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  • · Fachbeitrag · Doppelansässigkeit

    Keine unbeschränkte Steuerpflicht bei abkommensrechtlicher Ansässigkeit im Ausland?

    von StB Dr. Tobias Hagemann, M. Sc., LL.M., Frankfurt (Oder)

    In Zeiten zunehmender Mobilität des Personals treten vermehrt Konstellationen auf, in denen natürliche Personen in mehr als einem Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind. Findet in diesen Fällen ein DBA Anwendung, wird von einer sog. Doppelansässigkeit gesprochen. Das FG Baden-Württemberg hat sich jüngst mit den Auswirkungen einer Doppelansässigkeit auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach nationalem Recht befasst (FG Baden-Württemberg 7.10.15, 1 K 2833/12, EFG 17, 411).

     

    Sachverhalt

    Ein Architekt war seit 2002 in Rumänien wohnhaft und dort auch beruflich tätig (Lebensmittelpunkt). Im Inland unterhielt er mehrere Vermietungsobjekte, wobei ihm in einem dieser Objekte eine eigene Wohnung zur Verfügung stand. Ab dem Jahr 2003 gab der Kläger jährlich Einkommensteuererklärungen für beschränkt Steuerpflichtige ab. In diesen erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb eines Tonstudios, Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Architekt und schließlich auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus seinen inländischen Immobilien. Streitgegenstand war, ob bezüglich einiger leer stehender Objekte eine Einkünfteerzielungsabsicht vorlag oder es sich um steuerlich nicht relevante Verluste handelte.

     

    Anmerkungen

    Das FG Baden-Württemberg gab der Klage teilweise statt.

     

    Zunächst widmen sich die Urteilsgründe dem Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht. Hierbei wurden sowohl die Werbungskosten des Architekten erhöht als auch - in Übereinstimmung mit dem Finanzamt - eine Einkünfteerzielungsabsicht in Bezug auf einzelne Vermietungsobjekte negiert. Die Einkünfteerzielungsabsicht war teilweise zu verneinen, weil aufgrund von eingetretener Veräußerungsabsicht oder längerem Leerstand der Vermietungsobjekte der Steuerpflichtige keine Vermietungsabsicht mehr hatte. Dies gelte ungeachtet der bei einer auf Dauer angelegten Vermietung im Regelfall unwiderlegbar vermuteten Einkünfteerzielungsabsicht.

     

    Bezüglich der Steuerpflicht des Architekten ging das FG von einer lediglich beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG aus. Zwar unterhalte der Architekt eine zum dauerhaften Wohnen geeignete Wohnung, wodurch er einen Wohnsitz i. S. v. § 8 AO im Inland innehabe. Grundsätzlich sei auch eine natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz unterhalte, unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG. Allerdings habe der Architekt ebenfalls einen Wohnsitz in Rumänien und dort befinde sich sein Lebensmittelpunkt. Folglich gelte er auch als in Rumänien ansässig nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Rumänien.

     

    MERKE | Ist eine Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, wird die sogenannte Tie-Breaker-Regel gemäß Art. 4 Abs. 2 OECD-MA angewendet, damit nur einer der beiden Staaten als Ansässigkeitsstaat nach dem DBA gilt. Der andere Staat muss dann zurücktreten und gilt als Quellenstaat.

     

    Daher gelte der Architekt nach Auffassung des FG Baden-Württemberg nicht im Inland als unbeschränkt steuerpflichtig.

     

    Praxishinweise

    Das FG sah die Voraussetzungen des § 115 FGO für eine Zulassung der Revision zunächst nicht vorliegen. Auf Rechtsmittel der Finanzverwaltung hin hat der BFH indes die Revision zugelassen (I R 74/16), insoweit die Rechtsfrage betroffen war, ob ein inländischer Wohnsitz auch dann zur unbeschränkten Steuerpflicht führt, wenn auch im Ausland ein Wohnsitz unterhalten wird und sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet.

     

    Im Internationalen Steuerrecht wird zwischen der mit dem Welteinkommensprinzip einhergehenden unbeschränkten Steuerpflicht und der sich nur auf bestimmte - inländische - Einkünfte erstreckenden beschränkten Steuerpflicht unterschieden. Während die beschränkte Steuerpflicht inländische Einkunftsquellen voraussetzt, knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht an das Vorliegen eines Wohnsitzes (§ 8 AO) oder eines gewöhnlichen Aufenthalts (§ 9 AO).

     

    Ein Wohnsitz i. S. d. § 8 AO setzt das Vorliegen einer Wohnung als „stationäre Räumlichkeit“ voraus, die auf Dauer zum Bewohnen geeignet ist (Buciek, in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rn. 15). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss es sich bei diesem Wohnsitz nicht um den gewöhnlichen Aufenthalt handeln, weil § 8 AO nur das Vorliegen „eines“ Wohnsitzes im Inland fordere und hierbei nicht zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz unterscheide, sondern vielmehr von einer Gleichwertigkeit aller Wohnsitze ausgehe (BFH 28.1.04, I R 56/02, BFH/NV 04, 917).

     

    Auch § 1 Abs. 1 S. 1 EStG fordert, dass eine natürliche Person im Inland „einen“ Wohnsitz unterhält. Folglich genügt es für das Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn sich einer von mehreren Wohnsitzen des Steuerpflichtigen im Inland befindet (Jelinek, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 1 Rn. 50). Es ist davon auszugehen, dass der I. Senat des BFH das Urteil der Vorinstanz aufheben wird.

     

    Beachten Sie | Der BFH hatte zuletzt in einem Beschluss vom 25.5.16 (I B 139/11) - zur Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 S. 1 EStG - entschieden, dass ein inländischer Wohnsitz auch dann zur unbeschränkten Steuerpflicht führt, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich im Ausland befindet.

     

    Auch das System des § 1 Abs. 1 EStG, die unbeschränkte Steuerpflicht an zwei alternative Tatbestandsmerkmale zu knüpfen, unterstreicht dieses Ergebnis. Wenn eine unbeschränkte Steuerpflicht wegen des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland (§ 9 AO) besteht, wird der Wohnsitz (§ 8 AO) regelmäßig im Ausland liegen. Wenngleich in der Terminologie der abkommensrechtlichen Tie-Breaker-Regel (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA) die erforderliche „ständige Wohnstätte“ nicht mit dem Wohnsitz nach § 8 AO gleichzusetzen ist (Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, Art. 4 OECD-MA Rn. 180 ff.), wird in einem solchen Sachverhalt i. d. R. eine ständige Wohnstätte im Ausland anzunehmen sein. Aufgrund der in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) OECD-MA angelegten Maßgeblichkeit der ständigen Wohnstätte gilt in DBA-Fällen der andere Staat als Ansässigkeitsstaat. Dem „gewöhnlichen Aufenthalt“ käme als Tatbestandsmerkmal der unbeschränkten Steuerpflicht in Abkommensfällen kaum noch Bedeutung zu.

     

    MERKE | Der Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht ist ein rein innerstaatlicher Rechtsbegriff (Wassermeyer/Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 4 OECD-MA Rn. 2). Der Begriff der „Ansässigkeit“ gehört dagegen zum Bereich des Abkommensrechts. Zwar ist die unbeschränkte Steuerpflicht Voraussetzung für die abkommensrechtliche Ansässigkeit (Tumpel, in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA, Art. 4 OECD-MA Rn. 7). Umgekehrt ergeben sich indes keine Auswirkungen der abkommensrechtlichen Ansässigkeit auf die unbeschränkte Steuerpflicht.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2017 | Seite 210 | ID 44708210