· Fachbeitrag · Abkommensrecht
Schweizer Heimatvermögen im Erbschaftsteuer-DBA Schweiz-Deutschland
von StB Dr. Peter Happe, FB IStR/C.P.A., Köln und München und RA Dr. Michael Stingl, München
| Das Erbschaftsteuer-DBA zwischen der Schweiz und Deutschland (im Folgenden „Erb-DBA-CH“; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern, 30.11.78, BGBl II 80, 595) enthält einige interessante positive wie negative Überraschungen für die Beratungspraxis, die zu kennen und zu nutzen durchaus bei der Vermögensnachfolge- und Wegzugsplanung hilfreich sind. Dazu gehört insbesondere die Tatsache, dass „Schweizer Heimatvermögen“ im Todesfall von Schweizer Staatsbürgern von einer Besteuerung in Deutschland freigestellt wird. |
1. Innerstaatliche Grundlagen der Besteuerung internationaler Sachverhalte
Die Übertragung von Privat- und Unternehmensvermögen auf die nächste Generation im Rahmen einer sog. vorweggenommenen Erbfolge ist aufgrund der weitreichenden Folgen über Jahrzehnte ‒ schon bei reinen Inlandssachverhalten ‒ ein hochkomplexes und emotionales Thema. Eine gewisse Stabilität gewährleistet zumindest das Erb-DBA-CH, das seit 1978 weitgehend unverändert geblieben ist.
In den in der nachfolgenden Tabelle dargestellten vier grenzüberschreitenden Grundfällen führt § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 ErbStG ‒ unter Außerachtlassung der Erb-DBA ‒ zu folgenden Besteuerungsfolgen in Deutschland, gleich ob es sich um Schenkungen oder Erbschaften handelt:
Grenzüberschreitende grundfälle / | ||
Erwerber in Deutschland | Erwerber im Ausland | |
Erblasser/Schenker in Deutschland |
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Erblasser/Schenker im Ausland |
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Die Grundfälle 1) bis 3) führen im Sinne eines Weltvermögensprinzips regelmäßig zum steuerbaren Einschluss des gesamten weltweiten übertragenen Vermögens unter Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 21 ErbStG. Das gilt nur dann nicht, wenn ein Erb-DBA die Freistellung anordnet. Im Grundfall 4) kommt es nur zur beschränkten Steuerpflicht für inländisches Vermögen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. V. m. § 121 BewG.
2. Grundzüge des Erb-DBA-CH
Die Befreiungen des Erb-DBA-CH stellen grundsätzlich auf den Erblasser ab, wenn dieser in der Schweiz ansässig oder Schweizer Staatsbürger ist. Wo die Erben oder sonstigen Bedachten (nachfolgend stets Erben) ansässig sind oder welche Staatsbürgerschaft sie haben, ist nur in einigen Fällen relevant (Weigell, Jörg, in: Investitions- und Steuerstandort Schweiz, hrsg. von Weigell/Brand/Safarik, 3. Aufl., 165). Schenkungen sind nicht geregelt, sondern nur Zuwendungen von Todes wegen. Allerdings gilt im Verwaltungswege, dass die für Erbschaftsfälle geltenden Regelungen der beiden Abkommen auch für Schenkungen von Geschäftsbetrieben entsprechend anzuwenden sind (BMF 7.4.88, IV C 6 ‒ S 1301 Schz ‒ 25/88). Ob das im finanzgerichtlichen Verfahren standhält, darf man bezweifeln.
Beachten Sie | Zwar hat die Finanzverwaltung die für Erbschafsteuerfälle geltenden Regelungen im Erb-DBA-CH für Schenkungen von „Geschäftsbetrieben“ in der Deutsch-Schweizerischen-Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV, 20.12.10, BGBl I 10, 2187) zusätzlich festschreiben lassen. Der BFH hat aber wiederholt (zuletzt BFH 1.8.24, VI R 23/22) festgestellt, dass den Wortlaut des DBA widersprechende Regelungen des KonsVerCHEV ein DBA nicht brechen können. Ein Steuerpflichtiger ist daher gut beraten, die begünstigende Freistellung von Geschäftsbetrieben im Schenkungsfall nicht als Teil einer Klage in einer anderen Angelegenheit gegen die Finanzverwaltung zum FG zu tragen.
PRAXISTIPP | In einigen Fällen ist es durchaus sinnvoll, die Übertragung von Todes wegen zu planen und z. B. in einem Erbvertrag zu regeln, statt das Vermögen schon zu Lebzeiten im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. So wird im Todesfall eines Schweizer Staatsbürgers mit Ansässigkeit in Deutschland (steuerlicher Wohnsitz i. S. d. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 E-DBA) in der Schweiz gelegenes Immobilienvermögen u. U. steuerfrei, Wertpapiervermögen dagegen nicht steuerfrei übertragen, wenn der Empfänger in Deutschland ansässig ist. |
Für in Deutschland steuerfrei übertragbares Schweizer Grundvermögen i. S. d. § 5 Abs. 2 Erb-DBA-CH hat sich in der Praxis der Begriff des „Schweizer Heimatvermögens“ herausgebildet (Schindhelm/Hindersmann, ZEV 03, 495 sprechen nur von Schweizer Grundvermögen), wozu nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 Erb-DBA-CH auch z. B. in einer Betriebsstätte genutztes Grundvermögen in der Schweiz zählen sollte. Jedenfalls ist das dann der Fall, wenn die Schweiz es als Grundvermögen i. S. d. § 5 Abs. 2 Erb-DBA-CH behandelt. Da das Grundvermögen in § 5 Abs. 2 Erb-DBA-CH sehr weit gefasst ist, fallen mehr Vermögensgegenstände unter die Befreiung des Schweizer Heimatvermögens als nur vermietete oder selbstgenutzte Immobilien.
Die Befreiung durch das Erb-DBA-CH ist nicht vermögen beschränkt, wie sich nachfolgend zeigt. In einigen Konstellationen wird aber auch Schweizer Heimatvermögen in Deutschland besteuert, z. B. dann, wenn der Erblasser kein Schweizer Staatsbürger ist (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a) Erb-DBA-CH).
2.1 Grundfall 1) im Erb-DBA-CH
Wird im Todesfall eines Schweizer Staatsbürgers mit Ansässigkeit in Deutschland (steuerlicher Wohnsitz i. S. d. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Erb-DBA-CH ) in der Schweiz gelegenes Immobilienvermögen oder Schweizer Heimatvermögen übertragen, dann ist dieses Vermögen nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a) Erb-DBA-CH von der Besteuerung in Deutschland ‒ unter Progressionsvorbehalt ‒ ausgenommen. Wird dagegen Schweizer Heimatvermögen von einem Schweizer mit Ansässigkeit in Deutschland zu Lebzeiten verschenkt, so ist dieser Vorgang in Deutschland mangels Regelung im Erb-DBA-CH nach den deutschen Besteuerungsregeln in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Teil des Weltvermögens i. S. d. Grundfalles 1) steuerpflichtig; die Schweizer Steuer auf die Schenkung von Auslandsvermögen wird nur angerechnet (§ 21 ErbStG).
Die Steuer bei Schenkung zu Lebzeiten wäre somit höher als die Steuer bei Schenkung auf den Todesfall, stets in der Annahme, dass die Schweizer Steuer, welche bisher nur auf Kantonsebene erhoben wird, niedriger ist als die deutsche Steuer, was nur in Ausnahmefällen nicht so ist. In gerader Linie zwischen Abkömmlingen einer Familie sind Übertragungen im Regelfall sogar steuerfrei. Das gilt auch für Übertragungen zwischen Ehegatten und von Kindern an die Eltern.
Die Begünstigung von Todesfällen gegenüber Schenkungen führt zu der Beratungsempfehlung, dass Schweizer Erblasser das Schweizer Heimatvermögen in Gestalt von Grundstücken im Privatvermögen mit dem Todesfall und nicht zu Lebzeiten übertragen sollten. Es kommt hier entscheidend auf die Schweizer Staatsbürgerschaft des Erblassers an, weshalb die weitere Beratungsempfehlung sein sollte, stets auch die Schweizer Staatsbürgerschaft anzustreben.
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Der Erblasser E mit Ansässigkeit in München und mit Schweizer und deutscher Staatsbürgerschaft verfügt über Schweizer Grundvermögen in Gestalt eines Chalets in Lenzerheide, Graubünden. Er möchte es dem Sohn S ebenfalls mit Wohnsitz in München zu Lebzeiten schenken. Der steuerliche Berater rät dazu, das Grundstück nicht zu Lebzeiten, sondern erst von Todes wegen z. B. durch ein Testament oder per Erbvertrag auf den Sohn zu übertragen, weil dann weder in Deutschland noch in Graubünden eine Steuer anfällt. |
2.2 Grundfall 2) im Erb-DBA-CH
Schweizer Heimatvermögen ist nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a) Erb-DBA-CH auch dann befreit (Ausnahme zum Grundfall 2), wenn ein Schweizer Staatsbürger in Deutschland verstirbt, die Erben aber im Ausland (z. B. in der Schweiz oder in einem Drittstaat) wohnen. Der Progressionsvorbehalt ist zu beachten.
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Der Erblasser E aus Beispiel 1 hat noch eine Tochter T1 in der Schweiz und eine Tochter T2 in Spanien. E beabsichtigt, T1 und T2 ein Mehrfamilienhaus im Kanton Zug zu übertragen. Auch hier lautet die Empfehlung, die Übertragung nicht zu Lebzeiten, sondern erst von Todes wegen zu veranlassen, weil sie dann unter das Erb-DBA-CH fällt und steuerfrei wäre. |
2.3 Grundfall 3) im Erb-DBA-CH
Eine Freistellung im Grundfall 3) gilt auch dann, wenn ein Erblasser mit Schweizer Ansässigkeit und Schweizer Staatsbürgerschaft im Todeszeitpunkt Schweizer Heimatvermögen an deutsche Erben (auch ohne Schweizer Staatsbürgerschaft) von Todes wegen zuwendet. Diese Freistellung ergibt sich nach Art. 8 Abs. 1 Erb-DBA-CH, nach dem Vermögen nur in der Schweiz besteuert werden darf, wenn ein in der Schweiz ansässiger Erblasser verstirbt und es sich nicht um Grundstücke in Deutschland i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Erb-DBA-CH handelt.
Zwar könnte man auf die Idee kommen, dass Deutschland über Art. 8 Abs. 2 Erb-DBA-CH i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ErbStG die deutschen Erwerber besteuern dürfte, weil der Erwerber in Deutschland ansässig ist. Zur Verwirklichung der Grundfälle Nr. 3 hat sich nämlich Deutschland die Rückfallklausel mit Art. 8 Abs. 2 Erb-DBA-CH als Ausnahmevorschrift von der generellen Erb-DBA-Regel einräumen lassen, dass Erbschaften grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Erblassers zu besteuern sind. Diese Ausnahme wird gelegentlich auch als Nachbesteuerung oder überdachende Besteuerung bezeichnet.
Höchstrichterlich ist aber in zwei BFH-Urteilen (20.3.19, II R 61/15, II R 62/15) bestätigt worden, dass Deutschland auch bei deutschen Erben ‒ auch ohne Schweizer Staatsbürgerschaft ‒ und Schweizer Erblassern nach Art. 8 Abs. 2 S. 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. a) Erb-DBA-CH Schweizer Heimatvermögen nicht besteuern darf. Das gilt deshalb, weil Art. 8 Abs. 2 S. 1 Erb-DBA-CH durch den S. 3 wieder eingeschränkt wird. Deutschland muss im Falle eines deutschen Erwerbers die potenzielle Doppelbesteuerung vermeiden, indem es die Grundstücke i. S. d. Art. 5 Abs. 3 Erb-DBA-CH von der Besteuerung ausnimmt (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a) Erb-DBA-CH). Das war von den Klägern vor dem BFH verfahrensrechtlich nur zu spät erkannt worden, weshalb sie nicht Recht bekommen haben.
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Die Erblasserin mit Ansässigkeit in der Schweiz und Schweizer Staatsbürgerschaft vererbt ihren Geschwistern mit deutscher Staatsbürgerschaft und mit Ansässigkeit in Deutschland Grundstücke in der Schweiz. Die Zuwendung ist in Deutschland steuerfrei nach Erb-DBA-CH. |
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Doch damit nicht genug, denn die Freistellung von Schweizer Vermögen geht sogar noch weiter: Stirbt ein Erblasser mit Schweizer Staatsbürgerschaft in der Schweiz und hinterlässt er den deutschen Erben mit Wohnsitz und ständigem Aufenthalt in Deutschland neben Schweizer Heimatvermögen auch Schweizer Betriebsstättenvermögen, Schweizer Seeschiffe und Luftfahrzeuge sowie „übriges Vermögen“ i. S. d. § 8 Abs. 1 Erb-DBA-CH, so darf Deutschland nach Art. 8 Abs. 2 S. 4 Erb-DBA-CH dieses Vermögen nicht besteuern, wenn die deutschen Erben ebenfalls Schweizer Staatsbürger sind (2. Ausnahme zum Grundfall 3. der obigen Tabelle). Zum übrigen Vermögen zählen z. B. auch Wertpapiere, Geldvermögen und Beteiligung an Kapitalgesellschaften oder Forderungen.
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Der Schweizer Erblasser C mit Ansässigkeit in der Schweiz stirbt in der Schweiz und hält in seinem Nachlass Schweizer Heimatvermögen und ein Wertpapierportfolio (Streubesitzdividenden und Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz). Seine Tochter und seine Enkel, alle mit Schweizer Staatsbürgerschaft, leben in Deutschland. Im Todesfall können die Tochter und die Enkel dieses Vermögen steuerfrei erhalten. |
Die Befreiung gilt auch steuerklassenübergreifend, d h., auf ein nahestehendes Verhältnis i. S. d. Steuerklasse I kommt es nicht an. Allerdings fällt regelmäßig in der Schweiz eine kantonale Erbschaftsteuer an, je entfernter verwandt der Erbe ist.
PRAXISTIPPS | Typischerweise kann die Ausnahme von der Besteuerung in Deutschland in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen Schweizer Nachkommen eines Schweizer Erblassers nach Deutschland ziehen. Dann stellt sich häufig die Frage, ob das künftige Erbe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge noch vor dem Wegzug nach Deutschland steuerfrei nach Schweizer Steuerrecht übertragen werden sollte. Dazu besteht aus rein erbschaftsteuerlicher Sicht nach dem Erb-DBA-CH keine Notwendigkeit, weil die Übertragung im Todesfall in Deutschland steuerfrei ist. Während des Deutschlandaufenthaltes der künftigen Erben sollte mit Blick auf die erbschaftsteuerfreie Lösung jedenfalls von Schenkungen aus der Schweiz abgesehen werden, weil die Schenkung stets zu Steuern in Deutschland führen würde (Hinweis aber auf die o. g. Ausnahme der begünstigten Schenkung von Betriebsstättenvermögen im Verwaltungswege).
Beabsichtigt der in Deutschland ansässige Erbe mit Schweizer Staatsbürgerschaft indessen, in Deutschland zu bleiben (im Beispiel 3b die Tochter) und seinerseits irgendwann im Generationensprung Vermögen an die Kinder mit Ansässigkeit in Deutschland zu übertragen, wäre der Schweizer Erbe gut beraten, wenn er entweder nur Schweizer Heimatvermögen überträgt und anderes Vermögen in Schweizer Heimatvermögen umwandelt. Beachten Sie, ohne Ansässigkeit in der Schweiz wäre im Todesfall das übrige Vermögen nicht begünstigt. |
In der Praxis werden aber auch folgende Fallkonstellationen sehr häufig falsch beraten: Ein deutscher Erbe mit deutscher Staatsbürgerschaft zieht in die Schweiz und erlangt noch nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ErbStG gilt diese Person als unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig für fünf Jahre (taggenau) nach dem Wegzug in die Schweiz und stellt somit den Grundfall 3) der obigen Tabelle dar. Indessen ist der Erbe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ohne Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, weshalb die überdachende Besteuerung (Art. 8 Abs. 2 S. 1 Erb-DBA-CH) dem Wortlaut nach nicht greift. Eine Fünfjahresfrist beim Zuzug des Erben, wie sie für den Erblasser in Art. 4 Abs. 4 Erb-DBA-CH gilt, gilt für den Erben nicht.
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Die deutsche Tochter T zieht zu ihrem kränkelnden Vater V in die Schweiz. V ist Schweizer Staatsbürger, lebt seit Jahren in der Schweiz und hat ein erhebliches Vermögen (Grundstücke in der Schweiz und Anteile an Kapitalgesellschaften) angesammelt. V vererbt T das Vermögen noch innerhalb von fünf Jahren nach dem Zuzug in die Schweiz. Nach Art. 8 Abs. 1 Erb-DBA-CH ist das Vermögen nur in der Schweiz steuerpflichtig und regelmäßig steuerfrei. Deutschland stellt das Vermögen frei. |
2.4 Grundfall 4) im Erb-DBA-CH
Der Grundfall 4) mit beschränkter Steuerpflicht i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbtG liegt vor, wenn Schweizer Erblasser Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG, also deutsches Heimatvermögen, an ihre in der Schweiz oder im übrigen Ausland lebenden Kinder verschenken oder vererben wollen. Das Erb-DBA-CH beschränkt das deutsche Besteuerungsrecht nicht (z. B. in Art. 5 Abs. 1 Erb-DBA-CH). Mangels Besteuerung dieses Vermögens in der Schweiz kommt es auch nicht zur Anrechnung Schweizer Steuer nach § 21 ErbStG.
Die deutsche Besteuerung lässt sich im Regelfall durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz (sog. Blocker), die das beschränkt steuerpflichtige Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG in Deutschland hält, optimieren. Die Übertragung der Anteile daran ist in Deutschland im Regelfall erbschaft- und auch schenkungsteuerfrei, wenn Zuwendende und Empfänger der Zuwendung sonst keinen deutschen Nexus wie einen weiteren Wohnsitz in Deutschland haben (beachten Sie eine mögliche deutsche Grunderwerbsteuer, wenn der Gesellschafterwechsel bestimmte Grenzen überschreitet).
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Die in der Schweiz ansässigen Eheleute E und M halten eine Immobilie in Deutschland. Im Falle der Schenkung oder Übertragung von Todes wegen an die Kinder (im Ausland ansässig) wäre dieses Vermögen in Deutschland steuerpflichtig. Durch steuerfreien Verkauf an eine Schweizer Kapitalgesellschaft, z. B. nach Ablauf der Spekulationsfrist von 10 Jahren i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wird die Kapitalgesellschaft beschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Das ist unter Umständen ertragsteuerlich (mangels Gewerbesteuer) vorteilhafter als die beschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen. Im nächsten Schritt übertragen die Eltern die Anteile an der Kapitalgesellschaft regelmäßig in der Schweiz steuerfrei auf die Kinder. |
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3. Wohnsitz i. S. d. Erb-DBA-CH
Bei aller Freude über die in der deutschen Abkommenspraxis sonst nicht üblichen Freistellungsmöglichkeiten bei Vermögensübertragungen mit Schweizbezug bestehen durchaus auch nachteilige Bestimmungen im Erb-DBA-CH, die man als unüblich und verschärfend gegenüber anderen Erb-DBA ansehen kann. So wird korrespondierend zum Einkommensteuer-DBA mit der Schweiz in Art. 4 Abs. 3 Erb-DBA-CH eine „überdachende Besteuerung“ durchgeführt: Bei einer Ansässigkeit (steuerlicher Wohnsitz) des Erblassers in der Schweiz und einer ständigen Wohnstätte in Deutschland über mindestens fünf Jahre vor dem Todesfall darf deutsche Erbschaftsteuer auf das Gesamtvermögen des Erblassers erhoben werden. Die Schweizer Steuer wird auf die deutsche Steuer angerechnet (Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) Erb-DBA-CH).
Durch Verweis auf Art. 10 Abs. 1 Erb-DBA-CH in Art. 4 Abs. 3 Erb-DBA-CH bleibt zumindest das Immobilienvermögen in der Schweiz als „Schweizer Heimatvermögen“ außen vor, wenn der Erblasser Schweizer Staatsbürger ist. Dennoch ist die überdachende Besteuerung eine unangenehme und häufig übersehene Besteuerungsfolge eines Wohnsitzes in Deutschland (§ 8 AO). Das gilt insbesondere, wenn es sich bei der ständigen Wohnstätte um eine beruflich oder häufig genutzte Wohnung handelt, die nicht nur Erholungs-, Kur-, Studien- oder Sportzwecken dient und nachweislich nicht nur gelegentlich und nicht zu beruflichen Zwecken genutzt wird (Art. 4 Abs.5 Erb-DBA-CH). Solche Aufenthalte zählen auch nach § 9 AO nicht zu den Tagen des gewöhnlichen Aufenthaltes.
Schließlich führt auch die sog. „nachlaufende Besteuerung“ für einen Wegzügler aus Deutschland in die Schweiz nach Art. 4 Abs. 4 Erb-DBA-CH zu einer Besteuerung in Deutschland, wenn der Steuerpflichtige im Jahr des Wegzugs oder in einem der folgenden fünf Jahre verstirbt und zehn Jahre vor dem Wegzug in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Diese Erb-DBA-Klausel eröffnet die Besteuerung für die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ErbStG und unter Umständen auch nach § 4 AStG. Das Schweizer Besteuerungsrecht bleibt davon unberührt, d. h., die Schweiz darf vorrangig besteuern und Deutschland rechnet die Schweizer Steuer an. Die nachlaufende Besteuerung gilt nicht, wenn der deutsche Wegzügler zur Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit in die Schweiz zieht, einen Schweizer Staatsbürger ehelicht oder zum Wegzugszeitpunkt bereits Schweizer Staatsbürger war oder im Laufe von fünf Jahren nach dem Wegzug wird. Unabhängig davon wird Schweizer Heimatvermögen auch unter der nachlaufenden Besteuerung in Deutschland ggf. nicht besteuert (Art. 4 Abs. 4 S. 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Erb-DBA-CH bei Zurechnung zum Schweizer Staatsbürger).
Beachten Sie | Die begünstigte Besteuerung für Schweizer Heimatvermögen ist nach dem an der Stelle eindeutigen Wortlaut auch zu gewähren, wenn eine Person sowohl die Schweizer als auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Das wird von der deutschen Finanzverwaltung in der Praxis aber gerne anders gesehen und sie versucht auf deutsch-schweizerische Doppel-Staatsbürger nach § 2 Abs. 1 ErbStG die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 i. V. m. § 4 AStG anzuwenden.
Zum DBA-Schweden (14.7.92, BGBl II 94, 686), das bis zum 31.12.23 neben der Einkommen- und Vermögensteuer auch Schenkung-, Erbschaft- und Nachlasssteuer regelte, hat der BFH in zwei Urteilen zum gleichen Sachverhalt entschieden. Danach kann eine Person i. S. d. DBA-Schweden für Zwecke der Erbschaft-und Schenkungsteuer nicht in Schweden ansässig sein, weil Schweden seit 2005 keine Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuer mehr erhebt. Auch wenn beide Urteile aufgrund von Verfassungsbeschwerden beim BVerG anhängig sind (1 BvR 136/24 und 1 BvR 142/24), stellt sich die Frage, ob sie auch verbösernd für das Erb-DBA-CH wirken. Dies betrifft etwa Fälle, in denen der Kanton Schwyz oder Obwalden keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer erhebt.
Fraglich ist z. B., ob ein Erblasser ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, der einen Wohnsitz sowohl im Kanton Schwyz als auch in Deutschland hat, in der Schweiz als nicht ansässig gelten würde. Durch Art. 4 Abs. 3 Erb-DBA-CH wäre jedoch ohnehin schon die Anwendung des (begrenzten) Anrechnungsverfahrens nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) Erb-DBDA-CH geregelt; eine Verböserung träte nicht ein. Hätte dieser Erblasser die Schweizer Staatsbürgerschaft, käme es ebenfalls nicht zu einer Verböserung, weil für den Nachlass das Freistellungsverfahren nach Art. 4 Abs. 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) Erb-DBA-CH trotz der Rechtsprechung anwendbar wäre. Für den Fall, dass der Erwerber im Kanton Schwyz und Deutschland ansässig ist, tritt auch keine Verböserung ein, weil nach Art. 8 Abs. 2 S. 1 Erb-DBA-CH ohnehin Deutschland das Besteuerungsrecht hat. Die besonderen Begünstigungen des Erb-DBA-CH für Heimatvermögen stellen sich dagegen nur ein, wenn der Erblasser und/oder der Erwerber Schweizer Staatsbürger sind (Art. 8 Abs. 2 S. 4, Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) Erb-DBA-CH).
FAZIT | Die gelegentlich beschworene Revision des Erb-DBA-CH sollte u. E. möglichst unterbleiben. Das Erb-DBA-CH ist aufgrund der vielfältigen Freistellungen ein unterschätztes DBA. Der deutsche Fiskus wird sich schon noch rechtzeitig auf das Mittel eines Treaty Overrides besinnen; bis dahin muss das Erb-DBA-CH vor allem durch die Schweizer wie ein Schatz gehütet werden. |