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  • 28.06.2011

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 24.03.2011 – 3 K 715/10

    1. Eine Änderung der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG kommt nicht in Betracht, wenn die Familienkasse das Recht von Anfang an fehlerhaft angewandt hat.

    2. Die Änderung eines Kindergelbescheides ist auch dann rechtmäßig, wenn die Familienkasse die Änderung auf eine falsche Vorschrift stützt (§ 70 Abs. 2 EStG statt § 173 Abs. 1 S. 1 AO).

    3. Ein Bescheid, durch den die Festsetzung von Kindergeld aufgehoben wird, ist nicht allein deshalb nichtig, weil er den ursprünglichen Festsetzungsbescheid nicht ausdrücklich bezeichnet.

    4. Wohnen die Eltern mit ihrem Kind in Deutschland und sind beide Elternteile in der Schweiz berufstätig, stehen ihnen Leistungen für ihr Kind nur nach dem in der Schweiz geltenden Recht zu. Es besteht im Inland kein Anspruch auf (Differenz-)Kindergeld.

    5. § 65 Abs. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen Unionsrecht, soweit eine Teilkindergeldregelung auch dann nicht vorgesehen ist, wenn ein Anspruch auf vergleichbare, aber geringere Leistungen an einem Beschäftigungsort im Ausland besteht.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Der Kläger ist Vater der am 7. August 1996 geborenen Tochter T.

    Die Mutter von T und Ehefrau des Klägers, B (B), ist seit 1. Oktober 1992 als Arbeitnehmerin in … (R), Schweizerische Eidgenossenschaft (Schweiz), tätig. Jedenfalls seit Juni 2002 erhält B in der Schweiz Kinderzulagen.

    In einem Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld vom 14. April 2000 gab der Kläger zu seiner eigenen Tätigkeit an, er sei in … (G), Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), selbständig tätig. Im Fragebogen vom 19. Dezember 2001 gab der Kläger an, nur B sei außerhalb Deutschlands beruflich tätig. Auch im Fragebogen vom 17. Dezember 2003 erwähnte der Kläger nur eine selbständige Tätigkeit in G, Deutschland.

    Die Beklagte (die Familienkasse –FK–) gewährte dem Kläger seit Geburt Kindergeld für T. Seit Juni 2002 erhielt er Differenzkindergeld. Gemäß den Kindergeldbescheiden vom 22. Februar 2005 und 2. September 2005 erfolgte die Festsetzung seit Januar 2005 bzw. September 2005 nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig, weil der Kläger der FK die Höhe der Schweizer Kinderzulagen nicht nachgewiesen hatte.

    Erstmals im Fragebogen vom 15. September 2007 (Bl. 64 der Kindergeldakte) gab der Kläger an, er sei bei der … GmbH (L-GmbH) in … (B), Schweiz, als Arbeitnehmer tätig. Daneben sei er, der Kläger, als Lotterieeinnehmer, Blockheizkraftwerkbetreiber und Gesellschafter der … GmbH & Co. KG (M-GmbH & Co. KG) mit Sitz in G, Deutschland selbständig tätig. Die Tätigkeit als Arbeitnehmer in der Schweiz sei geringfügig (Arbeitslohn 2005: 7.983 Schweizer Franken –CHF–, Arbeitslohn 2006: 783 CHF). B sei neben ihrer Arbeitnehmertätigkeit in R, Schweiz, als Kommanditistin Mitunternehmerin der M-GmbH & Co. KG in G, Deutschland.

    Mit Schreiben vom 26. August 2008 ließ der Kläger erstmals vortragen, seine –in der Schweiz sozialversicherungspflichtige– Tätigkeit bei der L-GmbH bestehe bereits seit 2002. Aus den auf Anforderung der FK vorgelegten Lohnausweisen des Klägers für die Jahre 2003 bis 2007 ergibt sich, dass der Kläger mindestens seit 2003 Beiträge zur Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) gezahlt hat.

    Die FK hob daraufhin durch Bescheid vom 27. November 2008 die Kindergeldfestsetzung für T ab Januar 2003 auf und forderte das gezahlte Differenzkindergeld in Höhe von insgesamt 5.230,67 EUR zurück. Als Änderungsvorschrift wurde § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angegeben; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

    Den Einspruch des Klägers vom 23. Dezember 2008 wies die FK durch Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2010 als unbegründet zurück. Der Kindergeldanspruch des Klägers sei durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Aus den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen folge nichts anderes, weil der Kläger nur in der Schweizerischen AHV, nicht aber in Deutschland sozialversicherungspflichtig sei. § 70 Abs. 2 EStG sei auch die zutreffende Änderungsvorschrift. Aufhebung und Rückforderung seien auch rückwirkend bis 2003 möglich.

    Mit seiner Klage lässt der Kläger vortragen, die Voraussetzungen der § 70 Abs. 2 EStG, § 37 Abs. 2 AO lägen nicht vor. § 70 Abs. 2 EStG sei nicht die zutreffende Änderungsvorschrift, weil die FK lediglich ihre rechtliche Beurteilung des Streitfalls geändert habe. Der Kläger habe vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Außerdem habe der Aufhebungsbescheid zu Unrecht nicht die Festsetzungsbescheide benannt, die aufgehoben werden sollten; die bloße Benennung der Beträge genüge nicht. Dem Kläger müsse aus Gründen der Gleichbehandlung Kindergeld gewährt werden, weil die Tätigkeit in der Schweiz nur geringfügig sei. Der Ausschluss sei unverhältnismäßig und stelle daher eine unzumutbare Härte dar.

    Der Kläger beantragt, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der FK vom 27. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2010 aufzuheben.

    Die FK beantragt, die Klage abzuweisen.

    Sie lässt vortragen, zutreffende Änderungsvorschrift sei nicht § 70 Abs. 2 EStG, sondern § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Im Übrigen verteidigt sie die Auffassung aus der Einspruchsentscheidung.

    Mit Schreiben vom 3. Januar 2011 und 16. Februar 2011 haben beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    I. Der angefochtene Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig.

    1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bescheid nicht deshalb aufzuheben, weil ihn die FK auf § 70 Abs. 2 EStG gestützt hat.

    a) Es mag zwar sein, dass § 70 Abs. 2 EStG insoweit nicht eingreift, weil eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 70 Abs. 2 EStG nur die Änderung der tatsächlichen oder auch rechtlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes ist; § 70 Abs. 2 EStG ist daher nicht anwendbar, wenn die FK das Recht von Anfang an fehlerhaft angewandt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714). Indes war die FK nach § 173 Abs. 1 Satz 1 AO berechtigt, den Kindergeldaufhebungsbescheid vom 27. November 2008 zu erlassen.

    aa) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Diese Vorschrift findet auf Kindergeldbescheide wegen § 31 Satz 3 EStG und § 155 Abs. 4 AO ebenfalls Anwendung (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl II 2002, 81; vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174).

    bb) Im Streitfall ist der FK erst aufgrund der Mitteilungen des Klägers vom 15. September 2007 und 26. August 2008 bekannt geworden, dass auch der Kläger in der AHV der Schweiz sozialversichert und seit 2003 auch in der Schweiz tätig war. Dabei handelt es sich um eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 AO, die der FK nur deshalb erst nachträglich bekannt geworden ist, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nach § 68 Satz 1 EStG zunächst nicht nachgekommen ist und außerdem in der Mitteilung vom 17. Dezember 2003 (unter 5.) unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat.

    cc) Unerheblich ist, dass das FA den Bescheid auf eine andere Änderungsvorschrift (§ 70 Abs. 2 EStG) gestützt hat. Für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist grundsätzlich nicht die zu seiner Begründung herangezogene Vorschrift maßgebend. Es kommt allein darauf an, ob der Bescheid zum Zeitpunkt seines Ergehens durch eine Befugnisnorm gedeckt war (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1993 VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2).

    2. Der Aufhebungsbescheid ist auch entgegen der Auffassung des Klägers hinreichend bestimmt.

    a) Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Der Regelungsinhalt muss dem Bescheid eindeutig zu entnehmen sein (BFH-Urteil vom 22. August 2007 II R 44/05, BFHE 218, 494, BStBl II 2009, 754). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu ermitteln (BFH-Urteil vom 26. November 2009 III R 87/07, BFHE 227, 466, BStBl II 2010, 429). Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VII R 96/95, BFHE 182, 282, BStBl II 1997, 339; vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96; vom 9. April 2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435).

    b) Gemessen daran ist der Bescheid hinreichend bestimmt. Er ist so auszulegen, dass mit ihm alle den Streitzeitraum betreffenden früheren Kindergeld-Festsetzungs-Bescheide (einschließlich Änderungsbescheide) aufgehoben werden sollen und das betragsmäßig genau bezifferte Kindergeld zurückgefordert wird. Das reicht aus. Ein Bescheid, durch den die Festsetzung von Kindergeld aufgehoben wird, ist nicht allein deshalb nichtig, weil er den ursprünglichen Festsetzungsbescheid nicht ausdrücklich bezeichnet (BFH-Beschluss vom 29. Juli 2009 III B 153/08, BFH/NV 2009, 1958).

    3. Ebenfalls zutreffend ist die FK davon ausgegangen, dass dem Kläger nach deutschem Recht für T kein Anspruch auf sog. „Differenzkindergeld” zusteht.

    a) Der Kläger ist zwar nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG grundsätzlich kindergeldberechtigt. T ist ein Kind i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG. Der Kindergeldanspruch des Klägers ist nicht nach § 64 EStG ausgeschlossen, weil nach der Rechtsprechung des BFH die Ehefrau des Klägers, B, im Wohnland keinen Anspruch auf (Differenz-)Kindergeld hat (z.B. BFH-Urteil vom 24. März 2006 III R 42/05, BFH/NV 2006, 1639, m.w.N.; a.A. Urteil des FG Münster vom 30. April 2009 11 K 998/06 Kg, EFG 2009, 1658; Urteil des Niedersächsischen FG vom 21. Dezember 2010 12 K 414/08, juris).

    b) Der Kindergeldanspruch des Klägers ist aber durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG ausgeschlossen; denn B bezieht für T in der Schweiz Kinderzulage. Schweizerische Kinderzulagen sind mit dem deutschen Kindergeld vergleichbar (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. März 2006 III R 41/05, BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369; in BFH/NV 2006, 1639; vgl. auch Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 11. Juli 2003 2P.131/2002, BGE 129 I 265, http://www.bger.ch). Es kommt auch nicht darauf an, ob die andere Leistung der nach deutschem Recht kindergeldberechtigten Person oder einem Dritten –wie hier B– zusteht (vgl. EuGH-Urteil vom 5. Februar 2002 C-255/99, Humer, Slg 2002, I-1205 Randnr. 50; BFH-Beschluss vom 27. November 1998 VI B 120/98, BFH/NV 1999, 614).

    c) § 65 Abs. 2 EStG verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit eine Teilkindergeldregelung dann nicht vorgesehen ist, wenn –wie hier– ein Anspruch auf vergleichbare, aber geringere Leistungen an einem Beschäftigungsort im Ausland besteht (so BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, BFH/NV 2005, Beilage 1, 33; siehe auch BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 VIII R 68/99, BFH/NV 2005, 535). Die Angriffe des Klägers gegen diese Rechtsprechung hält der Senat nicht für durchgreifend.

    4. Unter Überwindung unionsrechtlicher Zweifel ist der erkennende Senat der Auffassung, dass der Klage auch nicht aus anderen als vom Kläger geltend gemachten Umständen stattzugeben ist. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt im Streitfall zu keiner anderen Beurteilung.

    a) Im Streitfall finden im Streitzeitraum auch im Verhältnis zur Schweiz die Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABlEG Nr. L 149 vom 5. Juli 1971, S. 2 ff.; –VO 1408/71/EWG–), und von Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABlEG Nr. L 74 vom 27.3.1972, S. 1 ff; –VO 574/72/EWG–) Anwendung, nachdem das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (BGBl II 2001, 810 ff.; –FZA–) am 1. Juni 2002 (BGBl II 2002, 1692) in Kraft getreten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer, Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht –ZESAR–2011, 85 ff., Randnr. 3 ff.; BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 III R 92/07, BFHE 223, 358, BStBl II 2009, 923). Gemäß Art. 90 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEG Nr. L 166 vom 30. April 2004, S. 1 ff.) und Art. 96 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 16. September 2009 (ABlEG Nr. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 1 ff.) gelten diese Verordnungen im Verhältnis zur Schweiz (noch) fort (zur geplanten Inkraftsetzung s. KOM (2010) 333 endg.).

    b) Wohnen jedoch –wie hier– Eltern mit ihrem Kind in Deutschland, arbeiten aber beide in der Schweiz, stehen ihnen nach der Rechtsprechung des BFH Leistungen für ihr Kind nur nach dem in der Schweiz geltenden Recht zu; ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem in der Schweiz gezahlten und dem höheren Kindergeld nach § 66 EStG besteht nicht (BFH-Urteile vom 24. März 2006 III R 41/05, BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369; vom 24. März 2006 III R 42/05, BFH/NV 2006, 1639; Verfassungsbeschwerden nach Zitat in juris vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen). Der erkennende Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Begründung im Einzelnen auf die genannten BFH-Urteile; er folgt dieser Rechtsprechung (vgl. bereits Senatsurteil vom 20. November 2008 3 K 2540/07, EFG 2009, 853, und Senatsbeschluss vom 18. Juni 2009 3 K 1214/08, EFG 2009, 1958).

    c) Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil des FG Münster in EFG 2009, 1658, Az. des BFH: III R 51/09; Urteil des Niedersächsischen FG in juris, Az. des BFH: III R 3/11) die Auffassung vertreten wird, aufgrund des EuGH-Urteils vom 20. Mai 2008 C – 352/06, Bosmann (ZESAR 2008, 455) sei eine andere Beurteilung geboten, trifft dies nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zu. Zwar kann danach durch Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 574/72/EWG dem Wohnsitzmitgliedstaat nicht die Befugnis abgesprochen werden, den in seinem Gebiet wohnhaften Personen Familienbeihilfen zu gewähren. Der EuGH hatte jedoch bereits schon früher entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht (jetzt: Unionsrecht) nur eine Koordinierung, aber keine Harmonisierung der Familienleistungen vorsieht (EuGH-Urteile vom 9. Juli 1987 C-377/85, Burchell, Slg. 1987, 3329, Randnr. 17 f., zum Bezug von Familienbeihilfen einer arbeitslosen Mutter im Vereinigten Königreich neben solchen des Vaters in den Niederlanden).

    Dass der Wohnsitzmitgliedstaat auch Kindergeld gewähren darf, bedeutet aber nicht, dass der Wohnsitzmitgliedstaat Kindergeld gewähren muss. Das Gemeinschaftsrecht lässt nämlich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt und es ist mangels einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene Sache des Rechts des jeweiligen Mitgliedstaats, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit sowie ihre Höhe und die Dauer ihrer Gewährung zu bestimmen (EuGH-Urteil vom 18. November 2010 C-247/09, Xhymshiti, HFR 2011, 115, Randnr. 42 ff.). Deutschland hat sich insoweit in § 65 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG gegen einen Differenzkindergeldanspruch entschieden und der EuGH in HFR 2011, 115 inzident diese Entscheidung (d.h. die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG) für mit dem Unionsrecht vereinbar gehalten. Die Versagung von Differenzkindergeld nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG stellt nach der Rechtsprechung des EuGH eine mittelbare Diskriminierung der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen dar, weil sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit gilt, aber im Wesentlichen oder ganz überwiegend Wanderarbeitnehmer betrifft (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008, Klöppel, C-507/06, Slg. 2008, I-943, Randnr. 16 ff., zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld); sie kann aber unionsrechtlich gerechtfertigt sein (EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-943, Randnr. 20) und ist es nach der Rechtsprechung sowohl des BVerfG (in BVerfGE 110, 412, BFH/NV 2005, Beilage 1, 33) als auch des BFH (in in BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369, und in BFH/NV 2006, 1639) auch. Deshalb unterscheidet sich insoweit auch –nach Auffassung des erkennenden Senats unionsrechtlich zulässigerweise– die Rechtslage beim Kindergeld von der beim Elterngeld (vgl. dazu Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Einführung vor Art. 67 VO 883/2004/EG, Rz. 44).

    d) Die Frage, ob bei anderer Beurteilung ein gedachter Differenzkindergeldanspruch der B und nicht dem Kläger zustehen könnte, bedarf danach keiner Erörterung.

    5. Soweit der Kläger Vertrauensschutzgesichtspunkte und den Verbrauch des Kindergeldes einwendet, greifen diese Einwendungen ebenfalls nicht durch (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. November 2008 III R 108/06, BFH/NV 2009, 357, m.w.N.).

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Der erkennende Senat weicht von den o.g. Urteilen des FG Münster (in EFG 2009, 1658) und des Niedersächsischen FG (in juris) ab, die nach Auffassung des erkennenden Senats beide ihrerseits von der Rechtsprechung des BVerfG (in BVerfGE 110, 412, BFH/NV 2005, Beilage 1, 33) und des BFH (BFH-Urteile in BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369, und in in BFH/NV 2006, 1639) abgewichen sind. Der erkennende Senat hält es angesichts der Revisionsverfahren III R 51/09 und III R 3/11 für zweckmäßig, nicht seinerseits den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen.

    VorschriftenEStG § 70 Abs. 2, EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2, EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, EStG § 63 Abs. 1 S. 2, EStG § 32 Abs. 1, EStG § 32 Abs. 3, EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, EStG § 65 Abs. 2, EStG § 66, AO § 37 Abs. 2, AO § 155 Abs. 4, AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, AO § 119 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 1