21.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122884
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 16.05.2012 – 8 K 1691/06
1. Auch wenn ein in den Anden in Ecuador durchgeführter Spanischsprachkurs für Fortgeschrittene nur Spanisch-Grundkenntnisse vermittelt, diese aber für die berufliche Tätigkeit der teilnehmenden Exportsachbearbeiterin ausreichen, kann der Kurs beruflich veranlasst sein und können deshalb die Kursgebühr als Werbungskosten abgezogen werden (im Streit: durch Arbeitgeberbescheinigung belegtes Erfordernis u.a. spanischer Sprachkenntnisse).
2. Findet der Sprachunterricht in Quito in den Anden werktags jeweils vier Stunden am Vormittag statt, werden die Teilnehmer jeweils per Bus vom Hotel zum Kursort und wieder zurückgefahren und haben sie täglich Übungen bzw. Hausaufgaben in einem zeitlichen Umfang von mindestens 90 Minuten zu erledigen, so kann die Reise nicht nach einem zeitlichen Maßstab in in einen überwiegend beruflich veranlassten sowie in einen „touristischen”, privat veranlassten Teil aufgeteilt werden. Wird kein anderer Aufteilungsmaßstab substantiiert vorgetragen und nachwiesen, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt entsprechend den Grundsätzen des BFH-Urteils VI R 12/10 vom 24.2.2011 von einer hälftigen Aufteilung bzw. einem hälftigen Werbungskostenabzug sämtlicher mit dem Sprachkurs verbundener Reisekosten ausgeht.
Sächsisches FG v. 16.05.2012
8 K 1691 / 06
Tatbestand
Streitig ist, ob die der Klägerin zur Teilnahme an einen Sprachkurs in Ecuador angefallenen Reisekosten in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte als Werbungskosten abziehbar sind.
Die Klägerin war bis zum 31.03.2001 bei der D.GmbH als Exportsachbearbeiterin tätig. Vom 12.03. bis 01.04.2000 nahm sie an einem Spanischsprachkurs für Anfänger in Mexiko teil. Unter dem 27. 06 .2000 bestätigte der Arbeitgeber, dass für ihre Tätigkeit Fremdsprachen (Englisch/Französisch/Koreanisch/ Spanisch/Italienisch) gefordert werden. Im Streitjahr besuchte die Klägerin vom 05.03. bis zum 21.03. einen eigentlich bis zum 23.03.2001 dauernden Spanischsprachkurs für Fortgeschrittene in Quito, Ecuador. Den Hinflug unternahm sie am 03.03. und den Rückflug am 22.03.2001. Unterricht fand jeweils Werktags von 8 Uhr bis 11.55 Uhr statt. Für Übungen/Hausaufgaben fielen einer Bestätigung des Sprachreisenanbieters zur Folge pro Tag mindestens 1,5 Zeitstunden an. Ob die Fahrtzeit vom Hotel zum Kursort und zurück jeweils nur 5 bis 30 Minuten einfach, wie in Werbeunterlagen des Sprachreisenanbieters angegeben, oder aufgrund der Verkehrsverhältnisse tatsächlich eine Stunde einfach betrug, ist zwischen den Beteiligten streitig. In den Werbeunterlagen des Sprachreisenanbieters wird neben dem Sprachkurs unter der Überschrift „Faszination in den Anden: Ecuador” mit den touristischen Vorzügen des Kursortes geworben. Für den Sprachkurs erhielt die Klägerin vom 05. bis zum 08.03. Bildungsurlaub von ihrem Arbeitgeber. Aufgrund eines Sozialplanes wurde ihr für die Zeit vom 09. bis zum 30.03.2001 vor dem Ende ihres Dienstverhältnisses eine Freistellung bei 80 % des Gehaltes gewährt. Im Freistellungsantrag vom 01.03.2001 hatte die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie während dieser Freistellung für ihre berufliche Zukunft ihre sprachlichen Kenntnisse in Spanisch vervollständigen wolle. Ab dem 05.09.2001 war die Klägerin bei einem anderen Arbeitgeber als Exportsachbearbeiterin beschäftigt.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung vom 06 .07.2002 machten die Kläger neben den Kosten für den Sprachkurs Flugkosten in Höhe von 2.243,78 DM und eine Verpflegungspauschale für 21 Tage in Höhe von insgesamt 1.554 DM geltend. Mit Einkommensteuerbescheid vom 16.04.2003 erkannte das damals zuständige Finanzamt Bad Homburg die durch den Sprachkurs in Ecuador entstandenen Kosten insgesamt nicht an. Den dagegen eingelegten Einspruch der Kläger wies das im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung zuständige Finanzamt P. am 17.01.2006 als unbegründet zurück.
Am 14.09.2006 haben die Kläger Klage erhoben.
Mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom 30.03.2012 hat der zu diesem Zeitpunkt zuständige Beklagte die Kosten des Sprachkurses in voller Höhe sowie die Reisekosten (Flugkosten und Verpflegungsmehraufwand) in Höhe der Hälfte als Werbungskosten der Klägerin anerkannt.
Die Kläger sind der Auffassung, die Reisekosten seien in voller Höhe abziehbar. Eine Aufteilung käme nur bei gemischt beruflich und privat veranlassten Reisen in Betracht. Bei der Sprachreise der Klägerin seien der An- und Abreisetag außer Betracht zu lassen, weil diese auch nicht teilweise für touristische bzw. berufliche Unternehmungen zur Verfügung gestanden hätten. Da es während der Dauer des Sprachkurses keine privaten Anteile an der Reise gegeben habe, stelle sich die Frage, wie die Kosten der privaten Lebensführung und die Werbungskosten aufzuteilen seien, nicht.
Die Kläger beantragen,
den geänderten Bescheid über Einkommensteuer 2001 vom 30.03.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere 1.898,87 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit der Klägerin abzusetzen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolgt. Der zuletzt streitgegenständliche Änderungsbescheid (§ 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –) des Beklagten (zum gesetzlichen Beklagtenwechsel im Falle des Erlasses eines Änderungsbescheides, der nach § 68 Satz 1 FGO zum Klagegegenstand wird, durch ein anderes nunmehr zuständiges Finanzamt vgl. Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl. 2010, § 68 Rz. 80 m.w.N.) ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG –). Dazu zählen Fort- und Weiterbildungsaufwendungen, sofern sie beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammen hängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden. Auch Aufwendungen für der beruflichen Fortbildung dienende Reisen sind als Werbungskosten abziehbar, wenn sie nach diesen Maßstäben durch den Beruf veranlasst sind.
Bei einem a– im Streitfall unstreitig – beruflich veranlassten Fortbildungslehrgang zum Erwerb und zur Vertiefung von Fremdsprachenkenntnissen, der nicht am Wohnort der Klägerin oder in dessen Nähe stattfand (auswärtiger Sprachkurs), ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu bestimmen, ob und ggf. inwieweit neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendung für die mit dem Sprachkurs verbundene Reise beruflich veranlasst und demzufolge als Werbungskosten abziehbar sind. Der vollständige Abzug auch dieser Aufwendungen setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 12/10, BStBl. II 2011, 796). Das ist bei auswärtigen Sprachlehrgängen sowie bei sonstigen Reisen dann der Fall, wenn der Reise offensichtlich ein eng verstandener unmittelbarer beruflicher Anlass (Anordnung durch den Arbeitgeber, Bedingung für eine konkrete Einstellung oder Beförderung, konkretes berufliches Projekt, neuer Aufgabenbereich) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Interessen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2002 VI R 22/01, BStBl 2003 II S. 369 m.w.N.). Gleiches gilt, wenn die berufliche Veranlassung bei Weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 88/02 m.w.N.).
Anders als bei sonstigen der Fortbildung dienenden Reisen besteht bei Sprachreisen für die Wahl eines auswärtigen Kursortes regelmäßig keine unmittelbare berufliche Veranlassung, wenn der Kursort nicht durch den Arbeitgeber vorgegeben wird. Deshalb wird die Ortswahl in diesen Fällen auch von privaten, in der Regel touristischen Interessen des Steuerpflichtigen bestimmt sein (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796). Das wird im Streitfall durch die von der Klägerin vorgelegte Beschreibung des touristischen Wertes des Kursortes unter der Überschrift „Faszination in den Anden: Ecuador” bestätigt.
Umgekehrt ist im Streitfall aber auch der erwerbsbezogene Veranlassungsbeitrag für die Sprachreise der Klägerin nicht von untergeordneter Bedeutung. Ein konkreter beruflicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht beim Erwerb allgemeiner Sprachkenntnisse dann, wenn diese für den Beruf des Steuerpflichtigen erforderlich und ausreichend sind (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796). Das ergibt sich im Streitfall aus der Arbeitgeberbestätigung vom 27. 06 .2000, wonach u.a. spanische Sprachkenntnisse gefordert werden, von einer fachsprachlichen Ausbildung aber nicht die Rede ist. Das die mithin objektiv mit dem Beruf der Exportsachbearbeiter zusammenhängenden Aufwendungen für die Sprachreise auch subjektiv zu dessen Förderung getätigt wurden, belegt das im damaligen zeitlichen Kontext verfasste Schreiben der Klägerin vom 01.03.2001 an ihren Arbeitgeber.
Von daher sind die mit dem Sprachkurs verbundenen Reisekosten der Klägerin nach den Grundsätzen, die der große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/ 06 , BStBl 2010 II S. 672 aufgestellt hat, aufzuteilen. Dabei kommt ein zeitlicher Maßstab nur in Betracht, wenn die maßstabsbildenden, unterschiedlich eindeutig zuzuordnenden Veranlassungsbeiträge nacheinander verwirklicht werden (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796). So liegt es im Streitfall nicht. Der touristische Aspekt des Kennenlernens von Land und Leuten findet bei einem auswärtigem Sprachkurs auch auf der Hin- und Rückfahrt zum bzw. vom Kursort sowie bei der Unterrichtung durch einheimische bzw. ortskundige Dozenten statt. Umgekehrt ist zu berücksichtigen, dass auch bei Freitzeitaktivitäten am Nachmittag/Abend bzw. an den freien Wochenenden die Möglichkeit besteht, sich mit den Besonderheiten der Fremdsprache, die aus beruflichem Anlass erlernt wird, und deren landesüblicher Aussprache und Betonung vertraut zu machen. Wurden die unterschiedlichen Veranlassungsbeitr äge für die Sprachreise der Klägerin teilweise gleichzeitig verwirklicht, ist nach einem anderen als dem zeitlichen Aufteilungsmaßstab aufzuteilen. Da keiner der Beteiligten einen anderen Aufteilungsmaßstab substantiell vorgetragen und nachgewiesen hat, bestehen keine Bedenken, von einer hälftigen Aufteilung sämtlicher mit dem Sprachkurs verbundenen Reisekosten auszugehen (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.