06.11.2012 · IWW-Abrufnummer 130378
Finanzgericht Münster: Urteil vom 29.06.2012 – 4 K 288/10 F
1) Für die Berechnung der fiktiven Quellensteuer nach dem DBA Portugal ist der Bruttobetrag der Zinsen als Bemessungsgrundlage maßgeblich.
2) Ein Wechselkursverlust führt zu Betriebsausgaben, die die steuerpflichtigen Einkünfte mindern, nicht aber die Bemessungsgrundlage für den Quellensteuerabzug.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Senat in der Besetzung: Präsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 29.6.2012 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anrechenbaren fiktiven ausländischen Quellensteuer.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren Unternehmenszweck das Halten und Verwalten von Immobilien ist. Neben den Kommanditisten ist als einzige Komplementärin die U. Immobilien-Verwaltungs-GmbH beteiligt.
Am 14.1.2002 erwarb die Klägerin eine Geldanlage bei der E-Bank Portugal, die in Britischen Pfund (GBP) gehandelt wurde und eine Laufzeit von 81 Tagen (bis zum 5.4.2002) hatte. Vereinbart wurden ein Anlagebetrag in Höhe von 554.220,00 GBP und ein Zinssatz von 4 % pro Jahr, also Zinsen in Höhe von 4.919,65 GBP für die vereinbarte Laufzeit. Die Kl ägerin zahlte am 14.2.2002 900.000,– EUR an die E-Bank Portugal, den diese zu einem Umrechnungskurs von 0,6158 in den o.g. Anlagebetrag einlöste. Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Einlösungsbetrag (554.220,00 GBP + 4.919,65 GBP = 559.139,65 GBP) zum Fälligkeitszeitpunkt mit einem Umrechnungskurs von 0,6169905 in EUR eingetauscht wird. Entsprechend dieser Vereinbarung erhielt die Klägerin am 5.4.2002 einen Betrag in Höhe von 906.237,05 EUR von der E-Bank Portugal ausbezahlt.
Aufgrund besonderer portugiesischer Vorschriften wurde für die Geldanlage vom portugiesischen Staat keine Quellensteuer einbehalten.
In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 2002 gab die Klägerin Einkünfte aus Portugal in Höhe von insgesamt 31.107,– EUR an, wovon 7.973,63 EUR auf die o.g. Geldanlage entfielen. Diesen Betrag errechnete sie, indem sie den Zinsertrag (4.919,65 GBP) zum vereinbarten Umrechnungskurs (0,6169905) in EUR umrechnete. Die anrechenbare fiktive portugiesische Quellensteuer in Höhe von 15 % gab sie mit 4.666,17 EUR an. Auf die Anlage entfielen 1.196,04 EUR.
Der Beklagte stellte die Einkünfte der Klägerin sowie die anrechenbaren Steuern zunächst erklärungsgemäß fest. Der Feststellungsbescheid vom 28.1.2004 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit geändertem Bescheid vom 31.10.2006 verminderte der Beklagte die ausländischen Einkünfte um 1.736,63 EUR und die anrechenbare Steuer um 260,49 EUR. Der Zinsertrag und damit die Bemessungsgrundlage für die fiktive Quellensteuer seien lediglich in Höhe von 6.237,– EUR anzusetzen. Der Zinsertrag sei um die Kursdifferenz zu vermindern, da es sich dabei nicht um einen echten Kursverlust handele. Der Umrechnungskurs sei vielmehr von vornherein vereinbart gewesen. Der Beklagte wies auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 26.8.2002 (5 K 3050/00) und auf die nachfolgende BFH-Entscheidung vom 19.4.2005 (VIII R 80/02) hin.
Die Klägerin legte am 22.11.2006 Einspruch ein, den sie damit begründete, dass die für die Anrechnung der Quellensteuer maßgeblichen Zinsen gemäß Art. 24 Abs. 2 Buchstabe c) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aus dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Portugal) immer als Bruttobetrag zu berücksichtigen seien. Allenfalls der Anrechnungshöchstbetrag nach § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne durch den Verlust gemindert werden. Da aber sämtliche Gesellschafter dem Spitzensteuersatz unterlägen, greife diese Vorschrift im Streitfall nicht ein. Da es nicht auf den Zinsbegriff des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ankomme, sondern auf den des Art. 11 DBA Portugal, sei die vom Beklagten angegebene Rechtsprechung nicht einschlägig.
Der Beklagte wies den Einspruch am 23.12.2009 als unbegründet zurück. Der vorab festgelegte Kursverlust aus dem Verkauf der Anlage habe ausschließlich die Funktion eines Korrektivs zum Erreichen des Marktzinses der Anlage dargestellt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liege ein einheitliches Geschäft vor, das keine isolierte Betrachtung von Zins und Kursverlust zulasse. Das von den Parteien gewollte wirtschaftliche Ergebnis sei von vornherein der Saldo zwischen Zinsertrag und Kursverlust gewesen.
Am 26.1.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Ergänzend zur Einspruchsbegründung trägt sie vor, dass der Beklagte der Besteuerung einen fiktiven Sachverhalt zugrunde gelegt habe. Die E-Bank Portugal habe auf die Darlehensforderung der Klägerin von 554.220,00 GBP (umgerechnet 900.000,– EUR) lediglich umgerechnet 898.263,37 EUR zurückgezahlt. Dieser Verlust sei nur deshalb nicht in Erscheinung getreten, weil die Klägerin die Zinsen zum niedrigeren Wechselkurs umgerechnet habe. Der Bruttozinsbetrag dürfe nicht nach deutschem Recht, sondern müsse vielmehr nach portugiesischem Recht ermittelt werden. Dies schließe eine Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten aus. Hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Bruttozinsbetrags verweist die Klägerin auf das BFH-Urteil vom 22.6.2011 (I R 103/10, BStBl II 2012, 115).
Die Klägerin beantragt,
den Feststellungsbescheid für 2002 vom 31.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2009 dahingehend zu ändern, dass die anrechenbaren ausländischen Quellensteuern auf 4.666,– EUR statt nur auf 4.406,– EUR festgestellt werden,
hilfsweise für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen,
dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.
Der Senat hat am 29.6.2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Feststellungsbescheid für 2002 vom 31.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2009 ist hinsichtlich der anrechenbaren ausländischen Quellensteuern rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO). Die anrechenbaren portugiesischen Quellensteuern sind um 260,– EUR zu niedrig festgestellt worden.
Der anrechenbare Betrag der auf die streitige Geldanlage entfallenden fiktiven portugiesischen Quellensteuer gemäß Art. 24 Abs. 2 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) DBA Portugal beträgt 7.973,63 EUR * 15 % = 1.196,04 EUR. Nach dieser Vorschrift wird auf die deutsche Einkommensteuer die entsprechende portugiesische Steuer angerechnet, die nach dem Recht Portugals und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlt worden ist für Zinsen, auf die Art. 11 Abs. 2 Anwendung findet. Für Zwecke der Anrechnung wird gemäß Art. 24 Abs. 2 Buchst. c) DBA Portugal davon ausgegangen, dass die auf Zinsen in diesem Sinne anzurechnende portugiesische Steuer 15 v.H. des Bruttobetrags der Zinsen beträgt. Diese fiktive Anrechnung greift auch in den Fällen ein, in denen tatsächlich gar keine Quellensteuer in Portugal erhoben wurde. Dies folgt aus dem Zweck der Regelung, die in Portugal gewährten Steuervergünstigungen als Anreiz für deutsche Investoren zu erhalten (vgl. Raber in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Portugal, Art. 24 Rn. 39).
Gemäß Art. 11 Abs. 2 DBA Portugal müssen die Zinsen aus Portugal stammen. Zinsen im Sinne dieser Vorschrift sind Einkünfte aus öffentlichen Anleihen, aus Schuldverschreibungen, auch wenn sie durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet sind, und aus Forderungen jeder Art sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, aus dem sie stammen, den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind (Art. 11 Abs. 4 DBA Portugal).
Die Erträge der Klägerin aus der Geldanlage bei der E-Bank Portugal stellen Zinsen in diesem Sinne dar, denn es handelt sich bei der Geldanlage um eine „Forderung jeder Art”. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen stand der Klägerin eine Kapitalforderung zu, für die die Bank eine Gegenleistung zahlte.
Auf das portugiesische Steuerrecht ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht abzustellen, da sich der in Art. 11 Abs. 4 DBA Portugal enthaltene Zusatz „… die nach dem Steuerrecht des Staates, aus dem sie stammen …” ausschließlich auf die unmittelbar zuvor genannte Variante („alle anderen Einkünfte”) bezieht und nicht auf die Forderungen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Variante „Forderungen aller Art” auch in Art. 11 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens enthalten ist, während die letzte Variante eine Erweiterung darstellt, die es ermöglichen soll, Einkünfte einzubeziehen, die nach dem innerstaatlichen Recht eines der Staaten wie Zinsen behandelt werden, jedoch nicht von der Definition gedeckt sind (OECD-Musterkommentar Nr. 21 zu Art. 11; so auch BFH-Urteil vom 22.6.2011 I R 103/10, BStBl II 2012, 115).
Die für die Berechnung der fiktiven Quellensteuer zu Grunde zu legende Bemessungsgrundlage beträgt im Streitfall bezogen auf die Anlage 7.973,63 EUR, da gemäß Art. 24 Abs. 2 Buchst. c) DBA Portugal der Bruttobetrag der Zinsen maßgeblich ist. Daraus folgt, dass ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten für Zwecke der Berechnung der Quellensteuer nicht vorzunehmen ist.
Der Verlust, der der Klägerin daraus entstanden ist, dass sie den in GBP erzielten Zinsertrag zu einem vorher vereinbarten Wechselkurs in EUR umtauschen musste, führt im Streitfall zu Betriebsausgaben, die die steuerpflichtigen Einkünfte mindern, nicht aber die Bemessungsgrundlage für den Quellensteuerabzug.
Der Gewinn aus dem Rückkauf einer Fremdwährungsanlage ist steuerbar, wenn der Kurs für den Rückkauf im Anlagezeitpunkt vertraglich festgelegt und von der tatsächlichen Kursentwicklung unabhängig ist, um den Anleger im Sinne einer Festgeldgarantie von jedem Kursrisiko zu befreien (vgl. BFH-Urteile vom 19.4.2005 VIII R 80/02, juris und vom 30.11.2010 VIII R 58/07, BStBl II 2011, 491). Spiegelbildlich ergibt sich daraus, dass im Anlagezeitpunkt bereits feststehende Verluste aus von der tatsächlichen Kursentwicklung unabhängigen Sicherungsgeschäften zu Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten führen (BFH-Urteil vom 22.6.2011 I R 103/10, BStBl II 2012, 115).
Im Streitfall stand aufgrund des bereits zum Anlagezeitpunkt mit derselben Bank vereinbarten Kurssicherungsgeschäfts der Kursverlust bereits fest. Geldanlage und Sicherungsgeschäft standen – wie der Beklagte zutreffend ausführt – in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang. Aus diesem Grund handelt es sich um durch die Erzielung von Einkünften veranlasste Aufwendungen, die als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Erklärung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ergibt sich aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708, Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Frage der Berechnung des Bruttozinses bei Kurssicherungsgeschäften ist bereits höchstrichterlich durch das BFH-Urteil vom 22.6.2011 (I R 103/10, BStBl II 2012, 115) geklärt.