25.09.2013
Finanzgericht Köln: Urteil vom 24.10.2012 – 15 K 883/10
1) Neue Tatsache i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist die Kenntnis über die konkrete Höhe der in Betriebsstätten erzielten Einnahmen
und das Fehlen von Aufzeichnungen, aus denen sich eine direkte Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben auf die Betriebsstätten
ergibt. Dies gilt ungeachtet einer bereits bestehenden Kenntnis des Finanzamts von der Existenz einer ausländischen Betriebsstätte
und der Nichterfassung der dort erzielten Einkünfte in der Gewinnermittlung.
2) Das Finanzamt ist trotz fehlender Ermittlung zu einem steuerrelevanten Sachverhalt nicht nach Treu und Glauben an einer
Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn der Steuerpflichtige gegen die Mitwirkungspflicht zur Unterbreitung des
steuerlich relevanten Sachverhalts in Übereinstimmung mit den gemäß Erklärungsvordruck geforderten Angaben i.S.v. § 150 Abs.
1 Satz 1 AO verstößt.
3) Eine Personengesellschaft erzielt trotz Dolmetscher- und Ingenieurtätigkeit mangels unmittelbarer persönlicher Arbeitsleistung
keine freiberuflichen Einkünfte i.S.v. § 18 Abs. 1 EStG, sondern gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte,
wenn Übersetzungsarbeiten in Sprachen erfolgen, die nicht deren Gesellschafter, sondern nur Fremdübersetzer beherrschen.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 15. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht
… ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24.10.2012 für Recht
erkannt:
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung
für den Veranlagungszeitraum 2005 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – zu ändern, oder ob dem der Grundsatz von
Treu und Glaube entgegensteht (Verfahren 15 K 883/10).
Ferner ist streitig, ob der festzustellende Gewinn unter die Einkunftsart Gewerbebetrieb fällt.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in allen Streitjahren Einkünfte aus Übersetzer- und Dolmetschertätigkeit
erzielte. Im September 2009 verlegte die Klägerin ihren zuvor in der A-Straße …, … B, belegenen inländischen Betriebssitz
in die C-Straße …, … D. Aufgrund einer zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt D geschlossenen Zuständigkeitsvereinbarung
gem. § 26 Satz 2 AO blieb der Beklagte (u.a.) bis zur Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid
für die Besteuerung der Klägerin zuständig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und
dem Finanzamt D vom 18. Oktober und 2. Dezember 2009 verwiesen (Blatt 254, 255 der Prozessakte 15 K 57/11).
Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren Frau E und Herr F. Frau E ist von Beruf Dipl.-Übersetzerin; Herr F absolvierte
nach einem Unfall in den Jahren 1989 bis 1991 eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker (NC-Programmierer).
Anschließend absolvierte er ein Studium als Dipl.-Ingenieur an der Fachhochschule B, das er im Juli 1995 erfolgreich abschloss.
In den Streitjahren verfügte Herr F bereits über eine jahrelange Erfahrung als Programmierer für Datenbanken und als Fachübersetzer
in den Sprachen Deutsch, Spanisch und Englisch.
Die Klägerin selbst war und ist spezialisiert auf technische Übersetzungen. Wie in anderen spezialisierten Übersetzungsbüros
ist sie dabei aufgrund des beruflichen Werdegangs und der Erfahrungen des Herrn F in der Lage, ihren Kunden zusätzliche Ingenieurleistungen
wie bspw. Projektmanagement, Terminologiearbeit, IT-Leistungen, etc. zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Maschinenbaukenntnisse
des Herrn F ist sie überdies in der Lage, die Leistungen eines technischen Redakteurs anzubieten.
Wegen der Spezialisierung auf den Maschinenbaubereich bearbeitete die Klägerin Texte mit hoher Textwiederholungsrate. Dabei
bestellten die Kunden Übersetzungen der von ihnen selbst erstellten Dokumentationen. Die Klägerin erstellte hieraus qualitativ
hochwertige, fertig übersetzte und layoutete Handbücher, Bedienungsanleitungen, etc.. Die Bearbeitung der Dokumentationen
erfolgte in speziellen Programmen wie z.B. Framemaker, Interleaf, QuarkXpress. Aufgrund der technischen Erfahrung des Herrn
F konnte die Klägerin dabei Dokumentationen mit hoher Komplexität bearbeiten (z.B. Mietanlagen für Luftfahrtindustrie, Werkzeugmaschinen,
Straßenbaumaschinen, etc.). Hierzu setzte die Klägerin von Anfang an Translation-Memory-Systeme – TMS – ein, die sämtliche
übersetzten Segmente abspeichern konnten. Wenn der gleiche Satz in einem zukünftigen Übersetzungsprojekt wieder benötigt wurde,
konnte das System ihn automatisch zur Verfügung stellen. Die für die Verwaltung und die Arbeit mit diesen Systemen benötigten
besonderen Fachkenntnisse brachte Herr F aufgrund seines beruflichen Werdeganges mit.
Anfangs bot die Klägerin ihren Kunden lediglich Übersetzungen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch
an, die sie komplett selbst anfertigte. Aufgrund der guten Erfahrungen mit den Dienstleistungen der Klägerin gaben die Kunden
nach und nach auch andere Sprachkombinationen in Auftrag, die die Klägerin unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern fertigte.
Aus den Gewinn- und Verlustrechnungen – GuV – der Klägerin ergeben sich in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2007 folgende
Umsatzerlöse (netto) und Fremdleistungen (netto):
GuV | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 |
EUR | EUR | EUR | EUR | EUR | |
Umsatzerlöse | 170.826 | 280.339 | 271.226 | 208.478 | 429.154 |
Fremdleistungen | 86.514 | 158.096 | 121.297 | 59.784 | 110.603 |
Verhältnis | ca. 50 % | ca. 56 % | ca. 45 % | ca. 28 % | ca. 26 % |
Für das Streitjahr 2005 existiert eine Aufteilung der Ausgangsumsätze auf die übersetzten Sprachen. Danach entfallen die Umsatzerlöse
zu insgesamt 56,69 % 147.078,21 EUR) auf die von den Gesellschaftern der Klägerin selbst beherrschten Sprachen Deutsch, Spanisch,
Französisch und Englisch. Die verbleibenden 43,31 % entfallen auf die Sprachen Portugiesisch, Polnisch, Italienisch, Schwedisch,
Dänisch, Arabisch, Niederländisch, Türkisch, Slowenisch, Russisch, Norwegisch, Tschechisch und sowie verschiedene weitere
Sprachen. Zur Aufteilung wird auf die Anlage 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 12. Oktober 2009 in dem Aussetzungsverfahren
15 V 2981/09 verwiesen (Bl. 235 der Prozessakte 15 V 2981/09).
Die in den Streitjahren erstellten Ausgangsrechnungen der Klägerin sind in einem einheitlichen Layout verfasst. Die darin
enthaltenen Angaben lassen sich beispielhaft wie folgt darstellen:
Beschreibung | TM-SystemMatch | Zeilen jeMatch | E-PreisZeile | Ges.Preis | ||
Übersetzung technische Dokumentation … | ||||||
Seiten … | 100% | … | … | … | ||
Sprachkombination: … | 75-99% | … | … | … | ||
Dokumentation: …. Seiten, Word-Format | < 75% | … | … | … | ||
Gesamtzeilen Zieltext | Basispreis | Tats. Durchschn. | ||||
… Zeilen | …EUR/Zeile | … EUR/Zeile | ||||
Service: Formatierung gemäß Fax-Vorlage, so dass kein Nacharbeitsaufwand entsteht. Firmenspezifische Terminologieverwaltung | ||||||
Anmerkung: Erforderliche Formatierungsarbeiten sowie das Einscannen der Graphiken wurden als Serviceleistung ohne Aufpreis durchgeführt. | ||||||
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausgangsrechnungen in den dem Gericht vorgelegten Buchführungsunterlagen verwiesen.
Die Klägerin betrieb ihr Unternehmen in einer Betriebsstätte in der A-Straße …, … B und seit Mitte des Veranlagungszeitraums
1999 in einer weiteren Betriebsstätte in G, H, Spanien. Die in ihrer spanischen Betriebsstätte erzielten Umsätze führte die
Klägerin nahezu ausschließlich an in Deutschland ansässige Unternehmen aus. Den Gewinn aus ihrem (einheitlichen) Unternehmen
ermittelte sie durch separate BetriebsstättenBuchführungen. Den Gewinn aus der deutschen Betriebsstätte ermittelte sie auf
Grund einer Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG –, den Gewinn der spanischen Betriebsstätte
aufgrund eines Bestandsvergleichs nach spanischem Recht. Aufzeichnungen darüber, wie sie die Betriebseinnahmen und -ausgaben
den beiden Betriebsstätten zugerechnet hatte, führte die Klägerin nicht.
Die in der spanischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte deklarierte die Klägerin in ihren Feststellungserklärungen der Veranlagungszeiträume
1999 bis 2006 in der hierfür vorgesehenen Anlage AUS nicht. Ihren Gewinnermittlungen fügte sie jährlich eine Bescheinigung
ihrer steuerlichen Beraterin bei, die gleichlautend in den Veranlagungszeiträumen seit 1999 folgenden Inhalt hat:
„Bescheinigung |
Seit Mitte des Kalenderjahres 1999 betreibt die Gesellschaft noch eine weitere Betriebsstätte in G/H in Spanien. Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Spanien sowie den entsprechenden Einzelsteuergesetzen der Länder wurde der Umsatz und der Gewinn aus der Betriebsstätte in G in Spanien versteuert. Demzufolge handelt es sich bei der hier vorliegenden Einnahme-/Überschussrechnung um die Betriebsstätte in Deutschland. Sämtliche Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus der Betriebsstätte in Spanien sind in der o. g. Einnahmen/Überschussrechnungen nicht enthalten. (…)” |
Mit Schreiben vom 05. Februar 2002 nahm der Beklagte wegen einer ihm vorliegenden Kontrollmitteilung Kontakt mit der Steuerberaterin
der Klägerin, Frau K, auf. Nach den Informationen des Finanzamtes hatte die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2000 neben den
Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit auch Vergütungen für Subunternehmertätigkeit erhalten. In dem Schreiben bat der Beklagte
um Mitteilung, um welche Art von Tätigkeit es sich dabei gehandelt hatte und welche Einnahmen erzielt worden seien. Mit Schreiben
vom 06. März 2002 antwortete die Steuerberaterin, im Kalenderjahr 2000 seien sämtliche vereinnahmte Umsätze im Sinne des §
4 Abs. 3 EStG versteuert worden. Zu der Anfrage vom 05. Februar 2002 könne sie nicht weiter helfen. Mit Schreiben vom 14.
März 2002 übersandte Frau K dem Beklagten als Nachtrag zur Anfrage vom 05. Februar 2002 eine Aufstellung der Klägerin aus
der sich die vereinnahmten Umsätze des Kalenderjahres 2000 im Einzelnen ergaben. Ausländisch Umsätze waren hierin nicht aufgeführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Beklagten an Frau K vom 05. Februar 2002 sowie die Schreiben
von Frau K an den Beklagten vom 06. März und 14. März 2002 verwiesen (Bl. 46 ff. der Prozessakte 15 K 4042/10).
In ihrer Feststellungserklärung für den Veranlagungszeitraum 2005 erklärte die Klägerin einen je zur Hälfte auf die beiden
Gesellschafter entfallenden freiberuflichen Gewinn in Höhe von 119.006,17 EUR. Hierbei handelte es sich ausschließlich um
den in Deutschland erzielten Gewinn.
Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 12. September 2007 veranlagte
der Beklagte die Klägerin erklärungsgemäß. Der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Feststellungsbescheid wurde
bestandskräftig.
Gemäß Prüfungsanordnung vom 26. August 2008 und Prüfungserweiterung vom 24. Oktober 2008 führte der Beklagte vom 07. Oktober
2008 bis 22. Juni 2009 (Datum des Bp-Berichts) eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin durch. Diese führte zu folgenden,
auszugsweise wiedergegebenen Prüfungsbeanstandungen.
Tz. 2.3.2 des Bp-Berichts: Methodik der Berechnung und Ermittlung der Anteile
Da die Klägerin keine Aufzeichnungen darüber geführt hat, welche Einnahmen/Ausgaben welcher Betriebsstätte zuzurechnen sind,
war eine nachträgliche Ermittlung der Betriebsstättengewinne nach der direkten Methode nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde
konnten die Gewinne nur noch schätzungsweise nach der indirekten Methode auf die Betriebsstätten verteilt werden. Mit der
Klägerin wurden einvernehmlich folgende Gewinnanteile der jeweiligen Betriebsstätte ermittelt:
2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | |
Deutschland | 8,36 % | 25,07 % | 72,60 % | 65,21 % | 70,14 % |
Spanien | 91,64 % | 74,93 % | 27,40 % | 34,79 % | 29,86 % |
Tz. 2.16 des Bp-Berichts: Gewerbesteuer
Die Klägerin erklärte bislang nur Einkünfte gemäß § 18 EStG. Im Rahmen der Prüfung ergab sich, dass die Klägerin in nicht
unbeträchtlichem Umfang Fremdleistungen in Anspruch genommen hat. Diese Fremdleistungen beruhen größtenteils auf Rechnungen
von Drittübersetzern, die Sprachen übersetzten, die die Klägerin selbst nicht anbieten konnte. Nach ständiger Rechtsprechung
und Hinweis 15.6 (Mithilfe anderer Personen) der Einkommensteuerrichtlinien – EStR – liegen insoweit keine Einkünfte aus selbständiger
Arbeit, sondern gewerbliche Einkünfte vor.
Der Umstand, dass die Klägerin keine Fließtext-Übersetzungen für ihre Kunden anfertigte, ändert an dieser Beurteilung nichts,
da es sich bei den über die reinen Übersetzungen hinausgehenden Tätigkeiten um „handwerkliche” und organisatorische Nebentätigkeiten
zum Hauptprodukt „Übersetzung” handelt, die weder für sich gesehen noch im Gesamtkontext eine freiberufliche Tätigkeit darstellen.
Da die Klägerin im Prüfungszeitraum keine Trennung der gewerblichen und selbständigen Tätigkeiten vollzogen hat, liegen nach
der Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Satz 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte vor. Die Gewerbesteuerpflicht beschränkt sich
dabei gemäß § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG – auf die inländische Betriebsstätte. Aus Verjährungsund Freibetragsgründen
ist erstmalig ab 2003 Gewerbesteuer festzusetzen. Dabei sind nur die inländische Gewinne zugrunde zu legen:
Auf Basis dieser Prüfungsbeanstandungen erließ der Beklagte unter anderem am 10. Juli 2009 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung des Streitjahres 2005 in dem er sowohl die auf
die deutsche als auch die auf die spanische Betriebsstätte entfallende Gewinnanteile berücksichtigte. Mit ihrem hiergegen
gerichteten Einspruch machte die Klägerin unter anderem die Freistellung der spanischen Betriebsstättengewinne von der deutschen
Besteuerung geltend und rügte die fehlende Befugnis des Beklagten zur Änderung des bereits bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheides
2005. Nachdem der Beklagte am 22. März 2010 über diesen Einspruch noch nicht entschieden hatte, erhob die Klägerin gegen den
Feststellungsbescheid am 24. März 2010 die unter dem Aktenzeichen 15 K 883/10 anhängige Untätigkeitsklage.
Ferner beantragte die Klägerin eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. Hierzu trug sie mit
Schreiben vom 13. Juli und 24. August 2010 betreffend „div. Einspruchsverfahren” vor, dass den Gesellschaftern nach Abschluss
der Rechtsbehelfsverfahren nicht zugemutet werden könne, weiter um den Erhalt ihrer Altersvorsorgerücklagen als Schonvermögen
zu kämpfen. Insbesondere aufgrund der bisherigen Rechtsauffassung des Finanzamtes zur Gewerbesteuerpflicht der Klägerin seien
Billigkeitsmaßnahmen schon im Festsetzungsverfahren zu gewähren, da die nachträglich festgesetzten Gewerbesteuern und Zinsen
in Höhe von 125.642 EUR für die Jahre 2003 bis 2007 den Tatbestand der Existenzgefährdung hervorriefen. Es werde daher nochmals
auf den Antrag gemäß § 163 AO hingewiesen und ausdrücklich eine abweichende Steuerfestsetzung im Rahmen der Entscheidung über
die Einspruchsverfahren durch Freistellung eines Altersvorsorgevermögens von mindestens 150.000 EUR beantragt (Bl. 70 ff.
der Prozessakte 15 K 4041/10).
Diesen Antrag übersandte der Beklagte am 19. November 2010 an das Finanzamt D, das er wegen der 2009 erfolgten Sitzverlegung
hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für örtlich zuständig hielt. Über den Erlassantrag ist nach
Aktenlage noch nicht entschieden. Wegen der Einzelheiten wird auf den diesbezüglichen Schriftwechsel verwiesen (Blatt 231
– 250 der Prozessakte 15 K 57/11).
Am 25. November 2010 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung, mit der er die gesondert und einheitlich festzustellenden
Einkünfte der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2005 als solche aus Gewerbebetrieb in Höhe von 150.393,79 EUR und die
nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Königreich Spanien als steuerfrei zu belassenen Einkünfte auf 80.252 EUR feststellte.
Insofern stellte der Beklagte die Klägerin hinsichtlich ihres Begehrens, die spanischen Betriebsstättengewinne von der deutschen
Besteuerung freizustellen, klaglos. Streitig blieb die Befugnis des Beklagten, den ursprünglichen Bescheid über die gesonderte
und einheitliche Gewinnfeststellung vom 12. September 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern zu dürfen und die Qualifikation
des Gewinns der Klägerin als Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Insoweit wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Einspruchsentscheidung gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2005 wurde zum Gegenstand der bereits unter dem Aktenzeichen
15 K 883/10 anhängigen Untätigkeitsklage.
Wie bereits im Betriebsprüfungs- und Einspruchsverfahren trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift
des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor. Es sei bereits fraglich, ob das Vorliegen einer nachträglich bekannt gewordenen
Tatsache bejaht werden könne. Denn die Existenz der spanischen Betriebsstätte sei beim Beklagten aktenkundig gewesen. Wenn
der Beklagte argumentiere, nicht die Existenz der spanischen Betriebsstätte, sondern die Höhe der dort erzielten und bislang
unbekannten Einnahmen stelle eine neue Tatsache dar, müsse das bestritten werden. In den Bescheinigungen ihrer Steuerberaterin
hätte eindeutig gestanden, dass sie in Spanien Einnahmen erziele und dort versteuere.
Die Existenz dieser steuerrelevanten Einkünfte hätte der Beklagte sofort und ohne große Anstrengung erkennen können und müssen,
was ihrer Auffassung nach auch geschehen sei. Von daher sei dem Beklagten ein überwiegendes Verschulden am nachträglichen
Bekanntwerden etwaiger steuererhöhender Tatsachen anzulasten. Zu Ungunsten des Steuerpflichtigen dürfe eine Änderung eines
Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht durchgeführt werden, wenn das Finanzamt eigene Ermittlungen trotz eindeutiger
Anhaltspunkte für eine abweichende Steuerfestsetzung unterlassen bzw. unzureichend geführt habe und dadurch seiner Ermittlungspflicht
gemäß § 88 AO nicht nachgekommen sei und ein Mitverschulden des Steuerpflichtigen nicht überwiege.
Treuwidrig verhalte sich das Finanzamt, wenn es die Änderungsmöglichkeit durch eigene erhebliche Pflichtverstöße selbst herbeigeführt
habe und so die im Gesetz angelegte Verteilung der Mitwirkungs- und Ermittlungslast verschiebe.
Vorliegend hätten dem Beklagten lange vor Beginn der Betriebsprüfung eindeutige Hinweise über die ausländische Betriebsstätte
und die ausländischen Einkünfte vorgelegen. Insbesondere der seit 1999 enthaltene Hinweis in ihren EinnahmeÜberschussrechnungen
sei völlig ausreichend gewesen, um beim Beklagten diesbezügliche Ermittlungen zu veranlassen.
Dem Beklagten habe – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – im Übrigen eine weitere Rechnung vorgelegen, aus dem sich
eindeutig ihre spanische Betriebsstätte ergebe (Bl. 364 der Prozessakte 15 K 883/10). Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang
auch auf die Kontrollmitteilung des Finanzamts M, die einen Hinweis auf ausländische Leistungen enthalte (Bl. 347 der Prozessakte
15 K 883/10). Auch müsse berücksichtigt werden, dass in den Steuerakten handschriftliche Notiz zu finden seien, die die Kenntnis
des Beklagten über die Existenz ihrer Betriebsstätte in Spanien bestätigten. Hinsichtlich dieser Notizen wird auf den Aktenvermerk
vom 07. Oktober 2008 und auf den handschriftlichen Vermerk des Betriebsprüfers über das Eröffnungsgespräch verwiesen (Bl.
397 und 413 der Prozessakte 15 K 883/10).
Dass der Beklagte diesen Hinweisen nicht nachgegangen sei, stelle einen eindeutigen Verstoß gegen die dem Finanzamt obliegenden
Sachaufklärungspflicht dar. Der Beklagte könne sich angesichts der eindeutigen Hinweise über die ausländische Betriebsstätte
auch nicht darauf berufen, dass sie die ausländischen Gewinne nicht im Steuererklärungsformular deklariert habe.
Sie habe ihre Steuererklärung gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 AO nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck abgegeben. Der Beklagte
müsse alle Angaben in den Unterlagen zur Steuererklärung beachten und dürfe sich nicht lediglich auf das Steuerformular stützen.
Dass der Beklagte ihre ausländischen Betriebsstätteneinkünften trotz der entsprechenden Hinweise über mehrere Jahre nicht
ermittelt habe, wiege im Übrigen schwerer als die erstmals im Jahr 1999 von ihr gemachten unvollständigen Angaben in der Steuererklärung.
Aufgrund der unterlassenen Ermittlungen in den früheren Veranlagungszeiträumen habe der Beklagte in den Folgejahren dafür
gesorgt, dass sie ihre Steuererklärungen gutgläubig in der gewohnten Weise abgegeben habe. Hierdurch habe der Beklagte einen
Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sie entsprechende Vermögensdispositionen getroffen habe. Im Anschluss an den Schriftwechsel
und das Telefonat mit der Steuerberaterin im Jahre 2002 habe sie davon ausgehen können, dass sie hinsichtlich der Deklaration
der ausländischen Betriebsstättengewinne alles richtig gemacht habe. Denn der Beklagte habe sich bis zum Beginn der Betriebsprüfung
im Jahr 2008 nicht mehr zu den spanischen Betriebsstätteneinkünften geäußert. Dass der Beklagte trotz eindeutiger Hinweise
auf das Bestehen der spanischen Betriebsstätte keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt habe, lege die Vermutung nahe,
dass der Beklagte ebenso wie ihre Steuerberaterin einem Rechtsirrtum unterlegen sei und ebenfalls die Ansicht vertreten habe,
die Gewinne der spanischen Betriebsstätte seien gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Spanien und Deutschland nur
in Spanien zu versteuern.
Sämtliche Unterlagen ließen keinen anderen Schluss zu, als dass das Finanzamt sie unter Missachtung der §§ 85, 88 und 89 AO
gezielt ins Visier genommen habe, nachdem sie offensichtlich falsch beraten worden sei. Trotz Kenntnis des Finanzamts hinsichtlich
der unrichtigen Steuererklärungen seien die Steuererklärungen der Folgejahre wissentlich unrichtig veranlagt worden, um die
Fehler in einer späteren Betriebsprüfung aufzudecken. Die Motivation des Finanzamts liege auf der Hand, es lohne sich für
die Finanzbehörde nicht, eine Firma bereits nach einem Jahr darauf aufmerksam zu machen, dass sie steuerrechtlich einem Irrtum
unterlegen sei, da die Steuerpflichtige den Fehler korrigieren könne und das Finanzamt in den folgenden Jahren keine Mehrsteuer
erzielen würde.
Im Übrigen habe der Beklagte zu Unrecht Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt. Es habe sich bei ihr in den Jahren 2003
bis 2007 um eine Personengesellschaft mit überwiegend freiberuflichem Charakter gehandelt, die von zu Hause betrieben worden
sei und daher keinerlei Infrastruktur der Stadt genutzt habe. Vor diesem Hintergrund sei es gleichheitswidrig, wenn sie auf
ihren gesamten Gewinn Gewerbesteuer zahlen müsste, während andere, die Infrastruktur der Stadt nutzende Betriebe von der Gewerbesteuer
verschont würden.
Die von ihr erbrachten freiberuflichen und gewerblichen Betätigungsanteile könnten nicht getrennt voneinander beurteilt werden,
ihr gesamter Betrieb sei nach der Verkehrsauffassung vielmehr als einheitliches Unternehmen anzusehen. Nach der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 02. Oktober 2003, BStBl II 2004, 363 und im Urteil vom 24. April 1997, BStBl II 1997, 567,
komme eine Umqualifizierung von Einkünften nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht in Betracht, wenn eine gemischte Tätigkeit als
einheitliche Gesamtbetätigung anzusehen sei. Eine solche Tätigkeit müsse vielmehr unabhängig von der Abfärbetheorie danach
qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gebe. Eine einheitliche Erfassung sei stets dann angeboten,
wenn sich die Tätigkeiten gegenseitig bedingten und derart miteinander verflochten seien, dass der gesamte Betrieb nach der
Verkehrsauffassung als einheitlich anzusehen sei. In ihrem Unternehmen würden die Kunden in aller Regel ein Handbuch oder
einzelne Textbausteine eines solchen in Auftrag geben, die in verschiedene Sprachen übersetzt werden müssten. Eine Einzelbestellung
in lediglich drei Sprachen komme nicht vor, der Kunde erwarte vielmehr einen Gesamterfolg in mehreren Sprachen. Sie verfüge
über etliche EdV-Systeme, Hardware, Abläufe und organisatorische Strukturen, die für sämtliche Sprachkombinationen gemeinsam
eingesetzt würden, so dass eine nicht aufzulösende Verflechtung hinsichtlich der selbst gesprochenen und der von ihren Gesellschaftern
nicht beherrschten Sprachen vorliege, bei denen auch wiederum nur teilweise Fremdübersetzer neu beauftragt würden. Alle Leistungsbestandteile
würden mit eigenem personellem Einsatz erbracht. So arbeite Herr F wegen des großen Termindrucks parallel an verschiedenen
Projekten in unterschiedlichen Sprachen, wenn beispielsweise ein Handbuch in fünf Sprachen gleichzeitig übersetzt werde müsse
und bereits Teile des Handbuches in allen Sprachen im TMS vorhanden seien. Die Ingenieurleistungen (Projektmanagement, Vorbereitung
des Handbuchs zur Bearbeitung in mehreren Sprachen, Ressourcenplanung, etc.) würden zusammen für das gleiche Projekt erbracht,
so dass eine Aufteilung nicht möglich sei. Bei der Leistungserbringung überwiege zweifelsohne die freiberufliche Tätigkeit
als technischer Redakteur und die eigenen Übersetzungsleistungen. Diese untertrennbaren Leistungen seien für alle Sprachen
und Aufträge erforderlich und würden vom Kunden übergreifend beauftragt.
Ihre Gesellschafter hätten als Freiberufler die Durchführung der Arbeiten überwacht, grundsätzliche Fragen selbst entschieden
und ihre Arbeitskraft so eingesetzt, dass sie die uneingeschränkte fachliche Verantwortung auch für die nicht von ihnen persönlich,
sondern von Mitarbeitern erbrachten Leistungen übernommen hätten. Die Fachkenntnisse müssten sich auf den gesamten Bereich
der Berufstätigkeit erstrecken. Die von ihnen übersetzten Handbücher trügen in erheblichem Maße den Stempel ihrer Persönlichkeit.
Ingenieurleistungen und technische Redaktionsleistungen würden in den Handbüchern in unterschiedlichen Sprachen untrennbar
miteinander verbunden.
Die von Herrn F genehmigten bzw. überarbeiteten Texte der Fremdübersetzer seien Textauszüge oder Textmodule, die für die Erstellung
mehrerer Handbücher verwendet würden. Ein Übersetzer könne z. B. 170 Zeilen für ein Handbuch A und 100 für ein Handbuch B
liefern, dann weitere 100 Zeilen für die Datenbank und verschiedene Termini für eine Tabelle eines Handbuch C. Das sei von
Fall zu Fall verschieden. Herr F würde im Falle des Handbuches A die 170 Zeilen in die zentrale Datenbank des TMS importieren
und erst anschließend den Übersetzungsprozess für das beauftragte Produkt im eigenen Hause automatisch durchführen. Das Endprodukt
sei ein 250 Seiten starkes Handbuch, z. B. in Polnisch, für das lediglich 170 Zeilen neu und unter Kontrolle von Herr F erstellt
worden seien. Es könne auch vorkommen, dass ein Projekt (Handbuch oder Terminologieliste) in einer von den Gesellschaftern
der Klägerin nicht beherrschten Sprache ohne erneuten Zukauf von Fremdübersetzungen vollständig aus dem TMS erstellt würde.
Das Lektorat übernehme z. B. die Filiale des Kunden im Zielland. Die Ausgangsrechnungen mit hohen Fremdleistungen sagten daher
nichts über den Anteil dieser Fremdleistungen am eigentlichen Endprodukt aus. Selbst wenn in einem Handbuch ein größerer Anteil
an übersetzten Text verwendet werde (z. B. 70 % neu übersetzte Textbausteine), seien diese 70 % immer noch nicht das, was
der Kunde bestellt habe. Sie würden erst zum kompletten Handbuch, nachdem die 70 % zunächst in das TMS eingespeist und dann
auf Vollständigkeit und richtige Terminologieverwendung überprüft worden seien. Dies sei nur aufgrund der Kenntnisse des Herrn
F als Übersetzer und seiner technischen Erfahrungen möglich. Nachdem das Handbuch aus dem TMS bei der Klägerin neu generiert
worden sei, würden abschließend alle Tabellen und Grafiken manuell durch Herrn F ergänzt, beschrieben und formatiert. Somit
sei trotz der Beauftragung einer größeren Textmenge von Übersetzungen der Anteil von Herrn F an jedem Handbuch immer in ausreichendem
Umfang vorhanden, so dass der Stempel seiner Persönlichkeit immer gegeben sei. Im Falle einer Reklamation eines Handbuchs,
für das der Einkauf von Fremdleistungen erforderlich gewesen sei, könne sie sich nicht an die Fremdübersetzer wenden, da der
gesamte endgültige Text des Handbuchs aus dem TMS generiert worden und allein Herr F dafür verantwortlich gewesen sei. Aus
diesem Grunde kontrolliere er die Übersetzungen. Ohne die Tätigkeit von Herrn F seien die von den Fremdübersetzern gelieferten
Textmodule für den Kunden überhaupt nicht verwertbar. Ihre Arbeitsweise sei von den Arbeitsabläufen vergleichbar mit der eines
Zahnarztes, welcher einen Zahntechniker zur Erstellung von Zahnbrücken, Zahnkronen oder sonstigen Zahnprothesen beauftrage.
Der Zahntechniker habe aufgrund einer speziellen Ausbildung Kenntnisse und Fähigkeiten, über die ein Zahnarzt nicht in gleichem
Maße verfüge. Trotzdem sei der Zahnarzt (wie auch Herr F für das Übersetzungsbüro) in der Lage, die Leistung des Zahntechnikers
zu kontrollieren und diese anschließend weiter zu verarbeiten, in dem sie den Patienten passend eingesetzt werde. Ihr gewerblicher
Teil beschränke sich lediglich auf den Einkauf von Texten in nicht beherrschten Fremdsprachen. Alle anderen Arbeitsabläufe
und Tätigkeiten zur Erstellung der vom Kunden bestellten Handbücher würden persönlich und ohne die Inanspruchnahme von Angestellten
oder Fachkräften durchgeführt. Dass der freiberufliche Teil ihrer Betätigung dem Unternehmen das Gepräge gebe, lasse sich
auch erkennen, wenn man die eingekauften Texte in den von den Gesellschaftern nicht beherrschten Sprachen zum Nettoumsatz
der Gesellschaft ins Verhältnis setze.
2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | |
Netto-Gesamtumsatz | 100 % | 100 % | 100 % | 100 % | 100 % |
gewerblicher Anteil (Einkauf der Texte in nicht beherrschten Sprachen | 26 % | 25 % | 15 % | 21 % | 23 % |
freiberuflicher Anteil (alle anderen Tätigkeiten der GbR) | 74 % | 75 % | 85 % | 79 % | 77 % |
Auch die Auffassung des Beklagten, ihre Gesellschafter könnten den Arbeiten den Stempel ihrer Persönlichkeit nicht ausreichend
aufdrücken, weil sie die Sprache der Fremdübersetzer nicht beherrschten und es in Bezug auf diese Fremdleistungen an der Eigenverantwortlichkeit
der Leistungserbringung fehle, werde durch den oben belegten geringen Anteil der eingeholten Fremdleistungen an der Gesamtleistungserbringung
widerlegt.
Der Beklagte gehe offenbar davon aus, dass die eingekauften Übersetzungen von ihren Gesellschaftern kontrolliert werden müssten
wie Klassenarbeiten in der Schule. Das Finanzamt stelle sich offenbar vor, sie müsse die Grammatik und Stilistik prüfen und
die Fremdübersetzer wie Schüler korrigieren. Das sei natürlich nicht der Fall gewesen. Die Qualitätssicherung in einem technischen
Ingenieurbüro basiere auf ISO- und DIN-Normen und werde auf die Forderungen der Kunden angepasst. Die Qualitätssicherung und
damit die Leitung und eigenverantwortliche Tätigkeit ihrer Gesellschafter habe somit lange vor der Beauftragung von Fremdübersetzern
begonnen und ende lange nach Erhalt der eingekauften Übersetzungen.
Während des gesamten Übersetzungsprozesses habe Herr F den Übersetzern im Übrigen zur Seite gestanden und Anweisungen erteilt,
wie welche Systeme einzusetzen seien. Er habe Hilfe bei Problemen mit dem Einsatz der Programme geleistet, technische Zusammenhänge
erklärt und Terminologieunterstützung geleistet, in dem er z.B. die Funktionsweise und Einsatzbeispiele für entsprechende
Bauteile erklärt habe.
Die eingekauften Texte seien nicht einfach unbesehen in die Handbücher eingefügt worden, sondern hätten einen ausgefeilten
Prozess durchlaufen, der spezielle Kenntnisse in den verschiedenen Bereichen voraussetze. Es handele sich bei ihr somit nicht
um ein einfaches Übersetzungsbüro, sondern um ein Ingenieurbüro für technische Kommunikation, in dem sie ein Nischenprodukt
mit spezialisierten Dienstleistungen, die eine Kombination aus Übersetzungs- und Ingenieurleistungen darstellten, anbiete.
Die technischen Handbücher hätten die Überprüfung, Korrektur und intensive Bearbeitung durch die Gesellschafter vorausgesetzt
(z.B. das Lektorat der Ausgangsdokumentationen auf Verständlichkeit, Terminologiegebrauch, Vollständigkeit, Einhaltung/ Umwandlung
von Einheiten und Zahlen, Vorgaben zur Textlänge, etc,). Sämtliche zugekauften Texte seien erst nach vorheriger Prüfung durch
die Gesellschafter in ein TMS importiert worden. Anschließend sei die endgültige Übersetzung durch die Gesellschafter intern
zusammen mit den bereits in den Systemen enthaltenen Texten oder Kapiteln in den betreffenden Sprachen entstanden.
Ihre Gesellschafter hätten die von den Fremdübersetzern verwendete Fachterminologie z.B. anhand der eigenen Terminologiedatenbanken,
durch Internetrecherchen, in Rücksprache mit anderen Fachübersetzern, in Rücksprache mit dem Kunden und den ausländischen
Filialen der Kunden, etc., überprüft. Bei der Kontrolle der nicht beherrschten Sprachen seien einige zusätzlich speziell hierfür
ausgearbeitete Arbeitsschritte den Qualitätssicherungsprozessen zugefügt worden.
Verfahrensrechtlich sei zu berücksichtigen, dass sich in den Steuerakten Hinweise finden ließen, dass der Beklagte bereits
2003 für den Veranlagungszeitraum 2001 eine Veranlagung zur Gewerbesteuer ins Auge gefasst habe, weil es sich bei dem Gesellschafter
F um eine berufsfremde Person gehandelt habe. Auch seien die hohen Fremdleistungen dem Beklagten bereits lange vor der BP
bekannt gewesen. Gleichwohl habe eine solche Außenprüfung nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage,
ob der Beklagte nach Treu und Glauben überhaupt noch befugt gewesen sei, erst im Anschluss an die BP gewerbliche Gewinne anzusetzen.
Ihre Gesellschafter hätten aufgrund der jährlichen Steuerfestsetzung Vermögensdispositionen getroffen und Gelder für deren
Altersvorsorge zurückgelegt. Dieses Geld hätten sie zu ihrem bisherigen steuerlichen Nachteil nicht in einen privaten Altersvorsorgevertrag
eingezahlt und somit von der Steuer abgesetzt. Wäre der Beklagte seiner Ermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen, hätten
ihre Gesellschafter im Jahr 2002 eine Korrektur ihrer Vermögensdisposition durchgeführt.
Die Vorgehensweise des Beklagten lasse keinen anderen Schluss zu, als dass das Finanzamt sie unter Missachtung der §§ 85,
88 und 89 AO gezielt ins Visier genommen habe, nachdem sie offensichtlich falsch beraten worden sei. Trotz Kenntnis des Finanzamts
hinsichtlich der unrichtigen Steuererklärungen seien die weiteren Erklärungen wissentlich unrichtig veranlagt worden, um die
Fehler in einer späteren Betriebsprüfung aufzudecken. Die Motivation des Finanzamts liege auf der Hand, es lohne sich für
die Finanzbehörde nicht, eine Firma bereits nach einem Jahr darauf aufmerksam zu machen, dass sie steuerrechtlich einem Irrtum
unterlegen sei, da die Steuerpflichtige den Fehler korrigieren könne und das Finanzamt in den folgenden Jahren keine Mehrsteuer
erzielen würde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12. Oktober 2011 (Blatt 236 der Prozessakte 15 K 4041/10)
und den ergänzenden Sach- und Rechtsvortrag ihre Gesellschafter in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 10. Juli 2009 in Gestalt der
hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 25. November 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für gegeben. Ausschlaggebend für die Frage, ob der Feststellungsbescheid
2005 nach dieser Vorschrift geändert werden durfte, sei allein, dass eine neue Tatsache für 2005 vorgelegen habe, die dem
Finanzamt nachträglich bekannt geworden sei und dass er nicht wegen eines Ermittlungsfehlers an der Änderung des Bescheides
gehindert sei. Die Klägerin argumentiere, dass das Finanzamt aufgrund der Kontrollmitteilungen und der Bescheinigungen in
den Vorjahren hätte erkennen müssen, dass die Klägerin ihre Einnahmen aus der Betriebsstätte in Spanien nicht ordnungsgemäß
angegeben habe. Hinsichtlich der Kontrollmitteilungen sei darauf hinzuweisen, dass diese nicht das Streitjahr beträfen und
damit für die Frage eines Ermittlungsfehlers unbeachtlich seien. Es werde auch nicht bestritten, dass die Existenz der Betriebsstätte
in Spanien dem Finanzamt bekannt gewesen sei. Die Existenz dieser Betriebsstätte sei allerdings nicht bewusst wahrgenommen
worden. Im übrigen könne sich ein Steuerpflichtiger auf Treu und Glauben nur dann berufen, wenn er seinerseits seiner Mitwirkungspflichten
voll genügt habe. Das sei vorliegend zu verneinen, weil die Klägerin die streitigen Einkünfte aus der spanischen Betriebsstätte
in der Feststellungserklärung weder an der zutreffenden Stelle des Vordrucks eingetragen noch der Höhe nach erklärt habe.
Die Höhe der Einkünfte sei – anders als die Existenz der Betriebsstätte als solche – bei Erlass des Gewinnfeststellungsbescheides
daher nicht bekannt gewesen und erst während der Betriebsprüfung festgestellt worden. Insoweit liege eine neue Tatsache vor.
Von Bedeutung sei dabei, dass das Finanzamt den Feststellungserklärungen nicht mit Misstrauen begegnen müsse, sondern regelmäßig
von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen dürfe. Wenn sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt
hätten, den Sachverhalt aufzuklären, treffe zumindest bei unvollständigen Angaben in der Steuererklärung in der Regel den
Steuerpflichtige die Verantwortlichkeit, mit der Folge, dass der Steuer- bzw. Feststellungsbescheid geändert werden dürfe
(BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 108/85, BStBl II 1988, 115). Da es sich um einen Auslandssachverhalt handele, treffe
die Klägerin gemäß § 90 Abs. 2 AO sogar eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Diese Mitwirkungspflichten habe die Klägerin
mit ihrer abstrakten Angabe in der Feststellungserklärung 2005, es liege eine spanische Betriebsstätte vor, nicht erfüllt.
Denn in der Anlage AUS zur Feststellungserklärung werde ausdrücklich nach ausländischen Einkünften gefragt. Diese Frage habe
die Klägerin nicht beantwortet. Hinzuweisen sei auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 24. März 2004, BFH/NV
2004, 1070, wonach der Bürger selbst dann seine Mitwirkungspflicht verletze, wenn er die Einkünfte in seiner Steuererklärung
zwar nicht verschweige, im amtlichen Vordruck aber an der falschen Stelle eintrage. Die Klägerin habe die spanischen Einkünfte
überhaupt nicht im Steuererklärungsvordruck angegeben und Angaben zur Höhe unterlassen.
Soweit die Klägerin dem Finanzamt vorwerfe, es habe Unterlagen unterdrückt und mit der Betriebsprüfungsstelle bewusst zu ihrem
Nachteil gearbeitet, sei der Vorwurf unzutreffend und für die Frage der Zulässigkeit der Änderung des Feststellungsbescheides
auch nicht entscheidungserheblich.
Hinsichtlich der Gewerblichkeit der von der Klägerin erzielten Gewinne bestätige diese, dass die Anteile der Fremdleistungen
für nicht beherrschte Sprachen zwischen 15% und 26% gelegen hätten. Dieser Anteil gebe der Tätigkeit der Klägerin zwar nicht
das Gepräge, er führe aber zu einer Infektion zur Gewerblichkeit. Insoweit räume die Klägerin auch ein, dass die eingekauften
Übersetzungsleistungen von ihr nicht überprüft worden seien. Gefordert werde für die Annahme eines freiberuflichen Unternehmens,
dass der individuelle, über eine bloße Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz des Betriebsinhabers den gesamten Bereich seiner
Tätigkeit umfasse. Der Betriebsinhaber müsse eigene Fachkenntnisse besitzen, die sich auf den gesamten Bereich seiner Tätigkeit
erstreckten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die bestellten Handbücher seien ins Türkische, Arabische, Schwedische,
Slowenische, Polnische, Italienische, Dänische, Niederländische, Russische, Portugiesische und noch in weitere Sprachen übersetzt
worden. In diesen Sprachen hätten die Gesellschafter der Klägerin nicht über die nötigen Fachkenntnisse verfügt. Damit hätte
der Einsatz der Betriebsinhaber nicht den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfasst. Insoweit hätten die Gesellschafter
der Klägerin die freiberufliche Tätigkeit erst gar nicht ausgeübt. Daran ändere auch der Umstand, dass die fremdbezogenen
Texte nachgearbeitet (layoutet) und auf die Einhaltung einer bestimmter Terminologie überprüft worden seien, nichts. Die Klägerin
sei aufgrund des fehlenden Fachwissens in den genannten Sprachen nicht in der Lage gewesen die Übersetzungen selbstständig
zu erstellen. Auch wenn sich die Klägerin nicht als Übersetzungsbüro fühle, sondern als Ingenieurbüro für technische Kommunikation,
handele es sich bei den Übersetzungen nicht um reine Nebentätigkeiten. Das zeige sich bereits darin, dass ein hoher Anteil
an Übersetzungen habe eingekauft werden müssen.
Die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge sei auch nicht verwirkt. Zum einen sei es nicht zutreffend, dass bereits 2003
eine Veranlagung zur Gewerbesteuer habe erfolgen sollen. Die Angaben in der Eingabemaske für den Veranlagungszeitraum 2001
seien erst nach der BP im Jahre 2008 erstellt worden.
Im Übrigen habe das Finanzamt keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, die Gewerbesteuermessbeträge nicht festsetzen zu wollen.
Entscheidungsgründe
Der Senat ist nicht daran gehindert, in der Sache zu entscheiden. Insbesondere war die Verhandlung nicht im Hinblick auf das
noch anhängige Verfahren über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO auszusetzen.
Gemäß § 74 FGO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits
ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen
anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine Aussetzung der Verhandlung ist in aller Regel geboten, wenn in einem Rechtsstreit über
einen Folgebescheid Besteuerungsgrundlagen strittig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen noch ausstehenden
oder noch nicht bestandskräftigen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (Gräber/Koch FGO, 5. Aufl., § 74 Rz. 12 m.w.N.). Die
Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO ist eine vom Finanzgericht zu treffende Ermessensentscheidung,
im Rahmen derer prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind (Koch in
Gräber, FGO, § 74 Rz 7; Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz 16, jeweils m.w.N.). Eine
Pflicht zur Aussetzung der Verhandlung besteht nur in Ausnahmefällen (BFH-Urteil vom 08.05.1991 I B 132, 134/90, BStBl II
1991, 641).
Diesen Grundsätzen folgend war die Verhandlung im Streitfall nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Die Beteiligten haben im Termin
zur mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass ihnen an einer zeitnahen Klärung sowohl der Verfahrensrechtlichen Problematik
hinsichtlich der Änderungsbefugnis des Beklagten nach § 173 Abs. 1 Satz 1 FGO als auch hinsichtlich der Einordnung der von
der Klägerin erzielten Einkünfte unter die zutreffende Einkunftsart gelegen ist. Ein Antrag auf Aussetzung der Verhandlung
hat folgerichtig keiner der Beteiligten gestellt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Aussetzung der Verhandlung nur dann geboten,
wenn mit einer Entscheidung über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen alsbald zu rechnen wäre.
Gerade das ist nach der im Streitfall gegebenen Tatsachenlage nicht der Fall.
Der Beklagte hat sich für diesen Antrag nicht zuständig gesehen und ihn an das für die Klägerin nunmehr örtlich zuständige
Finanzamt D weitergeleitet. Der Senat hat vor dem Hintergrund, dass § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. 180 Abs.1 Nr. 2 b) AO hinsichtlich
der Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung auf die Verhältnisse am Schluss des Gewinnermittlungszeitraums
abstellt, Bedenken, dass sich eine Zuständigkeit des Finanzamtes D herleiten lässt. Je nach Entscheidung dieser Finanzbehörde
müsste in dem Billigkeitsverfahren u.U. zunächst ein Verfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg und ggf. ein weiteres
Verwaltungsverfahren vor dem Beklagten mit einem sich ggf. anschließendem Klageverfahren vor dem Finanzgericht Köln geführt
werden. Es ist nicht ermessensgerecht, den Beteiligten die Klärung der Rechtsfragen des vorliegenden Verfahrens, an der ihnen
gelegen ist, über einen unabwägbar langen Zeitraum vorzuenthalten.
Die Klage ist zulässig.
Der Klägerin fehlt es insbesondere nicht an der nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Klagebefugnis. Soweit sich die Klägerin
gegen die Erhöhung des festgestellten Gewinns wendet, liegt das auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.
Aber auch soweit sich die Klägerin gegen die Feststellung gewerblicher Einkünfte statt solcher aus selbständiger Arbeit wendet,
ist sie klagebefugt. Denn auch die gesonderte Feststellung einer unzutreffenden Einkommensart stellt eine Rechtsverletzung
i.S. des § 40 Abs.2 FGO dar (BFH-Urteil vom 24. Januar 1985 IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676).
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Änderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte war befugt, den bestandskräftigen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 2005 vom 12.
September 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.
Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt
werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen
Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt; also Zustände und Vorgänge der Seinswelt, die Eigenschaften
der Gegenstände dieser Seinswelt und die gegenseitigen Beziehungen zwischen diesen Gegenständen, z.B. Einnahmen, Ausgaben,
Forderungen oder Verbindlichkeiten (Tipke/Kruse, AO, § 173 Rz. 2, mit zahlreichen Nachweisen aus der Finanzrechtsprechung).
Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie die zuständige Veranlagungsstelle des Finanzamtes im Zeitpunkt der abschließenden
Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erla