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  • · Fachbeitrag · Hybride Finanzierungen und Gesellschaften

    Der OECD Diskussionsentwurf zu Hybrid Mismatch Arrangements (Teil 1)

    von M.Sc. Christian Kahlenberg, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

    | Derzeit ist die BEPS-Debatte das wohl meist diskutierte Thema im internationalen Steuerrecht. Im Rahmen ihres im Juli 2013 veröffentlichten Aktionsplans hat die OECD am 19.3.14 erste Handlungsempfehlungen für den Bereich der sog. „Hybrid Mismatch Arrangements“ publiziert. Der als Diskussionsentwurf gekennzeichnete Bericht ist dabei zweigeteilt und beinhaltet Regelungsempfehlungen sowohl für nationale Vorschriften als auch für bilaterale Vereinbarungen (DBA). Dieser Beitrag widmet sich dem Bericht für unilaterale Handlungsempfehlungen. Die Empfehlungen auf bilateraler Ebene sind Bestandteil eines zweiten Teils. |

    1. Einleitung

    Der Diskussionsentwurf zielt grundsätzlich darauf ab, konkrete Regelungsempfehlungen zur Bekämpfung von Gestaltungen vorzugeben, die aus sog. „Hybrid Mismatch Arrangements“ entstehen (können). Im Bericht nimmt die OECD dafür zunächst eine Einordnung in die BEPS-Problematik vor. Anschließend werden Definitionen und Regelungsziele ausgesprochen, bevor strukturiert Handlungsempfehlungen für die einzelnen Gestaltungsstrukturen adressiert werden. Abschließend widmet sich der Bericht technischen Fragen zur praktischen Anwendung.

     

    Die OECD definiert zunächst, was nach ihrem Verständnis unter „Hybrid Mismatch Arrangements“ zu verstehen ist; denn nur diese sollen von den Empfehlungen angesprochen werden. Als „Hybrid Mismatch Arrangement“ qualifiziert sich danach ein Vorgang zur Gewinnverlagerung, der ein hybrides Element aufweist, welches einen Steuervorteil induziert. Das hybride Element kann dabei aus Gesellschaften oder Finanzinstrumenten bestehen (Rn. 17). Der daraus resultierende Steuervorteil lässt sich anschließend an drei konkreten Rechtsfolgen messen (Rn. 19):

     

    • a) Steuerfreistellungen oder Nichtberücksichtigung von Zahlungen, welche auf Ebene des Zahlenden abzugsfähig sind,

     

    • b) steuerlicher Abzug von Zahlungen, die nicht Bestandteil des Einkommens des Zahlungsempfängers sind (auch nicht im Rahmen von Hinzurechnungsregeln [CFC-Rules]),

     

    • c) steuerlicher Abzug von Zahlungen, die zusätzlich in einem anderen Staat steuerlich abzugsfähig sind.

     

    Ziel der Regelungsempfehlung ist es daher, diese Rechtsfolgen zu beseitigen. Dafür nimmt der Bericht eine Kategorisierung der hybriden Effekte vor, um so tragfähige Regelungen zu konstruieren und unterteilt die obigen Rechtsfolgen in:

    • deduction/non-inclusion-Konstellationen (entsprechend der Rechtsfolgen a) und b); nachfolgend: D/NI) und
    • double-deduction-Konstellationen (entsprechend der Rechtsfolgen c); nachfolgend: DD).

     

    Danach werden in Rn. 27 insgesamt neun Gestaltungsprinzipien für die anschließend erläuterten Regelungsempfehlungen festgelegt, welche zur Tragfähigkeit bzw. Umsetzbarkeit der adressierten Vorschriften beitragen sollen. Die einzelnen Prinzipien sind dabei teilweise als Komplementäre zu verstehen und werden in den Rn. 28 - 46 umfassend erläutert und konkretisiert.

     

    Hinweis | Es darf bereits an dieser Stelle bezweifelt werden, ob die Regelungsempfehlungen tatsächlich den genannten Prinzipien gerecht werden, da sich diese teilweise auch selbst widersprechen. So sollen diese Regeln zwar umfassend und ausführlich sein, aber gleichzeitig den Administrationsaufwand gering halten.

    2. Handlungsempfehlungen im Überblick

    Die OECD erkennt sehr wohl, dass hybride Effekte letztlich auf Wechselwirkungen zwischen den nationalen Rechtsordnungen zurückzuführen sind. Daher plädiert der Bericht dafür, diese Wechselwirkung auch auf Ebene der Regelungsempfehlungen nachzuvollziehen, indem sich die Staaten gegenseitig kontrollieren (vgl. Valta, ISR 14, 250). Aus diesem Grund könnten diese Empfehlungen keiner Universalnorm folgen, um die Besteuerungslücken zu schließen. Vielmehr bedarf es einem Zusammenspiel von primärer Grundregel (primary response) und sekundärer Gegenmaßnahme (defensive rule), um die Wirksamkeit zu gewährleisten (Rn. 52). Nach diesem Schema gelangt die als primäre Grundregel ausgemachte Empfehlung vorzugsweise zur Anwendung. Nur wenn diese Regel nicht umgesetzt ist oder im speziellen Einzelfall nicht angewendet wird, soll der andere Staat in Form der sekundären Gegenmaßnahme reagieren. Diese Hierarchie von Grundregel und Gegenmaßnahme dient vordergründig auch dazu, potenziellen Gefahren der Doppelbesteuerung vorzubeugen (Rn. 52), welche wiederum aus der parallelen Anwendung von Grundregel und Gegenmaßnahme drohen könnte.

     

    Ferner untergliedert die OECD verschiedene Fälle von hybriden Gestaltungen, um sachverhaltsspezifische Handlungsempfehlungen auszusprechen (Rn. 51 ff.) und erläutert diese anschließend beispielhaft (Rn. 59 ff.). Der Bericht differenziert dabei zwischen:

     

    • 1. Hybriden Finanzinstrumenten einschließlich Transaktionen,
    • 2. Zahlungen von hybriden Gesellschaften und
    • 3. Zahlungen an hybride Gesellschaften (Rn. 49).

     

    Die nachfolgende Übersicht (in Anlehnung an Tabelle 1 aus dem OECD-Bericht) fasst die jeweiligen Handlungsempfehlungen kategorienbezogen zusammen und verdeutlicht zugleich den Regelungsaufbau zwischen Grundregel und Gegenmaßnahme.

     

    • Tabelle 1: Übersicht der Handlungsempfehlungen

    Kategorie
    Hybrides Element
    Konstellation
    Direkte Empfehlungen
    Empfehlung für Verknüpfungsregeln
    Grundregel
    Gegenmaßnahme
    Anwendungsbereich

    Hybride Finanzinstrumente und Transaktionen

    Abweichender Charakter von Zahlungen von Hybridinstrumenten

    D/NI

    Korrespondenzprinzip bei Schachteldividenden

    Schuldnerstaat versagt Betriebsausgabenabzug

    Empfängerstaat bezieht Einkommen in die BMG

    Ausstehend (voraussichtlich bei verbundenen oder nahestehenden Personen, 10 % Beteiligung)

    Zahlungen von Hybridgesellschaften

    Abweichende Beurteilung von Zahlungen von Hybridgesellschaften

    D/NI

    -

    Schuldnerstaat versagt Betriebsausgabenabzug

    Empfängerstaat bezieht Einkommen in die BMG

    Bei verbundenen oder nahestehenden Personen, 10 % Beteiligung und strukturierten Transaktionen

    DD

    -

    Investorstaat versagt Betriebsausgabenabzug

    Schuldnerstaat versagt Betriebsausgabenabzug

    Bei verbundenen oder nahestehenden Personen, 10 % Beteiligung und strukturierten Transaktionen (nicht für Grundregel)

    Zahlungen an Hybridgesellschaften

    Umgekehrt Hybride

    Nichterfassung von Zahlungen aufgrund abweichender Behandlung von Hybridgesellschaften

    D/NI

    Ansässigkeitsstaat der Zwischengesellschaft ordnet umfassende Informations- und Steuererklärungspflichten an

    CFC-Regelungen im Investorstaat, Einführung von Anti-Hybrid-Regeln (Qualifikationsverkettung)

    Schuldnerstaat versagt Betriebsausgabenabzug

    Bei beherrschenden Beteiligungsverhältnissen (Beteiligung ab 50 %) und Missbrauch

    Importierte Hybride

    Zahlungen werden gegen Aufwendungen aus Hybridinstrumenten verechnet

    Einführung von Anti-Hybrid-Regeln (Qualifikationsverkettung)

     

    Wie diese Maßnahmen eingreifen sollen, wird nachfolgend exemplarisch besprochen.

     

    2.1 Hybride Finanzinstrumente und Transaktionen

    Bei der Kategorie um hybride Finanzinstrumente handelt es sich nach dem Bericht um sog. D/NI Konstellationen. Die hierunter gefassten Gestaltungen zielen dabei auf einen Qualifikationskonflikt im Rahmen der Kapitalüberlassung ab. Die divergierende Einordnung als Fremdkapital im Quellenstaat und Eigenkapital im Empfängerstaat kann nämlich dazu führen, dass Vergütungen im Quellenstaat als Zinsen abziehbar sind, im Empfängerstaat aber keiner korrespondierenden Besteuerung unterfallen (Rn. 62; s. z.B. Kudert/Hagemann/Kahlenberg, PIStB 12, 322 ff.).

     

    Bevor die OECD eine konkrete Grundregel oder Gegenmaßnahme anwenden möchte, plädiert sie dafür, unilateral-existente Schachtelprivilegien (wie § 8b Abs. 1 KStG) derart einzuschränken, dass eine Steuerfreistellung nur gewährt werden sollte, wenn Vergütungen auf Ebene der zahlenden Gesellschaft nicht abzugsfähig sind (Rn. 109a).

     

    MERKE | Die Handlungsempfehlung entspricht dabei dem materiellen Korrespondenzprinzip in § 8b Abs. 1 S. 2 KStG (hierzu auch Kudert/Kahlenberg, PIStB 14, 196 ff. m.w.N.). Ferner ist mit der Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie eine korrespondierende Besteuerung bis zum 31.12.15 für EU-Mitgliedstaaten verpflichtend umzusetzen. Auch Österreich hat bereits vorgegriffen und in § 10 Abs. 7 öKStG ein entsprechendes Korrespondenzprinzip implementiert (vgl. auch Kahlenberg, Ubg 14, 556 m.w.N.).

     

    Der Bericht geht aber gleichzeitig davon aus, dass derartige D/NI-Konstellationen nicht ausschließlich durch Schachtelprivilegien begünstigt werden und adressiert daher zusätzlichen Handlungsbedarf (Rn. 81c, 109a). Denn selbst bei einheitlicher Definition des Finanzinstruments können sich Konflikte für bestimmte Komponenten ergeben, etwa bei Aufschub von Kaufpreiskomponenten oder Aufschlägen bei Wandel- und Optionsanleihen (Rn. 64). Eine Nichtbesteuerung würde dann nicht durch ein in Anspruch genommenes Schachtelprivileg auftreten.

     

    Hinweis | Währungskursdifferenzen, divergierende Erfassungszeitpunkte für Zahlungen oder eine unterschiedliche Bewertung von Zinskomponenten (z.B. bei Nullkuponanleihen) sollen von der Korrespondenzregel nicht erfasst sein (Rn. 86 f.). Ferner werden auch hybride Transaktionen unter die Kategorie der hybriden Finanzinstrumente gefasst, wenn bei besicherten Darlehen bzw. Derivaten die Zuordnung der relevanten Referenzgröße abweichend beurteilt wird (Rn. 66).

     

    Als primäre Grundregel soll für diese Fälle auf Ebene des Quellenstaats ein Abzugsverbot für Vergütungen implementiert werden, welche keiner korrespondierenden Besteuerung unterliegen (Rn. 66 ff., 81a). Die Nachweispflicht über eine tatsächliche Besteuerung obliegt dabei dem Steuerpflichtigen (Rn. 181). Falls eine primäre Grundregel im Quellenstaat nicht existiert oder angewendet wird, soll als sekundäre Gegenmaßnahme der abzugsfähige Anteil der relevanten Vergütung im Empfängerstaat als ordentliches Einkommen nachversteuert werden (Rn. 81b, 109b).

     

    Hinweis | Bedauerlicherweise hält der Bericht keine Hinweise für den umgekehrten Qualifikationskonflikt bereit, bei welchem eine Doppelbesteuerung drohen kann. Dies ist deshalb zu kritisieren, weil derartige Konstruktionen gleichermaßen von großer praktischen Bedeutung sind.

     

    Schließlich verzichtet der Diskussionsentwurf auf eine abschließende Definition, welche Instrumente oder Transfers den Abwehrregelungen unterfallen sollen, sondern überlässt die Entscheidung darüber den nationalen Rechtsordnungen. Allerdings hält der Bericht zwei mögliche Alternativen bereit, wie eine solche Definition erfolgen könnte. Einerseits wäre ein „Botton-Up“-Ansatz möglich, indem ein abschließender Katalog von Instrumenten und Transaktionen aufgezählt werden könnte (Rn. 119). Andererseits wäre auch ein „Top-Down“-Ansatz möglich, also die Kodifizierung eines Ausnahmekatalogs von Instrumenten und Transaktionen (Rn. 120).

     

    Achtung | Die Regelungsempfehlung soll dabei ausschließlich bei verbundenen oder nahestehenden Personen (Beteiligung ≥ 10 %, Rn. 128) Anwendung finden (Rn. 126). Streubesitzbeteiligungen sollen hingegen ausgenommen bleiben (Rn. 121, 147 ff.). 

     

    2.2 Hybride Gesellschaften

    Hybride Gesellschaften sind durch eine gegensätzliche Steuersubjektqualifikation zwischen den betroffenen Staaten charakterisiert (Rn. 164). Der Diskussionsentwurf unterscheidet dabei zwischen Zahlungen an sowie Zahlungen von hybriden Gesellschaften, da die jeweiligen Gestaltungen zwar identische Rechtsfolgen aufweisen können, die Konstruktionen und damit auch die notwendigen Handlungsempfehlungen aber wiederum divergieren.

     

    Hinweis | In Deutschland erfolgt die Einordnung ausländischer Rechtsträger nach dem sog. Rechtstypenvergleich (vgl. BMF 19.3.04, IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl I 04, 411; Kahlenberg, PIStB 13, 310) und ist unabhängig von der Qualifikation im ausländischen Staat.

     

    a) Zahlungen von hybriden Gesellschaften

    Sofern Zahlungen von hybriden Gesellschaften geleistet werden, sind rechtsfolgenseitig zwei Effekte zu unterscheiden:

    • DD-Konstellationen (Rn. 164 ff.) und
    • D/NI-Konstellationen (Rn. 175 ff.).

     

    • Beispiel 1

    Die A-Co. hält 100 % an der im Staat B ansässigen B-Co., welche sich aus Sicht des Staates A als transparent qualifiziert, aus Sicht des Staates B wiederum als intransparent. Die B-Co. nimmt nun ein Bankdarlehen auf, für das sie angemessene Zinsen zahlt.

     

    Die Zinszahlungen sind nun in beiden Staaten zu berücksichtigen. Aus Sicht des Staates A ist die A-Co. Schuldnerin, weil die Zinsen der steuerlich transparenten B-Co. nicht zurechenbar sind. Aufgrund der steuerlichen Intransparenz der B-Co. aus Sicht des Staates B ist demgegenüber die B-Co. Schuldnerin der Zinszahlungen.

     

    Hinweis |Diese Doppelberücksichtigung von Aufwendungen ist aber durchaus systemimmanent, weil auch Erträge konsequenterweise doppelt berücksichtigt würden (Rn. 169). Als schädlicher Effekt wird daher nur der Anteil von Aufwendungen gelten, welcher nicht mit doppelt erfassten Erträgen verrechenbar ist (sog. „non dual inclusion income“, Rn. 169 f.). Diese hybriden Effekte werden unter Einbezug von Gruppenbesteuerungssystemen noch verstärkt (vgl. dazu Schnitger/Weiss, IStR 14, 510 f.).

     

    Um einer doppelten Aufwandsnutzung vorzubeugen, wird als primäre Grundregel die Versagung des Betriebsausgabenabzugs im Ansässigkeitsstaat des Investors (hier: A-Co.) erwogen, soweit nicht auch Erträge analog doppelt erfasst sind (Rn. 183d). Gleichzeitig wird angeregt mögliche Anrechnungsüberhänge in künftige Perioden vorzutragen, um eine künftige Verrechnung zu gewähren (Rn. 183e). Sofern die primäre Grundregel nicht eingreift, soll als sekundäre Gegenmaßnahme der Abzug auf Ebene der hybriden Gesellschaft (hier: B-Co.) versagt werden (Rn. 183f).

     

    • Beispiel 2

    Den Ausgangspunkt bildet Beispiel 1, doch sei nunmehr unterstellt, dass das Darlehen nicht von der Bank, sondern von der A-Co. ausgereicht wird.

     

    Aus Sicht des Staates B ist weiterhin B-Co. Zinsschuldnerin und die Zinsen dementsprechend bei ihr steuermindernd zu berücksichtigen. Doch wird aus Sicht des Staates A die Darlehensvereinbarung zwischen A-Co. und B-Co. steuerlich nicht anerkannt und der Zinsertrag auf Ebene der A-Co. konsequenterweise ignoriert (Rn. 175). Grund dafür ist die abweichende transparente Behandlung in Staat A. Es handelt sich somit um eine D/NI-Konstellation.

     

    Hierfür sieht der Bericht als primäre Grundregel die Verwehrung des Zinsabzugs im Ansässigkeitsstaat des Schuldners (hier: B-Co.) vor (Rn. 183h). Als flankierende Gegenmaßnahme soll der Zinsertrag als ordentliches Einkommen im Ansässigkeitsstaat des Gläubigers (hier: A-Co.) berücksichtigt werden (Rn. 183i).

     

    MERKE | Ein ähnlicher Regelungsmechanismus findet sich in § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG, wonach die Verlustnutzung im Rahmen einer Organschaft unter die Einschränkung gestellt wird, dass dieser nicht doppelt berücksichtigt wird. Allerdings greift die Regelung nur DD-Konstellationen auf und stellt auch nicht darauf ab, ob auch Erträge ggf. doppelt berücksichtigt werden (kritisch dazu Schnitger/Weiss, IStR 14, 514 m.w.N.). Dagegen macht das deutsche Regelwerk die Abziehbarkeit von Aufwendungen nicht von einer korrespondierenden Besteuerung im

    anderen Staat abhängig. Derartige Regelungen sind aber durchaus in anderen EU-Mitgliedstaaten vorzufinden. Allerdings können solche Regelungen europarechtlich höchst bedenklich sein und haben in der Vergangenheit bereits zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren geführt (vgl. Kahlenberg, Ubg 14, 559 m.w.N.).

     

    Der Anwendungsbereich soll erneut nur auf verbundene bzw. nahestehende Personen begrenzt sein (Rn. 194).

     

    b) Zahlungen an hybride Gesellschaften

    Ferner befasst sich der Bericht mit Zahlungen an hybride Gesellschaften in Dreieckssachverhalten. Die Besonderheit in diesem Bereich ist, dass der hybride Effekt zwar in einem Staat entsteht, durch einen weiteren Vorgang letztlich aber in einen Drittstaat transportiert wird. Im Ergebnis wird damit der Effekt im erstgenannten Staat neutralisiert. Daher wird der Staat, in welchem der hybride Effekt letztlich durchschlägt, nur eingeschränkt Ambitionen aufweisen, gegen die betreffende Gestaltung vorzugehen. Dabei unterscheidet der Bericht zwischen umgekehrt (im Vergleich zu Abschn. 2.2.a) hybriden Gesellschaften (Rn. 198 ff.) und importierten hybriden Strukturen (Rn. 207 ff.). Die Zusammenfassung in einem Abschnitt ist wohl damit zu rechtfertigen, dass beide Gestaltungen auf D/NI-Konstellationen in Dreieckskonstellationen abzielen (Rn. 215c und 202, 208, 214).

     

    • Beispiel 2

    Weiterhin dient Beispiel 1 - aber spiegelbildlich - als Ausgangspunkt, doch ist die B-Co. nunmehr aus Sicht des Staates A intransparent und aus Sicht des Staates B transparent. Die B-Co. ist weiter so gestaltet, dass sie nicht als Betriebsstätte qualifiziert wird. Das von der A-Co. erhaltene Darlehen der B-Co. wird an die in Staat C ansässige C-Co. weitergereicht.

     

    Die von C-Co. geleisteten Zinszahlungen mindern nunmehr dort die steuerliche Bemessungsgrundlage. Der korrespondierende Zinsertrag wird auf Ebene der B-Co. steuerlich nicht erfasst, sondern - aus Sicht des Staates B - der A-Co. zugerechnet. Aus Sicht des Staates A ist die B-Co. jedoch intransparent, weshalb die Zinsen wiederum dieser zuzurechnen sind. Der so entstandene Zurechnungskonflikt führt im Ergebnis zu unbesteuerten Zinserträgen, denen ein steuerlich berücksichtigungsfähiger Zinsaufwand in Staat C gegenübersteht (Rn. 202).

     

    • Beispiel 3

    Die in Staat A ansässige A-Co. stellt ihrer in Staat B ansässigen Tochtergesellschaft (B-Co.) Hybridkapital zur Vergütung, welches einen Qualifikationskonflikt auslöst, weil es von Staat B als Fremdkapital und von Staat A als Eigenkapital qualifiziert wird. Die B-Co. gibt das erhaltene Kapital als ordentliches Darlehen an die im Staat C ansässige C-Co. weiter.

     

    In Staat C mindern die Zinsaufwendungen die steuerliche Bemessungsgrundlage. In Staat B sind die an A-Co. geleisteten Vergütungen steuerlich abzugsfähig und mit den Zinserträgen von der C-Co. verrechenbar. Die von der B-Co. erhaltene Vergütung wird auf Ebene der A-Co. steuerlich freigestellt. Mithin wurde der erzwungene Qualifikationskonflikt in Staat C transferiert, weil die B-Co. steuerneutral gestellt ist.

     

    Aufgrund der starken Gestaltungsparallelen sieht es der Bericht als sachgerecht an, für beide Strukturen dieselben Handlungsempfehlungen auszusprechen. Als primäre Grundregel wird dem Ansässigkeitsstaat des Investors (hier: A-Co.) empfohlen, spezielle Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung zu implementieren (Rn. 219a). Flankierend dazu soll als Gegenmaßnahme der Ansässigkeitsstaat der Zwischengesellschaft (hier: B-Co.) der Steuersubjektqualifikation im Ansässigkeitsstaat des Investors folgen (Anordnung einer „Qualifikationsverkettung“, Rn. 219b, 223). Als zusätzliche Hilfsregel ist schließlich die Verwehrung des steuerlichen Abzugs im Drittstaat angedacht (Rn. 219c). Außerdem regt der Bericht an, im Staat der Zwischengesellschaft (hier: B-Co.) umfassende Informations- und Steuererklärungspflichten zu kodifizieren (Rn. 219d), um eine vollumfängliche Sachverhaltsermittlung zu gewährleisten (Rn. 222). Dies sei insbesondere für die rechtskonforme Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerungsregeln im Ansässigkeitsstaat des Investors notwendig (so auch Valta, ISR 14, 253).

     

    Zumindest die zusätzliche Hilfsregel ist dahingehend zu kritisieren, dass die Aufbereitung der erforderlichen Informationen, nämlich ob Hybridkapital weitergegeben wurde, nur schwer zu deklarieren ist. Ferner ist anzumerken, dass in Beispiel 3 davon auszugehen sein sollte, dass Staat A bereits eine korrespondierende Behandlung vorgenommen hat. Denn diese Gestaltung würde bereits durch andere Regelungsempfehlungen aufgegriffen. Insgesamt bedeutet eine zusätzliche Hilfsregel daher lediglich eine erhöhte Regulierung, ohne hinreichend an materieller Rechtfertigung zu erfahren.

     

    Achtung | Diese Regelungsempfehlungen sollen jedoch nur im Rahmen beherrschender Gesellschaftsbeziehungen (mehr als 50 %-Beteiligung) anwendbar sein (Rn. 232b).

     

    Hinweis | Deutschland verfügt bereits über umfassende Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG), weshalb für den Gesetzgeber insoweit kein Handlungsbedarf bestehen sollte.

    3. Zusammenspiel der Regelungsempfehlungen

    Abschließend gibt der Diskussionsentwurf noch einige wesentliche Hinweise zur technischen Umsetzung der adressierten Handlungsempfehlungen. Aus Sicht der OECD sollen die angesprochenen Handlungsempfehlungen erst nach den jeweiligen nationalen Vorschriften ansetzen, um die innerstaatliche Sachverhaltswürdigung nicht zu konterkarieren. Allerdings gilt dies nicht für spezielle nationale Abwehrregelungen, wie beispielsweise nationale Zinsabzugsbeschränkungen (Rn. 241). Hierdurch soll erneut der Gefahr der drohenden Doppelbesteuerung vorgebeugt werden.

     

    Zusätzlich führt der Bericht beispielhaft aus, in welchem Rangverhältnis die einzelnen Handlungsempfehlungen zueinander stehen.

     

    • Beispiel 4

    Die A-Co. hält eine 100 % Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft Sub-Co., welche wiederum an der in Staat B ansässigen B-Co. allein beteiligt ist. Aus Sicht des Staates A ist die B-Co. transparent, wohingegen Staat B diese als intransparent ansieht. Die Sub-Co. überlässt nun der B-Co. Hybridkapital, welches in Staat A als Eigen- und in Staat B als Fremdkapital klassifiziert wird (Rn. 242 f.). A-Co. und Sub-Co. sind ferner durch ein Gruppenbesteuerungsregime miteinander verbunden, weshalb Erträge nicht der Sub-Co., sondern letztlich der A-Co. zugerechnet werden.

     

    Die Vergütung auf das Hybridkapital mindert auf Ebene der B-Co. deren steuerliche Bemessungsgrundlage, obgleich es an einer korrespondierenden Besteuerung in Staat A fehlt. Es stellt sich nunmehr die Frage, ob zuerst die Regelungen für hybride Finanzinstrumente oder jene für Zahlungen von hybriden Gesellschaften zur Anwendung gelangen (Rn. 244).

     

    Die OECD plädiert dafür, zunächst die Regelungen für hybride Finanzinstrumente anzuwenden, da diese den weiteren Anwendungsbereich haben, leichter anzuwenden sind und die Abzugsfähigkeit vollumfänglich einschränken (Rn. 245 f.). Nur dann, wenn der Ansässigkeitsstaat der Hybridgesellschaft (hier: B-Co.) keine Regelung für hybride Finanzinstrumente implementiert hat, sollen die Regelungsempfehlungen für Zahlungen von hybriden Gesellschaften zur Anwendung gelangen. Interessanterweise wird dabei nicht der Fall angesprochen, dass Staat B die primäre Grundregel nicht anwendet. Dies gilt natürlich nur, wenn der Ansässigkeitsstaat des Investors auch keine sekundäre Gegenmaßnahme für hybride Finanzinstrumente aufweist.

     

    Hinweis | Die Konstellation für Zahlungen an hybride Gesellschaften wird im Diskussionsbericht dagegen nicht thematisiert. Dies ist deshalb so bedauerlich, weil die Vielzahl an Regelungen einer einheitlichen Abstimmung bedarf, um das postulierte Nebenziel, Doppelbelastungen zu vermeiden, auch tatsächlich zu erreichen (so auch Schnitger/Weiss, IStR 14, 513).

     

    FAZIT |  

    Der Diskussionsbericht zeigt in deutlicher und strukturierter Weise, wie weit das Gestaltungsfeld hybrider Gesellschaften und Finanzinstrumente ist. Zu begrüßen ist deshalb der strukturierte Ansatz, mit welchem die OECD den Versuch unternimmt, konkrete Handlungsempfehlungen zu konstruieren. Allerdings wird bereits hier deutlich, dass es dabei einer Reihe von Spezialnormen bedarf, welche auf eine zusätzlichen Verkomplizierung der Rechtsordnungen hinauslaufen werden. Zudem erwächst hieraus ein enormer administrativer Aufwand, welcher bei tatsächlicher Umsetzung unvermeidbar erscheint.

     

    Überdies bleibt fraglich, ob die Regelungsempfehlungen auch in praktischer Hinsicht ihre Wirkung entfalten können, da sie umfangreiches Wissen über die steuerliche Beurteilung ausländischer Rechtsordnungen voraussetzen, die nicht sehr realistisch erscheinen. Allerdings zeigt sich erfreulicherweise auch, dass sich für den deutschen Gesetzgeber kaum Handlungsbedarf eröffnet, da die Mehrzahl der Handlungsempfehlungen - teilweise auch nur in ähnlicher Form - bereits implementiert wurden.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 312 | ID 42936598