· Fachbeitrag · Außensteuerrecht
Die neue Funktionsverlagerungsverordnung ‒ Darstellung ausgewählter Änderungen
von Dr. Stefan Greil, LL. M., Berlin und Finw. Lars Wargowske, Potsdam
| Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG, BGBl I 21, 1259) und dem ATAD-Umsetzungsgesetz (ATADUmsG, BGBl I 21, 2035) wurde § 1 AStG erheblich überarbeitet (vgl. u. a. Greil/Saliger, ISR 21, 330). Dabei wurde die Vorschrift u. a. auch um einen Abs. 3b ergänzt. In diesen wurden die bisherigen Regelungen zur Funktionsverlagerung (§ 1 Abs. 3 S. 9 und 10 AStG a. F.) im Wesentlichen übernommen. Zwischenzeitlich erfolgte die Anpassung der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV). Deren überarbeiteter Fassung stimmte der Bundesrat am 7.10.22 zu (BR-Drs. 423/22 [Beschluss]). Dieser Beitrag gibt einen praxisorientierten Überblick über ausgewählte, wichtige Änderungen in der FVerlV. |
1. Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3b AStG
Die Vorschriften zur Funktionsverlagerung wurden in einem separaten Abs. 3b des § 1 AStG normiert. In diesem wird neben dem bisherigen Inhalt des § 1 Abs. 3 S. 9 AStG das Transferpaket nunmehr legal als „Verlagerung der Funktion als Ganzes“ definiert. Damit soll laut Gesetzesbegründung insoweit keine Änderung der bisherigen Regelungen verbunden sein. Allerdings wurde die Anzahl der sog. Escape-Klauseln reduziert, sodass von vormals
- drei Klauseln
- § 1 Abs. 3 S. 10 AStG a. F.
„In den Fällen des S. 9 ist die Bestimmung von Einzelverrechnungspreisen für alle betroffenen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen nach Vornahme sachgerechter Anpassungen anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren oder dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht; macht der Steuerpflichtige glaubhaft, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und bezeichnet er es genau, sind Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets anzuerkennen.“
- nunmehr nur noch eine Klausel
- § 1 Abs. 3b S. 2 f. AStG n. F.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Dies gilt dann, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist.
besteht.
Darüber hinaus wurde auf Tatbestandsebene die Legaldefinition einer Funktionsverlagerung dahingehend geändert, dass Wirtschaftsgüter „oder“ sonstige Vorteile zu verlagern sind. Damit wird jedoch der Anwendungsbereich der Funktionsverlagerung als solcher nicht ausgeweitet (vgl. Greil/Saliger, ISR 21, 330).
Diese Änderungen von § 1 AStG erfordern eine zeitnahe, weitestgehend redaktionelle Anpassung der FVerlV und eine sich daran anschließende Anpassung der Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung (BMF 13.10.10, IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl I 10, 774). Die neugefasste Verordnung trat am Tag nach ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft (FVerlV 18.10.22, BGBl I 22, 1803). Gleichzeitig trat die FVerlV a. F. vom 12.8.08 außer Kraft. Die FVerlV n. F. ist rückwirkend erstmals auf Funktionsverlagerungen anzuwenden, welche in Veranlagungszeiträumen vollendet werden, die nach dem 31.12.21 beginnen.
2. Ausgewählte Änderungen der FVerlV
2.1 Definition einer Funktionsverlagerung
In § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV n. F. wird der Begriff einer Funktionsverlagerung weiter gefasst, als es der Wortlaut des Gesetzes zunächst vermuten lässt (u. a. Ditz/Seibert, Ubg 22, 398 f.; Grotherr, IWB 22, 628). Nach der FVerlV n. F. liegt eine Funktionsverlagerung nämlich auch dann vor, wenn nur ein Teil einer Funktion übertragen oder überlassen wird. Nach der Definition einer Funktion in § 1 Abs. 1 FVerlV n. F. handelt es sich bei einer Funktion um eine Geschäftstätigkeit, welche aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden und die organischer Teil eines Unternehmens ist, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss. In der Folge stellt sich die Frage, wann eine teilweise Funktionsverlagerung bzw. eine Teilfunktion vorliegt. Insoweit folgt allerdings die Regelung in § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV n. F. derjenigen in § 1 Abs. 1 FVerlV n. F.: Eine Funktion ist eben schon dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei dieser ‒ insoweit ‒ lediglich um die Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben und nicht um ein einheitliches Ganzes handelt.
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Die A-AG (Sitz und Geschäftsleitung im Inland) entwickelt, produziert und vertreibt Elektrofahrräder. Aufgrund der gestiegenen Strompreise verlagert die A-AG die Produktion der Elektrofahrräder nach Portugal auf eine neu gegründete Tochterproduktionsgesellschaft. |
Bei der Produktion handelt es sich unstrittig um eine Funktion i. S. d. § 1 Abs. 1 FVerlV. Ob damit auch eine Funktionsverlagerung vorliegt, bestimmt sich danach, ob mit der Verlagerung der Produktion ebenfalls die dazugehörigen Chancen und Risiken sowie Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile übertragen werden, sodass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben kann. Die alleinige Übertragung einer Funktion erfüllt insoweit nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung.
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Wie Beispiel 1. Allerdings verlagert die A-AG lediglich die Produktion der Elektrofahrräder, die für den portugiesischen Absatzmarkt bestimmt sind. Gemessen am Gesamtabsatzvolumen handelt es sich bei dem portugiesischen Absatzmarkt um einen sehr kleinen Markt, welcher vom Gesamtabsatzvolumen nur 0,05 % umfasst. |
In dieser Konstellation dürfte es sich nach der FVerlV um eine „Teilfunktion“ handeln, die unter den zuvor genannten Voraussetzungen ebenfalls zu einer Funktionsverlagerung führen kann. Mit dieser Sichtweise ist dem Funktionsbegriff „nach unten“ aber nahezu keine Grenze gesetzt, da im Grunde alles in einem unternehmerischen Wertschöpfungsprozess aus „Teilfunktionen“ besteht bzw. sich in solche zerlegen lässt.
Durchaus verschärfend wirkt sich auf den ersten Blick in diesem Zusammenhang der Wegfall von § 1 Abs. 7 S. 2 Alt. 2 FVerlV a. F. aus. Hiernach lag keine Funktionsverlagerung vor, wenn der Vorgang zwischen fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen werden würde. So sollten Bagatellfälle sowie Vorgänge von der Regelung des § 1 Abs. 3 AStG a. F. ausgenommen werden, welche zwar formal als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind, doch bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes anders zu beurteilen waren. Insoweit ergibt sich aus dem Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 AStG aber auch weiterhin, dass diejenigen Fälle, welche unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes nicht als Funktionsverlagerung zu beurteilen sind, auch künftig, nunmehr allerdings von den Rechtsfolgen des § 1 Abs. 3b AStG n. F., nicht erfasst werden.
Darüber hinaus wurde ein Tatbestandsmerkmal der Funktionsverlagerung im Einklang mit dem Gesetz ersatzlos aus § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV a. F. gestrichen, wobei sich dieses Merkmal so auch schon in der vormaligen Fassung des Gesetzes nicht finden ließ: So musste es gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV a. F. durch die Verlagerung mindestens zu einer Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen kommen. Nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV n. F. ist nunmehr nur noch vorrangig zu prüfen, ob das übernehmende Unternehmen die ganz oder nur teilweise übertragene oder überlassene Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann.
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Wie Beispiel 2. Allerdings wird die Produktion als solche im Inland nicht eingeschränkt. Vielmehr werden aufgrund der gewonnenen Produktionskapazitäten unverändert Elektrofahrräder, nunmehr aber für den asiatischen Markt, produziert. |
Auch in diesem Fall dürfte (dennoch) eine Funktionsverlagerung vorliegen, da die Beurteilung aus der Perspektive des übernehmenden Unternehmens zu erfolgen hat. Allerdings liegt nach § 1 Abs. 5 FVerlV n. F. eine Funktionsverlagerung nicht vor, wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion beim verlagernden Unternehmen kommt (Funktionsverdoppelung, § 1 Abs. 5 S. 1 FVerlV).
Auch wenn im Beispiel 3 die Produktionsfunktion als solche nicht eingeschränkt wird, kommt es aber zu einer Einschränkung der Produktionsfunktion im Hinblick auf die inländische Produktion der Elektrofahrräder für den portugiesischen Absatzmarkt. In diesem Fall liegt eine „Teilproduktionsverlagerung“ damit dann vor, wenn auch alle anderen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Da es insoweit auf die Perspektive des übernehmenden Unternehmens ankommt, ist es gemäß § 90 Abs. 2 AO zudem die Sache der Beteiligten, den Sachverhalt insoweit genügend aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen.
Mittels des Tatbestandsmerkmals der Einschränkung gemäß § 1 Abs. 6 FVerlV a. F. wurden im Übrigen aber auch schon vor der Änderung der FVerlV seitens der Finanzverwaltung Teilfunktionsverlagerungen erfasst (vgl. Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung BMF 13.10.10, IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl I 10, 774, Rz. 2.1.1.).
2.2 Wertbestimmung
Hinsichtlich der Wertbestimmung sind nur klarstellende Änderungen erfolgt. So wurde z. B. der Begriff „Gewinnpotenzial“ durch den Begriff „finanzieller Überschuss“ ersetzt (§ 2 S. 4 FVerlV). Dementsprechend sollen die aus der Funktion zu erwartenden finanziellen Überschüsse als Grundlage für die Wertbestimmung des Transferpakets (Funktion samt der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile; § 1 Abs. 2 S. 2 FVerlV n. F.) herangezogen werden. Hierdurch wird die Terminologie in der FVerlV n. F. stärker an diejenige der Unternehmensbewertung angeglichen und befindet sich zudem auch im Einklang mit den gesetzlichen Änderungen, welche auf eine wirtschaftliche Sichtweise abzielen.
In diesem Zusammenhang wird in § 2 S. 2 FVerlV n. F. auch klargestellt, dass bei der Berechnung des Einigungsbereichs kapitalwertorientierte Bewertungsmethoden zu verwenden sind. Diese Klarstellung setzt im Grunde die Regelung des § 1 Abs. 3 S. 8 AStG, welcher auf ökonomisch anerkannte Bewertungsmethoden abstellt, um. Dies bedeutet aber auch, dass ein Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln und zu berücksichtigen ist, um die Abzinsung der finanziellen Überschüsse vornehmen zu können. Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich dabei aus einem risikolosen Zinssatz zuzüglich eines risikoadäquaten Zuschlags zusammen. Die FVerlV n. F. stellt mittels § 4 insoweit auch klar, dass bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes die (ökonomischen) Äquivalenzprinzipen zu beachten und ferner marktübliche Risikozuschläge anzusetzen sind, sodass auch eine Risikobeurteilung zwischen fremden Dritten Berücksichtigung findet.
Streit besteht allerdings darüber, dass gemäß § 2 S. 1 FVerlV n. F. bei der Wertbestimmung neben Standortvorteilen und -nachteilen sowie Synergieeffekten auch Steuereffekte zu berücksichtigen sind (vgl. u. a. Grotherr, IWB 22, 631 ff.; Ditz/Seibert, Ubg 22, 398 ff.). Dies finde keine Stütze im Gesetz. Lediglich die Finanzverwaltung vertrete in den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung (BMF 13.10.10, IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl I 10, 774, Rz. 118 und 125) die Auffassung, dass bei der Ermittlung des Mindestpreises eine Exit Tax (Steuerbelastung auf den Ertrag aus der Veräußerung von Bestandteilen des Transferpakets) und bei der Ermittlung des Höchstpreises ein Tax Amortisation Benefit (Gegenwartswert eines abschreibungsbedingten Steuervorteils) zu berücksichtigen ist. Dies könne allerdings zu einem Anstieg des Verrechnungspreises führen (vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 08, 1698; Hentschel/Kraft, IStR 15, 197 f.; Greil, Funktionsverlagerungen zwischen nahestehenden Personen i. S. d. § 1 AStG, 109 bis 112).
MERKE | Die Einbeziehung von steuerlichen Effekten im Rahmen einer Unternehmensbewertung entspricht grundsätzlich aber den betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen und -methoden. So stellt auch der IDW S 1 (IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg 00, 825) in Tz. 28 klar, dass ertragsteuerliche Einflüsse zu berücksichtigen sind. |
Allerdings soll die Berücksichtigung von Steuereffekten zu einer nicht fremdvergleichskonformen Einkünfteallokation führen (vgl. Ditz/Greinert in Wassermeyer/Baumhoff/Ditz, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 7.119). Die Exit Tax und der Tax Amortisation Benefit hingen nämlich nicht von den finanziellen Überschüssen der verlagerten Funktion ab, sondern von der Steuerbelastung der beteiligten Unternehmen in den jeweiligen Ländern. Dem ist entgegenzuhalten, dass es „als gesichertes Wissen [gilt], dass die Berücksichtigung von Ertragsteuern in der Investitionsplanung zu besseren Entscheidungen führt“ (Mellwig, zfbf 80, 16). Demgemäß ist das Steuersystem maßgebend, in dem die Gewinne zu versteuern sind (vgl. auch IDW S 5, Tz. 45).
Zuzugeben ist jedoch, dass die Zurechnung der Steuern auf die einzelne Funktion sich als problematisch erweisen kann. So müssen für die Ermittlung der funktionsspezifischen Steuern neben den Überschüssen aus der Funktion auch die Ergebnisse für das gesamte Unternehmen ohne die Funktion bekannt sein und die konkrete Situation der Unternehmen berücksichtigt werden. So wird ein Tax Amortisation Benefit „wertlos“ sein, wenn das aufnehmende Unternehmen diesen steuerlich nicht nutzen kann.
Beachten Sie | In der Bewertungspraxis haben Steuern zwar eine Bedeutung, werden aber nicht in voller Höhe vergütet. Sowohl die konkrete Marktsituation wie auch die Verhandlungsmacht sind mitentscheidend (Greil, Funktionsverlagerungen zwischen nahestehenden Personen i. S. d. § 1 AStG, 109 bis 112).
Schließlich hat sich noch eine weitgehende Änderung im Hinblick auf den Kapitalisierungszeitraum ergeben. So war bisher ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen, wenn nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass ein anderer Zeitraum maßgebend ist. Nunmehr wird in § 5 FVerlV n. F. darauf abgestellt, dass ein entsprechender Nachweis erbracht wird. Dieses Erfordernis kann mitunter die Zugrundelegung eines begrenzten Zeitraums ohne ewige Rente erschweren.
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Die D-AG (Sitz und Geschäftsleitung im Inland) entwickelt, produziert und vertreibt Automobile. Die Produktreihe V6 wird von einer allein auf diese Produktreihe spezialisierten Vertriebseinheit im Inland zentral vermarktet. Diese Vertriebseinheit soll auf eine Tochtergesellschaft in Ungarn ausgelagert werden. Aus historischen und empirisch belastbaren Daten ergibt es sich dabei eindeutig, dass der Vertrieb der Automobile der Produktreihe V6 sodann nur noch für fünf Jahre möglich sein wird. Anschließend werden sich nicht mehr genügend Kaufinteressenten für Automobile dieser Produktreihe finden lassen, sodass diese damit ihr „natürliches“ Produktende findet. |
Mittels der historischen und empirisch belastbaren und damit validen Daten lässt sich in diesem Fall ein genügender Nachweis für einen zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraum erbringen. Mit diesen Daten wird das wahrscheinliche Ende der Produktion belegt, welches zugleich auch zu einem Wegfall der Notwendigkeit eines Vertriebs führt, wobei der auf die Produktreihe V6 spezialisierten Vertriebseinheit sodann ‒ bezogen auf diese Funktion ‒ keine Aufgabe mehr zufällt.
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Wie Beispiel 4. Bei dem V6 handelt es sich um ein Kfz mit Ottomotor, welcher allein in der EU vertrieben wird und ab dem Jahr 2035 aufgrund gesetzlicher Regelungen nicht mehr verkauft werden darf. |
Auch in dieser Konstellation kann unter Hinweis auf die gesetzliche Regulierung der Produktion der Nachweis eines zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraums geführt werden.
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Wie Beispiel 4. Allerdings lässt es sich aus den Daten nicht eindeutig ableiten, dass der Vertrieb der Automobile der Produktreihe V6 sodann nur noch für fünf Jahre möglich sein wird. |
Mittels der historischen und empirisch belastbaren und folglich validen Daten lässt sich damit in diesem Fall kein genügender Nachweis für einen zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraum erbringen.
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Wie Beispiel 4. Allerdings liegen schon keine historischen und empirisch belastbaren Daten vor, aus denen es sich ableiten lässt, dass der Vertrieb der Automobile der Produktreihe V6 sodann nur noch für fünf Jahre möglich sein wird. Die Daten, welche zur diesbezüglichen Beurteilung zur Verfügung stehen, fußen vielmehr weitestgehend auf Annahmen und Schätzungen. |
Mittels solcher Daten lässt sich in diesem Fall kein genügender Nachweis für einen zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraum erbringen.
2.3 Anwendung auf Betriebsstättensachverhalte
§ 8 FVerlV n. F. stellt in Ergänzung von § 1 Abs. 5 S. 1 AStG n. F. klar, dass die Vorschriften der FVerlV n. F. auch für Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen und seinen Betriebsstätten gelten. Eine inhaltliche Neuerung ist damit indes nicht verbunden.
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Die D-AG (Sitz und Geschäftsleitung im Inland) entwickelt, produziert und vertreibt Elektrofahrräder. Aufgrund der gestiegenen Strompreise verlagert die D-AG die Produktion der Elektrofahrräder nach Portugal. Hierfür mietet die D-AG eine Produktionsstätte an. |
Bei der Produktionsstätte handelt es sich zumindest aus deutscher Sicht um eine Betriebsstätte gemäß § 12 S. 2 Nr. 4 AO. Es greifen für diese Produktionsverlagerung die Regelungen des § 1 Abs. 3b AStG und der FVerlV i. V. m. § 1 Abs. 5 S. 1 AStG.
2.4 Wegfall der Preisanpassungsklausel
Eine weitere maßgebliche Änderung ist der Umstand, dass die FVerlV n. F. nunmehr keine Ausführungen zur sog. Preisanpassungsklausel mehr enthält. Die §§ 9 bis 11 FVerlV a. F. sind entfallen. Hintergrund ist, dass im Zuge des AbzStEntModG die bisher in § 1 Abs. 3 S. 11 und 12 AStG a. F. i. V. m. FVerlV a. F. enthaltenen Regelungen zur Preisanpassungsklausel in einen neuen § 1a AStG überführt wurden. Durch diese Änderung wurde der Abschnitt 3 der FVerlV a. F. gegenstandslos und war daher aufzuheben.
Das bedeutet jedoch nicht, dass den Regelungen zur Preisanpassung i. S d. § 1a AstG n. F. bei Funktionsverlagerungen keine Bedeutung mehr zukommt. Ganz im Gegenteil: § 1a AStG n. F. kommt dann zur Anwendung, wenn wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sind und die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnerwartung abweicht, welche der (ursprünglichen) Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag. Da bei der Bewertung einer Funktionsverlagerung grundsätzliche eine kapitalwertorientierte Methode anzuwenden ist und mit der Verlagerung auch wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile einhergehen können, stellen Funktionsverlagerungen vielmehr einen Hauptanwendungsfall von § 1a AStG n. F. dar.
Fehlt eine Anpassungsregelung, sind gemäß § 1a S. 2 AStG nach einem Zeitraum von sieben Jahren die angesetzten Verrechnungspreise zu überprüfen. Diese können sodann im achten Jahr noch angepasst werden, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen entsprechend von § 1a AStG n. F. erfüllt sind: Tritt bezogen auf die ersten sieben Jahre nach Geschäftsabschluss eine erhebliche Abweichung ‒ der „tatsächliche“ Fremdvergleichspreis weicht um mehr als 20 % von dem ursprünglich ermittelten Verrechnungspreis ab ‒ ein, ist für eine deshalb vorzunehmende Berichtigung nach § 1 Abs. 1 S. 1 AStG ein angemessener Anpassungsbetrag auf den Verrechnungspreis im achten Jahr nach Geschäftsabschluss der Besteuerung zugrunde zu legen.
FAZIT UND HINWEISE | Die aus dem Jahr 2008 stammende FVerlV war aufgrund der gesetzlichen Änderungen in § 1 AStG anzupassen. Der Verordnungsgeber folgte dem und nahm die entsprechenden Änderungen vor, wobei in manchen Anpassungen und Veränderungen auch Verschärfungen gesehen werden können. Soweit aber gefordert wird, dass die Implikationen des DEMPE (Development, Enhancement, Maintenance, Protection, Exploitation)-Konzepts gemäß § 1 Abs. 3c AStG n. F. in der FVerlV n. F. hätten gesondert berücksichtigt werden müssen (vgl. Kluge/Liebchen, IStR 22, 642 f.), ist dem zu entgegnen, dass es sich bei den DEMPE-Funktionen gemäß § 1 Abs. 3c AStG n. F. (Entwicklung oder Erschaffung, Verbesserung, Erhalt, Schutz oder Verwertung) um Funktionen i. S. d. § 1 Abs. 1 FVerlV n. F. handelt. Demzufolge sind die Regelungen von § 1 Abs. 3c AStG n. F. auch bei einer Funktionsverlagerung gemäß § 1 Abs. 3b AStG n. F. anzuwenden.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass nach § 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c) AO seit dem 1.7.20 bestimmte Verrechnungspreisgestaltungen gegenüber dem BZSt anzeigepflichtig sind (s. hierzu Grotherr, DStZ 22, 35 ff.). Dazu gehört es auch, wenn zwischen verbundenen Unternehmen eine grenzüberschreitende Übertragung oder Verlagerung von Funktionen, Risiken sowie Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen stattfindet und der erwartete jährliche Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) des übertragenden Unternehmens über einen Zeitraum von drei Jahren (Durchschnittsbetrachtung) nach der Übertragung weniger als 50 % des jährlichen EBIT des übertragenden Unternehmens beträgt, welches erwartet worden wäre, wenn die Übertragung nicht stattgefunden hätte. Bei der Bemessung dieser Erwartung ist davon auszugehen, dass die verbundenen Unternehmen nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln. Eine Anzeigepflicht besteht somit grundsätzlich dann, wenn sich die Verlagerung erheblich negativ auf den erwarteten jährlichen Gewinn vor Zinsen und Steuern des übertragenden Unternehmens auswirkt; also insbesondere dann, wenn eine Funktionseinstellung bzw. -aufgabe oder eine Funktionseinschränkung vorliegt. All dies gilt sinngemäß auch für Betriebsstätten. |
Zu den Autoren | Dr. Stefan Greil ist tätig in den Bereichen internationale Unternehmensbesteuerung, Außensteuerrecht und internationaler Informationsaustausch. Lars Wargowske ist Bediensteter der Steuerverwaltung des Landes Brandenburg und Lehrbeauftragter der Universität Hamburg. Der Aufsatz ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt lediglich die persönliche Auffassung der Autoren wieder.