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  • 22.09.2011

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 07.07.2011 – 3 K 3752/10

    Dem EuGH wird die Frage vorgelegt, ob es gegen das Freizügigkeitskommen (FZA) verstößt, wenn in der Schweiz lebende Ehegatten, die mit ihren gesamten steuerpflichtigen Einkünften der Besteuerung in der BRD unterliegen, die Zusammenveranlagung unter Berücksichtigung des Splitting-Verfahrens verweigert wird.


    Beschluss

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung vom 7. Juli 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht Richter … am Finanzgericht Ehrenamtliche Richter …

    beschlossen:

    1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

    2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Sind die Vorschriften des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (BGBl II 2001, 810 ff.), das am 2. September 2001 vom Bundestag als Gesetz beschlossen worden (BGBl II 2001, 810) und am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist (FZA bzw. Freizügigkeitsabkommen), insbesondere dessen Art. 1, 2, 11, 16 und 21 sowie Anhang I Art. 9, 13 und 15 dahin auszulegen, dass sie es nicht zulassen, in der Schweiz lebenden Eheleuten, die mit ihren gesamten steuerpflichtigen Einkünften der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland unterliegen, die Zusammenveranlagung unter Berücksichtigung des Splitting-Verfahrens zu verweigern?

    Gründe

    I.

    Die Klägerin ist mit dem E verheiratet. Beide besitzen ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit.

    Die Eheleute hatten im Veranlagungszeitraum 2008 (Streitjahr) und zuvor seit dem 1. August 2007 ihren Wohnsitz (Hinweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes – EStG 2008–), ihre ständige Wohnstätte und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchstaben a und b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1992, 519) – DBA-Schweiz 1971 – ausschließlich in R/CH (Confoederatio Helvetica). Bis zum 1. August 2007 hatten die Klägerin und E ihren (ausschließlichen) Wohnsitz in L/BRD.

    Wegen der Folgen für die abkommensrechtliche Bestimmung der Ansässigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 von Steuerpflichtigen, die nur – wie die Klägerin und E – auf Grund eines Antrags nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2008 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu beurteilen sind, wird auf die Ausführungen von Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen DeutschlandSchweiz Art. 4 Anm. 15 verwiesen (vgl. im Übrigen: Lüdicke, Internationales Steuerrecht – IStR – 2000, 188; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 25. Januar 2000 IV B 3 – S 1301 SCHZ – 1/00, IStR 2000, 188).

    Die Klägerin und E haben kein(e) Kind(er). Die Klägerin ist Unternehmensberaterin, E gestaltender Künstler, der insbesondere großflächige Bilder malt.

    Im Jahr 2007 erzielte die Klägerin als Gesellschafterin der E-GdbR Einkünfte aus Gewerbetrieb. Weiterer Gesellschafter war E. Zum 1. Januar des Streitjahres wurde die E-GdbR in eine Einzelfirma der Klägerin umgewandelt, nachdem E seinen Gesellschaftsanteil auf die Klägerin übertragen hatte. Bis zum 15. Mai 2008 befand sich der Firmensitz in W/BRD, dann wurde er nach K/BRD – K –verlegt.

    Bis zum 31. Dezember 2007 übte E seine Tätigkeit als gestaltender Künstler im Rahmen der K-GdbR aus, ebenso im Streitjahr. Beteiligt an der K-GdbR sind die Klägerin zu 49 v.H. und E zu 51 v.H. Bis zum 15. Mai 2008 befand sich der Firmensitz in W/BRD, dann wurde er nach K/BRD verlegt.

    Die K-GdbR und das Einzelunternehmen der Klägerin hatten (auch) im Streitjahr nur Betriebsstätten (bzw. eine feste Einrichtung) unter der zuvor angegebenen Anschrift in K.

    Der Kläger hat zum 1. Januar 2008 unter der Firma K ein Einzelunternehmen mit Sitz in R im Handelsregister des Kantons T angemeldet. Nach den vom erkennenden Senat getroffenen Feststellungen hat der Kläger dort jedoch im Streitjahr keine Tätigkeit ausgeübt und keine Einkünfte erzielt.

    Sowohl die K-GdbR als auch das Einzelunternehmen der Klägerin erbrachten im Streitjahr ausschließlich Leistungen gegenüber im Inland ansässigen Abnehmern.

    Bis zum 15. Mai 2008 fuhren die Klägerin und E regelmäßig von ihrem Wohnsitz in R/CH (durch die Republik Ö) nach W/BRD zu den jeweiligen Betriebsstätten, dann von ihrem Wohnsitz in R/CH nach K/BRD.

    Die Klägerin und E wurden in den Vorjahren vom Finanzamt L zur Einkommensteuer zusammenveranlagt (unter Anwendung des Splitting-Verfahrens). Sie waren mit allen, von ihnen erzielten Einkünften der Besteuerung im Inland unterworfen worden.

    In ihrer am 15. Oktober 2009 beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung beantragten die Klägerin und E die Zusammenveranlagung. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG 2008 aus der Unternehmensberatung der Klägerin betrugen 148.645 EUR, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG 2008 der K-GdbR 29.174 EUR (Anteil der Klägerin: 14.295,26 EUR bzw. des E: 14.878,74 EUR).

    Im Übrigen erzielten die Klägerin und E Einnahmen aus Kapitalvermögen in Gestalt von Zinsen für eine Kapitalanlage bei der M-Bank in S/BRD in Höhe von 1.379,11 EUR (Klägerin) und von 35,42 EUR.

    Die Klägerin und E beantragten mit dem hierfür vorgesehenen Vordruck ESt1A für die Anwendung personen- und familienbezogener Steuervergünstigungen als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Eine sog. „Bescheinigung außerhalb EU/EWR” wurde der Einkommensteuererklärung nicht beigefügt.

    Im an die Klägerin und E gerichteten – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO –) – Einkommensteuerbescheid vom 11. November 2009 unterwarf das FA die erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen antragsgemäß der Einkommensteuer, zu deren Berechnung es das SplittingVerfahren im Sinne von § 32a Abs. 5 EStG 2008 anwandte. Die Einkommensteuer wurde auf 40.836 EUR festgesetzt.

    Mit der – in verfahrensrechtlicher Hinsicht auf § 164 Abs. 2 AO gestützten– Verfügung vom 1. Dezember 2009 wurde der Einkommensteuerbescheid aufgehoben. Zur Begründung wies das FA auf Folgendes hin: Für das Streitjahr sei von der Klägerin und dem E in der Einkommensteuererklärung ein Antrag gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2008 gestellt worden, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Die im Einkommensteuerbescheid gewährten personen- und familienbezogenen Entlastungen dürften jedoch nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin und E ihren Wohnsitz weder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union noch eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, inne hätten (Hinweis auf §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 1a Abs. 1, 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 1a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2008).

    Den gegen den Aufhebungsbescheid form- und fristgerecht eingelegten Einspruch nahmen die Klägerin und E nach einem Hinweis des FA im Schreiben vom 30. Dezember 2009, „der Einspruch sei nicht gemäß § 350 AO beschwert”, am 1. April 2010 zurück. Zuvor hatten die Klägerin und E im Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 dargelegt, dass sie nach § 1 Abs. 3 EStG 2008 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln seien und bei ihnen deshalb eine Zusammenveranlagung durchzuführen sei (unter Anwendung des Splitting-Verfahrens).

    Zuvor – am 22. März 2010 – gab das FA Einkommensteuerbescheide zur Post, in denen es die Klägerin und E einzeln zur Einkommensteuer veranlagte. Dem E rechnete das FA lediglich als Mitunternehmer der K-GdbR Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 14.587 EUR zu. Die festgesetzte Einkommensteuer beträgt 0 EUR. Der Bescheid wurde, weil er nicht angefochten wurde, am 1. April 2010 bestandskräftig.

    Bei der Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin berücksichtigte das FA Einkünfte aus Gewerbetrieb in Höhe von 148.645 EUR (die Unternehmensberatung betreffend), Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 14.587 EUR (die K-GdbR betreffend) und Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 578 EUR (die Kapitalanlage bei der M-Bank betreffend). Die Einkommensteuer wurde nach der Grundtabelle auf 44.511 EUR berechnet.

    Die Klägerin legte während des form- und fristgerecht eingelegten Einspruchs „Bescheinigungen außerhalb EU/EWR” vor, die am 16. März 2010 von einem Bediensteten der Kantonalen Steuerverwaltung T unterzeichnet worden waren. Danach haben weder die Klägerin noch E im Streitjahr Einkünfte erzielt, die in ihrem Ansässigkeitsstaat (Schweiz) der Besteuerung unterliegen. Nach den Verfügungen vom 3. Februar 2010 des Gemeindesteueramts R ergibt sich ein in der Schweiz steuerbares Einkommen des Klägerin und des E von jeweils 0 CHF, im Ausland von 264.900 CHF.

    Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin, mit E unter Berücksichtigung des SplittingVerfahrens im Sinne von § 32a Abs. 5 EStG 2008 zusammen veranlagt zu werden.

    Der Einspruch blieb erfolglos (Hinweis auf die Einspruchsentscheidung vom 10. September 2010). Wegen der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Nr. II.1. der Rechtsbehelfsentscheidung Bezug genommen.

    Mit der form- und fristgerecht am 11. Oktober 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 18. Januar 2011 Bezug genommen.

    Während des Klageverfahrens gab das FA am 30. Juni 2011 einen auf die Vorschrift des § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG 2008 gestützten Einkommensteueränderungsbescheid zur Post, der gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Im Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens zur Anwendung des Splitting-Verfahrens ergab sich keine Änderung.

    Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 30. Juni 2011, des Einkommensteueränderungsbescheids vom 22. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2010 das FA zu verpflichten, eine Zusammenveranlagung mit E durchzuführen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt, die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung verweist es im wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

    Am 21. April 2011 fand vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes statt. Auf die hierzu den Beteiligten bekanntgegebene Niederschrift wird Bezug genommen. Zuvor waren die Beteiligten auf den Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 26. Januar 2010 in Sachen X. contre Steuerverwaltung des Kantons Genf und Verwaltungsrekurskommission des Kantons Genf 2C_319/2009, 2C_321/2009 (in deutscher Übersetzung) hingewiesen worden (veröffentlicht in französischer Sprache in: Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts – BGE – 136 II 241, www.bger.ch).

    In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011 – wie bereits zuvor im Erörterungstermin vom 21. April 2001– erklärte E ausdrücklich, dass er mit der Klägerin zusammen veranlagt werden will und deshalb einer Änderung des gegenüber ihm ergangenen – inzwischen bestandskräftig gewordenen– Einkommensteueränderungsbescheids vom 22. März 2010 zustimme (Hinweis auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a der Abgabenordnung – AO –; vgl. im Übrigen zu verfahrensrechtlichen Fragen: Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar, EStG, § 26 Rdnr. C 10 und A 252 ff. mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –).

    Die für die Jahre vor dem Streitjahr beim Finanzamt L geführten Steuerakten bezüglich der Klägerin und des E sind nicht mehr auffindbar.

    II.

    A. Der beschließende Senat setzt das Verfahren gemäß § 74 FGO aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über die Auslegung des Freizügigkeitsabkommens einzuholen (Art. 267 Abs. 1 Buchstabe a. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nach der Zählung des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften – EG –, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 325, 1, jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrages von Lissabon – AEUV – zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union, Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen – ABl EU – 2007, Nr. C 306/01). Das Freizügigkeitsabkommen unterliegt der Auslegung durch den EuGH (vgl. EuGHUrteile vom 15. Juli 2010 C-70/09, „Hengartner/Gasser”, ABl EU 2010 Nr. C 246; vom 11. Februar 2010 C-541/08, „Fokus Invest”, ABl EU 2010 Nr. C 80, 4, Recht der Internationalen Wirtschaft – RIW – 2010, 228; vom 12. November 2009 C-351/08, „Grimme”, Slg. 2009, I-10777; vom 20. Dezember 2008 C-13/08, „Stamm und Hauser”, Slg. 2008 I-11087).

    Der beschließende Senat hält die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage zur Auslegung des Freizügigkeitsabkommens im Hinblick auf den Ausgangsrechtsstreit für entscheidungserheblich (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Würde die im Leitsatz zu Nr. 2 vorgelegte Rechtsfrage bejaht, wäre der Einkommensteueränderungsbescheid vom 30. Juni 2011 und der Einkommensteueränderungsbescheid vom 22. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2010 aufzuheben und das FA entsprechend antragsgemäß zu verpflichten, eine Zusammenveranlagung der Klägerin mit E (unter Anwendung des Splitting-Verfahrens) durchzuführen. Dies ist verfahrensrechtlich möglich, obwohl der gegenüber E ergangene Einkommensteuerbescheid vom 22. März 2010 bestandskräftig wurde (festgesetzte Einkommensteuer: 0 EUR). Würde die vorgelegte Rechtsfrage verneint, wäre die Klage abzuweisen.

    B. Rechtslage nach deutschem Recht

    I. 1. Nach § 26 Abs. 1 Halbsatz 1 Alternative 3 EStG 2008 (vgl. hierzu: Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 26 Rdnr. B 86) können Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des … § 1a sind (neben weiteren hier unstreitig vorliegenden Voraussetzungen), zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a) und Zusammenveranlagung (§ 26b) wählen. Die Formulierung „im Sinne des § 1a” wurde im Rahmen der Änderung des EStG im Hinblick auf die sog. Grenzpendler-/Grenzgängerbesteuerung (vgl. hierzu: Lehner/Waldhoff in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O. § 1 Rdnr. A 667 f.) durch Art. 1 Nr. 21 Buchstabe a Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) –JStG 1996–eingefügt.

    Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 EStG 2008 –soweit für den Streitfall von Bedeutung– gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen für den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, die … nach § 1 Abs. 3 EStG 2008 als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sind, bei Anwendung von … § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG Satz 1 EStG 2008 folgendes:

    2. Der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland wird auf Antrag für die Anwendung des § 26 Abs. 1 Satz 1 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend (Satz 2) ….

    Diese entsprechend anzuwendende Vorschrift lautet:

    Voraussetzung ist, dass der Empfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2008).

    Die zuvor wiedergegebenen Bestimmungen des § 1a EStG wurden ebenfalls durch das JStG 1996 in das EStG eingefügt (s. Art. 1 Nr. 1 JStG 1996; vgl. zu den Änderungen des § 1a EStG bis zu der für das Streitjahr geltenden Fassung: Frotscher in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 1a EStG Rz. 2).

    a) Hinsichtlich der Verweisung in § 26 Abs. 1 Halbsatz 1 Alternative 3 EStG 2008 auf § 1a EStG 2008 ist zu beachten, dass § 1a EStG 2008 keine originär eigene unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Steuerpflichtigen begründet (Lehner/Waldhoff in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 1 Rdnr. A 399 und D 11), sondern diese voraussetzt (z.B. nach § 1 Abs. 3 EStG 2008 in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Satz 1 EStG 2008; Frotscher in Frotscher, a.a.O., EStG § 1a Rz. 1; Gosch in: Kirchhof, EStG, Kommentar, 10. Aufl., 2011, § 1a Rz. 1; Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 26 Rdnr. B 65). Sie ordnet nur an, welche Rechtsfolgen in Bezug auf dritte Personen (u.a. in Bezug auf den Ehegatten des Steuerpflichtigen) „bei Anwendung von … § 26 Abs. 1 Satz 1” EStG 2008 gelten sollen. Dabei ist zu beachten, dass § 1a EStG 2008 nicht allein auf die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder zu einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist (EU-/EWR-Bürger), sondern auch –z.B. bei Anwendung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 2008 – auf den Wohnsitz oder Aufenthalt des Ehegatten des Steuerpflichtigen Bezug nimmt (Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 26 Rdnr. B 65).

    b) Hiernach können nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf Antrag gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 2008 zusammen veranlagt werden (unter Anwendung des Splitting-Verfahrens), wenn nur einer von ihnen die Voraussetzungen der sog. „fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht” nach § 1 Abs. 3 EStG 2008 erfüllt. Voraussetzung ist jedoch, dass der eine (steuerpflichtige) Ehegatte Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) oder eines Staates ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) anwendbar ist und auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln ist, der andere Ehegatte seinen Wohnsitz in einem EU- oder EWR-Staat hat und beide Ehegatten die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Sätze 2-4 EStG 2008 erfüllen und die Ehegatten einen entsprechenden Antrag gestellt haben (Schneider in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 26 Rdnr. B 68b; BFH-Urteile vom 8. September 2010 I R 28/10, BStBl II 2011, 269; vom 8. September 2010 I R 80/09, BFHE 231, 91).

    Durch die zuvor genannten Vorschriften sollte in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des deutschen Gesetzgebers sichergestellt werden, dass nur bei Ehegattengrenzgängern/-pendlern aus dem Bereich der EU oder des EWR das Splitting-Verfahren Anwendung findet (Erste Beschlussempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses [7. Ausschuss], vom 31. Mai 1995, Einzelbegründung zu Nummer 21a [§ 26 Abs. 1 EStG], Bundestagsdrucksache 13/1558, Seite 155). Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Dezember 1996 IV B 4 – S 2303 – 266/96, BStBl I 1996, 1506; Verfügung der Oberfinanzdirektion – OFD – Düsseldorf vom 4. Februar 2000 zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 14. Februar 1995 C-279/93, „Schumacker”, Slg. 1995 I-225 im Rahmen des JStG 1996, juris)

    2. Hiernach haben die Klägerin und E weitestgehend (aber nicht in vollem Umfang) die Voraussetzzungen für die Durchführung einer Zusammenveranlagung erfüllt. Beide Ehegatten erfüllen jedenfalls die Voraussetzungen für eine fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG 2008.

    a) Die Klägerin und E, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2008), haben die für die Annahme einer „fiktiven” unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland erforderlichen Anträge beim FA gestellt (vgl. u.a. die Angaben im Schriftsatz vom 14. Dezember 2009). Beide versteuern nach den vom FA erlassen Einkommensteuerbescheiden ihre gesamten (steuerpflichtigen) Einkünfte (und zwar solche aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und Kapitalvermögen) im Inland (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2008 in der Fassung von Art. I Nr. 2 JStG 2008 vom 20. Dezember 2007, BGBl I 2007, 2007, BStBl I 2008, 218).

    b) Mit Ausnahme der von der Klägerin erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht einmal 0,5 % der gesamten Einkünfte ausmachen, unterliegen die Klägerin und E mit den verbleibenden Einkünften im Inland der beschränkten Einkommensteuerpflicht, weil hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Gewerbetrieb (ausschließlich) im Inland Betriebsstätten unterhalten werden (Hinweis auf § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2008 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2008 bzw. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2008). Hinsichtlich der von der Klägerin (wegen der ihr zugeflossenen Zinsen aus Sparguthaben) erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 578 EUR besteht im Inland keine beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa EStG 2008). Beide Ehegatten unterliegen damit mit ihren Einkünften –wie für die Annahme einer fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht im Sinne von § 1 Abs. 3 EStG 2008 notwendig– mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2008).

    c) In abkommensrechtlicher Hinsicht steht wegen der – der Klägerin zugeflossenen – Zinsen aus schließlich der Schweiz das Besteuerungsrecht zu, die hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971; Hinweis in diesem Zusammenhang auf § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG 2008 in der Fassung von Art. I Nr. 2 JStG 2008).

    In abkommensrechtlicher Hinsicht gehen die Vertragsstaaten des DBA-Schweiz (stillschweigend) des Weiteren zutreffend davon aus, dass der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte aus Gewerbetrieb und selbständiger Arbeit zusteht. Dies ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass die Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit ausschließlich durch eine im Inland gelegene Betriebsstätte ausübt (Art. 7 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971), bzw. die Klägerin und E für die Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügen und die erzielten Einkünfte nur dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können (Art. 14 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971).

    e) Im Übrigen haben die Klägerin und E auch insoweit die Voraussetzungen erfüllt, dass sie im Inland gemäß § 1 Abs. 3 EStG 2008 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, als sie die erforderlichen Bescheinigungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung –ESTV– vorgelegt haben (und im Übrigen auch die Veranlagungsverfügungen des Kantons Thurgau für das Streitjahr; Hinweis auf § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG 2008).

    d) Schließlich haben die Klägerin und E jeweils gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2008 den Antrag gestellt, zur Einkommensteuer zusammen veranlagt zu werden.

    3. Eine Zusammenveranlagung der Klägerin mit E scheitert jedoch daran, dass E (der Ehegatte der Steuerpflichtigen) weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat hat, sondern in der Schweiz (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2008 in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2008). Aus der Sicht des E scheitert eine Zusammenveranlagung daran, dass die Klägerin in der Schweiz ihren Wohnsitz hat.

    B. Rechtslage nach Unionsrecht

    Der Aufrechterhaltung der zuvor dargelegten deutschen Gesetzeslage und der dieser folgenden Rechtsprechung mit der Begrenzung des Splitting-Verfahrens auf Ehegattengrenzgänger aus dem Bereich der EU bzw. des EWR könnte das in Art. 15 Abs. 1 Anhang I FZA verankerte Gleichbehandlungsgebot entgegenstehen, wenn dieses uneingeschränkt auch im Steuerrecht gelten würde (zur Rechtsnatur des FZA: Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs –VwGH–vom 19. Dezember 2007 Geschäftszahl – Gz. – 2006/15/2008, www.ris.bka.gv.at).

    I. Dieses Gleichbehandlungsgebot gilt auch für selbständige Grenzgänger (EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-11087, „Stamm und Hauser”). Zu diesen selbständigen Grenzgängern im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Anhang I FZA zählen auch die Klägerin und E. Sie sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland mit Wohnsitz in der Schweiz, die eine selbständige (gewerbliche bzw. aus einem freien Beruf herrührende) Erwerbstätigkeit auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausüben und in der Regel täglich von ihrem Tätigkeitsort in K an ihren Wohnort in R zurückkehren.

    Nach Art. 15 Abs. 2 Anhang I FZA in Verbindung mit dem sinngemäß anzuwendenden Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA genießen selbständige Grenzgänger und seine in Art. 3 Anhang I FZA genannten Familienangehörigen dort (im Hoheitsgebiet des Tätigkeitsstaates) die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Personen, die einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Mit diesem steuerlichen Gleichbehandlungsgebot stimmt überein, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fallen, dass diese Zuständigkeit aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts auszuüben ist und die im AEUV (bzw. zuvor im Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft) enthaltenen Grundfreiheiten (z.B. das Gleichbehandlungsgebot) daher auch im (deutschen) Einkommensteuerrecht zu beachten sind (EuGH-Urteile vom 25. Januar 2007 C-329/05, „Meindl”, Slg. 2007, I-1107; vom 14. September 1999 C-391/97, „Gschwind”, Slg. 1999, I-5451; in Slg. 1995, I-225, „Schumacker”).

    Im Inland ansässige Personen, die – wie die Klägerin und E– mit ihren (gesamten) Einkünften aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit der deutschen Einkommensteuer unterliegen, können die Zusammenveranlagung wählen (unter Anwendung des Splitting-Verfahrens; vgl. 26 Abs. 1 Halbsatz 1 EStG 2008 in Verbindung mit § 32a Abs. 5 EStG 2008). Der Klägerin und E wird hingegen ausschließlich wegen ihres Wohnsitzes in der Schweiz die Anwendung des SplittingVerfahrens – bei einem ansonsten identischen und steuerlich erheblichen Sachverhalt– verweigert. Dieser Ausschluss von Ehegattengrenzgängern aus der Schweiz von der Anwendung des Splitting-Verfahrens im deutschen Einkommensteuerrecht verstößt gegen das in Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 Anhang I FZA niedergelegte Gebot, selbständig erwerbstätigen Grenzgängern aus der Schweiz die gleichen (einkommen-)steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren wie im Inland ansässigen selbständigen Erwerbstätigen.

    II. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit den vom EuGH entwickelten Rechtsgrundsätzen zu den Grundfreiheiten (der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV und der [nach Art. 15 Abs. 2 FZA] sinngemäß anzuwendenden Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Art. 45 AEUV), zu dem hier gemäß Art. 16 FZA zu berücksichtigenden Zeitpunkt.

    1. Nach Artikel 16 Abs. 1 FZA treffen die Vertragsparteien zur Erreichung der Ziele des Abkommens alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden. Soweit für die Anwendung des FZA Begriffe des Gemeinschaftsrechtes herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA). Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 FZA).

    a) Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass mit dem FZA die Personenfreizügigkeit, wie sie in den Rechtsakten der EU verwirklicht ist, auch gegenüber der Schweiz hergestellt ist (Schlussanträge des Generalanwalts Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer vom 6. Juni 2006 C-339/05, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols, juris; Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats, Außensenate Feldkirch – UFSF – vom 12. Dezember 2007, Gz. RV/0245-F/07, www.findok.bmf.gv.at). Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Rechtsgrundsätze zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) und zur Niederlassungsfreiheit der selbständigen Erwerbstätigen (Art. 49 AEUV) zu beachten sind. Die hierzu einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem 21. Juni 1999 (dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des FZA – s. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA –) ist im Verhältnis zur Schweiz auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu berücksichtigen (Hinweis auf das BGer-Urteil in BGE 136 III 241, Erwägungen zu III. 13).

    b) Aus Art. 11 Abs. 1 FZA ist zu entnehmen, dass sich jede unter das FZA fallende Person auf die durch das FZA gewährleisteten Rechte berufen kann.

    c) Diese durch das FZA gewährleisteten Freizügigkeitsrechte sind – wie bereits erwähnt – auch für das Steuerrecht relevant (unter Vorbehalt des Art. 21 Abs. 2 FZA – s. hierzu später –). Nach Artikel 9 Abs. 2 Anhang I FZA genießen ein Arbeitnehmer und ebenso ein selbständiger Grenzgänger (s. Art. 15 Anhang I FZA) und seine in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen die gleichen steuerlichen Vergünstigungen wie entsprechende Inländer und deren Familienangehörige.

    d) Sowohl Art 49 AEUV (Art. 45 AEUV) als auch Art 1 und 2 FZA und Art 2 Anhang I FZA enthalten ein Diskriminierungsverbot.

    Steuerliche Maßnahmen verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot, wenn zwar eine steuerliche Vorschrift nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft, aber die Gefahr besteht, dass sich eine steuerliche Regelung besonders zum Nachteil von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt. Die Vorschriften über die Gleichbehandlung verbieten daher nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen könnten (EuGH-Urteil in Slg. 1995, I-225, Schumacker”,Tz. 26).

    Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Diskriminierungsverbot auch ein Beschränkungsverbot beinhaltet (EuGH-Urteil vom 15. Dezember 2005 C-415/93 „Bosman”, Slg. 1995, I-4921). Danach sollen sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von (Berufs-)Tätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher eine Beschränkung dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden (Hinweis auf: VwGH, Erkenntnis vom 20. Februar 2008 2005/15/0135, www.ris.bka.gv.at).

    Nach den Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (=abhängig beschäftigte Grenzgänger im Sinne von Art. 7 Abs. 1 FZA Anhang I und sinngemäß auch selbständige Grenzgänger im Sinne von Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 FZA Anhang I) ist es zwar grundsätzlich Sache des Ansässigkeitsstaates, Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände zu berücksichtigen und nicht des Quellenstaates. Eine steuerliche Berücksichtigung der persönlichen und familienbezogenen Umstände darf bei der Besteuerung im Quellenstaat jedoch nicht verweigert werden, wenn die im Quellenstaat bezogenen und der Besteuerung unterliegenden Einkünfte quasi ausschließlich die erwirtschafteten Einkünfte darstellen. Das Splitting-Verfahren gehört nach der Rechtsprechung in diesem Fall zu den mit einzubeziehenden personen- und familienbezogenen Umständen (EuGHUrteil in Slg. 1995, I-225, „Schumacker”; Hinweis im Übrigen auf das EuGH-Urteil vom 27. Juni 1996 C-107/94 „Asscher”, Slg. 1996, I-3089).

    Da die Rechtsprechung des EuGH zum Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des FZA am 21. Juni 1999 bestanden hat, ist diese gemäß Art. 16 Abs. 2 FZA auch bei der Bestimmung des Umfangs der Freizügigkeit von selbständigen Grenzgängern nach dem FZA zu beachten (vgl. UFSF, Berufungsentscheidung vom 29. Mai 2006 RV/0028-F/06, www.bmf.gv.at).

    2. Die Klägerin und E erzielten im Streitjahr ausschließlich Einkünfte, die im Inland besteuert wurden. In der Schweiz (im Ansässigkeitsstaat der Klägerin und des E) wurden von der ESTV mangels Einkünften keine Steuern festgesetzt. Demnach müssten – entgegen der deutschen Gesetzeslage (Hinweis auf § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2008) – die persönlichen Lebensumstände der Klägerin und des E (unter Einschluss des Splitting-Verfahrens gemäß § 32a Abs. 5 EStG 2008) bei der Einkommensteuerfestsetzung in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt werden. Dazu wäre eine Zusammenveranlagung durchzuführen.

    3. Dem dürfte auch nicht der gesetzliche Vorbehalt lt. Art. 21 Abs. 2 FZA widersprechen.

    Danach ist keine Bestimmung des FZA so auszulegen, dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich –insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden.

    Diese Vorschrift kommt schon deshalb nicht zur Anwendung, weil die Klägerin und E aus der (maßgeblichen) Sicht der durch die Bundesrepublik Deutschland vorgenommenen Besteuerung (VwGH, Erkenntnis vom 20. Februar 2008 2005/15/0135, www.ris.bka.gv.at) mit steuerpflichtigen Ehepaaren, die im Inland ihren Wohnsitz haben und dort ihre Einkünfte erwirtschaften, in einer gleichen Situation befinden. Diese werden – wie die Klägerin und E – mit ihren gesamten im Inland bezogenen Einkünften nur in der Bundesrepublik Deutschland der (Einkommen-)Steuer unterworfen. Bei diesen werden allerdings – obwohl sie sich in einer ansonsten gleichen (einkommensteuerrechtlichen) Situation befinden – die persönlichen Umstände (in die das Splitting-Verfahren mit einzubeziehen ist) bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht berücksichtigt.

    4. Der beschließende Senat ist sich bewusst, dass die Regelungen über Amtshilfe und Informationsaustausch im Bereich der direkten Steuern (vgl. Gundel in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht [Hrsg.], 2. Aufl., § 1 Rn. 147 ff. und Fn. 488 ff., mit umfangreichen Nachweisen) gegenüber der Schweiz im Streitjahr – soweit ersichtlich– nicht zur Anwendung kommen. Eine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Anwendung des Splitting-Verfahrens ergibt sich hieraus schon deshalb nicht, weil sämtliche erforderlichen Unterlagen für eine Entscheidung zugunsten der Klägerin dem Gericht vorliegen (Hinweis auf die Bescheinigungen außerhalb EU/EWR vom 16. März 2010 und die Veranlagungsverfügungen des Gemeindesteueramtes R vom 3. Februar 2010).

    VorschriftenDBA CHE 1971 Art. 4 Abs. 1, DBA CHE 1971 Art. 7 Abs. 1, EStG 2008 § 1 Abs. 3, EStG 2008 § 1a Abs. 1 Nr. 2, EStG 2008 § 26 Abs. 1, EStG 2008 § 26b, EStG 2008 § 32a Abs. 5, EStG 2008 § 26 Abs. 1 S. 1, EStG 2008 § 49 Abs. 1 Nr. 3, AEUV Art. 267 Abs. 1a, AEUV Art. 49, AEUV Art. 45, FGO § 74

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