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  • · Fachbeitrag · Unionsrecht

    Verschärfung der EU-Zinsrichtlinie:Automatischer Informationsaustausch ab 2017

    von Univ.-Prof. Dr. Stephan Kudert und M.Sc. Agnieszka Kopec, beide Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

    | Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben am 20.3.14 einen Konsens in Bezug auf die Ausweitung des Anwendungsbereiches der EU-Zinsrichtlinie (2003/48/EG), gelegentlich Sparzinsrichtlinie genannt, erreicht. Auch Luxemburg und Österreich, die bislang die Zinsrichtlinie nur im eingeschränkten Maße angewandt haben, haben dem Vorschlag zugestimmt. Der folgende Beitrag beschreibt den Hintergrund für die Änderungen der EU-Zinsrichtlinie und geht ausführlich auf die geplanten Anpassungen ein. |

    1. Zielsetzung und Funktionsweise der EU-Zinsrichtlinie

    Die EU-Zinsrichtlinie, die am 3.6.03 vom Rat der EU auf Vorschlag der EU-Kommission verabschiedet wurde, und seit dem 1.7.05 in den EU-Staaten ihre Anwendung findet, hat zum Ziel, jegliche Verzerrungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern, indem sie die effektive Besteuerung von grenzüberschreitenden Zinserträgen an natürliche Personen in deren Ansässigkeitsstaat gewährleistet. Um dieses Ziel zu erreichen, enthält die Richtlinie einen sog. automatischen Informationsaustausch (AIA). Dieser besteht darin, dass ein Mitgliedstaat, aus dem die Zinsen ausgezahlt werden, verpflichtet ist, dem Wohnsitzstaat des Zahlungsempfängers (natürliche Person) die Zinszahlung mitzuteilen. Deutschland hat die Richtlinie über die Ermächtigung in § 45e EStG durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) umgesetzt. Praktisch teilt die sog. Zahlstelle (i.d.R. das Kreditinstitut) der Steuerbehörde des Quellenstaats (in Deutschland: BZSt) die Zinszahlung mit. Die Steuerbehörde leitet die Information an die Steuerbehörde des Wohnsitzstaats des Empfängers weiter. Dieser Informationsaustausch erfolgt weitgehend automatisiert.

     

    Mit der Auskunftserteilung wird das Bankgeheimnis für Zinsen faktisch aufgehoben. Österreich, Belgien und Luxemburg hatten sich deshalb nicht entschieden, der automatischen Auskunftserteilung sofort beizutreten. Für diese Länder wurde eine „Übergangszeit“ vereinbart, während der sie zwar nicht am Informationsaustausch teilnehmen mussten, dafür aber eine Quellensteuer auf Zinsen zu erheben hatten. Diese Quellensteuer wurde pro rata temporis von 15 % über 20 % bis auf 35 % angehoben. Anschließend werden 3/4 dieser Steuereinnahmen an den Wohnsitzstaat des Zahlungsempfängers weitergeleitet, ohne ihm die Identität des Gläubigers mitzuteilen; das im Quellenstaat verbleibende 1/4 kann als Verwaltungsgebühr angesehen werden.

     

    Es entbrannte eine Diskussion darüber, ob die Verhinderung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung besser durch ein System von Quellensteuern oder durch einen flächendeckenden automatischen Informationsaustausch erfolgen sollte. Die drei Mitgliedstaaten wollten erst dem Informationsaustausch beitreten, wenn auch Steueroasen - namentlich die Schweiz, Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino - Abkommen über Auskunftsaustauschverfahren abschließen. Die EU-Kommission hat in den laufenden Verhandlungen mit diesen fünf Drittstaaten über einen automatischen Austausch von Bankdaten hinreichend Zusicherungen erhalten, dass auch diese Staaten das Bankgeheimnis mit Blick auf Zinserträge künftig aufgeben werden. Durch diese Zusicherungen ließ sich erst der Widerstand Belgiens und nunmehr auch Österreichs und Luxemburgs überwinden. Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerhinterziehung bei Zinsen sind inzwischen auch in erstaunlich vielen anderen Fällen erfolgt. So nehmen z.B. die Cayman Islands und Gibraltar am Informationsaustausch teil, während z.B. Andorra eine Quellensteuer erhebt.

     

    PRAXISHINWEIS | Das BZSt hält auf seiner Homepage eine pdf-Datei vor, aus der sich ergibt, welche EU- und Drittstaaten am Informationsaustausch teilnehmen oder eine Quellensteuer erheben: www.bzst.de/DE/Steuern_International/EU_Zinsrichtlinie/Merkblaetter/Laenderaufstellung.html?nn=23300

     

    Belgien hat ab dem 1.1.10 vom Quellensteuerverfahren abgesehen und nimmt seit diesem Zeitpunkt am Informationsaustausch teil. Luxemburg hat sich ebenfalls bereit erklärt, ab dem 1.1.15 von dem anonymen Quellensteuerabzug auf die automatische Auskunftserteilung zu wechseln. Mit der Änderung der EU-Zinsrichtlinie wird nun auch Österreich seine Blockadehaltung aufgeben.

    2. Hintergrund der Änderungen

    Den Ausgangspunkt für diese Änderung stellte der Bericht der EU-Kommission vom 15.9.08 dar. Die Verpflichtung zur Beurteilung des Anwendungsstands der EU-Zinsrichtlinie durch die EU-Kommission findet ihre gesetzliche Grundlage in der Richtlinie selbst (vgl. Art. 18). Demnach steht die EU-Kommission dafür ein, dem Rat in regelmäßigen Zeitabständen von drei Jahren über die Anwendung der Richtlinie zu berichten und, falls sie es für notwendig hält, ihm Änderungsvorschläge vorzulegen.

     

    Aus dem ersten von der EU-Kommission in 2008 vorgestellten Bericht ging hervor, dass die Zinsrichtlinie in der aktuell geltenden Fassung vom 3.6.03 nicht in der Lage ist, die effektive Besteuerung von Zinserträgen im geplanten Umfang zu gewährleisten. Das Steueraufkommen war und ist im Vergleich zu den vorher kolportierten Größenordnungen eher bescheiden.

     

    • Bemängelt wurde in erster Linie der begrenzte Geltungsbereich der Richtlinie. Bei deren Überprüfung hat sich herausgestellt, dass die Richtlinienvorschriften leicht durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person oder Rechtsvereinbarung, deren Gewinne keiner effektiven Besteuerung im Ausland unterliegen, umgangen werden können.

     

    • Darüber hinaus findet die derzeitige Fassung der Richtlinie keine Anwendung, wenn sich eine zwischengeschaltete Zahlstelle außerhalb der EU befindet. Aus diesem Grund hat sich die EU-Kommission die Frage gestellt, ob die Definition der Zahlstelle in Art. 4 der Zinsrichtlinie angemessen sei.

     

    • Auch die Definition der Zinserträge, die unter den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, wurde von der EU-Kommission als zu eng empfunden. Vorgeschlagen wurde die Definition in Art. 6 auf weitere Anlageinstrumente, die den „Forderungen jeder Art“ vergleichbar sind, auszuweiten.

     

    • Zudem hat die EU-Kommission die Wirksamkeit einiger Verfahrensaspekte, wie z.B. die Feststellung der Identität der wirtschaftlichen Eigentümer, das Vorgehen bei der Auskunftserteilung oder die Ausnahmen vom Quellensteuerverfahren, als nicht hinreichend bestimmt angesehen.

     

    Um diesen Regelungsdefiziten entgegenzuwirken, hat die EU-Kommission in dem Bericht, neben der Auflistung möglicher Verbesserungsvorschläge, ein Arbeitspapier vorbereitet, das ausführliche Lösungsansätze und konkrete Vorschläge für die Änderung der einzelnen Vorschriften enthält. Diese Änderungsvorschläge haben ihren Niederschlag im Entwurf der Zinsrichtlinie vom 4.3.14 gefunden. Dem vom EU-Rat auf Vorschlag der EU-Kommission vorbereiteten Entwurf haben am 20.3.14 auf dem Gipfeltreffen in Brüssel die 28 EU-Staaten einstimmig zugestimmt. Ein endgültiger formeller Beschluss über die Verschärfung der Zinsrichtlinie fiel beim Ministertreffen, das vier Tage danach, also am 24.3.14, stattfand.

     

    In dem Richtlinienentwurf setzt die EU den von der OECD entwickelten und von den G20 gebilligten einheitlichen weltweiten Standard für den internationalen, automatisierten Informationsaustausch (Common Reporting Standard; CRS) um. Dieser Standard besteht aus einem Musterabkommen (Model Competent Authority Agreement; CAA) und dem CRS Due Diligence Prozess. Darüber hinaus entwickelt die OECD einen Musterkommentar zum CAA. Er soll noch in 2014 veröffentlicht werden.

     

    Mit der Zustimmung zum Entwurf der neuen Zinsrichtlinie haben die EU-Staaten verbindlich erklärt, sicherzustellen, das innerstaatliche Recht an den neuen Standard zeitnah anzugleichen. Die neue EU-Zinsrichtlinie soll bis zum 1.1.16 ins nationale Recht der Mitgliedstaaten transferiert und ab dem 1.1.17 effektiv angewendet werden. Der von der OECD geplante AIA geht jedoch weiter als die EU-Zinsrichtlinie. Er umfasst z.B. auch Beteiligungs- und Veräußerungserträge. Zudem haben bereits 44 Staaten und Gebiete zugesichert, an dem Informationsaustausch teilzunehmen. Geplant ist der flächendeckende Start für 2017. Damit kann die überarbeitete Zinsrichtlinie lediglich als Zwischenschritt zum AIA angesehen werden.

    3. Änderungen der EU-Zinsrichtlinie

    Mit den verschärften, neu angefügten Bestimmungen will die EU-Kommission bestehende Schlupflöcher schließen und die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung wirksamer bekämpfen. Künftig wird die Richtlinie auch Zinszahlungen an zwischengeschaltete juristische Personen und Personengesellschaften mit einbeziehen. Ferner wird durch die Änderungen die Definition der Zinszahlung ausgedehnt. Die überarbeitete Richtlinie stellt auch höhere Anforderungen an die Auskunftserteilung und Ermittlung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers.

     

    3.1 Definition des wirtschaftlichen Eigentümers

    Eine wesentliche Schwachstelle der Zinsrichtlinie bestand darin, dass sie ausschließlich auf Zinszahlungen anwendbar war, die unmittelbar zugunsten natürlicher Personen geleistet wurden. Dieser begrenzte persönliche Anwendungsbereich konnte in der Vergangenheit leicht durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person oder einer sonstigen Rechtsvereinbarung umgangen werden. Wenn diese zusätzlich in einem Rechtssystem angesiedelt waren, das keine effektive Besteuerung der Zinsen vorsah, konnte die steuerliche Belastung grenzüberschreitender Zinszahlungen vermieden oder zumindest erheblich verringert werden. Darüber hinaus war bisher die Umgehung der Richtlinie durch die Umleitung von Zinszahlungen über außerhalb der EU niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer möglich.

     

    Um diesen beiden Schwachstellen entgegen zu wirken, soll die bisherige Definition des wirtschaftlichen Eigentümers in Art. 2 der Richtlinie ausgedehnt werden. Künftig wird als wirtschaftlicher Eigentümer auch diejenige natürliche Person gelten, der die Zinserträge nicht unmittelbar zufließen, sondern von einer zwischen ihr und der Zahlstelle eingeschalteten Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vereinnahmt und an sie anschließend weitergeleitet werden:

     

    • In Anhang I der Richtlinie sind Einrichtungen erfasst, deren Ort der Niederlassung bzw. der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Staat außerhalb der EU belegen ist und die dort keiner effektiven Besteuerung ausgesetzt sind. Die meisten von den im Anhang I aufgezählten Einrichtungen stellen steuerbefreite Trusts und Stiftungen dar. In der Auflistung sind z.B. Trusts, die nach dem Recht Hongkongs, des Libanons, Mauritius, Panamas, Neuseelands und der Philippinen gegründet wurden, aufgeführt.

     

    • In Anhang II der Zinsrichtlinie sind Einrichtungen und Vereinbarungen aufgezählt, die sich innerhalb der EU befinden und in dem Staat ihrer Niederlassung keiner effektiven Besteuerung unterworfen sind. Darunter fallen in erster Linie Personengesellschaften, die dem Transparenzprinzip folgend, keine eigenständigen Steuersubjekte sind. Der Katalog enthält z.B. auch die deutsche GbR, KG und OHG.

     

    Die im Anhang I und II vorgenommenen Auflistungen sind nicht abschließend.

     

    Hinweis | Es stellt sich die Frage, ob sich die Listen in beiden Anhängen in Zukunft als praktikabel und ausreichend erweisen werden. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung des Rechts und der in vielen Ländern bestehenden Vertragsfreiheit, wäre eine laufende Anpassung der Verzeichnisse erforderlich. Eine effektive Reaktion auf neue Rechtskonstruktionen wird der EU-Kommission aber schwer fallen. Sie ist dabei auf die Hilfestellung der Mitgliedstaaten angewiesen, was die schnelle Aktualisierung und Ergänzung der Anhänge bei nicht hinreichender Zusammenarbeit erschweren kann.

     

    In Art. 3 wird umfänglich erläutert, welche Mindestanforderungen die Zahlstelle bei der Ermittlung der Identität und des Wohnsitzes des wirtschaftlichen Eigentümers zu erfüllen haben. Den Mitgliedstaaten steht es frei, bei der Transformation der Richtlinie weitergehende Anforderungen zu kodifizieren. Auf das Problem der Doppelwohnsitze geht der Entwurf der Zinsrichtlinie jedoch nicht ein (vgl. hierzu unten 3.5).

     

    3.2 Definition der Zahlstelle

    Die Erweiterung der Zinsrichtlinie auf solche Zinserträge, die durch zwischengeschaltete, steuerbefreite Strukturen an natürliche Personen geleistet werden, erfordert eine entsprechende Anpassung der Definition der Zahlstellen. Nach Art. 4 Abs. 1 n.F. gilt als Zahlstelle jeder in einem Mitgliedstaat niedergelassene Wirtschaftsbeteiligte, der eine Zinszahlung an den wirtschaftlichen Eigentümer im EU-Ausland vornimmt oder eine solche Zinszahlung zu dessen unmittelbaren Gunsten einzieht. Gleiches gilt, wenn die Zahlung an einen Wirtschaftsbeteiligten in einem Drittstaat erfolgt und die Zahlstelle Informationen darüber hat, dass dieser die Zahlung an eine natürliche Person in der EU weiterleitet.

     

    Darüber hinaus sind nach Art. 4 Abs. 2 n.F. aber auch bestimmte Zahlungsempfänger Zahlstellen kraft Vereinnahmung. Zwischengeschaltete Einrichtungen und Rechtsvereinbarungen, die bei Vereinnahmung einer Zinszahlung als Zahlstelle handeln, sollen eindeutig identifiziert werden. Um dem genüge zu tun, werden nunmehr als Zahlstellen kraft Vereinnahmung auch diejenigen Strukturen gelten, die eine Zinszahlung an einen anderen nachgelagerten Wirtschaftsbeteiligten vermitteln und innerhalb der EU niedergelassen sind. Dabei handelt es sich um Einrichtungen und Rechtsvereinbarungen, die keiner effektiven Besteuerung unterliegen. Bei der Definition ist nicht die rechtliche Struktur der Einrichtung bzw. der Rechtsvereinbarung entscheidend. Maßgebend ist die fehlende tatsächliche Besteuerung nach dem nationalen Recht des Staates, in dem die Einrichtung den Ort ihrer Geschäftsleitung hat. Einrichtungen, die Zahlstellen kraft Vereinnahmung darstellen, sind in Anhang II der Richtlinie aufgeführt.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Die im Anhang enthaltene Auflistung sollte allerdings lediglich als eine Orientierungshilfe dienen und kann durch die Wirtschaftsbeteiligten widerlegt werden, indem anhand amtlicher Dokumente nachgewiesen wird, dass die Einrichtung in dem Staat ihrer Niederlassung tatsächlich effektiv besteuert wird.

     

    Der vorgelagerte Wirtschaftsbeteiligte, der die Zinszahlung an eine solche Einrichtung vornimmt, ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ihm verfügbaren Informationen über die nachgeschaltete Einrichtung zur Verfügung zu stellen.

     

    Art. 4 Abs. 2 S. 8 n.F. sieht Ausnahmen von der Definition der Zahlstelle kraft Vereinnahmung vor. Dazu gehören Investmentfonds i.S.d. Richtlinie, Einrichtungen, die Altersversorgungs- oder Versicherungsdienstleistungen erbringen bzw. Einrichtungen, die gemeinnützigen oder karitativen Zwecken dienen.

     

    Beachten Sie | Keine Zahlstelle kraft Vereinnahmung ist ein zwischengeschalteter Wirtschaftsbeteiligter außerhalb der EU, der die Zinszahlung an den wirtschaftlichen Eigentümer, der in der EU wohnhaft ist, weiterleitet. In diesem Fall gilt als Zahlstelle der Wirtschaftsbeteiligte, der die Zinszahlung primär durchführt (vgl. Art. 4 Abs. 1 n.F.). Die Zinszahlung gilt per Fiktion als zu unmittelbaren Gunsten des wirtschaftlichen Eigentümers erfolgt. Den Richtlinienbestimmungen ist es nicht eindeutig zu entnehmen, ob der zwischengeschaltete Wirtschaftsbeteiligte den in Anhang I der Richtlinie aufgezählten Einrichtungen angehören sollte. In Art. 4 ist kein Verweis auf Anhang I zu finden.

     

    Die Ausdehnung der Definition der Zahlstelle auf Personengesellschaften, die aufgrund ihrer transparenten Behandlung keiner effektiven Besteuerung in der EU unterliegen, ist bemerkenswert und kann in Zukunft zu praktischen Problemen führen. Personengesellschaften, die auch Zinserträge erzielen und diese im Endeffekt über die Gewinnanteile an ihre Gesellschafter, die wirtschaftliche Eigentümer sind, leiten, müssten nun ebenfalls den Meldepflichten nachkommen.

     

    Demzufolge erfolgt die Auskunftserteilung nach den neuen Richtlinienbestimmungen zweimal. Zunächst unterrichtet die originäre Zahlstelle, die eine Zinszahlung an die Personengesellschaft vornimmt, die zuständige Behörde ihres Mitgliedstaates. Sie übermittelt dieser Informationen, die die zwischengeschaltete Einrichtung, also die Personengesellschaft betreffen (Name, Rechtsform, Ort der Geschäftsleitung, Gesamtbetrag und Zeitpunkt der Zinszahlung, vgl. Art. 4 Abs. 2 S. 4 n. F.). In einem zweiten Schritt ist die zwischengeschaltete Einrichtung selbst dazu verpflichtet, die Auskünfte in Bezug auf den EU-Gesellschafter, dem die Zahlung tatsächlich zuzurechnen ist, der zuständigen Behörde zu übermitteln. Diese Meldepflicht resultiert aus der Tatsache, dass die zwischengeschaltete Einrichtung nach der neuen Rechtslage als eine Zahlstelle fungiert (vgl. Art. 4 Abs. 2 n. F.) und damit genauso wie die originären Zahlstellen verpflichtet ist, die Identität des wirtschaftlichen Eigentümers der Zinszahlung der Steuerbehörde mitzuteilen (vgl. Art. 8 n.F.).

     

    Achtung | Der doppele Auskunftsaustausch kann sich in Zukunft vor allem bei Dreieckssachverhalten als kaum administrierbar erweisen. Sollen die auszahlende Zahlstelle, die zwischengeschaltete Einrichtung und der wirtschaftliche Eigentümer in drei unterschiedlichen EU-Ländern niedergelassen sein, müssen insgesamt drei Steuerbehörden, die wiederum auf die Auskünfte seitens der zwei Zahlstellen angewiesen sind, miteinander kooperieren. In solcher Konstellation sind vier Meldungen erforderlich, um die Steuerbehörde des Wohnsitzstaates des wirtschaftlichen Eigentümers über die Zahlung in Kenntnis zu setzten.

     

     

    Ob das erweiterte Konzept der automatischen Auskunftserteilung, das sich auf die Fiktion der Zahlstelle kraft Vereinnahmung stützt und daraus die zusätzlichen Meldepflichten ableitet, erlaubt, die bisherigen Schlupflöcher im Steueraufkommen der EU-Mitgliedstaaten zu beseitigen, hängt von der Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden aus verschiedenen Ländern und Effektivität der Meldungen seitens der Zahlstellen ab. Dadurch, dass bei der Umleitung der Zinszahlung über steuerbefreite Zwischenstrukturen an dem Informationsaustausch mehrere Wirtschaftssubjekte beteiligt sind, wächst die Komplexität. Wie dies administrierbar ist, wird die Zukunft zeigen.

     

    3.3 Definition der Zinszahlung

    Nach ihrer ursprünglichen Zielsetzung soll die Zinsrichtlinie sicherstellen, dass grenzüberschreitende Zinseinnahmen innerhalb der EU tatsächlich besteuert werden. Um den Begriff der „Zinszahlung“ zu definieren, hatte man auf die Definition i.S.d. Art. 11 OECD-Musterabkommen zurückgegriffen. Im Laufe der Zeit hat sich aber herausgestellt, dass diese enge Definition nicht ausreichend ist. Die Zinsrichtlinie konnte bislang dadurch umgangen werden, dass anstelle eines herkömmlichen Sparkontos, dessen Zinsen meldepflichtig waren, Finanzinnovationen genutzt wurden. Damit war es möglich, Einkünfte aus solchen Anlageformen zu generieren, die dem Anleger die Vorteile der Risikobeschränkung, Flexibilität und der Rendite vergleichbar den Forderungen geboten haben, jedoch dem Geltungsbereich der Richtlinie nicht unterlagen.

     

    Die neue Definition der Zinszahlung in Art. 6 soll diese Regelungsdefizite beseitigen, indem sie versucht, alle Wertpapiere abzudecken, die mit Forderungen vergleichbar sind. Damit gelten als Zinszahlungen neben klassischen Zinsen alle gezahlten oder einem Konto gutgeschriebenen Einnahmen, die mit Wertpapieren jeder Art zusammenhängen. Damit die Zahlstellen die Identität der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Finanzinstrumente feststellen können, wurde die Definition um zwei alternative Kriterien erweitert. Demnach sind Einnahmen aus Wertpapieren dann als Zinszahlungen i.S.d. Richtlinie zu behandeln, wenn nach Art. 6 Abs. 1 n.F.:

     

    • bereits bei Emission feststeht, dass bei der Fälligkeit mindestens 95 % des eingesetzten Kapitals zurückzuzahlen sind, oder

     

    • mindestens 95 % der Erträge aus den Wertpapieren an Zinsen oder sonstige Erträge gebunden sind, die bei der Abtretung, Rückzahlung oder Einlösung der Forderungen aufgelaufen bzw. kapitalisiert sind oder aus Investmentfonds stammen.

     

    Den Bestimmungen der Richtlinie unterliegen auch solche Zinserträge, die im Rahmen von ausländischen Investmentfonds bzw. Investmentsystemen vereinnahmt werden. Dies gilt nach der neuen Rechtslage unabhängig von der Rechtsform des Fonds. Ausschlaggebend ist allein, dass die Investmentfonds entweder nach dem Recht eines EU- bzw. EWR-Staates registriert sind oder deren Satzung dem für Investmentfonds geltenden Recht eines der genannten Staaten unterliegen. Ausschüttungen, die von außerhalb der EU bzw. EWR niedergelassenen Investmentfonds vorgenommen werden, unterliegen unabhängig von jeglichen Voraussetzungen den Kontrollmitteilungen (Art. 6 Abs. 1 Buchst. d) iii) n.F.).

     

    Von der Zinsrichtlinie sind nach der neuen Rechtslage auch Leistungen aus Lebensversicherungen erfasst (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) n.F.). Diese Einnahmen sind dann meldepflichtig, wenn in dem Vertrag entweder eine Rendite vereinbart wurde oder die tatsächliche Vertragsleistung zu über 40 % an Zinsen oder sonstige oben angesprochene Erträge gebunden ist. Für Leistungen, die aus Wertpapieren generiert werden, ist die Richtlinie gemäß Art. 6 Abs. 9 anzuwenden, wenn die Erträge am 1.7.14 oder danach begeben wurden. Die Leistungen aus einem Lebensversicherungsvertrag sind nach Art. 6 Abs. 10 n.F. dann betroffen, wenn der ihnen zugrunde liegende Lebensversicherungsvertrag nach dem 1.7.14 abgeschlossen wurde.

     

    Weiterhin sehen die neuen Richtlinienvorschriften im Vergleich zum bisherigen Rechtsstand eine Sonderregelung vor, die dann zur Anwendung gelangt, wenn die Zahlstelle es unterlässt, der zuständigen Behörde die Informationen über die Höhe des gezahlten Ertrags zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall gilt gemäß Art. 6 Abs. 2 n.F. grundsätzlich der Gesamtbetrag der Zahlung als Zinszahlung.

     

    PRAXISHINWEIS | Die erweiterte Definition der Zinszahlung geht zwar in die richtige Richtung, ist allerdings nicht vollständig. Die festgesetzte Grenze von mindestens 95 % des investierten Kapitals bei Erträgen, die mit Wertpapieren zusammenhängen, kann von den Steuerpflichtigen leicht umgangen werden, sodass die Vereinbarung einer 94 % Garantie ausreicht, um von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen zu werden. Weiterhin sind von den Richtlinienbestimmungen immer noch einige eigenkapitalähnliche Finanzinstrumente, Dividendeneinkünfte und Lizenzzahlungen, die natürlichen Personen

    zufließen, nicht erfasst. Dadurch stellt die Richtlinie die Besteuerung nur im Hinblick auf die ausgewählten Anlageinstrumente sicher und lässt noch ein paar Steuerschlupflöcher offen, die in Zukunft geschlossen werden sollten und möglicherweise durch den AIA, der auf OECD-Ebene vereinbart wurde, auch geschlossen werden.

     

    3.4 Verfahrensaspekte

    Darüber hinaus sieht die neue Zinsrichtlinie die Erweiterung und Ergänzung der Regeln vor, die der Ermittlung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers dienen und sich auf die Verbesserung der Qualität der erteilten Auskünfte auswirken.

     

    • Dem Art. 3 Abs. 2 der Zinsrichtlinie wurden weitere Aspekte hinzugefügt, anhand derer die Zahlstelle die Identität des wirtschaftlichen Eigentümers der Zinszahlung zu bestimmen hat. Hierzu sollte die Zahlstelle sowohl auf Geburtsdatum und Geburtsort als auch auf die von den Mitgliedstaaten erteilte Steuer-Identifikationsnummer oder deren Entsprechung, falls vorhanden, zurückgreifen. Sollte der wirtschaftliche Eigentümer der Zahlstelle einen Nachweis über seinen steuerlichen Wohnsitz von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates vor dem Tag der Zahlung vorlegen, so gilt sein Wohnsitz als in diesem Staat belegen. Andernfalls ist bei der Bestimmung des steuerlichen Wohnsitzes auf seine Anschrift abzustellen.

     

    • Art. 8 der Zinsrichtlinie, der die von der Zahlstelle zu erteilenden Auskünfte regelt, wurde ebenfalls angepasst. Um die bisherigen Unsicherheiten in Bezug auf die Behandlung von gemeinsamen Konten und vom gemeinsamen wirtschaftlichen Eigentum zu beseitigen, wird künftig von den Zahlstellen verlangt, dass sie zusätzliche Auskünfte über die Beschaffenheit der betroffenen Zahlungen erteilen. Dies sind insbesondere Identität und Wohnsitz aller wirtschaftlichen Eigentümer, der Gesamtbetrag der Zinszahlungen, der diesen wirtschaftlichen Eigentümern zugeflossen ist oder als zugeflossen gilt. Auch ist Auskunft darüber zu erteilen, ob es sich bei dem gemeldeten Betrag um den allen wirtschaftlichen Eigentümern zusammen zuzurechnenden Gesamtbetrag, den dem betreffenden wirtschaftlichen Eigentümer tatsächlich zustehenden Anteil oder einen Anteil zu gleichen Teilen handelt.

     

    3.5 Das Problem der doppelten Ansässigkeit

    Eine bislang in der Praxis auftretende Besteuerungslücke ergibt sich durch Doppelwohnsitze.

     

    Art. 8 Abs. 1 n.F. bestimmt: „(1) Ist der wirtschaftliche Eigentümer der Zinsen in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft als dem, in dem die Zahlstelle niedergelassen ist, erteilt die Zahlstelle der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates ihrer Niederlassung mindestens folgende Auskünfte …“

     

    Hat der wirtschaftliche Eigentümer einen Wohnsitz im Staat der Zahlstelle (Staat A) sowie in einem anderen EU-Staat (Staat B) einen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt, kann die Zinsrichtlinie ins Leere laufen. Die Zahlstelle in Staat A würde aufgrund des Art. 8 Abs. 1 davon ausgehen, dass kein Informationsaustausch mit der Finanzverwaltung in Staat B erforderlich sei, weil der wirtschaftliche Eigentümer in Staat A (aufgrund seines Wohnsitzes) der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Allerdings würde in diesem Fall faktisch keine Besteuerung in Staat A erfolgen, weil er nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA (Tie-Breaker-Rule) abkommensrechtlich als im Staat B ansässig gilt und Staat A gemäß Art. 11 OECD-MA kein Besteuerungsrecht zugeordnet wird. Falls der wirtschaftliche Eigentümer selbst seine Zinseinkünfte im Staat B nicht deklariert, bleiben die hinterzogenen Zinsen weiß.

     

    Das Problem der doppelten Ansässigkeit wurde bei der grundlegenden Überarbeitung der Zinsrichtlinie entweder nicht gesehen oder fälschlich als nicht evident angesehen. Hier sollte eine Nachjustierung erfolgen.

    4. Ergebnis

    Im Kampf gegen die grenzüberschreitende Steuerflucht hat die EU nach sechsjähriger Diskussion einen Durchbruch erzielt. Die Staats- und Regierungschefs haben am 24.3.14 mit der notwendigen Einstimmigkeit beschlossen, die EU-Zinsrichtlinie zu verschärfen. Durch die Änderung der Richtlinie wurde ihr Geltungsbereich erheblich erweitert. Die angepasste Richtlinie soll neue Arten von Spareinkommen und Produkten erfassen, die den Zinsen vergleichbar sind. Sie schließt auch Einkünfte aus Investmentfonds und Lebensversicherungen mit ein. Darüber hinaus sollen von der Meldepflicht künftig nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen, einschließlich Stiftungen und Trusts sowie Personengesellschaften, betroffen sein. Damit soll verhindert werden, dass die Anwendung der Richtlinie über zwischengeschaltete Einrichtungen oder die Vereinbarung strukturierter Produkte umgangen wird.

     

    Die neuen Richtlinienbestimmungen sind jedoch so konstruiert, dass noch viele Fragen offen sind. Z.B. wurden die Änderungen hinsichtlich der Aufnahme von juristischen Personen und Personengesellschaften so gestaltet, dass sich die Anpassung der Richtlinie an die sich schnell ändernden Rechtsbedingungen in den Anwenderstaaten in Zukunft als schwer durchsetzbar erweisen kann. Auch die neue Definition der Zinszahlung kann nicht gänzlich überzeugen. Zudem wurde das Problem der Umgehung mit Hilfe eines doppelten Wohnsitzes nicht gelöst.

     

    Letztlich stellt die überarbeitete Zinsrichtlinie aber lediglich einen Zwischenschritt hin zur OECD-Transparenzrichtlinie mit einem umfassenderen AIA dar. Dieser wird, so steht zu hoffen, einige der noch offenen Probleme lösen.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 218 | ID 42673643