18.04.2012
Finanzgericht Köln: Beschluss vom 06.09.2011 – 13 K 482/07
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Unterfällt der Ausschluss der Anrechnung von Körperschaftsteuer infolge der Steuerfreistellung von Dividendenausschüttungen von Kapitalgesellschaften im Drittland an deutsche Kapitalgesellschaften, für die die nationalen Vorschriften nur voraussetzen, dass die die Dividenden empfangende Kapitalgesellschaft zu mindestens 10% an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist, nur der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV oder auch der Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne der Art. 63 bis 65 AEUV, wenn die tatsächliche Beteiligung der die Dividenden erhaltenden Kapitalgesellschaft 100% beträgt?
2. Sind die Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 AEUV) und ggf. auch zur Kapitalverkehrsfreiheit (bis 1993 Art. 67 EWGV/EGV, jetzt Art. 63 bis 65 AEUV) so zu verstehen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die bei Freistellung der Dividenden von ausländischen Tochtergesellschaften von der Besteuerung die An-rechnung und Auszahlung von Körperschaftsteuer auf diese Dividendenausschüttungen auch für den Fall des Verlustes bei der Muttergesellschaft ausschließt, wenn für Ausschüttungen inländischer Tochtergesellschaften eine Entlastung durch An-rechnung der Körperschaftsteuer vorgesehen ist?
3. Sind die Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 AEUV) und ggf. auch zur Kapitalverkehrsfreiheit (bis 1993 Art. 67 EWGV/EGV, jetzt Art. 63 bis 65 AEUV) so zu verstehen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die die Anrechnung und Auszahlung von Körperschaftsteuer auf Dividenden von (Ur-) Enkelgesellschaften, die im Land der Tochtergesellschaft steuerfrei gestellt und die an die inländische Muttergesellschaft (weiter-)ausgeschüttet und in Deutschland ebenfalls steuerfrei gestellt worden sind, ausschließt, aber bei rein inländischen Gestaltungen ggf. über die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Dividenden der Enkelgesellschaft bei der Tochtergesellschaft und die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Dividenden der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft im Falle des Verlustes bei dieser eine Erstattung ermöglicht?
4. Für den Fall, dass auch die Regelungen über die Kapitalverkehrsfreiheit anzuwenden sind, stellt sich - je nach Beantwortung der Frage 2 - hinsichtlich der kanadischen Dividenden eine zusätzliche Frage:
Ist der heutige Art. 64 Abs. 1 AEUV so zu verstehen, dass er die Anwendung inhaltlich seit dem 31. Dezember 1993 im Wesentlichen unveränderter nationaler und DBA-Regelungen durch die Bundesrepublik Deutschland und damit den andauern-den Ausschluss der Anrechnung kanadischer Körperschaftsteuer auf in Deutschland steuerfrei gestellte Dividenden erlaubt?
Im Namen des Volkes
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Senat in der Besetzung Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 06.09.2011 beschlossen:
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer, die nach dem Vorbringen der Klägerin von ihren Tochter- und Enkelgesellschaften an europäische und kanadische Finanzbehörden abgeführt worden sind, auf die deutschen Körperschaftsteuern für die Streitjahre 1991 bis 2001.
Die Klägerin ist die Holdinggesellschaft einer Firmengruppe. Sie hat seit ihrer Gründung 1988 ihren satzungsmäßigen Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika – USA – und ihre Geschäftsleitung in Deutschland, wo sie seit 1989 mit einer Zweigniederlassung im Handelsregister erfasst ist. Sie ist zu dem Zweck der einheitlichen Leitung der von ihr zu erwerbenden europäischen und kanadischen Tochtergesellschaften der damaligen A Inc. (USA) gegründet worden. Seit 1989 hält sie 99,95% der Anteile an der deutschen B GmbH, mit der und weiteren deutschen Gesellschaften jeweils ein Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag bestand. Sie war in den Streitjahren außerdem u. a. an folgenden ausländischen Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt:
C, Frankreich |
B1, Norwegen |
B2 Ltd., Großbritannien |
B3 S.A./N.V., Belgien |
B4 APS, Dänemark |
D, Kanada |
B5 Inc., Kanada. |
C, Frankreich in 1991 und 1992 jeweils 92,941 %, 1993 bis 1996 jeweils 93,021%, 1997 93,226%, 1998 93,771%, 1999 93,711% und 2000 und 2001 jeweils 93,771%,
B1, Norwegen von 1991 bis 1998 jeweils 100%, 1999 bis 2001 jeweils 0 %,
B2 Ltd., Großbritannien von 1991 bis 2001 jeweils 100%,
B3 S.A./N.V., Belgien in 1991 100%, 1992 98,4%, 1993 und 1994 99,99%, 1995 bis 1998 99,999%, 1999 bis 2001 jeweils 0%,
B4 APS, Dänemark von 1999 bis 2001 jeweils 100%,
B5 Inc., Kanada von 1991 bis 2001 jeweils 100%.
An der norwegischen und der belgischen Gesellschaft war die Klägerin in den Jahren 2000 und 2001 über die dänische Tochtergesellschaft beteiligt, die 99,99 bzw. 100% der Anteile an den Enkelgesellschaften hielt. Es ergaben sich dadurch mittelbare Beteiligungen in entsprechender Höhe.
In den Jahren 2004 bis 2010 ergingen gegenüber der Klägerin ggf. korrigierte Bescheide zur Körperschaftsteuer 1991 bis 2001, mit denen bei Verlusten bzw. Verlustvorträgen zwischen ca. 150 und ca. 840 Millionen DM die Körperschaftsteuer für 1991 ausschüttungsbedingt auf 4.190.788,57 EUR und für 1992 ebenfalls ausschüttungsbedingt auf 2.050.183,81 EUR und für 1993 bis 2001 durchgängig auf 0 EUR festgesetzt wurde. Die Dividenden der ausländischen Tochtergesellschaften beeinflussten auf Grund der Freistellung durch Doppelbesteuerungsabkommen nicht die Bemessungsgrundlagen der Körperschaftsteuerbescheide oder Verlustfeststellungen. Die Festsetzungsverfahren, die den hier streitigen Anrechnungen zu Grunde liegen, befinden sich in folgendem Verfahrensstadium:
Die Körperschaftsteuerbescheide 1991 bis 1994 waren Gegenstand des vor dem erkennenden Senat anhängigen Verfahrens unter dem Aktenzeichen 13 K 170/06. Die Klage ist mit Urteil vom 6. September 2011 abgewiesen worden. Für die Streitjahre 1995 bis 1998 sind die Körperschaftsteuerbescheide bestandskräftig. Die Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2000 sind Gegenstand des vor dem vorlegenden Senat anhängigen Klageverfahrens 13 K 1911/08. Der Körperschaftsteuerbescheid 2001 ist Gegenstand der vor dem vorlegenden Senat anhängigen Klageverfahren 13 K 1911/08 (Teileinspruchsentscheidung I) und 13 K 2604/11 (Teileinspruchsentscheidung II) sowie eines beim Beklagten anhängigen (Rest-)Einspruchsverfahrens.
In den im hier vorliegenden Verfahren streitigen Anrechnungsverfügungen dieser Bescheide wurde teilweise deutsche Körperschaftsteuer (für 1991 bis 1993, 1998, 1999, 2001) und Kapitalertragsteuer (1991 bis 1999, 2001) sowie Zinsabschlagsteuer (1993 bis 1997, 1999 bis 2001) angerechnet. Dies führte dazu, dass die entsprechenden Anrechnungsbeträge an die Klägerin ausgekehrt wurden soweit sie nicht mit der ausschüttungsbedingt festgesetzten Körperschaftsteuer 1991 und 1992 verrechnet wurden. Ausländische Körperschaft- und Kapitalertragsteuer wurde nicht angerechnet.
Die Klägerin begehrte zunächst die Anrechnung der nachfolgend dargestellten nach ihrem Vortrag von ihren Tochter- und Enkelgesellschaften entrichteten ausländischen Steuern:
EUR | C, Frankreich | B1, Norwegen | |||||
Zufluss | Steuersatz | tax credit | Zufluss | Steuersatz | tax credit | ||
1991 | 1.100.992 | 37,00% | 646.614 | ||||
1992 | 556.648 | 34,00% | 286.758 | ||||
1993 | 337.643 | 34,00% | 173.937 | 0 | |||
1994 | 139.270 | 33,33% | 69.624 | 0 | |||
1995 | 136.414 | 33,33% | 68.196 | 0 | |||
1996 | 138.796 | 36,67% | 80.367 | 0 | |||
1997 | 28.275 | 36,67% | 16.372 | 0 | |||
1998 | 28.376 | 36,67% | 16.430 | 0 | |||
1999 | 71.431 | 36,67% | 41.360 | 0 | |||
2000 | 93.711 | 36,67% | 54.261 | 31.690.298 | 28,00% | 12.324.004 | |
2001 | 93.943 | 36,67% | 54.396 | 8.962.981 | 28,00% | 3.485.603 | |
Summe | 2.725.499 | 1.508.315 | 40.653.279 | 15.809.607 |
EUR | B2 Ltd.,UK | D, Canada | |||||
Zufluss | Steuersatz | tax credit | Zufluss | Steuersatz | tax credit | ||
1994 | 0 | 3.056.500 | 10,00% | 305.650 | |||
1995 | 0 | 6.126.023 | 10,00% | 612.826 | |||
1996 | 0 | 6.089.604 | 10,00% | 608.960 | |||
1997 | 1.188.762 | 33,00% | 585.510 | 6.718.240 | 10,00% | 671.824 | |
1998 | 78.763 | 31,00% | 35.386 | 8.558.018 | 10,00% | 855.801 | |
1999 | 4.875.986 | 31,00% | 2.190.660 | ||||
2000 | 0 | ||||||
2001 | 355.014 | 31,00% | 159.499 | ||||
Summe | 6.498.525 | 2.971.055 | 30.548.385 | 3.055.061 |
EUR | B3 S.A./ N.V.,Belgien | B5 Inc., Kanada | |||||
Zufluss | Steuersatz | tax credit | Zufluss | Steuersatz | tax credit | ||
2000 | 140.859.596 | 40,17% | 94.573.457 | 151.701.306 | 35,60% | 83.859.728 | |
2001 | 19.459.765 | 40,17% | 13.065.331 | 15.835.316 | 35,60% | 8.753.684 | |
Summe | 160.319.361 | 107.638.788 | 167.536.622 | 92.613.412 | |||
total tax | credit | 223.596.238 |
Zur Begründung verwies er darauf, dass nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe f des Einkommensteuergesetzes – EStG – i.V.m. § 49 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – eine Anrechnung von auf erhaltenen Dividenden lastender Körperschaftsteuer nur dann in Betracht komme, wenn die betreffenden Dividenden als steuerpflichtige Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst worden seien. Daran fehle es im Streitfall, da die bezogenen Dividenden gemäß § 26 Abs. 7 KStG (1991 bis 1993) bzw. gemäß § 8b Abs. 5 KStG steuerfrei gestellt und folgerichtig in den Steuerfestsetzungen nicht als steuerpflichtige Einnahmen angesetzt worden seien.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Sprungklage, die als Einspruchsverfahren fortgeführt wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2007 wies der Beklagte den Einspruch hinsichtlich des Abrechnungsbescheides zur Körperschaftsteuer 1994 als unbegründet zurück. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 7. Februar 2007 erhobenen Anfechtungsklage bezüglich der Abrechnung zur Körperschaftsteuer 1994 und der mit ihr verbundenen Untätigkeitsklage hinsichtlich der Abrechnung zur Körperschaftsteuer 1991 bis 1993 und 1995 bis 2001. Mit ihr verfolgte sie zunächst das Ziel der Anrechnung und Erstattung der oben dargestellten ausländischer Körperschaft- und Kapitalertragsteuer von insgesamt 223.596.238 EUR, inzwischen nur noch die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer in Höhe von 201.966.724 EUR und ausländischer Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.795.525 EUR. Im Einzelnen begehrt die Klägerin die Anrechnung folgender Steuern:
EUR | C, Frankreich | |||
Zufluss | Steuersatz | KöSt-Gutschrift | französischeanrechenbare KESt | |
1991 | 1.100.992 | 37,00% | 646.614 | 279.337 |
1992 | 556.648 | 34,00% | 286.758 | |
1993 | 337.643 | 34,00% | 173.937 | |
1994 | 139.270 | 33,33% | 69.624 | |
1995 | 136.414 | 33,33% | 68.196 | |
1996 | 138.796 | 36,67% | 80.367 | |
1997 | 28.275 | 36,67% | 16.372 | |
1998 | 28.376 | 36,67% | 16.430 | |
1999 | 71.431 | 36,67% | 41.360 | |
2000 | 93.711 | 36,67% | 54.261 | |
2001 | 93.943 | 36,67% | 54.396 | |
Summe | 2.725.499 | 1.508.315 | 279.337 |
EUR | B2 Ltd., UK | |||
Zufluss | Steuersatz | KöSt-Gutschrift | anrechenbarebritische KESt | |
1997 | 1.485.953 | 33,00% | 731.887 | 297.191 |
1998 | 0 | |||
1999 | 6.094.983 | 31,00% | 2.738.326 | 1.218.997 |
2000 | 0 | |||
2001 | 0 | |||
Summe | 7.580.936 | 3.470.213 | 1.516.188 |
EUR | B5 lnc., Kanada | ||
Zufluss | Steuersatz | KöSt-Gutschrift | |
2000 | 151.701.306 | 30,50% | 66.573.955 |
2001 | 15.835.316 | 30,50% | 6.949.311 |
Summe | 167.536.622 | 73.523.266 |
Insgesamt begehrt die Klägerin hinsichtlich der über B4 bezogenen Dividenden aus Belgien und Norwegen für die Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 jedoch nicht mehr als 123.448.418 EUR Anrechnung belgischer und norwegischer Körperschaftsteuer zuzüglich 16.512 EUR dänischer Körperschaftsteuer (insgesamt 123.464.930 EUR), vorrangig für 2000 und hilfsweise für 2001.
Weiterhin beantragt sie für den Fall, dass die Dividendeneinnahmen als steuerpflichtig behandelt würden, die Anrechnung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.795.525 EUR.
Zur Begründung verweist die Klägerin zunächst auf die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union – EuGH – in der Sache Meilicke I, mit der aus ihrer Sicht die Europarechtswidrigkeit des deutschen Anrechnungssystems festgestellt ist. Obwohl es im Streitfall zu keiner Doppelbesteuerung gekommen sei, liege eine Diskriminierung vor. In diesem Zusammenhang verweist sie auf die Entscheidung des EuGH in der Sache Test Claimants in the FII Group Litigation. Zwar habe der EuGH in dieser Entscheidung die Anwendung der Freistellungsmethode nicht generell verworfen, aber zugleich ausgesprochen, dass ein Mitgliedstaat Dividenden aus ausländischen Quellen nicht ungünstiger behandeln dürfe als Dividenden aus inländischen Quellen, es sei denn, diese Ungleichbehandlung betreffe Situationen, die nicht objektiv vergleichbar oder durch zwingende Gründe des allgemeinen Interesses gerechtfertigt seien.
Im Streitfall würden die Auslandsdividenden wegen des Verlustvortrages der Klägerin schlechter behandelt als Inlandsdividenden. Die bloße Freistellung habe nicht den gleichen Effekt wie eine Anrechnung und Erstattung. Die objektiv gegebene Diskriminierung sei auch nicht gerechtfertigt. Die Annahme des Beklagten, eine Rechtfertigung ergebe sich daraus, dass in anderen Fällen die Freistellungsmethode günstiger sei als die Anrechnungsmethode, könne die Diskriminierung im konkreten Einzelfall nicht rechtfertigen. Das Fehlen einer Eigenkapitalgliederung in den Staaten, aus denen die anzurechnende Körperschaftsteuer stamme, könne die Anrechnung nicht ausschließen. Es sei die tatsächlich entrichtete Steuer anzurechnen.
Nach Überzeugung der Klägerin besteht ein Anspruch auf Meistbegünstigung und damit ein faktisches Wahlrecht, wenn ein Mitgliedstaat in europarechtswidriger Weise die Besteuerung für Inländer und Ausländer differenziere. Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, dass das Diskriminierungsverbot für mittelbare Folgeeffekte nicht gelte, verkenne dieser, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine unerlaubte Differenzierung auch dann zu bejahen sei, wenn eine Schlechterstellung nur in bestimmten Fällen eintrete. Eine solche Situation sei im Verlustfall oder bei einem Verlustvortrag bei der inländischen Muttergesellschaft gegeben, da für die Ausschüttungen inländischer Tochtergesellschaften durch die Auszahlung der Körperschaftsteuergutschrift faktisch eine Subvention vorliege.
Zur Anwendung der dargestellten Überlegungen auch auf die Dividenden aus Norwegen verweist die Klägerin auf die Zugehörigkeit Norwegens zum Europäischen Wirtschaftsraum – EWR –. Die Kapitalverkehrsfreiheit gelte insoweit uneingeschränkt.
Bezüglich der Dividenden aus Kanada gälten die Regelungen der Kapitalverkehrsfreiheit ebenfalls. Auch die Sonderregelung des Art. 64 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – (zuvor Art. 57 Abs. 1 EG-Vertrag) ließe keine Diskriminierung in den hier betroffenen Jahren 2000/2001 (B5) zu. Die Rechtslage sei mit der Einführung des § 8b KStG mit Wirkung ab 1994 geändert worden. Dabei müsse auch die Änderung des § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG beachtet werden, die dazu führe, dass die Gesellschafter die von der Kapitalgesellschaft steuerfrei empfangenen Schachteldividenden bei deren Ausschüttung als Dividenden nachversteuern müssten ohne eine Körperschaftsteuergutschrift zu erhalten.
Hinsichtlich der belgischen und norwegischen Körperschaftsteuer beantragt die Klägerin nunmehr eine Anrechnung auf die aus Dänemark bezogenen Dividenden der Jahre 2000 und 2001. Hinsichtlich des vorherigen Begehrens auf unmittelbare Anrechnung von belgischer und norwegischer Körperschaftsteuer weist sie nunmehr darauf hin, dass Sie die entsprechenden Einkünfte nicht unmittelbar von den entsprechenden Enkelgesellschaften erhalten habe. Vielmehr seien die Ausschüttungen an die dänische Zwischenholding erfolgt. Auf die dänischen Einkünfte der dänischen Tochtergesellschaft seien insgesamt 16.512 EUR dänische Körperschaftsteuer angefallen. Im Übrigen seien die Ausschüttungen der dänischen Tochtergesellschaft in Höhe von 123.464.930 EUR abzüglich der 16.512 EUR mit norwegischer und belgischer Körperschaftsteuer belastet.
Die Klägerin vertritt insoweit die Auffassung, dass ein Anspruch auf Anrechnung der belgischen und norwegischen Körperschaftsteuer bestehen müsse, da Deutschland verpflichtet sei, die Klägerin nicht schlechter zu stellen, als befänden sich alle Tochter- und Enkelgesellschaften in Deutschland. Dann hätte die Klägerin die auf den Dividenden der Enkelgesellschaft lastenden Körperschaftsteuern, über die Körperschaftsteuer auf die Dividenden der Tochtergesellschaft anrechnen können.
Hinsichtlich des Einwandes des Beklagten, dass § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchstabe f EStG einer Anrechnung der streitbefangenen Körperschaftsteuern entgegenstehe, weil die entsprechenden Zuflüsse nicht als steuerpflichtige Einnahmen angesetzt worden seien, trägt die Klägerin vor, dass nach ihrem Verständnis eine Erfassung von Amts wegen zu erfolgen habe. Die gemeinschaftsrechtlich gebotene Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer könne nicht dadurch umgangen werden, dass der Beklagte die Erfassung der Dividendeneinnahmen und/oder anrechenbarer Körperschaftsteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen verweigere. Davon zu trennen sei die Frage, ob Deutschland berechtigt sei, derartige Einkünfte zu erfassen, obwohl das inländische Recht dafür keine Rechtsgrundlage vorsehe.
Hinsichtlich des Einwandes des Beklagten bezüglich der Bestandskraft der Steuerfestsetzungen 1995 bis 1998 verweist die Klägerin auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AO. Probleme mit der Bestandskraft und der Festsetzungsverjährung sieht die Klägerin nicht. Nach ihrer Überzeugung ist in dem Antrag auf Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer zugleich der Antrag auf Erfassung bei der Veranlagung zu sehen. Zugleich weist sie darauf hin, dass sie keine Rechtsgrundlage für eine Erfassung der Einkünfte sehe.
Hinsichtlich der Anforderung des Beklagten bezüglich der Darlegung der tatsächlichen Festsetzung und Entrichtung der ausländischen Steuer trägt die Klägerin vor, dass eine derartige Anforderung diskriminierend wirke. Gleichzeitig hat sie mit dem Schriftsatz vom 31. Oktober 2008 Steuerbescheinigungen ihrer ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften nach deutschem Muster vorgelegt. Weiterhin sind Unterlagen über die Gewinnermittlung, die Steuerberechnung und Steuerfestsetzung und die Zahlung der ausländischen Steuern vorgelegt worden. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf S. 17 bis 26 des Schriftsatzes vom 31. Oktober 2008 und die vier Aktenordner „Anlagen” Bezug genommen. Ein Anspruch auf Ermittlung des verwendbaren Eigenkapitals im Sinne der deutschen Eigenkapitalgliederungsvorschriften bestehe nicht. Allerdings ergebe sich aus den vorgelegten Jahresabschlüssen eine entsprechende Gliederung. Die Forderung des Beklagten, die Höhe der nichtabziehbaren Betriebsausgaben im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 KStG darzulegen, sei unberechtigt.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen und verweist in der Sache ebenfalls auf die Entscheidung des EuGH in dem Verfahren Test Claimants in the FII Group Litigation. Er verstehe die Entscheidung so, dass die Freistellungsmethode dann nicht gegen Europarecht verstoße, wenn die Dividenden aus ausländischen Quellen in Deutschland keiner höheren Belastung unterworfen würden als inländische Dividenden. Diese Voraussetzungen seien durch die Steuerfreistellung erfüllt. Nach Überzeugung des Beklagten sind die Auswirkungen der Verlustvorträge für die Vergleichsberechnung auszublenden. Entscheidend sei, dass die Auslandseinkünfte der Klägerin keiner deutschen körperschaftsteuerlichen Belastung unterlegen hätten.
Ein Anspruch auf Anrechnung die deutschen Steuersätze übersteigender ausländischer Körperschaftsteuer bestehe nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich nicht.
Eine Anrechnung ausländischer Steuern scheide im Übrigen schon deshalb aus, weil nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchstabe f EStG eine Anrechnung nur erfolgen könne, wenn die Einnahmen aus der Gewinnausschüttung bei der Veranlagung erfasst worden seien. Ab dem Veranlagungszeitraum 1996 sei zudem Voraussetzung, dass auch die anrechenbare Körperschaftsteuer als Einnahme angesetzt worden sei. Daran fehle es im Streitfall. Die Einnahmen seien wegen des gewährten Schachtelprivilegs in allen Streitjahren bei der Veranlagung nicht erfasst worden. Hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1998 könne eine Erfassung der Einnahmen aus der Gewinnausschüttung bei der Veranlagung bereits deshalb nicht mehr erfolgen, weil die entsprechenden Veranlagungen bestandskräftig seien.
Außerdem fehle es an der erforderlichen Steuerbescheinigung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchstabe b EStG, dem Nachweis der effektiven ausländischen Körperschaftsteuerbelastung, der Ermittlung des verwendbaren Eigenkapitals sowie der Feststellung der Höhe der nichtabziehbaren Betriebsausgaben bei den ausländischen Tochtergesellschaften. An diesem Vorbringen hält der Beklagte hinsichtlich der Anrechnung belgischer und norwegischer Körperschaftsteuer auch nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen mit dem Schriftsatz der Klägerin vom 31. Oktober 2008 fest. Es sei Sache des dänischen Fiskus die von den belgischen und norwegischen Tochtergesellschaften der dänischen Tochtergesellschaft (= Enkelgesellschaften der Klägerin) bescheinigten Körperschaftsteuern in Dänemark anzurechnen. Auf der Ebene der Klägerin könne, wenn man entgegen seiner Rechtsüberzeugung eine Anrechnung für möglich halte, nur die dänische Körperschaftsteuer angerechnet werden.
Hinsichtlich der Dividenden von der kanadischen Tochtergesellschaft komme eine Anrechnung bereits deshalb nicht in Betracht, weil selbst bei einem angenommenen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dieser gemäß Art. 64 Abs. 1 AEUV zulässig sei. Die Rechtslage habe sich seit dem 31. Dezember 1993 nicht geändert. Die Freistellung der ausländischen Schachteldividenden sei bis 1993 durch § 26 Abs. 7 KStG und ab 1994 durch § 8b Abs. 5 KStG gewährt worden. Eine sachliche Änderung sei mit der Regelung in einer anderen Vorschrift nicht verbunden gewesen. Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass auch die neu eingeführte Regelung in § 8b Abs. 7 KStG ab dem Veranlagungszeitraum 1999, die bei Nichtvorliegen von Beteiligungsaufwendungen in Höhe von (mindestens) 5% zu einer Reduktion der Steuerfreiheit auf (höchstens) 95% der Dividendeneinkünfte führe, für die Frage der Anwendbarkeit des Art. 64 Abs. 1 AEUV bedeutungslos sei, weil sie an der vollständigen Steuerfreiheit der Einnahmen nichts ändere.
Soweit die Klägerin vortrage, dass der Entscheidung in dem Verfahren Lakebrink entnommen werden könne, dass dem Nachteil der Versagung der Steuersatzminderung in Verlustfällen nicht entgegengehalten werden könne, dass die gleiche Rechtsvorschrift in anderen Fällen günstiger sei als die Anrechnung, verweist der Beklagte auf seine Überzeugung, dass Fragen der Verlustverrechnung für die Frage der Diskriminierung nicht zu berücksichtigen seien.
Hinsichtlich des geänderten Vorbringens der Klägerin bezüglich der Anrechnung von Kapitalertragsteuer führt der Beklagte aus, dass eine Anrechnung ausländischer Kapitalertragsteuer im Rahmen der Steuerfestsetzung erfolge, da nach § 26 Abs. 1 KStG i.V.m. § 34 c Abs. 1 EStG die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Steuer um die einbehaltene ausländische Steuer ermäßigt werde. Diese Fragen müssten im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens geklärt werden.
Gründe
II.
Das Verfahren wird nach § 74 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ausgesetzt und die Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV über die im Tenor genannten Rechtsfragen eingeholt.
Die Anrufung des Gerichtshofes ist gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV geboten, weil die Auslegung der Art. 52 i. V. m. Art. 58 EWGV (Zeitraum von 1991 bis 1994) und der gleich lautenden Art. 52, 58 EGV (1995 bis 30. April 1999) sowie der inhaltlich unveränderten Art. 43 und 48 des EGV (1. Mai 1999 bis 31. Januar 2003), jetzt in Gestalt der Art. 49 und 53 des AEUV in der Fassung des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist.
Dies gilt ebenso für die für 1991 bis 1993 in Art. 67 EWGV/EGV geregelte Kapitalverkehrsfreiheit i. V. m. der Anpassungsklausel in Art. 109e EWGV sowie die seit 1994 inhaltlich unveränderten Regelungen in Art. 73b bis 73g EGV, die seit dem 1. Mai 1999 in Art. 56 bis 60 des EGV (und Art. 116 EGV) und nunmehr in den Art. 63 bis 66 des AEUV in der Gestalt des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon geregelt sind.
Die Entscheidung über die Klage ist von der Beantwortung der im Tenor genannten Vorlagefragen abhängig. Entsprechen die einschlägigen deutschen Vorschriften dem Unionsrecht, ist die Klage abzuweisen. Je nach Beantwortung der Vorlagefragen könnte die Klägerin mit ihrem Begehren aber ganz oder teilweise obsiegen.
I. Rechtslage nach deutschem und DBA-Recht
1. Rechtslage nach deutschem Recht für die Anrechnung von Steuern
a) für die Streitjahre von 1991 bis 2000
aa) Verweisungsvorschrift des KStG
Nach § 49 Abs. 1 KStG – Steuererklärungspflicht, Veranlagung und Erhebung der Körperschaftsteuer – in den Jahren bis 2000 galt folgende Verweisungsvorschrift:
Auf die Durchführung der Besteuerung einschließlich der Anrechnung, Entrichtung und Vergütung der Körperschaftsteuer sowie die Festsetzung und Erhebung von Steuern, die nach der veranlagten Körperschaftsteuer bemessen werden (Zuschlagsteuern), sind die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes entsprechend anzuwenden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
ab) Anrechnungsvorschrift des EStG
§ 36 Abs. 2 EStG – Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer – hatte folgenden hier interessierenden Inhalt:
Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:
die für den Veranlagungszeitraum entrichteten EinkommensteuerVorauszahlungen (§ 37);
die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder auf die nach § 8 b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nicht angerechnet, wenn die in § 45 a Abs. 2 oder 3 bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist;
die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3 / 7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als verwendet gilt. Das gleiche gilt bei Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a, die aus der erstmaligen Veräußerung von Dividendenscheinen oder sonstigen Ansprüchen durch den Anteilseigner erzielt worden sind; in diesen Fällen beträgt die anrechenbare Körperschaftsteuer höchstens 3 / 7 des Betrags, der auf die veräußerten Ansprüche ausgeschüttet wird. Die Anrechnung erfolgt unabhängig von der Entrichtung der Körperschaftsteuer. Die Körperschaftsteuer wird nicht angerechnet:
in den Fällen des § 36 a;
wenn die in den §§ 44, 45 oder § 46 des Körperschaftsteuergesetzes bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist;
wenn die Vergütung nach den §§ 36 b, 36 c oder § 36 d beantragt oder durchgeführt worden ist;
wenn bei Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen oder sonstigen Ansprüchen durch den Anteilseigner die veräußerten Ansprüche erst nach Ablauf des Kalenderjahrs fällig werden, das auf den Veranlagungszeitraum folgt;
wenn die Einnahmen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden können;
wenn die Einnahmen (seit 1996: oder die anrechenbare Körperschaftsteuer) bei der Veranlagung nicht erfasst werden;
…
b) für das Streitjahr 2001
ba) Verweisungsvorschrift des KStG
Nach § 31 Abs. 1 KStG – Steuererklärungspflicht, Veranlagung und Erhebung der Körperschaftsteuer – galt im Jahr 2001 eine gegenüber der Rechtslage in den Vorjahren inhaltlich unveränderte Verweisungsvorschrift.
bb) Anrechnungsvorschrift des EStG
§ 36 Abs. 2 EStG – Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer – hatte im Jahr 2001 folgenden hier interessierenden Inhalt:
Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:
die für den Veranlagungszeitraum entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 37);
die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder auf die nach § 3 Nr. 40 dieses Gesetzes oder nach § 8 b Abs. 1 und 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nicht angerechnet, wenn die in § 45a Abs. 2 oder 3 bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. In den Fällen des § 8b Abs. 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ist es für die Anrechnung ausreichend, wenn die Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 und 3 vorgelegt wird, die dem Gläubiger der Kapitalerträge ausgestellt worden ist.
(weggefallen)
Dazu galt nach § 52 Abs. 50b EStG sinngemäß folgende Übergangsvorschrift:
§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und Abs. 3 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1999 ist letztmals anzuwenden für Ausschüttungen, für die der Vierte Teil des Körperschaftsteuergesetzes nach § 34 Abs. 10a des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 letztmals anzuwenden ist. § 36 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 ist erstmals für Erträge anzuwenden, für die Satz 1 nicht gilt.
Die Regelung in § 34 Abs. 10a KStG, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits wieder verändert wurde, enthielt neben der Regelung, für welche Lebenssachverhalte das alte KStG noch Anwendung finden sollte, insbesondere Regelungen über die Ausschüttung von Gewinnen im Konzern. Soweit eine deutsche Tochtergesellschaft an eine deutsche Muttergesellschaft Gewinn für Jahre vor 2001 ausschüttete, galt zwar noch das alte Anrechnungsverfahren; zugleich galt aber auch ein erhöhter Steuersatz.
c) Die Festsetzung und die Anrechnung erfolgen nach deutschem Verfahrensrecht in zwei eigenständigen, allerdings regelmäßig miteinander verknüpften Verfahren (vgl. z. B. Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2005, 1988). Während das deutsche Steuerrecht für die Festsetzung von Steuern Regelungen im Vierten Teil der Abgabenordnung (§§ 134 bis 217 AO) enthält, finden sich die einschlägigen Vorschriften über die Anrechnung für die Einkommen- und Körperschaftsteuer in § 36 EStG, die weiteren Vorschiften zu Verwirklichung von Ansprüchen im Fünften Teil der Abgabenordnung (§§ 218 bis 248 AO), dem Erhebungsverfahren. Die Festsetzung der Steuer erfolgt durch Steuerbescheid, die Abrechnung über Vorleistungen durch die so genannte Anrechnungsverfügung.
Bei Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen im Erhebungsverfahren sieht das deutsche Verfahrensrecht mit dem so genannten Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO einen besonderen Rechtsschutzweg vor. Dabei kann die Entscheidung über die Anrechnung, soweit es sich dabei um einen Verwaltungsakt handelt, eine bestandskräftige Regelung sein, die für einen später ergehenden Abrechnungsbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Januar 2005 VII B 177/04, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2005, 457 unter II. 3.).
d) Der Beklagte hat danach mit dem die Anrechnungsverfügungen bestätigenden Abrechnungsbescheid im zutreffenden Verfahren über das Begehren der Klägerin entschieden. Die Klägerin hat dieses Begehren nach der ablehnenden Entscheidung des Beklagten verfahrensrechtlich korrekt zunächst mit dem Einspruch, danach mit der beim beschließenden Senat anhängigen Klage – teilweise als zulässige Untätigkeitsklage – weiterverfolgt.
Der Beklagte hat auch in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH eine Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen im Verfahren über den Abrechnungsbescheid abgelehnt. Das Ergebnis des Steuerfestsetzungsverfahrens ist für das Steuererhebungsverfahren verbindlich; es kann dort nicht auf seine Richtigkeit überprüft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2010 VII B 70/10, BFH/NV 2010, 2274), Einwendungen gegen die materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzung sind im Verfahren über den Abrechnungsbescheid ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 18. April 2006 VII R 77/04, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 212, 29, BStBl II 2006, 578 unter II. 2. b). Mit einem Abrechnungsbescheid wird dargestellt, welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Zeitpunkt seines Erlasses bestehen, nicht aber welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bestünden, wenn die Steuerfestsetzung in anderer Weise erfolgt wäre (BFH a. a. O. a. E.). Spätere Änderungen der Steuerfestsetzung eröffnen allerdings die Möglichkeit einer Korrektur der Anrechnung bzw. des Abrechnungsbescheides (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 43/0 7, BFHE 223, 344, BStBl II 2009, 344).
Da hinsichtlich aller Streitjahre eine Erfassung der Dividenden in den Steuerfestsetzungen unterblieben ist, erweist sich der Abrechnungsbescheid des Beklagten nach nationalem, deutschem Recht auch als materiell rechtmäßig. Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG war die Körperschaftsteuer in den Jahren 1991 bis 1995 nicht anzurechnen, wenn die Dividendeneinnahmen bei der Veranlagung nicht erfasst waren. Für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2000 (2001) musste zusätzlich die Körperschaftsteuer als Einnahme erfasst sein (BFH-Urteil vom 27. April 2005 I R 114/03, BFH/NV 2005, 1988 m. w. N.).
Insoweit gelten keine grundsätzlich anderen Regelungen als hinsichtlich der Anrechnung von Vorauszahlungen auf die Steuerschuld, wie z. B. bei Kapitalertragsteuer oder Lohnsteuer, die ebenfalls nur angerechnet werden können, wenn die zu Grunde liegenden Einkünfte bei der Veranlagung tatsächlich erfasst worden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2010 VII B 130/10, BFH/NV 2011, 197; BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 90/09, BFHE 231, 97, BFH/NV 2011, 338). Denn die Körperschaftsteuer war nach altem Körperschaftsteuerrecht rechtstechnisch so ausgestaltet, dass die Steuergutschrift wirtschaftlich wie eine Vorauszahlung auf die Steuerschuld wirkte (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1990 I R 43/89, BFHE 163, 162, BStBl II 1991, 427 m. w. N.).
Im Veranlagungszeitraum 2001 war für den Regelfall eine Körperschaftsteueranrechnung überhaupt nicht mehr vorgesehen, da das Anrechnungsverfahren durch das so genannte Halbeinkünfteverfahren ersetzt worden ist. Zu diesem neuen Verfahren gehörte als wesentliche Regelung u. a. die generelle Freistellung von Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 EStG (z. B. Dividenden) durch § 8b Abs. 1 KStG. Bei ordentlichen Ausschüttungen von Gesellschaften, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entsprach und die im Jahr 2001 für 2000 oder früher erfolgten, galten noch die Regelungen des Anrechnungsverfahrens.
e) Die Klägerin kann daher mit ihrem Begehren, ausländische Körperschaftsteuer bei einer festgesetzten deutschen Körperschaftsteuer von 0 EUR für die Jahre 1993 bis 2001 an sie auszukehren und bzgl. der Streitjahre 1991 und 1992 auf die ausschüttungsbedingt festgesetzte Körperschaftsteuer anzurechnen, nur obsiegen, wenn sich die Besteuerungsregelungen insoweit als europarechtswidrig erweisen sollten.
Dazu sind nach Überzeugung des Senats in die Betrachtung neben der Regelung über die Anrechnung, die in dem hier streitbefangenen § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe f EStG zwischen ausländischen und inländischen Anrechnungsbeträgen nicht differenziert, die auf die Anrechnung durchschlagenden differenzierenden Regelungen über die Besteuerung von Ausschüttungen inländischer und ausländischer Tochtergesellschaften einzubeziehen.
2. Besteuerung der Ausschüttungen inländischer Tochtergesellschaften
Die Dividenden inländischer Tochtergesellschaften waren in den Streitjahren von 1991 bis 2000 bei der Muttergesellschaft uneingeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Vorbehaltlich einer sofortigen Weiterausschüttung musste die Muttergesellschaft bei einem ansonsten gegebenen eigenem Einkommen größer oder gleich Null diese mit dem so genannten Thesaurierungssatz (50% für 1991 bis 1993, 45% für 1994 bis 1998, später 40%) versteuern. Da die Tochtergesellschaft infolge der Ausschüttung nur den so genannten Ausschüttungssteuersatz entrichten musste (36% bis 1993, danach 30%) ergab sich auch nur eine Anrechnung in dieser Höhe. Bei phasengleicher Ausschüttung von Tochter- und Muttergesellschaft ergab sich durch die Anrechnung eine sofortige vollständige Entlastung von der Körperschaftsteuer bei der Muttergesellschaft. Ansonsten blieb es vorübergehend bei der höheren Belastung bis zur Ausschüttung durch die Muttergesellschaft. Dies gilt sinngemäß für die Belastung mit dem Solidaritätszuschlag (7,5% für 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 und 1993 bis 1997, danach 5,5%).
Wenn die Muttergesellschaft selbst Verluste erlitt und die Dividendenausschüttungen der Tochtergesellschaft diese ganz oder teilweise kompensierte, erfolgte bei der Muttergesellschaft entweder eine Nullfestsetzung oder aber, soweit sich infolge der Ausschüttung der Tochtergesellschaft ein Gesamtgewinn ergab, eine Steuerfestsetzung in Höhe des Thesaurierungs- oder des Ausschüttungssteuersatzes bzgl. des verbleibenden Gewinns (ggfls. ausschüttungsbedingt weitere Festsetzungen). In diesen Fällen konnte es durch die Anrechnung der Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft in Höhe des Ausschüttungssteuersatzes zu einer Erstattung kommen. Dabei ergaben sich keine Differenzen zwischen wesentlichen Beteiligungen und Streubesitz.
Die Anrechnung von Körperschaftsteuer auf die Ausschüttung einer Enkelgesellschaft war nicht vorgesehen. Eine Anrechnung insoweit konnte nur mittelbar erfolgen, indem die Körperschaftsteuer der Enkelgesellschaft bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer gegenüber der Tochtergesellschaft angerechnet wurde und die Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft im Ausschüttungsfall bei der Muttergesellschaft.
3. Rechtslage nach DBA-Recht hinsichtlich der den streitigen Anrechnungen zu Grunde liegenden Festsetzungen
a. Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich 1991 bis 2001
Nach den Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung – DBA Frankreich – durften die Dividendeneinkünfte der Klägerin aus den Ausschüttungen ihrer französischen Tochtergesellschaft in den Streitjahren in Deutschland nicht besteuert werden. Der völkerrechtlich wirksame Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommen wie auch seine wirksame „Transformation” bzw. der „Anwendungsbefehl” in das inländische Recht (vgl. dazu Vogel in Vogel/ Lehner, DBA, 5. Aufl., 2008, Einl. Rdnr. 61 m. w. N.) steht außer Streit.
Nach Art. 9 Absätze 1, 2 und 4 des DBA Frankreich können Dividenden im Sinne des Art. 9 Abs. 6 des DBA, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem anderen Staat besteuert werden. Dabei behält sich jeder der Vertragsstaaten das Recht vor, die Steuer von Dividenden nach seinen Rechtsvorschriften im Abzugsweg (an der Quelle) zu erheben, wobei der Steuerabzug 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen darf.
Dividenden, die eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft zahlt, der mindestens 10 vom Hundert des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören, können abweichend von den Absätzen 2 und 3 in Frankreich nicht besteuert werden.
Das DBA ist grundsätzlich auf die hier betroffenen Lebenssachverhalte anwendbar, da die Klägerin in Deutschland und ihre Tochtergesellschaft in Frankreich im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA Frankreich ansässig sind.
Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a und b, Doppelbuchstabe aa des DBA Frankreich wird die Doppelbesteuerung bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, grundsätzlich dadurch vermieden, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus Frankreich stammenden Einkünfte ausgenommen werden, die nach dem DBA in Frankreich besteuert werden können. Bei Dividenden ist diese Grundregel nur auf die Nettoeinkünfte anzuwenden, die den Dividenden entsprechen, die von einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 vom Hundert des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören.
Der BFH hat in mehreren Entscheidungen (vgl. BFH-Urteile vom 29. Mai 1996 I R 21/95, BFHE 180, 422, BStBl II 1994, 63; vom 19. Mai 2010 I R 62/09, BFHE 230, 18, BFH/NV 2010, 1919 m. w. N.) dargelegt, dass derartige (Schachtel-) Dividenden grundsätzlich nach dem DBA Frankreich in Frankreich besteuert werden können. Dass Art. 9 Abs. 4 Satz 1 DBA Frankreich bei sog. Schachtelbeteiligungen von mindestens 10 v. H. Frankreich insofern ein Quellenbesteuerungsrecht versage, stehe dem nicht entgegen; es genüge für die Anwendung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchstabe aa Satz 1 DBA Frankreich, dass Frankreich gemäß Art. 9 Abs. 2 des DBA allgemein ein Besteuerungsrecht zustehe.
Bei Zugrundelegung dieser durch die Rechtsprechung des BFH geklärten Auslegung des DBA Frankreich sind die der hier streitigen Anrechnung zu Grunde liegenden Dividenden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da sie in Frankreich besteuert werden können und die Klägerin durchgängig in allen Streitjahren zu über 90% an der französischen Tochtergesellschaft beteiligt war. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – (vgl. Beschluss des 2. Senats vom 10. März 1971 (BvL 3/68, BStBl II 1973, 431, 434) bedeutet eine derartige Steuerfreistellung, dass die freigestellten Einkünfte nicht zum Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG gehören und folglich auch nicht unter den zu versteuernden Einkommensbetrag im Sinne der Steuertabellen fallen.
b. Doppelbesteuerungsabkommen mit Großbritannien – 1997 und 1999
Nach den Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung in der bis zum 29. Dezember 2010 geltenden Fassung – DBA Großbritannien – durften die Dividendeneinkünfte der Klägerin aus den Ausschüttungen ihrer britischen Tochtergesellschaft in den Streitjahren in Deutschland nicht besteuert werden. Der völkerrechtlich wirksame Abschluss auch dieses Doppelbesteuerungsabkommens wie auch seine innerstaatliche Anwendung steht außer Streit.
Nach Art. VI Abs. 1 des DBA Großbritannien können Dividenden im Sinne des Art. VI Abs. 4 des DBA, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, auch in dem erstgenannten Staat besteuert werden. Die britische Steuer von Dividenden, die eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person zahlt und die entweder in Deutschland steuerpflichtig oder nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a des DBA in der Bundesrepublik von der Steuer befreit ist, darf 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen.
Das DBA ist grundsätzlich auf die hier streitbefangenen Lebenssachverhalte anwendbar, da unstreitig die Klägerin in Deutschland und ihre Tochtergesellschaft in Großbritannien im Sinne des Art. II Abs. 1 DBA Großbritannien ansässig sind.
Nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a des DBA Großbritannien wird die Doppelbesteuerung bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, grundsätzlich dadurch vermieden, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus Großbritannien stammenden Einkünfte ausgenommen werden, die nach dem DBA in Großbritannien besteuert werden können. Bei Dividenden ist diese Grundregel nur auf die Dividenden anzuwenden, die von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 25 vom Hundert der stimmberechtigten Anteile der erstgenannten Gesellschaft gehören.
Bei Zugrundelegung dieser Vorschriften des DBA Großbritannien sind die hier streitigen Dividenden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da sie in Großbritannien besteuert werden können und die Klägerin durchgängig in allen Streitjahren zu 100% an der britischen Tochtergesellschaft beteiligt war.
c) Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark – 2000 und 2001
Nach den Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei der Nachlass-, Erbschafts- und Schenkungssteuer und zur Beistandsleistung in Steuersachen (Deutsch-dänisches Steuerabkommen) in der bis heute geltenden Fassung – DBA Dänemark – durften die Dividendeneinkünfte der Klägerin aus den Ausschüttungen ihrer dänischen Tochtergesellschaft in den Streitjahren in Deutschland nicht besteuert werden. Der völkerrechtlich wirksame Abschluss dieses Doppelbesteuerungsabkommens wie auch seine innerstaatliche Anwendung steht außer Streit.
Nach Art. 10 Abs. 1 und 2 des DBA Dänemark können Dividenden im Sinne des Art. 10 Abs. 4 des DBA, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, auch in dem erstgenannten Staat besteuert werden. Die dänische Steuer von Dividenden, die eine in Dänemark ansässige Gesellschaft an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person, die der Nutzungsberechtigte ist, zahlt, darf 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen. Wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine Gesellschaft ist, der unmittelbar mindestens 10 vom Hundert des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gehört, darf die dänische Steuer 5 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen (Art. 10 Abs. 3 des DBA).
Das DBA ist grundsätzlich auf die hier streitbefangenen Lebenssachverhalte anwendbar, da die Klägerin in Deutschland und ihre Tochtergesellschaft in Dänemark im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Dänemark ansässig sind.
Nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a des DBA Dänemark wird die Doppelbesteuerung bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, grundsätzlich dadurch vermieden, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus Dänemark stammenden Einkünfte ausgenommen werden, die nach dem DBA in Dänemark besteuert werden können. Bei Dividenden ist diese Grundregel nur auf die Dividenden anzuwenden, die von einer in Dänemark ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 vom Hundert des Kapitals der dänischen Gesellschaft unmittelbar gehören.
Bei Zugrundelegung dieser Vorschriften des DBA Dänemark sind die hier streitigen Dividenden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da sie in Dänemark besteuert werden können und die Klägerin in beiden Streitjahren 2000 und 2001 zu 100% an der dänischen Tochtergesellschaft beteiligt war.
d) Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada – 2000 und 2001
Nach den Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern vom 17. Juli 1981 (gültig bis 31.12.2000) und des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen vom 19. April 2001 in der bis heute geltenden Fassung – DBA Kanada – durften die Dividendeneinkünfte der Klägerin aus den Ausschüttungen ihrer kanadischen Tochtergesellschaft in den beiden Streitjahren in Deutschland nicht besteuert werden. Der völkerrechtlich wirksame Abschluss dieser Doppelbesteuerungsabkommen und ihre innerstaatliche Anwendung steht außer Streit.
Nach Art. 10 Abs. 1 und 2 der DBA Kanada können Dividenden im Sinne des Art. 10 Abs. 3 des DBA, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, auch in dem erstgenannten Staat besteuert werden. Die kanadische Steuer von Dividenden, die eine in Kanada ansässige Gesellschaft an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person, die der Nutzungsberechtigte ist, zahlt, darf 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen.
Für das Jahr 2001 gilt, dass dann, wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine Gesellschaft ist, die mindestens 10 vom Hundert der Stimmrechte der die Dividenden zahlenden Gesellschaft kontrolliert, die kanadische Steuer 5 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen darf (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a des DBA Kanada 2001).
Die DBA sind grundsätzlich auf die hier streitbefangenen Lebenssachverhalte anwendbar, da die Klägerin in Deutschland und ihre Tochtergesellschaft in Kanada im Sinne des Art. 4 Abs. 1 bzw. 4 Abs. 1 Buchst. a DBA Kanada ansässig sind.
Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der DBA Kanada wird die Doppelbesteuerung bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, grundsätzlich dadurch vermieden, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus Kanada stammenden Einkünfte ausgenommen werden, die nach dem DBA in Kanada besteuert werden können. Bei Dividenden ist diese Grundregel nur auf die Dividenden anzuwenden, die von einer in Kanada ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 25 vom Hundert (im Jahr 2000) bzw. mindestens 10 vom Hundert (im Jahr 2001) des Kapitals der kanadischen Gesellschaft unmittelbar gehören.
Bei Zugrundelegung dieser Vorschriften der DBA Kanada sind die hier streitigen Dividenden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da sie in Kanada besteuert werden können und die Klägerin in beiden Streitjahren 2000 und 2001 zu 100% an der kanadischen Tochtergesellschaft beteiligt war.
e) Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien und Norwegen
Nach Überzeugung des beschließenden Senats sind die Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien und Norwegen für den Streitfall ohne Bedeutung, da zwar ein Großteil der Ausschüttungen der dänischen Tochtergesellschaft auf Ausschüttungen der belgischen Enkelgesellschaft bzw. der norwegischen (Ur-) Enkelgesellschaften beruht, dieser Vorgang aber allein durch das DBA Dänemark erfasst wird.
4. Erweiterung der DBA-Rechtslage nach deutschem Körperschaftsteuerrecht hinsichtlich der den streitigen Anrechnungen zu Grunde liegenden Festsetzungen
Da sich die Steuerfreiheit der Dividenden der verschiedenen Tochtergesellschaften unmittelbar aus den gemäß § 2 AO vorrangigen Regelung der DBA mit Frankreich, Großbritannien, Dänemark und Kanada ergibt, kommt es für die konkrete Besteuerung auf die nationalen Vorschriften in § 26 Abs. 7 KStG i. d. F. bis 1993 und § 8b Abs. 5 KStG i. d. F. 1994 bis 2000 für die Besteuerung in diesen Jahren nicht an. Beide nationalen Vorschriften enthielten eine inhaltlich übereinstimmende Regelung, wonach Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden und nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter Voraussetzung einer Mindestbeteiligung von der Körperschaftsteuer befreit sind, ungeachtet der im Abkommen vereinbarten Mindestbeteiligung von der Körperschaftsteuer befreit wurden, wenn die Beteiligung mindestens ein Zehntel betrug.
Anders stellt sich die Rechtslage nach der Abschaffung des nationalen Anrechnungsverfahrens (vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001) dar (vgl. dazu BFH-Urteile vom 23. Juni 2010 I R 71/09, BStBl II 2011, 129; vom 14. Januar 2009 I R 47/08, BFHE 224, 126, BStBl II 2011, 131). Soweit eine Ausschüttung im Jahr 2001 bereits dem neuen Körperschaftsteuerrecht unterfiel, führte bereits die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG bzgl. der Ausschüttungen inländischer wie ausländischer Gesellschaften zur Steuerfreiheit. Die Frage einer Beschränkung des nationalen Steuerrechtes durch ein DBA stellte sich daher nur, wenn auf Grund einer besonderen gesetzlichen Anordnung die Steuerfreistellung nach KStG im Einzelfall unanwendbar blieb.
II. Vereinbarkeit mit Unionsrecht
1. zu Vorlagefrage 1:
Der beschließende Senat hält es für vorrangig streitentscheidend, ob die den angefochtenen Verwaltungsakten zu Grunde liegende Rechts- und Tatsachenlage den inhaltlich in allen Streitjahren unveränderten Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit im Sinne des heutigen Art. 49 AEUV und/oder der Kapitalverkehrsfreiheit in Form der verschiedenen Regelungen in den Jahren 1991 bis 1993 und 1994 bis 2001 unterfällt. Bei der Annahme einer die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängenden Anwendbarkeit der Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit wäre das Begehren der Klägerin hinsichtlich der Anrechnung kanadischer Körperschaftsteuer unbegründet, hinsichtlich der EU- und EWR-Staaten wäre ebenfalls nur noch die Niederlassungsfreiheit zu prüfen.
Der beschließende Senat folgt in seiner bisherigen Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 18. Mai 2010 13 K 4828/06, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 174; vom 24. Februar 2011 13 K 80/06, EFG 2011, 1651) bei der Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die Niederlassungsfreiheit oder unter die Kapitalverkehrsfreiheit (oder unter beide Grundfreiheiten) fällt, der gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen ist (vgl. u. a. EuGH-Urteile vom 24. Mai 2007, Holböck, C-157/05, Slg. 2007, I-4051, Rdnrn. 22 und 23; vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Slg. 2007, I-2107, Rdnrn. 26 bis 34; und vom 3. Oktober 2006, Fidium Finanz, C-452/04, Slg. 2006, I-9521, Rdnrn. 34 und 44 bis 49).
Der Senat folgt ebenso der Rechtsprechung des EuGH, wonach eine in Rede stehende Maßnahme grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Freiheiten zu prüfen ist, wenn sich herausstellt, dass unter den Umständen des Ausgangsfalls eine der beiden Freiheiten der anderen gegenüber völlig zweitrangig ist und ihr zugeordnet werden kann (EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, Fidium Finanz, C-452/04, Slg. 2006, I-9521, Rdnr. 34).
Nationale Vorschriften, die nur auf solche Beteiligungen anwendbar sind, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ermöglichen und deren Tätigkeit zu bestimmen, fallen danach (ausschließlich) unter die Niederlassungsfreiheit (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rdnrn. 31 und 32; vom 18. Juli 2007, Oy AA, C-231/05, Slg. 2007, I-6373, Rdnr. 20; vom 21. November 2002, X und Y, C-436/00, Slg. 2002, I-10829, Rdnr. 37; vom 13. April 2000, Baars, C-251/98, Slg. 2000, I-2787, Rdnr. 22). Insofern betreffen Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit (z.B. EuGH-Urteil vom 26. Juni 2008, Burda, C-284/06, Slg. 2008, I-4571, Rdnr. 68). Wenn mit solchen Vorschriften gleichzeitig Auswirkungen auf die Kapitalverkehrsfreiheit verbunden sind, rechtfertigt dies regelmäßig keine eigenständige Prüfung der jetzigen Art. 63 ff. AEUV, weil diese Auswirkungen lediglich als zwangsläufige Folge einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen sind (z.B. EuGH-Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Slg. 2007, I-2107, Rdnr. 34; EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec, C-492/04, Slg. 2007, I-3775, Rdnrn. 20 ff.).
Demgegenüber unterfallen der Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne von Art. 63 AEUV und Vorgängerregelungen nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere Direktinvestitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschaffen, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen (sogenannte Direktinvestitionen), sowie der Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (so genannte Portfolioinvestitionen) (vgl. EuGH-Urteile vom 16. März 1999, Trummer und Mayer, C-222/97, Slg. 1999, I-1661, Rdnr. 21; vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome, C-182/08, Slg. 2009, I-8591, Rdnr. 40).
Wenn die Prüfung ergibt, dass der den freien Kapitalverkehr betreffende Aspekt der Regelung Vorrang vor dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit hat, wären Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit die unvermeidliche Folge einer eventuellen Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und rechtfertigten damit keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf den jetzigen Art. 49 AEUV (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Oktober 2004, Omega, C-36/02, Slg. 2004, I-9609, Rdnr. 27; vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome, C-182/08, Slg. 2009, I-8591, Rdnr. 51).
Der Senat versteht die hier dargestellte Rechtsprechung des Gerichtshofes bisher so, dass bei einem Sachverhalt wie dem hier streitbefangenen eine Prüfung anhand beider Grundfreiheiten vorzunehmen ist (so z. B. auch EuGH-Urteil vom 22. Dezember 2008, Truck Center SA, C-282/07, Slg. 2008 I-10767, Rdnrn. 30, 51), denn die hier streitbefangenen Regelungen über die Anrechnung von Steuern gelten unabhängig von einer Beteiligungsquote.
Auch die einschlägigen Regelungen für das Festsetzungsverfahren, wie sie sich aus den DBA und den diese ggf. ergänzenden Vorschriften in § 27 Abs. 6 KStG in den Jahren 1991 bis 1993 und § 8b Abs. 5 KStG in den Jahren 1994 bis 2000 ergeben, gelten nicht nur für Beteiligungen, die einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft und deren Tätigkeiten zulassen. Sie gelten zwar nicht für Beteiligungen unter 10%, aber auch 10%ige Beteiligungen lassen in der Regel keinen bestimmenden Einfluss zu (vgl. z. B. EuGH-Urteile vom 13. April 2000, Baars, C-251/98, Slg. 2000, I-2787 zu einer Beteiligungen von 33%; vom 21. Oktober 2010, Idryma Typou AE, C-81/09, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht – EuZW 2011, 149 zu Beteiligungen zwischen 2,5 und 25%).
Der nationale, deutsche Gesetzgeber hat also nicht auf eine wesentliche Beteiligung im Sinne eines Beherrschungsverhältnisses abgestellt (vgl. dazu EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec, C-492/04, Slg. 2007, I-3775, Rdnrn. 21, 22). Auch die Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Richtlinie 1990/435 – Mutter-/ Tochter-Richtlinie – stellte in den hier interessierenden Jahren für die Annahme eines Mutter-Tochter-Verhältnisses auf eine Beteiligungsquote von mindestens 25% ab.
Andererseits war die Klägerin aber in allen Streitjahren zu ca. 93 bis 100% an den verschiedenen jeweils Dividenden ausschüttenden Tochtergesellschaften beteiligt. Auf ein derartiges faktisches Beherrschungsverhältnis hat der Gerichtshof zumindest im Sinne einer Kontrollüberlegung in verschiedenen Verfahren abgestellt (vgl. z. B. EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec, C-492/04, Slg. 2007, I-3775, Rdnr. 23). Dies führt nach dem bisherigen Verständnis des Senats auch zur Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit.
Der Senat sieht sich mit seiner Rechtsprechung bzgl. des Verständnisses der Entscheidungen des Gerichtshofes in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH. Dieser ist bei seiner Entscheidung zu § 8b Abs. 5 KStG 2002 ebenfalls zur Anwendung beider Grundfreiheiten gekommen (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50, BFH/NV 2009, 849).
Demgegenüber vertritt die deutsche Finanzverwaltung (vgl. z. B. Bundesministerium der Finanzen – BMF – vom 11. November 2010 IV C 2 – S 2750-a/07/10006, BStBl I 2011, 40; Landesamt für Steuern Bayern vom 6. Dezember 2010 S 2750a.2.1 – 2/153 St 31, juris; Oberfinanzdirektion – OFD – Niedersachsen vom 11. April 2011 S 2750a – 18 – St 242, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2011, 1274 unter 8.), insbesondere unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Gerichtshofes in den Sachen KBC Bank NV (EuGH-Urteil vom 4. Juni 2009, C-439/07, Slg. 2009, I-4409) und Société de Gestion Industrielle SA – SGI – (EuGH-Urteil vom 21. Januar 2010, C-311/09, Slg. 2010, I-487), die Auffassung, dass im Falle einer Beherrschungssituation die Kapitalverkehrsfreiheit stets durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt wird. Das diese Auffassung ablehnende Urteil des BFH vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50, BFH/NV 2009, 849 ist von der Verwaltung mit der Verfassungsbeschwerde (Az. des BVerfG 2 BvR 862/09), das Urteil des beschließenden Senats in EFG 2011, 1651 mit der Revision (Az. des BFH I R 40/11) angefochten.
2. zur Vorlagefrage 2:
Es stellt sich die Frage, ob die Vorschriften über die Niederlassungs- und/oder die Kapitalverkehrsfreiheit dahingehend auszulegen sind, dass sie dem Ausschluss der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf steuerfrei gestellte Dividenden ausländischer Gesellschaften bei Verlusten/Verlustvorträgen der empfangenden inländischen Gesellschaften entgegenstehen, wenn bei Dividenden inländischer Tochtergesellschaften diese mit den inländischen Verlusten verrechnet werden und/oder den Verlustvor-oder -rücktrag mindern, dafür aber die Körperschaftsteuer in Höhe der Ausschüttungsbelastung an die Muttergesellschaft ausgekehrt wird.
Der Senat ist der Überzeugung, dass die in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG geregelte grundsätzliche Begrenzung der Anrechnungsmöglichkeit auf die Körperschaftsteuern in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Körperschaften mit den Grundfreiheiten unvereinbar ist. Diese Frage sieht der beschließende Senat durch die Entscheidungen des Gerichtshofes in den Sachen Manninen (vgl. EuGH-Urteil vom 7. September 2004, C-319/02, Slg. I-2004, 7477) und Meilicke I und II (vgl. EuGH-Urteile vom 6. März 2007, C-292/04, Slg. I-2007, 1835 und vom 30. Juni 2011, C-262/09, DStR 2011, 1262) im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a., 283/81, Slg. 1982, 3415, Rdnr. 21) als geklärt an.
Demgegenüber hat der Senat keine Zweifel, dass die Verknüpfung der Anrechnungsmöglichkeit mit der Erfassung der entsprechenden Einnahmen im Rahmen der Steuerfestsetzung, wie sie u. a. § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG voraussetzt, grundsätzlich keinen Verstoß gegen die Verkehrsfreiheiten des Europarechts darstellt, da insoweit keine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Quellen erfolgt.
Ein Verstoß gegen die Verkehrsfreiheiten kann sich daher nach Auffassung des Senats nur aus dem Zusammenwirken der Regelungen über die Steuerfestsetzung und die Steueranrechnung im konkreten Einzelfall ergeben.
Dabei lässt der Senat für die weitere Betrachtung die unterschiedlichen Steuersätze in den betroffenen Staaten außer Betracht. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Freistellung durch die DBA dazu führt, dass der Vorteil einer geringeren Besteuerung einer Auslandstochter durch die Freistellung der Dividenden bei der Muttergesellschaft bestehen bleibt. Für den Fall einer höheren Besteuerung der ausländischen Tochter bestünde nach dem Verständnis des Senates auf der Basis der Rechtsprechung des Gerichtshofes (EuGH-Urteile vom 30. Juni 2011, Meilicke II, C-262/09, DStR 2011, 1262, Rdnrn. 33, 34; vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel BetriebsgmbH, C-436/08, IStR 2011, 299, Rdnr. 88) keinesfalls eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die die deutschen Steuersätze übersteigenden ausländischen Steuern zu berücksichtigen.
Danach kann in der Wahl des Freistellungsverfahrens für Schachteldividenden in allen Fällen, in denen das steuerpflichtige Ergebnis der inländischen Muttergesellschaft null oder positiv ist, kein Verstoß gegen eine Verkehrsfreiheit vorliegen, da dieses den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie entspricht und immer günstiger ist als die Regelung für die inländischen Dividenden.
Das in den hier einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen bzgl. Schachteldividenden durchgängig vereinbarte abkommensrechtliche Freistellungsverfahrens entspricht (für Gesellschaften aus den Mitgliedstaaten) den Anforderungen sowohl des sekundären Europarechts in Gestalt der Erwägungsgründe und der Regelung in Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie. Auch wenn die Bundesrepublik für inländische Dividenden das Anrechnungsverfahren und für ausländische Dividenden das Freistellungsverfahren gewählt hat, konnte sich doch auf der Ebene der Steuerfestsetzung für die ausländische Dividenden niemals ein ungünstigeres Ergebnis als für die inländischen Dividenden ergeben. Der Senat hat dies in dem Urteil in dem Parallelverfahren der Beteiligten 13 K 170/06 vom 6. September 2011 (juris) zur Festsetzung der Körperschaftsteuern in den Streitjahren 1991 bis 1994 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Gerichtshofes ausführlich dargelegt.
Auch bei einer Betrachtung des Zusammenspiels von Festsetzungs- und Anrechnungsverfahren führten Regelungen in den DBA und den einschlägigen nationalen, deutschen Vorschriften regelmäßig zu einer Gleich- oder Besserbehandlung der ausländischen Schachteldividenden. Sie bewirkten bei der Muttergesellschaft immer eine vollständige Freistellung der ausländischen Dividenden von der inländischen Körperschaftsteuer, während die Erfassung der Dividenden deutscher Tochtergesellschaften bei der Steuerfestsetzung erst im Rahmen der Anrechnung der Körperschaftsteuer im Anrechnungsverfahren (wegen der Unterschiede zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungssteuersatz ggf. nur teilweise) neutralisiert wurde. Demnach waren die ausländischen und die deutschen Schachteldividenden, jedenfalls bei Weiterausschüttung durch die Muttergesellschaft (Ausschüttungsbelastung) auf deren Ebene übereinstimmend, vollständig von Körperschaftsteuer freigestellt.
Ein weiterer Vorteil ist die vollständige Freistellung von Nachweispflichten, die sich bei einer Einbeziehung in das Anrechnungsverfahren ergeben hätten. Zu den Anforderungen, die Deutschland insoweit stellen kann, hat der Gerichtshof bereits in dem Verfahren Meilicke II (EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 C-262/09, DStR 2011, 1262, Rdnrn. 35 bis 53) entschieden.
Eine europarechtswidrige Ungleichbehandlung bei der Besteuerung der Muttergesellschaft kann sich daher nach Überzeugung des Senats nur in Sachverhalten wie dem hier vorliegenden ergeben, wenn Dividendenausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften mit Verlusten oder Verlustvorträgen der inländischen, empfangenden Muttergesellschaft zusammentreffen. Der beschließende Senat ist aber im Zweifel, ob in der geschilderten Situation ein Verstoß gegen eine Verkehrsfreiheit vorliegt.
Grundsätzlich verfügen die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand – hier betroffen: Streitjahre von 1991 bis 2001 – der Harmonisierung über eine gewisse Autonomie bei der Gestaltung des Steuerrechts. Daraus folgt, dass sie keineswegs verpflichtet sind ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der übrigen Mitgliedstaaten so anzupassen, dass gewährleistet ist, dass eine Gesellschaft, die beschlossen hat, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat niederzulassen, auf nationaler Ebene genauso besteuert wird wie eine Gesellschaft, die sich dafür entschieden hat, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services BVBA & Co., C-298/05, Slg. 2007, I-10451, Rdnr. 51).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen die Mitgliedstaaten aber bei der Errichtung ihres Steuersystems, vor allem bei der Einführung eines Mechanismus zur Vermeidung oder Abschwächung der mehrfachen Belastung oder wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, die sich aus dem Vorschriften über die Verkehrsfreiheiten ergebenden Anforderungen erfüllen, (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnr. 45); sie haben Maßnahmen zu unterlassen, die die Ausübung der Verkehrsfreiheiten unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt, C-157/07, Slg. 2008, I-8061, Rdnr. 30). Nach dieser Rechtsprechung des EuGH verletzt es unabhängig davon, welcher Mechanismus zur Vermeidung oder Abschwächung der mehrfachen Belastung oder wirtschaftlichen Doppelbesteuerung eingesetzt wird, die im Vertrag gewährleistete Niederlassungsund/oder Kapitalverkehrsfreiheit, wenn ein Mitgliedstaat Dividenden aus ausländischen Quellen weniger günstig behandelt als Dividenden aus inländischen Quellen, es sei denn, diese Ungleichbehandlung betrifft Situationen, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder sie ist durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Juli 2004, Lenz, C-315/02, Slg. 2004, I-7063, Rdnrn. 20 bis 49, vom 7. September 2004, Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Rdnr. 20 bis 55, und vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnr. 46).
Dabei ist nicht die Anwendung der gleichen Methodik auf Inlands- und Auslandsdividenden vorgegeben (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnrn. 48 bis 57), sondern eine gleichwertige Behandlung (vgl. EuGH-Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Slg. 2007, I-2107, Rdnr. 55).
Der beschließende Senat neigt zu der Auffassung, dass bei Berücksichtigung beider Verfahrensebenen, der Steuerfestsetzung und der davon getrennten Anrechnung, die auf Grund der Doppelbesteuerungsabkommen herbeigeführte Rechtslage für in- und ausländische Schachteldividenden als gleichwertig anzusehen ist.
Der Senat geht zwar mit der Klägerin davon aus, dass eine steuerliche Regelung, die Dividenden ausländischer Tochtergesellschaften benachteiligt, auch dann eine Beschränkung der Verkehrsfreiheiten darstellt, wenn die gleiche Regelung in anderen Situationen günstiger wirkt (in diesem Sinne: EuGH-Urteile vom 14. Dezember 2000, AMID, C-141/99, Slg. I-11619, Rdnr. 27; vom 18. Juli 2008, Lakebrink, C-182/06, Slg. 2006, I-6705, Rdnr. 23). Er teilt aber nicht die Auffassung der Klägerin, dass die hier streitbefangene rechtliche Situation, bei der die Wahl des Freistellungsverfahrens auf der Ebene der DBA statt des Anrechnungsverfahrens zu einem Vorteil der Klägerin auf der Ebene des nationalen Festsetzungsverfahrens und zu einem Liquiditätsnachteil auf der Ebene des nationalen Anrechnungsverfahrens führt, den Situationen entspricht, über die der EuGH in den Verfahren AMID (EuGH-Urteil vom 14. Dezember 2000, C-141/99, Slg. I-11619) oder Lakebrink (EuGH-Urteil vom 18. Juli 2008, C-182/06, Slg. 2006, I-6705) zu entscheiden hatte.
Die Feststellung einer ungünstigeren Situation ist in Anbetracht der nachfolgend nochmals zusammenfassend dargestellten Vorteile im Festsetzungsverfahren und der vollständigen Entlastung von den ansonsten erforderlichen umfangreichen Darlegungsanforderungen, die die deutschen Steuerbehörden zur eindeutigen und genauen Überprüfung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift verlangen dürften (vgl. dazu EuGH-Urteile vom 30. Juni 2011, Meilicke II, C-262/09, DStR 2011, 1262, Rdnr. 53; vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel BetriebsgmbH, C-436/08, Internationales Steuerrecht – IStR – 2011, 299, Rdnr. 97), jedenfalls nicht sicher zu treffen.
Auf der Ebene des Steuerfestsetzungsverfahrens ist die Dividende, die von einer ausländischen Gesellschaft an die inländische Muttergesellschaft ausgeschüttet wird, stets privilegiert. Es unterbleibt insoweit eine Steuerfestsetzung auf die ausländischen Dividenden, die weiterhin steuerfrei gestellt sind. Eine Anrechnung unterbleibt ebenfalls. Diese Privilegierung der Dividenden ausländischer Tochtergesellschaften auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens wird hinsichtlich der Dividenden deutscher Tochtergesellschaften durch die Anrechnung der Körperschaftsteuer, die die inländische Gesellschaft auf die Ausschüttung der Dividenden abgeführt hat, im Fall der Thesaurierung der Dividenden bei der Muttergesellschaft teilweise, im Fall der sofortigen Weiterausschüttung vollkommen ausgeglichen. Es ergibt sich also für den Fall der Thesaurierung ein Liquiditätsnachteil bei der Besteuerung der Dividenden inländischer Tochtergesellschaften.
Im Falle des hier vorliegenden Verlustes der inländischen Muttergesellschaft wirkt die Dividende, die von einer inländischen Tochtergesellschaft ausgeschüttet wird, auf der Ebene des Steuerfestsetzungsverfahrens ebenfalls nachteilig. Sie führt zum ganz oder teilweisen Verbrauch des Verlustes und damit zu einer Reduktion oder Verhinderung eines Verlustrücktrages bzw. eines Verlustvortrages, was sich auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens für das (die) vorangegangene(n) bzw. die nachfolgenden Jahre nachteilig auswirkt. Dies führt auf der Ebene des Anrechnungsverfahrens – periodenübergreifend – häufig ebenfalls zu einem Nachteil, da der geringere Verlustrücktrag die Erstattung im Vorjahr (bis 1998 auch im Vorvorjahr) gezahlter Körperschaftsteuer reduziert. Für das laufende Veranlagungsjahr tritt auf der Ebene des Anrechnungsverfahrens der von der Klägerin als unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung monierte Liquiditätsvorteil ein. Obwohl auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens – wegen der Kompensation mit den Verlusten der Muttergesellschaft – eine geringere bzw. eine Null-Steuerfestsetzung erfolgt, wird die Körperschaftsteuer in Höhe der Ausschüttungsbelastung der inländischen Tochtergesellschaft angerechnet und folgerichtig (ganz oder teilweise) ausgezahlt.
Ein solcher Liquiditätsnachteil kann wie jede andere ungünstigere Behandlung von Dividenden aus ausländischen Quellen gegenüber Dividenden aus inländischen Quellen (vgl. EuGH vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnr. 184) eine Diskriminierung im Sinne der Verkehrsfreiheiten darstellen (vgl. EuGH-Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft, C-397/98, Slg. 2001, I-1727, Rdnr. 44; vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer, C-446/03, Slg. 2005, I-10837, Rdnr. 32; vom 21. Januar 2010, SGI, C-311/09, Slg. 2010, I-487, Rdnr. 53; vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnr. 153).
Bei diesen gegenläufigen – ggf. periodenübergreifenden – Wirkungen der verschiedenen Entlastungsverfahren auch bei einem Verlust der inländischen Muttergesellschaft liegt es aus Sicht des beschließenden Senats näher, von unterschiedlichen Modalitäten als logischer Folge der unterschiedlichen Besteuerung der Dividendenausschüttungen inländischer und ausländischer Tochtergesellschaften auszugehen (vgl. zum umgekehrten Fall: EuGH-Urteil vom 22. Dezember 2008, Truck Center SA, C-282/07, Slg. 2008 I-10767 Rdnrn. 46 bis 49), als von einer nicht gleichwertigen Besteuerung.
Die Freistellung der ausländischen Schachteldividenden konserviert nicht nur die geringere Steuerbelastung bei niedrigeren ausländischen Körperschaftsteuern, sondern berücksichtigt den erheblichen Verfahrensaufwand, der mit der Beweisführung hinsichtlich des Anspruchs auf Anrechnung ausländischer Steuern einhergehen würde, während die Nachweisführung für die Anrechnung der inländischen Steuer infolge der Identität der komplizierten Feststellungsregelungen innerhalb des früheren deutschen körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens weder für die steuerpflichtige Muttergesellschaft noch für die Finanzverwaltung nennenswerten (Zusatz-) Aufwand bedeutet.
Wenn man dieser Einschätzung nicht folgt, also eine „Gleichwertigkeit” der Besteuerungssysteme dergestalt verlangt, dass auch im Fall des Verlustes der Muttergesellschaft eine absolute Gleichwertigkeit auf allen Ebenen der Besteuerung eintritt, so dass – vorbehaltlich einer Rechtfertigung – ein Verstoß gegen die Verkehrsfreiheiten bejaht wird, auch wenn in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle die grenzüberschreitende Gewinnausschüttung privilegiert oder zumindest nicht benachteiligt ist, stellt sich die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung der Dividendenausschüttungen zumindest gerechtfertigt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann eine Maßnahme, die geeignet ist, die Verkehrsfreiheiten zu beschränken, nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss allerdings ihre Anwendung zur Erreichung des fraglichen Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Mai 1997, Futura Participations und Singer, C-250/95, Slg. 1997, I-2471, Rdnr. 26; vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant, C-9/02, Slg. 2004, I-2409, Rdnr. 49; Marks & Spencer, Rdnr. 35, vom 21. Januar 2010, SGI, C-311/09, Slg. 2010, I-487, Rdnr. 56).
Nach Überzeugung des beschließenden Senates kommt als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung hier zunächst der Grundsatz der Kohärenz in Betracht.
Es ist eine der tragenden Säulen des deutschen Besteuerungssystems, das auf der verfahrensrechtlichen Trennung von Festsetzungs- und Anrechnungsverfahren beruht, dass die Anrechnung von Vorleistungen nur hinsichtlich der Einnahmen erfolgen kann, die bei der Veranlagung erfasst worden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2010 VII B 130/10, BFH/NV 2011, 197; BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 90/09, BFHE 231, 97, BFH/NV 2011, 338). Der hier einschlägige § 36 EStG ist diejenige Vorschrift, in der dieser Grundsatz sowohl für Vorauszahlungen in Form von Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer als auch für die in früheren Jahren wie eine Vorausleistung behandelte Körperschaftsteuer Ausdruck gefunden hat. Die Regelung gilt übereinstimmend für alle Einnahmen, gleichgültig aus welchen Quellen sie stammen. Die Erfassung der Einnahmen und die Anrechnung sind im deutschen Steuerrecht logische Pendants (vgl. zu derartigen Verknüpfungen EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt, C-157/07, Slg. 2008, I-8061, Rdnr. 54).
Eine Anrechnung ohne die – hier durch die DBA ausgeschlossene – Erfassung der Einnahmen bei der Steuerfestsetzung würde demgegenüber dazu führen, dass die privilegierten Kapitalgesellschaften, bei denen die Dividendenausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften mit inländischen Verlusten zusammentreffen, in den Genuss einer doppelten Entlastung – einmal auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens und ein zweites Mal auf der Ebene des nationalen Anrechnungsverfahrens – kämen. Im Extremfall könnte die Erstattung der ausländischen Körperschaftsteuer im laufenden Veranlagungsjahr und gleichzeitig die Erstattung der deutschen Körperschaftsteuer für Vorjahre auf Grund des – mangels rechtlicher Möglichkeit zur Erfassung der Dividendeneinkünfte im Rahmen der Festsetzung – ungeschmälerten Verlustrücktrags erfolgen.
§ 36 EStG mit der Verknüpfung der Erfassung der Einnahmen bei der Festsetzung als Voraussetzung für die Anrechnung geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Kohärenz erforderlich ist.
Als weiterer Rechtfertigungsgrund für eine angenommene, die streitbefangenen Verkehrsfreiheiten betreffende, Ungleichbehandlung kommt die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten in Betracht.
Wenn man den Staat der Muttergesellschaft – hier Deutschland – verpflichten würde wegen der von der Muttergesellschaft erzielten Verluste die von den Tochtergesellschaften auf die von ihnen erzielten Gewinne gezahlten ausländischen Steuern zu erstatten, würde der Staat der Muttergesellschaft verpflichtet, die durch einen anderen Staat vorgenommene Besteuerung der auf seinem Territorium erzielten Gewinne rückgängig zu machen, obwohl er selbst auf Grund der DBA zu einer Besteuerung nicht berechtigt ist.
Nach dem Verständnis des Senates ergibt sich aber aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass der Mitgliedstaat der Niederlassung der die Dividenden empfangenden Gesellschaft grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einen Steuernachteil auszugleichen, der sich aus einer Mehrfachbelastung ergibt, die zur Gänze durch den Mitgliedstaat bewirkt wird, in dessen Hoheitsgebiet die ausschüttende Gesellschaft niedergelassen ist, da der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft die erhaltenen Dividenden bei der in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Muttergesellschaft weder besteuert noch auf andere Art und Weise berücksichtigt (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Mai 2008, Orange European Smallcup Fund NV, C-194/06, Slg. 2006, I-3747, Rdnr. 41 zu Kapitalertragsteuer).
Die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse wäre auch grundlegend dadurch gestört, dass die Obergesellschaft nach Belieben entscheiden könnte, ob und gegebenenfalls wann und durch zwischenzeitliche Übertragung der Beteiligung an Tochtergesellschaften auch bei wem eine Verpflichtung zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bei inländischen Verlusten einer Muttergesellschaft bestünde. Damit hätte die Obergesellschaft die freie Wahl welches Steuersystem auf die Verluste ihrer Tochtergesellschaften anwendbar sein soll. Denn zumindest bei der Prüfung der Niederlassungsfreiheit ist zu berücksichtigen, dass eine Obergesellschaft mit beherrschendem Einfluss im Stande ist, das Ausschüttungsverhalten der Tochtergesellschaften auf die jeweilige Gewinn- oder Verlustsituation der Muttergesellschaft abzustellen (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010, X Holding, C-337/08, Slg. 2010, I-1215, Rdnrn. 31/32). Damit würde der amerikanischen Muttergesellschaft der Klägerin das Recht gegeben, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wo in Europa Gewinne besteuert werden sollen. Eine derartige Optionsmöglichkeit würde die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007, Oy AA, C-231/05, Slg. 2007, I-6373, Rdnr. 55). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zur hilfsweise gestellten Frage 3 verwiesen.
Als weiterer Rechtfertigungsgrund für eine angenommene, die streitbefangenen Verkehrsfreiheiten betreffende, Ungleichbehandlung kommt die Verhinderung doppelter Verlustnutzung in Betracht.
In Folge der Tatsache, dass Deutschland aufgrund der vertraglichen Regelungen in den DBA keine Rechtsgrundlage dafür hat, die Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaften mit Verlusten der Klägerin zu verrechnen, käme es in der Zukunft – bei Gewinnen der Klägerin – zu einer erneuten, zweiten Nutzung der Verluste. Der Gerichtshof hat demgegenüber anerkannt, dass es den Mitgliedstaaten möglich sein muss, die doppelte Verlustnutzung zu verhindern (vgl. EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium, C-414/06, Slg. 2008, I-3601, Rdnr. 35). Die Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit Verluste in Abzug zu bringen, wäre grundlegend gestört.
Hinzu kommt, dass es nahezu unmöglich ist, festzustellen, ob zum Beispiel die in Norwegen, Kanada oder Großbritannien angefallene Körperschaftsteuer infolge eines Verlustrücktrags später wieder erstattet wird. Auch insoweit besteht das Risiko einer doppelten Verlustnutzung, die zu vermeiden den Mitgliedstaaten erlaubt sein muss (EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium, C-414/06, Slg. 2008, I-3601, Rdnr. 36).
Die hier für die Prüfung unterstellte Beeinträchtigung der Verkehrsfreiheiten wäre durch die dargestellten Rechtfertigungsgründe nach vorläufiger Auffassung des Senates daher auch gerechtfertigt. Die Regelung des § 36 EStG geht insoweit auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele des Allgemeininteresses erforderlich ist. § 36 EStG wirkt sich – wie dargelegt – in den hier streitbefangenen Fällen steuerbefreiter ausländischer Beteiligungseinkünfte nur dann – bei der Anrechnung – nachteilig aus, wenn die im vorliegenden Streitfall gegebene Sondersituation des Zusammentreffens von Verlusten bei der inländischen Muttergesellschaft mit Gewinnausschüttungen ihrer ausländischen Tochtergesellschaften gegeben ist. Daher ist die Regelung nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich, um das im Lichte der oben dargestellten Rechtfertigungsgründe unerwünschte und europarechtlich auch nicht geforderte Ergebnis zu vermeiden.
3. zu Vorlagefrage 3:
Der beschließende Senat hält es weiterhin für ggf. – je nach Beantwortung der Frage 2 – für (dann teilweise) streitentscheidend, ob der Ausschluss der Anrechnung mittelbarer Körperschaftsteuer (von Ur-Enkelgesellschaften) in den angefochtenen Anrechnungsverfügungen/Abrechnungsbescheiden Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit im Sinne des heutigen Art. 49 AEUV und/oder der Kapitalverkehrsfreiheit in Form der verschiedenen Regelungen in den Jahren 1991 bis 1993 und 1994 bis 2001 verletzt. Wenn die Frage 3 zu verneinen ist, scheidet die Anrechnung der norwegischen und belgischen Steuer auf die Ausschüttungen der dänischen Tochtergesellschaft der Klägerin – unabhängig von der Beantwortung der Frage 2 – bereits aus diesem Grunde aus.
Im Hinblick auf die von der Klägerin u. a. begehrte Anrechnung norwegischer Steuern ist nach Überzeugung des beschließenden Senats dabei ausschließlich auf Art. 49 ff. AEUV und/oder Art. 63 f. AEUV und nicht auf die Regelungen in Art. 31 ff. des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum – EWR-Abkommen – (Amtsblatt L 1 vom 3. Januar 1994, 3 bis 522) abzustellen. Es kommt daher auch nicht auf die Regelungen über die Streitbeilegung im Sinne des Art. 111 des EWR-Abkommens an.
Streitgegenständlich ist im vorliegenden Verfahren ausschließlich die Anrechnung von Steuern auf die Dividendenausschüttungen der dänischen Tochtergesellschaft der Klägerin. Auf einen derartigen Vorgang zwischen zwei Gesellschaften, die in zwei unterschiedlichen Staaten der Europäischen Union ansässig sind, ist nach Überzeugung des Senats nur Unionsrecht, jetzt der AEUV anzuwenden.
Der Senat sieht bereits keine Ungleichbehandlung bzgl. der Anrechnung von Körperschaftsteuer von (Ur-)Enkelgesellschaften, da § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG eine Anrechnung von Körperschaftsteuer nicht zuließ, wenn die Einnahmen und ab 1996 zusätzlich die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Veranlagung nicht erfasst war. Da die Ausschüttungen von Enkelgesellschaften an Tochtergesellschaften niemals bei der Veranlagung der Muttergesellschaft erfasst werden können, liegt bereits keine Ungleichbehandlung vor.
Selbst wenn man mit der Klägerin von einer relevanten Ungleichbehandlung ausginge, wäre diese aus den bei Frage zwei dargestellten Gründen, insbesondere der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten, gerechtfertigt.
Das vorliegende Verfahren zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten, die sich ansonsten ergäben, in exemplarischer Weise auf. Die Gestaltung stellt sich (vgl. im Übrigen Blatt 224 und 229 der Prozessakten) so dar, dass – vereinfacht dargestellt – eine Konzernstruktur mit
norwegischer Ur-Ur-Enkelgesellschaft |
norwegischen oder belgischer Ur-Enkelgesellschaft(en) |
norwegischer oder belgischer Enkelgesellschaft |
(dänischer Tochtergesellschaft) |
deutscher Klägerin |
US-amerikanischer Muttergesellschaft |
US-amerikanischer Konzern-Obergesellschaft |
Ließe man eine Anrechnung der norwegischen oder belgischen Steuer entgegen § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG und den für das Festsetzungsverfahren einschlägigen Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Dänemark und Deutschland bei der deutschen Klägerin zu, könnten die die Klägerin beherrschenden amerikanischen Gesellschaften bestimmen, ob Anrechnungen z. B. im Verhältnis Norwegen/Dänemark, Norwegen/Deutschland oder Norwegen/USA geltend gemacht werden sollen. Durch die – im vorliegenden Streitfall auch tatsächlich erfolgte – Umgestaltung eines Konzerns im Zeitraum zwischen Gewinnerzielung und Gewinnausschüttung könnte jederzeit eine Veränderung hinsichtlich der anrechnungsverpflichteten Staaten herbeigeführt werden. Letztlich liefe eine derartige Gestaltung auf die freie Wahl des Steuersystems hinaus, in welchem eine Anrechnung verlangt werden könnte. Auch das Prinzip der Doppelbesteuerungsabkommen, das auf dem Ausgleich wechselseitigen Interessen zweier Staaten und ihrer Steuerpflichtigen beruht, würde praktisch außer Kraft gesetzt. So regelt der hier einschlägige Art. 2 des DBA Dänemark – Geltungsbereich des Abkommens – dass das Abkommen ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung für bestimmte Steuern, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, gilt. Belgische oder norwegische Steuern sind demnach nicht erfasst.
Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG i. V. m. den Regelungen des DBA Dänemark insoweit über das hinausgeht, was zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis erforderlich ist.
4. zu Vorlagefrage 4:
Der Senat ist im Zweifel, ob Art. 64 AEUV bei einer Änderung der Rechtslage wie im Streitfall noch zur Anwendung kommt.
Nach Art. 64 Abs. 1 AEUV berührt das Verbot von Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV nicht die Anwendung solcher Beschränkungen auf Drittstaaten, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder aufgrund von Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien bestehen (vgl. EuGH-Urteil vom 5. Mai 2011, Prunus SARL, Polonium SA, C-384/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2011, 710, Rdnr. 27).
Im Streitfall geht es um eine 100%-Beteiligung, also um eine Direktinvestition in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Anteilen, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen (vgl. EuGH-Urteil vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome, C-182/08, Slg. 2009, I-8591, Rdnr. 40; vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnr. 177 ff.).
Der Gerichtshof hat zur Vorgängervorschrift des Art. 64 AEUV entschieden, dass der Begriff der am 31. Dezember 1993 bestehenden Beschränkung voraussetzt, dass der rechtliche Rahmen, in den sich die betreffende Beschränkung einfügt, seit diesem Datum ununterbrochen Teil der nationalen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats gewesen ist. Wäre dies anders, könnte ein Mitgliedstaat nämlich jederzeit Beschränkungen für den Kapitalverkehr nach oder aus Drittstaaten wieder einführen, die in der nationalen Rechtsordnung am 31. Dezember 1993 bestanden, die aber nicht aufrechterhalten worden sind (vgl. EuGH-Urteile vom 18. Dezember 2007, A, C-101/05, Slg. 2007, I-11531, Rdnr. 48; vom 5. Mai 2011, Prunus SARL, Polonium SA, C-384/09, HFR 2011, 710, Rdnr. 34).
Bei einer engen Betrachtung, müsste dies zur Unanwendbarkeit der Ausnahmevorschrift in Art. 64 Abs. 1 AEUV führen. Wie bereits ausgeführt, hat sich hinsichtlich der Anrechnung von Körperschaftsteuern zwischen 1993 und den hier hinsichtlich der Dividenden aus Kanada streitbefangenen Jahren 2000 und 2001 sowohl das innerstaatliche Recht, als auch das DBA geändert. Bezüglich der Anrechnungsvorschrift in § 36 EStG ist ausdrücklich das Erfordernis der Erfassung der Körperschaftsteuer neben der Erfassung der Dividenden als Einnahme mit Wirkung ab 1996 in das Gesetz eingefügt worden. Die Freistellung durch das DBA, die ursprünglich auf eine Mindestbeteiligung von 25% abgestellt hatte, ist auf eine Mindestbeteiligung von 10% umgestellt worden. Auswirkungen ergaben sich dadurch nicht, da durch das nationale Recht (§ 26 Abs. 7 KStG i. d. F. bis 1993 und § 8b Abs. 5 KStG i. d. F. 1994 bis 2000) während der gesamten Dauer die Freistellung für Beteiligungen ab 10% gewährt worden ist.
Der Senat ist im Zweifel, ob in einer derartigen Situation Art. 64 AEUV noch zur Anwendung kommt. Wie der Gerichtshof in dem Verfahren Test Claimants in the FII Group Litigation (EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2006, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Rdnr. 192) ausgeführt hat, ist nicht jede nationale Maßnahme, die nach dem 31. Dezember 1993 erlassen wird, schon allein deswegen von der Ausnahmeregelung des fraglichen Gemeinschaftsrechtsakts – hier Art. 64 AEUV – ausgeschlossen. Eine Vorschrift, die im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmt oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildert oder beseitigt, fällt weiterhin unter die Ausnahmeregelung. Beruht dagegen eine Regelung auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht und führt sie neue Verfahren ein, so kann sie den Rechtsvorschriften, die zu dem im betreffenden Gemeinschaftsrechtsakt genannten Zeitpunkt bestehen, nicht gleichgestellt werden.
Da im Zusammenspiel von DBA und nationalen Befreiungsvorschriften durchgängig eine Steuerbefreiung der Dividenden ab einer Beteiligungsquote von 10% vorgeschrieben und damit – unabhängig von der Frage der Erfassung der Körperschaftsteuer als Einnahme – eine Berücksichtigung der kanadischen Körperschaftsteuer im Rahmen des Anrechnungsverfahrens ausgeschlossen war, kann im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertreten werden, dass die geänderten Vorschriften im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmen.
Wenn diese Annahme bejaht werden sollte, wäre unabhängig von der Beantwortung der Fragen eins und zwei die Ablehnung der Anrechnung kanadischer Körperschaftsteuer europarechtskonform.