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  • 14.03.2013

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 15.08.2012 – 7 K 7030/11

    1. Außergewöhnliche Belastungen liegen nach § 33 Abs. 1 EStG vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands. Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen

    2. Kosten einer Eheschließung können auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie deshalb besonders hoch sind, weil einer der Ehepartner ausländischer Staatsbürger ist.

    3. Aus Art. 6 Abs. 1 GG lässt sich kein Anspruch auf unbeschränkte Subventionierung ehebedingter Aufwendungen ableiten.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 7. Senat – ohne mündliche Verhandlung am 15. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … Herr … und Herr …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten um den Abzug von Aufwendungen für eine Hochzeit mit einem kanadischen Staatsbürger als außergewöhnliche Belastungen.

    Die Hochzeit dieses kanadischen Staatsbürgers mit der Klägerin fand am 02.01.2010 in Brandenburg statt. Ende 2010 übersiedelte die Klägerin nach Kanada.

    Im Streitjahr fielen Kosten für die Eheschließung i.H.v. 2.082,76 EUR an. Davon entfielen 1.322,38 EUR auf den Flug des Bräutigams zur Hochzeit, den die Klägerin bezahlt hatte. Ferner entfielen 180 EUR auf die Anmietung eines ausgemusterten Flugzeugs als Ort der Eheschließung, weitere 80 EUR als besondere Verwaltungsgebühr für die Vornahme der Amtshandlung in dem Flugzeug. Die restlichen Aufwendungen entfielen im Wesentlichen auf Verwaltungsgebühren und wurden zum Teil auch vom Bräutigam getragen. Im Folgejahr entstanden noch weitere Aufwendungen i.H.v. 700,44 EUR für Dolmetscherdienste. Aufwendungen für Kleidung und die Beköstigung von Gästen werden nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.

    Die Bezüge der Klägerin betrugen im Streitjahr 27.850 EUR. In ihrem Haushalt lebten eine im Jahre 2000 geborene Tochter und ein im Jahr 1989 geborener Sohn, der als Auszubildender einen Bruttoarbeitslohn von 11.782 EUR erzielte. Der kanadische Bräutigam erzielte in 2009 ein Einkommen vor Steuern in Höhe von umgerechnet 38.886 EUR.

    In ihrer Einkommensteuererklärung 2009 machte die Klägerin Aufwendungen für die Eheschließung i.H.v. 2.082,76 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dem folgte der Beklagte nicht und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 18.06.2010 auf 696 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin am 12.07.2010 Einspruch ein, dem der Beklagte hinsichtlich nicht mehr streitbefangener Scheidungskosten teilweise abhalf, indem er mit Bescheid vom 29.12.2010 die Einkommensteuer auf 388 EUR herabsetzte.

    Daraufhin hat die Klägerin am 31.01.2011 Klage erhoben.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 16.03.2011 hat der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

    Die Klägerin macht geltend, dass die Hochzeit mit ihrem Bräutigam zwangsläufig gewesen sei, da sie nur dadurch innerhalb überschaubarer Zeiten zuverlässig eine Aufenthaltserlaubnis in Kanada habe erreichen können. Ferner seien sowohl die Anreise des Bräutigams als auch die Verwaltungsgebühren erforderlich gewesen, um die Hochzeit in Deutschland durchführen zu können. Die Aufwendungen seien auch außergewöhnlich, da es nach wie vor einen Ausnahmefall darstelle, wenn zwei Partner mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten die Ehe eingingen. Bei Ehegatten, die die gleiche Staatsangehörigkeit hätten und aus demselben Herkunftsland kämen, wären die streitigen Aufwendungen nicht oder nur in ganz geringer Größenordnung angefallen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die streitbefangenen Aufwendungen im Wesentlichen getragen habe, da der Bräutigam bei Besuchen in Kanada sämtliche Kosten auch für die Tochter getragen habe und für sämtliche erhebliche Immigrationskosten gerade gestanden habe.

    Die Klägerin beantragt,

    abweichend vom Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 29.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.03.2011 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen i.H.v. 2.082,76 EUR festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält die Klage für unbegründet

    Die Kosten im Zusammenhang mit einer Eheschließung seien nicht zwangsläufig, da diese weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig seien. Ein dauerhaftes Zusammenleben von Partnern sei heute auch ohne Eheschließung ohne weiteres möglich. Ferner seien wesentliche Teile der Aufwendungen dem Bräutigam zuzuordnen. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem besonderen Ort der Eheschließung seien jedenfalls nicht zwangsläufig. Schließlich seien die Eheschließungskosten generell nicht außergewöhnlich, auch wenn man die Höhe der Kosten, verteilt auf zwei Veranlagungszeiträume, im Streitfall betrachte.

    Dem Gericht haben je ein Band Einkommensteuer- und Bilanzakten sowie eine Heftung Einspruchsvorgänge vorgelegen, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuernummer …/ …/ …. geführt werden.

    Entscheidungsgründe:

    Angesichts des Streitwerts von 388 EUR kann das Gericht nach § 94a Finanzgerichtsordnung – FGO – verfahren. Das Gericht übt sein ihm durch diese Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, dass es ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Denn die Sach- und Rechtslage ist zwischen den Beteiligten eingehend erörtert worden und bedarf keiner weiteren Vertiefung durch eine mündliche Verhandlung. Ferner hat die Klägerin auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und der Beklagte keine gegenteilige Äußerung abgegeben.

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des § 100 Abs. 1 und 2 FGO in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat die streitbefangenen Eheschließungskosten zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommenssteuergesetz – EStG – angesehen.

    Außergewöhnliche Belastungen liegen nach § 33 Abs. 1 EStG vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands. Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

    Nach der Auffassung des erkennenden Senats sind die streitigen Aufwendungen der Klägerin schon nicht zwangsläufig erwachsen. Denn die Klägerin war weder rechtlich, noch tatsächlich, noch sittlich verpflichtet eine Beziehung zu ihrem Bräutigam einzugehen und mit ihm einen gemeinsamen Hausstand zu begründen. Der Beklagte weist auch zu Recht darauf hin, dass nach den Lebensverhältnissen im Jahre 2009 ferner das Zusammenleben von Menschen ohne Trauschein weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert ist. Die Eheschließung mag für die Klägerin aus verschiedensten Gründen, unter anderem wegen der damit verbundenen sozialen Absicherung und des erleichterten Zugangs zu einer Aufenthaltsgenehmigung in Kanada wünschenswert gewesen sein. Das Gericht verkennt auch nicht, dass das Zusammenleben von Menschen im Rahmen einer Ehe durch Art. 6 des Grundgesetzes – GG – als grundsätzlich förderungswürdig anerkannt wird. Dem trägt das Einkommensteuerrecht auch unter anderem durch die Gewährung des so genannten Ehegattensplittings Rechnung. Ein Anspruch auf eine gewissermaßen unbeschränkte Subventionierung ehebedingter Aufwendungen lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG jedoch nicht ableiten.

    Jedenfalls sind die streitbefangenen Kosten nicht außergewöhnlich im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG. Ungeachtet des Vordringens so genannter nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist die Ehe nach wie vor eine weit verbreitete Lebensform, so dass die Aufwendungen der Art und dem Grunde nach nicht außergewöhnlich sind. Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass die Ehegatten im Streitfall aus verschiedenen Kontinenten stammen und deshalb mit Reisekosten und Verwaltungsgebühren belastet sind, die bei Eheschließungen von Ehegatten, die zuvor im selben Herkunftsland geboren und ansässig waren, nicht anfallen werden. Aber auch solche Kosten können nicht als außergewöhnlich angesehen werden, da in Zeiten mobiler Lebensgestaltung immer wieder Eheleute mit weit entfernten Wohnorten die Ehe eingehen werden (vergleiche Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 15.04.1992 III R 11/ 91, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 168, 137, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1992, 821). Auch in anderen, ähnlichen Konstellationen werden Reisekosten nicht als außergewöhnlich angesehen (vgl. z. B. BFH vom 15.05.2011 VI B 111/11, juris zu Fahrten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei einem Kind; Finanzgericht München, Urteil vom 08.03.1995 1 K 1007/93, juris zu Reisekosten zu weit entfernt wohnenden Verwandten). Schließlich herrscht auch in der Literatur Einigkeit darüber, dass Eheschließungskosten keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 33 Rz 300 „Familienfeste”; Blümich/Heger, EStG, § 33 Rz 284 „Hochzeit”; Schmidt/Loschelder, EStG, 31. Auflage 2012, § 33 Rz 14, 35 „Hochzeit”).

    Der BFH hat im Urteil vom 15.04.1992 III R 11/91 (a.a.O.) zwar offen gelassen, ob bei völlig aus dem Rahmen fallenden, unvermeidbaren Kosten im Einzelfall Reisekosten anlässlich einer Eheschließung als außergewöhnlich angesehen werden könnten. Dies hat er für einen Betrag von 1.100 DM im Jahr 1986 verneint. Für einen Betrag von ca. 2.800 EUR im Jahr 2009 kann unter Berücksichtigung der in 23 Jahren eingetretenen Geldentwertung und der Verteilung auf zwei Einkommensbezieher nichts anderes gelten.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 33 Abs. 1, EStG § 33 Abs. 2, GG Art. 6 Abs. 1