25.09.2013
Finanzgericht Köln: Urteil vom 10.07.2013 – 10 K 2408/10
Die Versagung der erhöhten 3%igen Gebäudeabschreibung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG gegenüber einer beschränkt steuerpflichtigen
Kapitalgesellschaft wegen isoliert i.S.v. § 49 Abs. 2 EStG betrachtet fehlender Betriebsvermögenseigenschaft verstößt gegen
die europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht
… ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 10.07.2013 für Recht
erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des anzusetzenden AfA-Satzes hinsichtlich der von der Klägerin vermieteten Objekte.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, welche im Inland weder eine Zweigniederlassung noch eine
Betriebsstätte hat.
Im Mai 2004 erwarb sie mehrere Immobilien in Deutschland, deren Kaufpreis sowie die damit verbundenen Kosten zwischen Beteiligten
unstreitig sind. Wegen der Berechnungsgrundlagen wird insbesondere auf die Blätter 172 und 173 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Sämtliche Immobilien sind an ein Unternehmen aus dem A-Konzern vermietet. Sie dienen nicht zu Wohnzwecken. Die Bauanträge
wurden ab 1986 gestellt.
Der Beklagte ging bei der Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 auf Basis von § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst.
a Einkommensteuergesetz von einem anzuwendenden AfA-Satz i.H.v. 2 % jährlich aus.
Die Klägerin begehrte den Ansatz eines AfA-Satzes i.H.v. 3 % nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG.
Den diesbezüglichen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2010 als unbegründet zurück, indem er
auf den Gesetzeswortlaut verwies.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 28.07.2010.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die einschlägigen Vorschriften europarechtswidrig seien.
Aufgrund der Qualifikation sämtlicher Einkünfte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
nach § 8 Abs. 2 KStG würden Immobilien von inländischen Kapitalgesellschaften immer dem Betriebsvermögen zugeordnet. Entsprechend
käme diesen Kapitalgesellschaften der erhöhte AfA-Satz nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG zugute.
Ausländische Kapitalgesellschaften ohne Betriebsstätte oder Zweigniederlassung in Deutschland würden im Streitjahr 2004 hinsichtlich
ihrer im Inland belegenen Immobilien lediglich von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG erfasst. § 49 Abs. 2 EStG normiere die sogenannte
isolierende Betrachtungsweise, wonach im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht zu bleiben hätten. Daraus folge,
dass die Vermietungseinkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland lediglich als Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung und nicht als gewerbliche Einkünfte betrachtet würden. In der Folge käme nur der AfA-Satz i.H.v. 2 % nach § 7
Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zur Anwendung.
Diese unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Hinsichtlich der anzusetzenden AfA handele es sich um
objektbezogene Steuernormen. Insoweit dürften bei im Inland belegenen Immobilien keine Differenzierungen hinsichtlich des
Sitzes der Eigentümer gemacht werden.
Im Übrigen hätte der Gesetzgeber unterdessen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Einkommensteuergesetz eingeführt. Dies zeige, dass
der Gesetzgeber selbst die Rechtswidrigkeit der unterschiedlichen Behandlung erkannt habe.
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Verlustfeststellungsbescheid zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 vom 31.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
dahingehend zu ändern, dass weiterer Aufwand i.H.v. 177.173 EUR Verlust erhöhend berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, dass aufgrund der isolierenden Betrachtung bei der Klägerin von Vermietungseinkünften auszugehen sei.
Durch die isolierende Betrachtungsweise werde gewährleistet, dass sich die Steuerbarkeit ausschließlich auf Einkunftsquellen
mit inländischem Anknüpfungspunkt beziehe.
Im Übrigen sei kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben, da in- und ausländische Kapitalgesellschaften insoweit
nicht vergleichbar seien. Für die Annahme der Gewerblichkeit von Einkünften sei es notwendig, dass gewerbliche Aktivitäten
im Inland auch entfaltet würden. Werde eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland lediglich als Vermieter tätig, fehle
es an einer solchen Gewerblichkeit.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 FGO.
Es verstößt gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, dass der Klägerin die Anwendung des AfA-Satzes nach § 7 Abs.
4 S. 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 3 % verwehrt wird, während inländische Kapitalgesellschaften bei ansonsten gleichem Sachverhalt eine
AfA i.H.v. 3 % einkommensmindernd geltend machen können.
a. Bei Gebäuden sind gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 als Absetzung für Abnutzung bis zur vollen Absetzung folgende Beträge abzuziehen:
aa. Bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach
dem 31.03.1985 gestellt worden ist, jährlich 3 %,
bb. bei Gebäuden, soweit die Voraussetzungen unter aa. nicht erfüllt und die nach dem 31.12.1924 fertig gestellt worden sind,
jährlich 2 %.
b. Gemäß § 8 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung sind bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des
HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
c. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung erzielen beschränkt Steuerpflichtige inländische
Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht durch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn das unbewegliche
Vermögen im Inland belegen sind.
Nach § 49 Abs. 2 EStG bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische
Einkünfte im Sinne des Abs. 1 nicht angenommen werden könnten, sog. isolierende Betrachtungsweise.
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG regelt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei beschränkt Steuerpflichtigen. Die Vermietungseinkünfte
hinsichtlich von im Inland belegenen Objekten durch eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft werden von der Regelung
nicht erfasst (vgl. Lindauer/ Westphal, JStG 2009: Änderungen bei inländischen Vermietungseinkünften durch ausländische Kapitalgesellschaften,
BB 2009, 420).
d. In Anwendung dieser Grundsätze erzielte die Klägerin im Streitjahr als beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Die Klägerin ist als ausländische Kapitalgesellschaft
nicht zur Führung von Büchern nach den Vorschriften des HGB verpflichtet. Nach Maßgabe der Bestimmungen zur isolierenden Betrachtungsweise
hat die Tatsache, dass die Klägerin als Kapitalgesellschaft grundsätzlich nur eine gewerbliche Sphäre hat, außer Betracht
zu bleiben, da ansonsten eine Besteuerung der Vermietungseinkünfte nach § 49 Abs. 1 EStG nicht möglich wäre (vgl. insoweit
auch Schnitger/ Fischer, Einkünfteermittlung bei ausländischen grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften und Gemeinschaftsrecht,
DB 2007, 598).
In der Folge ist jedoch bei Anwendung des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG folgerichtig nicht davon auszugehen, dass die vermieteten
Gebäude zu einem Betriebsvermögen gehören. Damit kann in Anwendung der gesetzlichen Vorschriften – und dies ist zwischen den
Beteiligten auch nicht streitig – durch die Klägerin als Absetzung für Abnutzung jährlich nur ein Betrag von 2 % der maßgeblichen
Kosten in Ansatz gebracht werden. Eine inländische Kapitalgesellschaft könnte für Gebäude, welche nicht zu Wohnzwecken dienen
und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt wurde nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG einen AfA – Betrag i.H.v.
3 % abziehen, da die Immobilien zwingend zu ihrem Betriebsvermögen gehören.
Im Ergebnis wird damit eine inländische Kapitalgesellschaft in Bezug auf den ansetzbaren AfA – Betrag anders behandelt als
die Klägerin.
e. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen
des Kapitalverkehrs verbietet, solche gehören, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder
die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (EuGH, Urteile vom 31. März 2011, Schröder, C-450/09,
Slg 2011, I-2497; vom 25. Januar 2007, Festersen, C-370/05, Slg. 2007, I-1129 und vom 18. Dezember 2007, A, C-101/05, Slg.
2007, I-11531).
Als derartige Beschränkungen können nicht nur nationale Maßnahmen angesehen werden, die geeignet sind, den Erwerb von in anderen
Mitgliedstaaten belegenen Immobilien zu verhindern oder zu beschränken, sondern auch Maßnahmen, die davon abhalten können,
solche Immobilien zu behalten (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-35/08, Busley und Cibrian, Slg. 2009, I-09807).
Der EuGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine Regelung mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang zu bringen
ist, wonach ein in Deutschland Steuerpflichtiger bezüglich einer inländischen Immobilie eine höhere Abschreibung in Anspruch
nehmen kann als für eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie. Durch die Nichtgewährung eines höheren Abschreibungssatzes
werde dem Steuerpflichtigen ein Liquiditätsvorteil vorenthalten. Dieser steuerliche Nachteil sei geeignet, Steuerpflichtige
davon abzuhalten, in einem anderen Mitglied belegene Immobilien zu erwerben bzw. zu behalten. Der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit
sei auch nicht gerechtfertigt (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-35/08, Busley und Cibrian, Slg. 2009, I-09807).
Ausgehend von dieser Entscheidung wird in der Literatur vertreten, dass die Verweigerung der erhöhten Abschreibung für beschränkt
steuerpflichtige Kapitalgesellschaften gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG ebenfalls mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in
Einklang zu bringen sei. Unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften seien in Bezug auf die steuerobjektbezogenen
Umstände vergleichbar. Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG wirke sich im Hinblick auf beschränkt steuerpflichtige
Kapitalgesellschaften mit identischem Investorenprofil nachteilig im Hinblick auf Ihre Liquidität aus. Ein solcher Verstoß
gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sei auch weder durch die Grundsätze der Kohärenz, des Territorialprinzips oder zur Missbrauchsverhinderung
gerechtfertigt (vgl.Cloer/ Nagel, Unterschiedliche Gebäude – AfA bei Auslandsbezug, DB 2010, 1901; Schnitger/ Fischer, Einkünfteermittlung
bei ausländischen grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften und Gemeinschaftsrecht, DB 2007, 598).
Die Finanzverwaltung vertritt hingegen die Auffassung, dass eine erhöhte AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum
2009 infolge der ab diesem Zeitpunkt geltenden Gesetzesänderung im Hinblick auf beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften
zu gewähren sei (BMF vom 16.05.2011, IV C 3-S 2300/08/10014, 2011/0349521, BStBl I 2011, 530). Die Differenzierung zwischen
beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften in den Vorjahren sei eine Folge der isolierenden Betrachtungsweise.
Durch sie werde gewährleistet, dass sich die Steuerbarkeit ausschließlich auf Einkunftsquellen mit inländischem Anknüpfungspunkt
beziehe. Ein Steuerpflichtiger dürfe nicht von den Vorzügen der isolierenden Betrachtungsweise profitieren, ohne deren Nachteile
in Kauf zu nehmen. Daher sei kein Verstoß gegen europäisches Recht erkennbar, da es zu keiner ungerechtfertigten Ungleichbehandlung
komme (Kurzinformation 99/2009 des FM Brandenburg vom 20. Oktober 2009, 35 – S 2300 – 1/09, juris).
f. In Anwendung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass die Nichtgewährung der erhöhten AfA in Bezug auf die Klägerin
einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV darstellt.
Die Klägerin ist hinsichtlich ihres Investorenprofils und hinsichtlich der im Inland erworben und verwalteten Objekte vergleichbar
einer inländischen unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, welche Immobilien zum Zwecke der Vermietung nutzt.
Während die inländische Kapitalgesellschaft diese Immobilien im Rahmen ihres Betriebsvermögens zu erfassen hat und damit in
der Folge bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die erhöhte AfA i.H.v. 3 % nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG in Anspruch nehmen
kann, kann die Klägerin dies nicht, da sie aufgrund der isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG lediglich Vermietungseinkünfte
erzielt und die Tatsache, dass sie als Kapitalgesellschaft letztlich nur Betriebsvermögen haben kann, ignoriert wird. Insoweit
teilt der Senat nicht die Auffassung der Finanzverwaltung das hier unterschiedliche Konstellationen verglichen würden. Es
kommt für die Frage, in welcher Höhe ein Steuerpflichtiger Absetzungen für Abnutzungen geltend machen kann, insbesondere auch
nicht darauf an, ob ein gegebenenfalls später erwirtschafteter Veräußerungsgewinn aus einem Immobiliengeschäft steuerpflichtig
wäre oder nicht.
Für den Senat steht vielmehr fest, dass die Ungleichbehandlung im Hinblick auf den ansetzbaren AfA-Satz in Übereinstimmung
mit der bereits veröffentlichten Rechtsprechung des EuGH als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu werten ist, ohne
dass ein Rechtfertigungsgrund erkennbar wäre. Einen solchen hat die Finanzverwaltung auch nicht vorgetragen.
Aus diesem Grund sieht der Senat auch keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und eine Vorlagefrage an den EuGH zu richten,
da Rechtslage und Auffassung des EuGH eindeutig sind.
f. Da die Verweigerung des erhöhten AfA-Satzes in Bezug auf die Klägerin mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang
zu bringen ist, war der Klage stattzugeben und die Klägerin insoweit wie eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft
zu behandeln.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozessordnung.