01.02.2012
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 31.10.2011 – 6 K 179/10
Die Regelung des Art. 6 DBA Niederlande zu verbundenen Unternehmen (entspricht Art. 9 des OECD-Musterabkommens) entfaltet eine „Sperrwirkung” gegenüber § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in den Fällen, in denen das Finanzamt eine Gewinnkorrektur nach nationalem Recht auf rein formale Beanstandungen stützt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe von 70.826 €.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in A. Gegenstand des Unternehmens sind internationale und nationale Speditionsgeschäfte. Die Anteile an der Klägerin werden zu 100 % von einer niederländischen Kapitalgesellschaft gehalten, der B ..., C (im Folgenden: B). Bei der B handelt es sich um die Obergesellschaft der Speditionssparte eines internationalen Reedereikonzerns.
Mit Rechnung vom 31.12.2004 machte die B gegenüber der Klägerin Aufwendungen in Höhe von 70.826 € geltend; der Betrag wurde auf dem Konto „Verwaltungskosten” verbucht (s. Ordner „B”, nach Registerblatt „Verwaltungskosten”). Dieser Rechnung lag ein Vertrag über die konzerninterne Erbringung von Dienstleistungen gegen Kostenumlage zugrunde („concern services cost-sharing agreement”, im Folgenden: Vertrag). Der Vertrag war den Angaben der Klägerin zufolge bereits Ende des Jahres 2003 mündlich geschlossen und am ... 2004 rückwirkend zum ... 2004 schriftlich fixiert worden. Die B hatte sich darin gegenüber der Klägerin verpflichtet, eine Reihe verschiedener Dienstleistungen aus den Bereichen „Management”, „Finance and Control” und „Information & Communication Technology ICT” zu erbringen. Die Leistungen sollten gegenüber der Klägerin jährlich im Nachhinein stunden- und abteilungsweise auf der Grundlage festgelegter Service-Raten abgerechnet werden („all-inclusive fee per spent manhour per Concern Department”). Die Service-Raten sollten jährlich auf der Grundlage der budgetierten Kosten der einzelnen Konzern-Abteilungen (mit Ausnahme bestimmter, vertraglich festgelegter „shareholder costs”) und unter Hinzurechnung eines allgemeinen, ebenfalls jährlich festzulegenden Aufschlags ermittelt werden, wobei dieser Aufschlag fremdüblich sein sollte („at arm's length”). Für das Jahr 2004 wurde dieser Aufschlag für das „Management Department” und das „Finance and Control Department” jeweils auf 2 % und für das „ICT-Department” auf 5 % festgesetzt. Die sich daraus ergebenden Raten betrugen dem Vertrag zufolge für das „Management Department” 161 € pro Stunde, für das „Finance and Control Department” 80 € pro Stunde und für das „ICT-Department” 77 € pro Stunde. Weiterhin war vorgesehen, dass am Jahresende die budgetierten Kosten mit den tatsächlichen Kosten der einzelnen Abteilungen verglichen und gegebenenfalls angepasst werden sollten. Schließlich verpflichtete sich die B, jährliche Berichte über die für die Klägerin geleisteten Dienste zusammenzustellen; aus diesen Berichten sollte sich die konkrete Zuordnung der jeweiligen Kosten ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom ... 2004 samt Anlagen („schedule” I und II, „time sheets” und „cost sheets”) Bezug genommen (s. Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 25.08.2010, Anlagenband).
Am 09.06.2005 ging bei dem Beklagten die Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2004 ein. Die Klägerin erklärte darin einen Gewinn in Höhe von 360.386 €.
Aufgrund der Anrechnung von abzugsfähigen Verlusten aus den Vorjahren setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer für 2004 und ebenso den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer mit Bescheiden vom 11.10.2005 auf 0,00 € fest. Ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer wurde in Höhe von 3.033.143 € festgestellt und ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 3.090.258 €. Alle Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In den Jahren 2006 und 2007 fand eine Betriebsprüfung statt (Prüfungsanordnung vom 26.09.2006). Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Kostenumlage mangels wirksamer vorheriger Vereinbarung gem. § 8 Abs. 3 KStG im Streitjahr 2004 als vGA zu berücksichtigen sei. Das Einkommen für 2004 sei um 70.826 € zu erhöhen und Kapitalertragsteuer in Höhe von 17.703 € zu entrichten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Leistungen zwischen einer Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter (u. a.) nur dann anzuerkennen, wenn ihnen eine wirksame, vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung zugrunde liege. Diese Voraussetzungen erfülle der Vertrag vom ... 2004 nicht.
Mit Bescheiden vom 07.04.2008 und vom 02.05.2008 änderte der Beklagte den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2004, allerdings ohne dass sich dies auf die Höhe der auf 0 € festgesetzten Steuer auswirkte. Mit Bescheid vom 23.04.2008 setzt er den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2004 auf 3.038.559 € herab und ebenso mit Bescheid vom 02.05.2008 den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer auf 2.981.444 €.
Die Klägerin legte gegen diese Bescheide am 13.05.2008 Einspruch ein und machte zur Begründung geltend: Die B erbringe als Obergesellschaft zentrale Dienstleistungen gegenüber ihren weltweit ansässigen Tochtergesellschaften. Da das Entgelt nach Stundensätzen für die von den Mitarbeitern der B geleistete Arbeit und die Stundensätze wiederum auf der Grundlage der bei der B aufgelaufenen Kosten kalkuliert werden sollten, sei es nicht möglich gewesen, die zu Grunde zu legenden Stundenvolumina bereits im Vorhinein genau festzulegen. Aus diesem Grund sei der bereits Ende des Jahres 2003 mündlich geschlossene Vertrag erst am ... 2004 für das Streitjahr schriftlich fixiert worden; erst zu diesem Zeitpunkt hätten die erforderlichen Daten für die Berechnung der Stundensätze vorgelegen. Eine vGA liege demnach nicht vor; denn der Zahlung habe eine klare und wirksame schuldvertragliche Abrede zugrunde gelegen, die auch durchgeführt worden und lediglich zum Zeitpunkt der Leistungserbringung noch nicht schriftlich fixiert gewesen sei. Eine im Voraus geschlossene schriftliche Vereinbarung verlange die einschlägige BFH-Rechtsprechung nicht. Deshalb sei es schon rechtswidrig, wenn der Beklagte allein aufgrund der fehlenden schriftlichen Fixierung eine vGA annehme. Letztlich komme es darauf aber auch gar nicht an; denn im Streitfall sei Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande zu berücksichtigen und dieser entfalte eine sog. Sperrwirkung, die die Annahme einer vGA allein aufgrund einer fehlenden vorherigen schriftlichen Fixierung des den Leistungen zugrunde liegenden Vertrages ausschließe.
Im weiteren Einspruchsverfahren legte die Klägerin auf Verlangen des Beklagten mit Schreiben vom 29.10.2009 und mit E-Mail vom 23.11.2009 weitere Unterlagen über die von der B erbrachten Serviceleistungen vor, um auf diese Weise nachzuweisen, dass die Ende 2003 mündlich geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt worden seien.
Der Beklagte stellte daraufhin mit Schreiben vom 04.02.2010 fest, die Klägerin habe ausreichend glaubhaft gemacht, dass im Jahr 2004 bereits vor der schriftlichen Abfassung des Dienstleistungsvertrags am ... 2004 „solche wie die vereinbarten Dienstleistungen erbracht” worden seien. Ungeachtet dessen bleibe es dabei, dass eine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung über die Leistungen im Jahr 2004 fehle. Die Ende des Jahres 2003 geschlossene mündliche Vereinbarung genüge nicht, da ein außen stehender Dritter nicht zweifelsfrei hätte erkennen können, ob die Leistungen der B auf Grund einer entgeltlichen Vereinbarung mit der Tochter erbracht worden seien. Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass die behauptete mündliche Vereinbarung tatsächlich nicht getroffen worden sei und dass die der B für ihre Leistungen entstandenen Kosten erst nachträglich und grob geschätzt auf die Tochter hätten umgelegt werden sollen. Des Weiteren habe die B entgegen dem Wortlaut der vorliegenden vertraglichen Vereinbarung keinen Einzelnachweis für die ihr entstandenen Aufwendungen erbracht. Die Aufstellungen über die Jahresarbeitsstunden und die damit im Zusammenhang stehenden Kosten seien nicht so detailliert, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sie als Grundlage für die Zahlung des Rechnungsbetrags akzeptiert hätte. Schließlich entfalte Art. 6 DBA-Niederlande nach Verwaltungsauffassung keine Sperrwirkung gegenüber § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; auf Tz. 6.1.1 des BMF-Schreibens vom 12.04.2005 (BStBl. I 2005, 570) werde insoweit verwiesen.
Der Einspruch der Klägerin wurde mit Entscheidung vom 02.08.2010 in Bezug auf die hier angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide als unbegründet zurückgewiesen. Ergänzend führte der Beklagte aus, dass die Gründe, die die Klägerin für die (erst) nachträgliche schriftliche Fixierung des Dienstleistungsvertrags angegeben habe, nicht überzeugend seien. Nach dem Vertrag hätten sich die Leistungen im Wesentlichen nach den entstehenden budgetierten Kosten richten sollen. Nach der für einen Konzern anzunehmenden Finanzplanung dürften diese aber bereits zu Beginn des Jahres 2004 festgestanden haben, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine klare Regelung möglich gewesen wäre.
Am 26.08.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren, dass die Sperrwirkung des Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande der Annahme einer vGA aus formellen Gründen entgegenstehe. Ungeachtet dessen sei ihr bisheriges Vorbringen bereits dem Anschein nach geeignet, das Vorliegen einer inhaltlich nicht unangemessenen Vereinbarung nachzuweisen; denn das gegenüber der B aufgewendete Entgelt stehe augenscheinlich in einem angemessenen Verhältnis zu den im Vorverfahren beschriebenen Leistungen durch die Muttergesellschaft in den Niederlanden. Ein Antrag auf Vernehmung zweier Zeugen aus Portugal und aus den Niederlanden zum Nachweis für die Angemessenheit der streitigen Leistungen unterbleibe daher zunächst, da die betreffenden Personen nicht mehr im Konzern beschäftigt und die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu dem Klagebegehren stehen würden.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 vom 02.05.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.08.2010 dahin gehend zu ändern, dass der festgestellte Verlust in Höhe von 2.981.444 € um 70.826 € erhöht und mithin ein Verlust in Höhe von 3.052.270 € festgestellt wird,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 vom 23.04.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.08.2010 dahin gehend zu ändern, dass der festgestellte Verlust in Höhe von 3.038.559 € um 70.826 € erhöht und mithin ein Verlust in Höhe von 3.109.385 € festgestellt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt auf die im Einspruchsverfahren gewechselten Schreiben Bezug und hat ergänzend vorgetragen, dass auf eine Prüfung der Angemessenheit der der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge bislang verzichtet worden sei; denn eine Unangemessenheit würde sich (möglicherweise) nur in Höhe der Gewinnaufschläge ergeben, und da es sich insoweit nur um wenige Prozent handle, sei diese Frage zunächst zurückgestellt worden. In der mündlichen Verhandlung ist die (materielle) Angemessenheit der Höhe der geleisteten Zahlungen unstreitig gestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einspruchs- und im Klageverfahren, insbesondere auch auf das Schreiben der Klägerin vom 29.10.2009 und auf die E-Mail vom 23.11.2009 (beide samt Anlagen, s. Rechtsbehelfsakte Bl. 23-91) sowie auf das Antwortschreiben des Beklagten vom 04.02.2010 (s. Rechtsbehelfsakte Bl. 95 ff.), und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 31.10.2011 Bezug genommen.
Dem Gericht haben folgende Akten vorgelegen: je ein Band Körperschaftsteuer, Gewerbesteuerakten, Betriebsprüfungsakten, Akten „Bp-Bericht und Arbeitsbogen”, Akten „betr. Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals” und Rechtsbehelfsakten sowie ein Leitzordner „B (Germany) GmbH”.
Gründe
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die der Klägerin von der Muttergesellschaft B in Rechnung gestellten und als Verwaltungskosten verbuchten Aufwendungen in Höhe von 70.826 € stellen keine vGA dar.
1. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) mindern vGA das Einkommen nicht.
a) Unter einer vGA im Sinne dieser Regelung ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (BFH-Urteile vom 05.03.2008 I R 12/07, DStR 2008, 1037 = BFHE 220, 454; und vom 22.10.2003 I R 37/02 BStBl. II 2004, 121 = BFHE 204, 96, jeweils m. w. N.).
Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt eine solche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vor allem dann an, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter dem Grunde oder der Höhe nach nicht gewährt hätte (sog. materieller Fremdvergleich - vgl. BFH-Urteil vom 05.03.2008 a. a. O., m. w. N.; s. auch Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 340 ff.; Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, Freiburg 2011, Anhang zu § 8 KStG Rz. 174 ff.). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch bereits dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (sog. formaler oder formeller Fremdvergleich - vgl. BFH-Urteile vom 05.03.2008 a. a. O.; und vom 17.12.1997 I R 70/97, BStBl. II 1998, 545 = BFHE 185, 224, m. w. N.; s. auch Frotscher a. a. O., Rz. 116 ff.; Gosch a. a. O., Rz. 318 ff.).
Allerdings dürfen die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs, dem die Geschäftsbeziehungen einer Kapitalgesellschaft zu ihrem beherrschenden Gesellschafter zu unterziehen sind, nicht im Sinne von absoluten Tatbestandsvoraussetzungen verstanden werden. Sie sind vielmehr indiziell dahin gehend zu würdigen, ob sie den Rückschluss zulassen, dass die betreffenden Leistungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1997 I R 24/97, BStBl. II 1998, 573 = BFHE 184, 482, unter Hinweis auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.1995 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34, und vom 15.08.1996 2 BvR 3027/95, DStR 1997, 53). Das gilt insbesondere auch für den sog. formalen Fremdvergleich. Denn auch bei Geschäften zwischen voneinander unabhängigen Geschäftspartnern kommt es regelmäßig vor, dass rückwirkende Vereinbarungen getroffen und Leistungen erbracht werden, ohne dass bereits im Voraus eine Vereinbarung bzw. eine in allen Einzelheiten ausformulierte Vereinbarung abgeschlossen wurde (vgl. auch Frotscher a. a. O., Rz. 120a).
b) Ist nach diesen Grundsätzen eine vGA dem Grunde nach anzunehmen, so ist der Gewinn um die Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Preis und dem Preis zu erhöhen, den voneinander unabhängige Vertragspartner unter vergleichbaren Umständen vereinbart hätten (sog. Fremdvergleichspreis, vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2001 I R 103/00, BStBl. II 2004, 171).
Ausgangspunkt für die Bestimmung des letztgenannten Preises ist regelmäßig der in § 9 Abs. 2 BewG definierte gemeine Wert (Verkehrswert, Einzelveräußerungspreis), der mit einem angemessenen Gewinnaufschlag zu versehen ist (vgl. etwa BFH-Urteile vom 22.12.2010 I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019; vom 05.03.2008 I R 8/06, BFHE 220, 276 = BFH/NV 2008, 1057; und vom 04.12.1996 I R 54/95, BFHE 182, 123 = DStR 1997, 492). Bei Leistungen, für die kein Marktpreis feststellbar ist, wird der angemessene Wert in der Regel zwischen den Selbstkosten des Leistenden einerseits und den Kosten des Leistungsempfängers im Falle eigener Leistungserbringung liegen (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 87/02, BFHE 205, 181 = BFH/NV 2004, 736; ebenso Frotscher a. a. O., Rz. 271b).
Allerdings wird sich auch nach diesen Grundsätzen der „angemessene” Wert einer Leistung nicht immer exakt bestimmen lassen. Das gilt insbesondere für Warengeschäfte und für Dienstleistungen. Hier ist die Wertbildung von so vielen Faktoren und Umständen abhängig, dass nicht ein bestimmter Wert, sondern lediglich eine Bandbreite von Werten ermittelt werden kann (sog. Bandbreitenbetrachtung, vgl. BFH-Urteile vom 22.12.2010 I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019; und vom 06.04.2005 I R 22/04, BStBl. II 2007, 658, unter II.3 mit weiteren Nachweisen; so auch Gosch, a. a. O., Rz. 312 und 385). Dem Steuerpflichtigen steht es in solchen Fällen frei, die Bandbreite auszuschöpfen; jeder Preis innerhalb der Bandbreite ist als angemessen anzusehen (vgl. etwa Gosch a. a. O., Rz. 312 f., m. w. N.).
2. Allerdings bestimmt Art. 6 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet (BStBl. I 1960, 381 - im Folgenden: DBA Niederlande), dass, wenn ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten vermöge seiner Beteiligung an der Geschäftsführung oder am finanziellen Aufbau eines Unternehmens des anderen Staates mit diesem Unternehmen wirtschaftliche oder finanzielle Bedingungen vereinbart oder ihm solche auferlegt, die von denjenigen abweichen, die mit einem unabhängigen Unternehmen vereinbart würden, dann diejenigen Einkünfte, die eines der beiden Unternehmen üblicherweise erzielt hätte, aber wegen dieser Bedingungen nicht erzielt hat, den Einkünften dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden dürfen.
Die Regelung entspricht im Wesentlichen Art. 9 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (im Folgenden: OECD-MustAbk). Sie lässt Gewinnkorrekturen aufgrund nationaler Rechtsvorschriften zwischen verbundenen Unternehmen, die in unterschiedlichen Vertragsstaaten ansässig sind, unter der Voraussetzung zu, dass der vereinbarte (oder auferlegte) Preis einem Fremdvergleich nicht standhält. Sie gilt insbesondere auch für die Beteiligung einer Muttergesellschaft an einer Tochtergesellschaft (vgl. Art. 9 Ziff. 1 des Kommentars zum OECD-MustAbk) und erfasst tatbestandlich sowohl wirtschaftliche als auch finanzielle Beziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen, somit also den gesamten Lieferungs- und Leistungsverkehr einschließlich Serviceleistungen im Konzern und Konzernumlagen (vgl. auch Tz. 2.4 der Verrechnungspreisgrundsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in: Becker/Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Stand: Dez. 2010, Bd. II; ebenso: Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 9 Rz. 62; Eigelshoven in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008, Art. 9 Rz. 48; Becker in: Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, II MA Art. 9 Rz. 18).
Die Bedeutung dieser Regelung liegt darin, dass sie (wie DBA-Regelungen im Allgemeinen) die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Besteuerungsbefugnisse beschränkt und auf diese Weise festlegt, welcher der beteiligten Staaten welchen Gewinn der Besteuerung unterwerfen darf (vgl. auch BFH-Urteil vom 12.03.1980 - I R 186/76, BStBl. II 1980, 531). Das legt den Schluss nahe, dass Gewinnkorrekturen im Anwendungsbereich des Art. 6 DBA Niederlande tatsächlich auch nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn die jeweiligen zwischen den verbundenen Unternehmen getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der Angemessenheit, also der Höhe der vereinbarten Leistung, nicht dem entsprechen, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter gewährt hätte.
In diesem Sinne hat das FG Köln mit Urteil vom 22.08.2007 (Aktz. 13 K 647/03, EFG 2008, 161 - rechtskräftig) entschieden, dass Art. 4 DBA Großbritannien, der seinem Inhalt nach ebenfalls Art. 9 OECD-MustAbk (und damit Art. 6 DBA Niederlande) entspricht, eine Sperrwirkung gegenüber § 8 Abs. 3 KStG für diejenigen Fälle entfaltet, in denen die Gewinnkorrektur nach nationalem Recht auf rein formale Beanstandungen gestützt wird. Eine Gewinnkorrektur sei - so das FG Köln - nur in Bezug auf solche Sachverhaltsumstände zulässig, die die Angemessenheit (also die Höhe) der Vereinbarung berühren. Es komme demzufolge nicht darauf an, ob die den Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen zugrunde liegenden Bedingungen im Vor- oder erst im Nachhinein vereinbart worden seien (FG Köln a. a. O.; offen gelassen in BFH-Urteil vom 09.11.2005 - I R 27/03, BStBl. II 2006, 564, unter C.3).
Diese Ansicht entspricht der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum, der zufolge insbesondere die formalen Sonderbedingungen, denen nach der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG beherrschende Gesellschafter unterworfen werden, bei grenzüberschreitend verbundenen Unternehmen unberücksichtigt bleiben müssen; allein auf das Fehlen von klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung kann eine Gewinnkorrektur demnach nicht gestützt werden (so Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 16.289 ff. und 18.87; Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl. 2000, Rz. S 121; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 188 ff.; Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, Freiburg 2011, Anhang zu § 8 KStG Rz. 31a und 173; Eigelshoven in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008, Art. 9 Rz. 27; Baumhoff in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 9 Rz. 220; Becker in: Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, II MA Art. 9 Rz. 10; Baumhoff/Greinert IStR 2008, 353; Mank/Nientimp DB 2007, 216; Schnieder IStR 1999, 65; Bellstedt FR 1990, 65).
Dem wird entgegen gehalten, dass Rechtsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, die auf gesellschaftsrechtlichen Grundlagen beruhen, nicht in den Regelungsbereich des Art. 9 OECD-MustAbk fielen; das Tatbestandsmerkmal „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen” schließe solche Beziehungen nicht mit ein (vgl. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 9 Rz. 128. 8; Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, Diss. 2004, S. 120 ff.). Ebenso vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass Leistungen an einen beherrschenden Gesellschafter ohne vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung vom Regelungsbereich des Artikel 9 OECD-MustAbk - von vornherein - nicht erfasst werden (vgl. BMF-Schreiben vom 12.04.2005, BStBl. I 2005, 570, Tz. 6.1.1 - Verwaltungsgrundsätze-Verfahren).
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des FG Köln an. Er versteht das in Art. 6 DBA-Niederlande verwendete Tatbestandsmerkmal „wirtschaftliche oder finanzielle Bedingungen” - entsprechend dem Tatbestandsmerkmal „kaufmännische oder finanzielle Bedingungen” in Art. 9 DBA-MustAbk - in einem umfassenden Sinne, der alle zwischen verbundenen Unternehmen vorkommenden Leistungsbeziehungen mit einschließt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen des FG Köln in dem genannten Urteil verwiesen.
3. Vor diesem Hintergrund kommt es im vorliegenden Streitfall auf die Frage, ob die den streitigen Leistungen zwischen der Klägerin und der B zugrunde liegenden Vereinbarungen einem formalen Fremdvergleich standhalten, nicht an. Die von der B gegenüber der Klägerin (inzwischen unstreitig) erbrachten Dienstleistungen beruhen auf Leistungsbeziehungen, die in den Regelungsbereich des Art. 6 DBA-Niederlande fallen. Es war daher nur zu prüfen, ob die Bedingungen, zu denen diese Dienstleistungen erbracht worden sind, von dem abweichen, was unabhängige Unternehmen miteinander vereinbart hätten. Das ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht der Fall.
Die Höhe der vereinbarten Stundensätze ist schon dem ersten Anschein nach nicht unangemessen. Die Klägerin hat dem Beklagten gegenüber im Einzelnen dargelegt, wie die mit der B vereinbarten Preise zustande gekommen sind. Dementsprechend hat auch der Beklagte im Klageverfahren eingeräumt, dass jedenfalls in der Höhe der eigenen Kosten der B eine Angemessenheit der Stundensätze tatsächlich nicht in Frage gestellt werde; lediglich die Gewinnaufschläge hat der Beklagte „möglicherweise” zunächst noch für unangemessen gehalten.
Ob der Beklagte allein mit diesem Hinweis seiner Darlegungslast nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung genügt hätte (s. dazu BFH-Urteil vom 17.10.2001 - I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; ferner: Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 495 ff.), braucht hier nicht entschieden zu werden. Die vereinbarten Gewinnaufschläge betragen zwischen 2% und 5% der eigenen Kosten der B; in absoluten Zahlen ergibt das für das Streitjahr insgesamt 631,37 € für die Leistungen des „Management Department”, 180,39 € für das „Finance and Control Department” und 1.026,67 € für das „ICT-Department”. Der erkennende Senat geht davon aus, dass diese Beträge - sowohl prozentual als auch absolut betrachtet - jedenfalls innerhalb der Bandbreite von zulässigen Werten liegen, die für die streitigen Dienstleistungen auch zwischen fremden Dritten vereinbart worden wären. Der Beklagte hat sich dem inzwischen angeschlossen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 155, 151 Abs.3 FGO, 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nach der Sperrwirkung von Art. 6 DBA-Niederlande bzw. entsprechender DBA-Regelungen gegenüber § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen worden.