägerin ist bereits unzulässig.

    Die Klägerin hat das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt. Nach § 44 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ist das Klageverfahren vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren – im Streitfall das Einspruchsverfahren – über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

    Die Klägerin hat keine Einsprüche gegen die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 eingelegt. Einsprüche gegen die Bescheide des Beklagten hat lediglich der Kläger erhoben. Auf seinen Einsprüchen ist sowohl als Absender als auch bei der Unterschrift lediglich seine Person genannt. Der Kläger verwendet lediglich das Wort „ich”. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die durch den Kläger eingereichten Einsprüche auch für die Klägerin eingelegt worden sind. Dementsprechend hat der Beklagte – wie ausdrücklich auf der Einspruchsentscheidung ausgewiesen – lediglich über die Einsprüche des Klägers entschieden.

    Es liegt kein Fall des § 45 oder § 46 FGO vor. Zum einen hat der Beklagte keiner Sprungklage der Klägerin zugestimmt. Daher scheidet eine Sprungklage aus. Zum anderen liegen auch die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nicht vor.

    b) Der Klageantrag des Klägers ist unbegründet. Aus den nachfolgend genannten Gründen wäre darüber hinaus auch der Klageantrag der Klägerin unbegründet.

    Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO kann das Gericht die angefochtenen Steuerbescheide nur dann aufheben oder ändern, wenn diese rechtswidrig und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt sind. Der Senat kann die angefochtenen Bescheide im Streitfall allerdings nicht als rechtswidrig beanstanden.

    Die angefochtenen Bescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 9.500 Euro je Kläger jährlich hinzugeschätzt. Das Finanzamt ist im Schätzungswege zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger ihr Bargeldvermögen verzinslich angelegt und damit dem Grunde nach Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt haben. Diese Schlussfolgerung durfte das Finanzamt ziehen, obwohl die verzinsliche Anlage der Gelder unaufgeklärt geblieben ist, weil diese Ungewissheit im Sachverhalt allein darauf beruht, dass die Kläger die ihnen obliegenden außergerichtlichen und gerichtlichen Mitwirkungspflichten in erheblichem Umfang verletzt haben.

    aa) Nach § 162 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert. Eine Schätzung setzt voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO). Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissenssphäre zugehören, nicht offen legt. In diesem Fall ist keine Entscheidung nach Beweislastregeln zu treffen. Vielmehr reduziert sich die Ermittlungspflicht der Behörde und des Gerichtes entsprechend. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Gedanken der Beweisnähe zu. In diesen Fällen kann das Finanzamt von der Existenz bestimmter Tatsachen auch unter Zugrundelegung eines geringeren als des sonst üblichen Grades an Überzeugung ausgehen (vgl. grundlegend Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl 1989 II S. 462). Die Beweisnähe eines Steuerpflichtigen für die in seiner Sphäre liegenden steuererheblichen Tatsachen – im Streitfall Aufbewahrung eines ungewöhnlich hohen Geldbetrages in bar oder Anlage des Geldes und Wertpapiere bei einer Bank mit entsprechenden Einkünften – verschiebt die Grenze der zumutbaren Mitwirkung zu dessen Lasten um so mehr, je persönlicher (personenbezogener), ungewöhnlicher, verwickelter, schwerer zugänglich, atypischer, undurchsichtiger usw. die behaupteten Verhältnisse sind (vgl. Finanzgericht – FG-Nürnberg, Urteil vom 3. Juni 2003, VI 99/1999, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2003, 1356 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 3. Juni 2003, VI 99/1999, BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005, VIII B 163/03, Sammlung der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2005, 835 m.w.N.), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, spricht bereits eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass hohe Geldbeträge, wie hier von 1.000.000 DM, sowie größere Erlöse aus Wertpapierbeständen in Höhe von rund 213.000 DM, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, zins- und ertragbringend angelegt werden. Dies allein begründet aber im Allgemeinen noch keine Schätzungsbefugnis des Finanzamts für den Ansatz von Kapitaleinkünften. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die es nahe legen davon auszugehen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind.

    bb) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger seine Mitwirkungspflicht verletzt. Das gerichtliche Aufklärungsschreiben vom 26. März 2010 blieb in erheblichen Teilen unbeantwortet. Trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens der Kläger erschienen weder die Kläger noch der Klägervertreter mit den angeforderten Unterlagen und Nachweisen im Erörterungstermin. Zudem liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen anzunehmen, dass der Geldbetrag tatsächlich zur Erzielung von Kapitaleinkünften verwendet wurde. Die Frage, ob oder inwieweit der Betrag von 1.000.000 DM und die Wertpapierverkaufserlöse im Wert von rund 213.000 DM hieraus zinsbringend angelegt wurden, können letztlich nur die Kläger beantworten. Die Kläger haben zur Sachverhaltsaufklärung über den Verbleib des Geldes wenig beigetragen. Sie haben nicht angegeben, wo die Gelder aufbewahrt worden sind. Auch die Behauptung, das Geldvermögen im Umfang von mindestens 300.000 DM in Beteiligungen an Gesellschaften investiert worden sind bzw. verbraucht worden sind, genügt nicht zur hinreichenden Erfüllung der Mitwirkungspflicht. Die Kläger haben keine konkreten und gegebenenfalls nachprüfbaren Tatsachen benannt, an Hand derer sich die Behauptungen nachvollziehen lassen. Die Recherchen des beklagten Finanzamts beim Betriebsstättenfinanzamt H für die Firma O ergaben zudem keine Anhaltspunkte für den klägerischen Vortrag. Obwohl mit gerichtlichem Aufklärungsschreiben vom 26. März 2010 umfangreiche Nachweise, Unterlagen, Dokumente, Kontoauszüge etc. angefordert wurden, wurden entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt.

    Im konkreten Fall kommen noch weitere Umstände hinzu, welche eine entsprechende Schätzungsbefugnis rechtfertigen. So ist die Verwendung der Geldbeträge und der Wertpapiererlöse nicht feststellbar. Die Behauptung des Klägers, dass Geldvermögen im Umfang von mindestens 300.000 DM in Beteiligungen an Gesellschaften investiert worden ist bzw. das Geld insgesamt verbraucht worden ist, ist durch nichts belegt. Weder hat der Kläger entsprechende Verträge noch Kontoauszüge oder irgendwelchen Schriftverkehr vorgelegt, aus dem sich dieser von ihm behauptete Sachverhalt ergibt. Dies erscheint außergewöhnlich. Die Recherchen des beklagten Finanzamts ergaben dafür ferner keine Anhaltspunkte. Auch die Behauptung des Klägers, dass das Vermögen zur Schadensersatzzahlung in Höhe von 200.000 Euro bzw. 160.000 Euro im Rahmen eines Vergleichs vom 17. April 2007 an die Erben von Frau K verwendet worden ist, haben die Kläger nicht durch Belege, z.B. Kontoauszüge über die vereinbarten Zahlungen und zur Rechtswirksamkeit des Vergleichs, glaubhaft gemacht oder nachgewiesen. Zwar ist den Kläger einerseits zuzugeben, dass sie nicht verpflichtet waren, entsprechende Unterlagen über Jahre hinweg aufzubewahren. Andererseits wäre für die Kläger jedoch eine Anforderung der Kontoauszüge bei der entsprechenden Bank über die Zahlungen ohne Weiteres möglich. Es ist nicht glaubhaft, wenn gerade Belege über solche außergewöhnlichen Zahlungen nicht vorgelegt werden. Der Kläger macht einen atypischen Geschehensablauf geltend, der es bei den Umständen des Lebenssachverhalts rechtfertigt, die Anforderungen an seine Mitwirkungspflicht dahin zu konkretisieren, dass er nachvollziehbare Angaben über den Verbleib der hohen Barmittel und Wertpapierbeständen bzw. deren Erlösen macht. Hinzukommt, dass der Kläger – wie sich aus seiner Tätigkeit als Vermögensberater und Testamentsvollstrecker sowie den umfangreichen Wertpapiergeschäften in den Jahren 1998 bis 2000 ergibt – in derartigen Angelegenheiten erfahren ist. Darüber hinaus haben die Klägerin und der Kläger bezüglich des Depots Nr. xxx, A-Bank AG, X/Schweiz, eine erhöhte Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO, die sie verletzt haben.

    Auffällig ist zudem, dass die Kläger in ihren steuerlichen Erklärungen in den vergangenen Jahren teilweise Honorare oder Zuwendungen erst angegeben haben, wenn sie ihnen nachgewiesen worden sind, so die Verkaufsprovisionen von der Fa. C C GmbH, G für das Jahr 2007 in Höhe von 19.768,84 Euro. Bereits in früheren Jahren wurden Honorare aus der Vermögensverwaltung in Verbindung mit der R Stiftung, Schweiz, nicht erklärt. Darüber hinaus hat die Klägerin aus der Schenkung im Jahr 1999 die Wertpapiere mit einem Kurswert in Höhe von 213.000 DM erhalten, die zunächst nicht versteuert worden sind.

    cc) Der Höhe nach sind die vom Beklagten geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht zu beanstanden. Die durchschnittliche Umlaufrendite in dem Jahr 2007 beträgt 4,23% und im Jahr 2008 3,99%. Ein derartiger Zinssatz entspricht in etwa dem, der in den Streitjahren im Durchschnitt erzielt worden ist.

    Daraus folgt für das Jahr 2007:

    511.291 Euro (= 1 Million DM) × 4,23 % = 21.627,61 Euro. Dabei sind die Wertpapiererlöse in Höhe von rund 213.000 DM ebenso wie die angefallenen Zuwächse aus Kapitalerträgen in den Jahren 2000 bis 2006 noch nicht berücksichtigt.

    Für das Jahr 2008 folgt:

    511.291 Euro (= 1 Million DM) × 3,99 % = 20.400 Euro. Dabei sind die Wertpapiererlöse in Höhe von rund 213.000 DM ebenso wie die angefallenen Zuwächse aus Kapitalerträgen in den Jahren 2000 bis 2007 noch nicht berücksichtigt.

    Die hinzugeschätzten Kapitalerträge in Höhe von jeweils 9.500 Euro liegen daher unterhalb der durchschnittlich erzielbaren Kapitalerträge in den Streitjahren.

    Gegen die übrigen vom Beklagten in den Bescheiden angesetzten Einkünfte wurden von dem Klägervertreter im Rahmen der Klage keine Einwendungen erhoben. Es sind auch keine ersichtlich. Der Klageantrag im Schriftsatz vom 4. Januar 2010 bezieht sich lediglich auf die Hinzuschätzungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Klage war demnach abzuweisen.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    3. Die Revision war nicht zuzulassen, da im Streitfall die Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

    RechtsgebieteAO, EStG, FGOVorschriftenAO § 162 Abs. 2 AO § 96 Abs. 1 S. 1 EStG § 20 FGO § 45 FGO § 46