29.06.2011
Finanzgericht München: Urteil vom 29.03.2011 – 12 K 3991/09
1. Genussrechte mit Obligationscharakter führen im Unterschied zu sog. qualifizierten Genussrechten beim Inhaber nicht zu Einkünften aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern zu Einkünften aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung.
2. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist auf Genussrechte mit Obligationscharakter nicht anzuwenden.
3. Wertsteigerungen eines Genussrechts mit Obligationscharakter, dessen Rückzahlungswert an die Entwicklung des Vermögenswerts der Gesellschaft anknüpft, ohne aber dem Inhaber einen Anteil am Vermögen der Gesellschaft einzuräumen, führen bei Zufluss des Rückzahlungsbetrags ebenfalls zu Einkünften aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 12. Senat des Finanzgerichts München … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wurde im Streitjahr 2004 mit seiner zwischenzeitlich von ihm geschiedenen Ehefrau zusammenveranlagt. Er erzielte u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer seit 15. Januar 2001 bestehenden Anstellung bei der X GmbH als Geschäftsführer.
Nach § 7 Abs. 2 des mit Wirkung ab 15. Januar 2001 geschlossenen Anstellungsvertrags mit der X GMBH vom 11. Januar 2001, mit dem der Kläger bis 14. Januar 2004 zum Geschäftsführer bestellt wurde, sollte ihm zusätzlich zu diesem Vertrag ein Genussrecht eingeräumt werden, das in Höhe von 2 v.H. an der Wertsteigerung der Gesellschaft nach dem Stuttgarter Verfahren teilnehmen und für den Fall eines Börsengangs durch ein Aktienbezugsrecht ersetzt werden sollte. § 8 Abs. 2 des Vertrags sah vor, dass die Anstellung mit dem Ende der Bestellung zum Geschäftsführer endet. Gemäß ergänzender Vereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 3./10. Januar 2002 sollte der Anstellungsvertrag mit Ablauf des 14. Januar 2004 enden.
Mit Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2000 war dem Kläger unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags eine Gewinnbeteiligung an der X GMBH in Höhe von 2 v.H. des Jahresüberschusses mit Kappungsregelungen in Abhängigkeit zum Jahresbruttogehalt eingeräumt worden.
Am 15. Dezember 2000 hatte der Kläger mit der X GMBH einen Genussrechtsvertrag über 20.000 DM geschlossen. Danach stand dem Kläger jährlich ein Anspruch auf einen Genusszins in Höhe von 10 v.H. zu, eine Verlustbeteiligung war ausgeschlossen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 des Vertrags). Die Laufzeit wurde mit 10 Jahren festgelegt. Eine Kündigung vor Ablauf war von beiden Seiten mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende des Geschäftsjahres möglich. Bei einem Ausscheiden des Klägers aus der X GMBH sollte das Genussrechtsverhältnis ohne Kündigung zum Ende des Kalenderjahres enden (vgl. § 6 Abs. 1 bis 3 des Vertrags). Für den Fall der Rückübertragung sollte der Rückkaufswert nach der Formel Nennbetrag des Genussrechts mal Unternehmenswert X GMBH zum Beendigungszeitpunkt geteilt durch Unternehmenswert X GMBH zum Zeichnungszeitpunkt berechnet werden, wobei der Unternehmenswert nach dem sog. Stuttgarter Verfahren nach Abschnitt 4 ff. Vermögensteuerrichtlinien zu bestimmen war (vgl. § 7 Abs. 3 des Vertrags). § 7 Abs. 4 des Vertrags sah eine Beschränkung des Rückkaufswerts auf das 200-fache des Nennbetrags vor.
Hinsichtlich der Regelungen im Einzelnen bzw. im Übrigen wird gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Genussrechtsvertrag vom 15. Dezember 2000, die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2000 und den Anstellungsvertrag vom 11. Januar 2001 verwiesen.
Am 20. Dezember 2002 vereinbarte der Kläger mit der X GMBH u.a., dass die ergänzende Vereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 3./10. Januar 2002 sowie § 7 Abs. 2 des Anstellungsvertrags ersatzlos gestrichen werden und der Genussrechtsvertrag vom 15. Dezember 2000 mit sofortiger Wirkung geändert wird. Das Ende des Genussrechtsverhältnisses wurde auf den 31. Dezember 2003 festgelegt. Für den Fall einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses wegen eines Grundes in der Person oder im Verhalten des Klägers, der zu einer Kündigung des Anstellungsverhältnisses wegen schuldhaften Verhaltens ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen würde, sollte das Genussrechtsverhältnis mit dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis enden. In diesem Falle sollten sämtliche, sofern noch nicht geleistete, Zahlungsansprüche aus dem Genussrechtsvertrag entfallen. Das vom Kläger eingesetzte Kapital sollte jedoch an ihn zurückerstattet werden. § 7 Abs. 3 des Genussrechtsvertrags vom 15. Dezember 2000 wurde aufgehoben und dahingehend neu gefasst, dass der Rückkaufswert 1.xxx.xxx EUR beträgt und der Anspruch auf Zahlung dieses Rückkaufswertes mit Ausscheiden, spätestens am 14. Januar 2004, fällig wird. Die Gewinnbeteiligung gemäß der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2000 sollte zuletzt für das Jahr 2002 gewährt werden. Im Einzelnen wird gemäß § 105 Abs. 3 FGO auf die Vereinbarung vom 20. Dezember 2002 verwiesen.
Zum 20. Juni 2004 endete die Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der X GMBH. Im Januar 2004 erhielt er den vereinbarten Betrag aus der Rückübertragung des Genussrechts i.H. von 1.xxx.xxx EUR ausbezahlt.
Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 3. November 2005 berücksichtigte das damals zuständige Finanzamt A den Auszahlungsbetrag von 1.xxx.xxx EUR – wie auch die X GMBH – in voller Höhe als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers. Auf den Einspruch der Eheleute hin erließ der Beklagte, das zwischenzeitlich zuständige FA B am 29. Oktober 2007 einen Teil-Abhilfebescheid, in dem die Auszahlung des Genussrechtsbetrages nur in Höhe von (1.xxx.xxx EUR – 1.1xx.xxx EUR =) xxx.xxx EUR als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt wurde. Dem lag eine Auskunft der X GMBH vom 14. September 2005 zu Grunde, wonach der nach erfolgtem Jahresabschluss 2003 nach dem Stuttgarter Verfahren berechnete Rückkaufswert der Genussrechte zum 31. Dezember 2003 1.1xx.xxx EUR betragen habe.
Am 15. Juli 2008 erging ein weiterer – nicht streitgegenständliche Punkte betreffender – Teil-Abhilfebescheid. Mit Einspruchsentscheidung vom 10. November 2009 wurde der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, die Zahlungen auf den Genussrechtsvertrag seien nicht aufgrund der Zurverfügungstellung seiner individuellen Arbeitskraft erfolgt, sondern aufgrund von davon unabhängigen Verpflichtungen. Bei den anderen Mitarbeitern, mit denen Genussrechtsvereinbarungen getroffen worden seien, sei der Rückzahlungsbetrag von den zuständigen Finanzämtern in voller Höhe als steuerlich unbeachtlich behandelt worden. Die Vereinbarung vom 20. Dezember 2002, mit der u.a. der Rückkaufswert des Genussrechtes auf 1.xxx.xxx EUR fixiert worden sei, beziehe sich auf zwei verschiedene Verträge, die nicht miteinander vermischt werden dürften. Bei der Festlegung des Wertes hätten ein Business-Plan für die Jahre 2002 bis 2004 mit Stand Dezember 2001 sowie die gutachterliche(n) Stellungnahme(n) der Y Treuhandgesellschaft zum 31. Dezember 2002 eine Rolle gespielt. Für den 31. Dezember 2002 sei ein Unternehmenswert von xxx Mio EUR und für den 31. Dezember 2003 ein Wert von xxx bis xxx Mio EUR ermittelt worden. Man sei aufgrund dieser Unternehmenswerte – zumal eine Berechnung nach dem Stuttgarter Verfahren zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei – davon ausgegangen, dass für das Genussrecht der Maximalbetrag von 2.000.000 EUR fällig werden würde. Da der Genussrechtsvertrag eine Ratenzahlungsvereinbarung enthalten habe, beide Seiten die Angelegenheit aber ohne Ratenzahlung hätten abwickeln wollen, habe man sich auf 1.xxx.xxx EUR geeinigt. Die Bedingungen seien mit dem Geschäftsführer der Z GmbH ausgehandelt worden. Auf dessen e-mail (Anlage K2 des Klägerschriftsatzes vom 22. März 2010) werde verwiesen. Ein weiterer Angestellter der X GMBH, der Ende … ausgeschieden sei, habe den Höchstbetrag von x.xxx.xxx EUR, allerdings in drei Tranchen, erhalten.
Die Genussrechtsvereinbarung führe, da keine Beteiligung am Liquidationserlös gegeben sei, nicht zu Einkünften nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Zahlung des Rückkaufswerts stelle auch keinen Ertrag aus einer Kapitalforderung dar. Lediglich die Zinszahlungen seien Kapitalnutzungsentgelt und damit Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. In der Steigerung des Rückkaufswertes sei eine Kurssteigerung des Genussrechtes zu sehen, die die Steigerung des Unternehmenswertes wiederspiegele. Da der Zeitraum zwischen der Anschaffung der Genussrechtsbeteiligung und deren Veräußerung mehr als ein Jahr betragen habe, sei der verwirklichte Wertzuwachs nicht von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst. § 20 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung unterscheide zwischen der Ertrags- und Vermögensebene bzw. Kapitalertrag und Substanzgewinn. Nur Fälle, bei denen an sich steuerbare Nutzungserträge in nichtsteuerbare Wertzuwachsleistungen umgewandelt worden seien, sollten von § 20 Abs. 2 EStG erfasst werden. Im Streitfall sei der Nutzungsertrag aber gerade in Form von Zinsen versteuert worden. Erst ab dem Jahr 2009 seien auch reine Spekulationsanlagen von § 20 EStG erfasst. Erst ab diesem Zeitpunkt unterlägen zufließende Wertzuwächse unabhängig von der Haltedauer der Einkommensteuer. Im Übrigen hätte er den Genussrechtsbetrag verloren, wenn sich das Unternehmen nicht entsprechend entwickelt hätte oder gar in Insolvenz gegangen wäre.
Am 14. Dezember 2010 erließ der Beklagte einen aus nicht streitgegenständlichen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid 2004.
Der Kläger beantragt, in Änderung des Einkommensteuerbescheids 2004 vom 14. Dezember 2010 die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit um xxx.xxx EUR zu mindern und die Einkommensteuer 2004 entsprechend herabzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass der Kläger keine Einkünfte aus § 17 EStG erzielt habe, da das Genussrecht keine Beteiligung am laufenden Gewinn der Gesellschaft vorgesehen habe. In Höhe des streitigen Betrages, d.h. der Differenz zwischen dem nachträglich vereinbarten Festbetrag von 1.xxx.xxx EUR und dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Rückkaufswert in Höhe von 1.1xx.xxx EUR, liege ein Vorteil vor, der durch das Arbeitsverhältnis veranlasst worden und daher als Arbeitslohn zu qualifizieren und den Einkünften aus § 19 EStG zuzuordnen sei. Für das Genussrecht sei vom Arbeitgeber ein überhöhter Preis gezahlt worden. Das Bezugsrecht sei nur einem engen Kreis von Führungskräften der X GMBH eingeräumt worden. Die Änderung der ursprünglichen vertraglichen Regelungen habe zu einer vertraglichen Gesamtlösung zwischen dem Kläger und der X GMBH geführt, die ausschließlich durch das Arbeitsverhältnis bedingt gewesen sei. In Höhe der Differenz zwischen dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Rückkaufswert in Höhe von 1.1xx.xxx EUR und dem hingegebenen Kapital in Höhe von 20.000 DM könne von Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ausgegangen werden. Angesichts dessen, dass einem anderen Genussrechtsinhaber für seine Genussrechte nur 1.xxx.xxx EUR gezahlt worden seien, bestünden Zweifel daran, dass sämtliche Zahlungen der Gesellschaft an den Kläger als Entgelt für die Kapitalnutzung qualifiziert werden können.
Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. März 2011 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte den Zufluss aus dem Genussrechtsvertrag in Höhe von xxx.xxx EUR als einkommensteuerpflichtige Einkünfte behandelt. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob bzw. inwieweit eine Zurechnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gerechtfertigt ist, da, soweit dies zu verneinen ist, eine Erfassung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfolgen hat.
Eine juristische Definition des Genussrechtes fehlt. Genussrechte sind schuldrechtliche Kapitalüberlassungsrechte. Sie gewähren keine Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft, sondern schuldrechtliche Ansprüche vermögensrechtlicher Art gegenüber der Gesellschaft, die den Rechten eines Gesellschafters angenähert bzw. diesen insoweit gleichgestellt sind. Einkommensteuerrechtlich wird je nach der Intensität der Ausstattung mit Vermögensrechten zwischen qualifizierten Genussrechten, d.h. Genussrechten mit Beteiligungscharakter, und einfachen Genussrechten, d.h. Genussrechten mit Obligationscharakter, unterschieden.
Qualifizierte Genussrechte führen beim Genussrechtsinhaber hinsichtlich der laufenden Erträge zu Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Veräußerung solcher Genussrechte führt in der im Streitjahr geltenden Fassung des EStG im Rahmen der §§ 17 bzw. 23 EStG zur Steuerpflicht. Voraussetzung für die Einordnung als qualifizierte Genussrechte, die Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gleichzustellen sind, ist, dass diese sowohl mit einem Recht am Gewinn als auch am Liquidationserlös verbunden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. Juni 2005 VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861).
Im Streitfall wurde zwischen dem Kläger und der X GMBH – zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitig – kein qualifiziertes Genussrecht vereinbart. Die dem Kläger mit dem Genussrechtsvertrag vom 15. Dezember 2000 zugebilligten Vermögensrechte räumten diesem keine einem Gesellschafter vergleichbare Position ein. Der Genussrechtsvertrag sieht keine Ergebnisbeteiligung, weder am Gewinn noch am Verlust, und keine Beteiligung am Liquidationserlös der Gesellschaft vor. Der Vertrag gewährt lediglich eine feste – vom Gewinn unabhängige – Verzinsung und knüpft für die Berechnung des Rücknahmebetrags an die Entwicklung des Unternehmenswertes an. Die Präambel des Genussrechtsvertrags vom 15. Dezember 2000 führt zwar aus, dass die Geschäftsführung ermächtigt wurde, Führungskräfte durch die Ausgabe von Genussrechten an der Wertsteigerung der X GMBH zu beteiligen, nach den konkreten vertraglichen Regelungen war der Kläger aber nicht zu einem bestimmten Anteil am Vermögen der X GMBH selbst beteiligt, sondern sollte für die Hingabe der 20.000 DM bei Beendigung einen, je nach Entwicklung des nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Unternehmenswertes, höheren, maximal bis zum 200-fachen des Hingabebetrags, oder niedrigeren Betrag zurückerhalten. Auch die Rangrücktrittsvereinbarung (§ 9 des Vertrags) stellte ihn nicht den Gesellschaftern der X GMBH gleich, da seine Rechte nur hinter andere Gläubigerrechte zurückgetreten, den Rechten der Gesellschafter im Falle der Liquidation aber dennoch vorgegangen wären.
Das im Streitfall vereinbarte Genussrecht ist einkommenssteuerlich daher als sonstige Kapitalforderung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung einzuordnen.
Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen führen zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist.
Im Streitfall war ein laufender Zins vereinbart, daher fallen Erträge aus dieser Kapitalforderung unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dass die Rückzahlung „im schlimmsten Fall” nicht gesichert war, mithin sogar ein Verlust der Einlage drohte, steht dem nicht entgegen. Bei Insolvenz bzw. Vermögenslosigkeit des Schuldners ist die Rückzahlung der Kapitalforderung regelmäßig gefährdet. Dieses Risiko macht die Vereinbarung im Streitfall nicht zu einem reinen Spekulationspapier.
Die Vergütung des Klägers für die Kapitalhingabe setzte sich aus zwei Komponenten zusammen; den regelmäßigen Zinszahlungen als feste Komponente und einer Komponente, die sich erst bei Beendigung des Genussrechts zahlenmäßig konkretisierte. Der Kläger erhielt für die Zurverfügungstellung der 20.000 DM einen jährlichen Zins und zum Ende eine Zahlung von 1.xxx.xxx EUR.
Auch der Zufluss der 1.xxx.xxx EUR beim Kläger ist, soweit er den hingegebenen Betrag von 20.000 DM übersteigt, Ertrag aus einer sonstigen Kapitalforderung; denn zu den Erträgen aus einer Kapitalforderung zählen sämtliche Entgelte, die der Kapitalgeber für die Überlassung seines Kapitals erhält. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG gehören hierzu auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1 EStG bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden. Die Vorschrift bewirkt, dass alles, was für die Nutzung von Kapital gewährt wird, zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehört. Dabei kommt es weder auf die Bezeichnung der Erträge noch darauf an, ob sie in offener oder verschleierter Form gewährt werden. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören vielmehr alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist, ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein Kaufvertrag zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1987 VIII R 156/84, BStBl II 1988, 252). Zu den Erträgen aus einer sonstigen Kapitalforderung gehört damit auch der Wertzuwachs, der sich aus dem Unterschied zwischen Ausgabe- und Rücknahmebetrag ergibt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1988, 252 zu Aufgeld, das über den Nennbetrag einer Anleihe hinaus gewährt wird).
Daran änderte auch die Einführung des § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 1994 durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz – StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310) nichts; denn nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 5 EStG sind die in Nr. 4 Sätze 1 bis 4 der Vorschrift zusätzlich in das Gesetz aufgenommenen Steuertatbestände nicht auf Genussrechte im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG, d.h. auf Genussrechte, die wie im Streitfall nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen, anzuwenden (vgl. Harenberg/Irmer in Hermann/Heuer/Raupach, § 43 EStG Anm. 40). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass bei diesen Rechten „wie bisher nur die Erträge aus der Einlösung der Wertpapiere der Einkommensteuer” unterliegen sollten und nicht auch bereits die Veräußerung vor Fälligkeit erfasst werden sollte (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf des StMBG, BT-Drs. 12/6078, S. 123). Daher ergibt sich für den Streitfall auch keine andere Beurteilung durch die „klarstellende” Erweiterung der Tatbestände des § 20 Abs. 2 Nr. 4 Sätze 1 bis 3 EStG auf den sog. Durchhalter in Satz 4 dieser Vorschrift im Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz – StÄndG 2001) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794). Auch die nunmehr mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007 S. 1912) erfolgte Änderung bzw. Erweiterung des § 20 EStG, wonach z.B. auch die Einlösung von Genussrechten im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, erlaubt entgegen der Auffassung des Klägers keinen Rückschluss darauf, dass Wertzuflüsse aus der Einlösung von Genussrechten, wie sie der Kläger vereinbart hatte, also gerade nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu subsumierende sonstige Kapitalforderungen, vor Änderung des Gesetzes nicht der Besteuerung nach § 20 EStG unterworfen sein konnten.
Der zusätzliche Zahlungsanspruch des Klägers ist, soweit er den hingegebenen Betrag von 20.000 DM übersteigt, Entgelt für die Überlassung des Kapitals. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde durch die Zahlung der 1.xxx.xxx EUR keine Wertsteigerung im Vermögensstamm ausgeglichen, denn die mit ihm getroffene Genussrechtsvereinbarung gewährte ihm gerade keinen Anteil am Vermögen der X GMBH. Die Zahlungen der X GMBH bei Beendigung des Genussrechtsverhältnisses waren – nach der Vereinbarung vom 15. Dezember 2000 – lediglich in Abhängigkeit von der Entwicklung des Vermögenswertes der Kapitalgesellschaft zu berechnen. Mit der vertraglichen Änderung vom 20. Dezember 2002 wurde – jedenfalls nach dem Wortlaut der Vereinbarung – selbst dieser Zusammenhang aufgegeben. Dem Kläger wurde auch kein sonstiges Recht eingeräumt, das über einen Anspruch auf Entgeltzahlung für das zur Verfügung gestellte Kapital hinausgeht. Der Kläger konnte das ihm eingeräumte atypische Genussrecht nicht frei veräußern oder übertragen, nicht verpfänden oder mit einem Nießbrauch belasten. Sein Zahlungsanspruch war vielmehr von der Beendigung des Genussrechtsverhältnisses zum 31. Dezember 2003 abhängig. Der über die Kapitaleinlage hinausgehende Betrag stand dabei ab der vertraglichen Änderung vom 20. Dezember 2002 sogar unter dem Vorbehalt, dass es zu keiner Beendigung des Anstellungsverhältnisses wegen eines schuldhaften Verhaltens des Klägers, das zur fristlosen Kündigung berechtigen würde, kommt. Der Rückzahlungsanspruch verwirklichte sich somit erst mit Ablauf der „Wohlverhaltenspflicht”. Der konkrete Auszahlungsanspruch in Höhe von 1.xxx.xxx EUR stand daher erst am 30. Dezember 2003/14. Januar 2004 fest und ist mit der tatsächlichen Auszahlung im Jahr 2004 zugeflossen (§ 11 EStG). Allein die Möglichkeit, dass der Zahlungsanspruch bei Beendigung der vertraglichen Beziehung zu einem anderen Zeitpunkt in einer anderen Höhe hätte entstehen können, verlagert die Auszahlung des Mehrbetrags zwischen dem hingegebenem Kapital und dafür zurückerhaltenem Kapital aber nicht aus dem Ertragsbereich in den Vermögensbereich.
Als weiterer Rechtsgrund für die Zahlung zumindest eines Teils der 1.xxx.xxx EUR kommt das Arbeitsverhältnis des Klägers in Betracht. Dafür würden sowohl die lohnsteuerliche Behandlung durch seinen Arbeitgeber wie auch der Schriftverkehr mit diesem sprechen. So wurde in der e-mail von … (Anlage K2 des Klägerschriftsatzes vom 22. März 2010) die Festlegung des Rückkaufswertes unter den Vergütungsbestandteilen aufgezählt. Im Änderungsvertrag vom 20. Dezember 2002, der den Rückkaufswert auf 1.xxx.xxx EUR festgelegte, wurde dieser durch die Einfügung des § 6 Abs. 4 in den Genussrechtsvertrag zudem unter den Vorbehalt des arbeitsvertraglichen Wohlverhaltens des Klägers gestellt. Diese Vereinbarung, nach der der Kläger im Falle der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses wegen eines zur fristlosen Kündigung berechtigenden schuldhaften Verhaltens sämtliche Zahlungsansprüche aus dem Genussrecht, sofern sie noch nicht ausbezahlt waren, bis auf die Rückzahlung seines eingesetzten Kapitals verlieren sollte, dokumentiert die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den beiden Rechtsverhältnissen nachhaltig. Ob jedoch betragsmäßig, wie von Seiten des Beklagten vorgetragen, zu differenzieren ist, d.h. ein Teilbetrag in Höhe von xxx.xxx EUR den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen ist, kann der Senat letztlich dahingestellt lassen, da kein Rangverhältnis zwischen diesen Einkunftsarten besteht und Freibeträge und Pauschalen bereits durch weitere Einkünfte dieser Einkunftsarten vollständig ausgeschöpft sind. Selbst bei Anwendung des § 34 EStG wäre die bisher festgesetzte Steuer nicht herabzusetzen.
Da eine Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht zulässig ist, war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).